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57. Brommethan (Methylbromid)
(CAS-Nr.: 74-83-9)

Ausgabe: September 1999
(BArbBl. 9/1999 S. 63)



Brommethan (Methylbromid) findet überwiegend Verwendung als Begasungsmittel im Pflanzen-, Vorrats- und Gebäudeschutz, in sehr geringem Umfang auch als Alkylans in der präparativen organischen Synthese. Es entsteht bei der Verbrennung verbleiter Kraftstoffe, die Ethylendibromid enthalten, sowie in großen Mengen biogen aus anorganischem Bromid