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55. 1,2,3-Trichlorpropan
(CAS-Nr.: 96-18-4)
(BArbBl. 8/1999 S. 48)
Ausgabe: Juli 1999
Stand: Nov. 1998
Grundlage für die Bewertung von 1,2,3-Trichlorpropan ist im wesentlichen die MAK-Begründung aus dem Jahre 1993 [1].
1,2,3-Trichlorpropan (TCP) wirkt reizend an Haut und Auge [1].
Genotoxizität:
TCP wirkt im Ames-Test an S. typhimurium und im Maus-LymphomTest in Gegenwart von S9-Mix mutagen. Positiv verliefen auch ein Chromosomenschädigungstest an CHO-Zellen, ,ein Mikronucleus-Test in vitro und SCE-Tests an V 79- und an CHO-ZeIlen, jeweils in Gegenwart von S9-Mix. Im DNA-Schädigungs- und im UDS-Test an Hepatozyten in vitro war TCP inaktiv [1].
Ein weiterer Mikronucleus-Test in vitro an isolierten Humanlymphozyten mit TCP-Konzentrationen von 218 mM (295-1180 µg/ml) verlief mit und ohne Zusatz von S9-Mix negativ [2].
Im Comet-Assay an isolierten Humanlymphozyten zeigte TCP bei Konzentrationen von 2-4 mM (295-590 µg/ml) in Gegenwart von S9-Mix eine deutliche DNA-schädigende Wirkung; ohne S9-Mix war der Effekt viel schwächer ausgeprägt [2].
Negativ verliefen ein UDS-Test in vivo an Rattenhepatozyten, ein Dominant-Letal-Test an der Ratte sowie ein Mikronucleus-Test in vivo am Knochenmark der Maus. Nach einmaliger i.p.-Applikation konnten bei der Ratte DNA-Fragmentierungen in Hepatozyten und in Nierenzellen durch alkalische Elution nachgewiesen werden [1].
Im Rahmen einer DNA-Bindungsstudie erhielten männliche F344/ N-Ratten und männliche B6C3F1-Mäuse eine einmalige Gabe von mit14C-markiertem TCP in Höhe der in der NTP-Kanzerogenesestudie eingesetzten jeweils niedrigsten und höchsten Dosierung (Ratte: 3 und 30 mg/kg KGW; Maus: 6 und 60 mg/kg KGW) mit der Schlundsonde. 6 Stunden nach der Applikation wurden die Tiere getötet und die DNA-gebundene Radioaktivität in verschiedenen Organen gemessen.
Die höchsten Radioaktivitätsgehalte wurden bei der Ratte in Leber, Niere, Pankreas, Drüsenmagen, Zunge und Vormagen und bei der Maus in Drüsenmagen, Leber, Vormagen, Niere festgestellt. Die Adduktkonzentrationen in den Organen waren dosisabhängig.
Zur Isolierung und Identifizierung der DNA-Addukte erhielten männliche Ratten eine einmalige i.p.-Gabe von 300 mg TCP/kg KGW und wurden 8 Stunden p.a. getötet. In der Leber-DNa konnte ein Hauptaddukt nachgewiesen und als S-[1-(Hydroxymethyl)-2-(N7-guanyl)-ethyl]-glutathion identifiziert. Dieses Addukt wurde früher bereits in Studien mit der strukturverwandten Substanz 1,2-Dibrom-3-chlorpro-pan nachgewiesen.
Die Tatsache, daß keine klare Korrelation zwischen dem Ausmaß der Adduktbildung in den Organen und der organbezogenen tumorigenen Wirkung von TCP erkennbar ist, weist darauf hin, daß zusätzlich zur DNA-Bindung noch weitere Faktoren zur Tumorbildung durch TCP beitragen [3].
Weiterhin wurde der Einfluß des Applikationsweges auf die DNA-Adduktbildung in Vormagen, Leber, Drüsenmagen und Niere untersucht. Dazu erhielten männliche B6C3F1-Mäuse über einen Zeitraum von 1 Woche jeweils 6 mg14C-TCP/kg KGW/Tag per Schlundsonde oder mit dem Trinkwasser. Während die Adduktkonzentrationen in Vormagen und Drüsenmagen gleichblieben, war die Adduktbildung in Leber und Niere nach Schlundsonden-Gabe etwa 1,5 bis zweimal so hoch wie nach Trinkwasser-Gabe.
Außerdem wurde die Zellproliferation in den 4 Organen nach 2-wöchiger Verabreichung von je 6 mg TCP/kg KGW/Tag an 5 Tagen/Woche per Schlundsonde bzw. mit dem Trinkwasser an männlichen B6C3F1-M~usen untersucht. Nach Schlundsonden-Gabe war die Proliferationsrate in Vormagen, Niere und Leber ca. dreimal so hoch wie nach Verabreichung mit dem Trinkwasser [4].
Zur Überprüfung der Bedeutung der gefundenen DNA-Addukte für die Tumorbildung wurde aus in Paraffin eingebetteten Gewebeproben von Vormagen-Tumoren von B6C3F1-Mäusen aus der NTP-Kanzerogenesestudie die ras-Gen-DNa isoliert und auf Mutationen hin untersucht. Bei 10 von 16 Tumoren fanden sich H-ras oder K-ras aktivierende Mutationen; in 6 Tumoren lag eine Mutation am Codon 61 des H-ras Gens vor mit Transversion von AT nach Ta an der 2. base (in 5 von 6 Fällen) und in den restlichen 4 Tumoren wurde eine K-ras
Mutation am Codon 13 mit Transversion von GC nach CG an der 1. base nachgewiesen. Da diese Mutationen nicht mit dem mißkodierenden Eigenschaften des TCP-DNA-Hauptadduktes im Einklang stehen, müssen für die Tumorbildung andere Faktoren verantwortlich sein. Vorläufige Befunde weisen darauf hin, daß die Schlundsonden-Gabe von in Maisöl gelöstem TCP zur Bildung der DNA-Ethenoaddukte 1,N6-Ethenodesoxyadenosin (1,N6-Etheno dA) und 3,N4-Etheno-desoxycytidin (3,N4-Etheno dC) im Vormagen führt, wahrscheinlich bedingt durch eine lokale Glutathiondepletion gefolgt von Lipidperoxidation [5].
Zur weiteren Abklärung des Mechanismus der Tumorbildung durch TCP erhielten Fischer 344-Ratten über 1 Woche tägliche Gaben von 30 mg TCP/kg KGW per Schlundsonde (in Maisöl) oder mit dem Trinkwasser. Anschließend wurden in der Leber- und Vormagen-DNa die Ethenoaddukte 1,N6-Etheno dA, 3,N4-Etheno dC sowie 8-Hydro-xydesoxyguanosin gemessen. Die Gehalte an diesen Addukten waren nur nach Schlundsonden-Gabe deutlich erhöht [6].
Kanzerogenität:
Bereits in einer 90-Tage-Studie an Ratten mit Schlundsondenapplikation treten bei einer Dosis von 59 mg/kg KGW/Tag vereinzelt präneoplastische Veränderungen (zelluläre Vormagen-Hyperplasie) und Tumoren (bronchioalveoläres Adenom, Mamma-Adenokarzinom, Vormagen-Papillom) auf [1].
Es liegt eine Kanzerogenesestudie des NTP an F344-N-Ratten und B6C3F1-Mäusen vor. Dabei erhielten je 50-52 männliche und weibliche Ratten 0; 3; 10 bzw. 30 mg TCP/kg KGW/ Tag an 5 Tagen wöchentlich über einen Zeitraum von maximal 103-104 Wochen mit der Magensonde. Wegen tumorbedingter stark erhöhter Mortalität mußten die Tiere der höchsten Dosisgruppen vorzeitig getötet werden (Ratte/ 30 mg/kg: 76 (m) bzw. 65 (w) Wochen; Maus/60 mg/kg: 79 (m) bzw. 73 (w) Wochen; Maus/20 mg/kg (m/w): 88 Wochen).
(Stand: 17.09.2020)
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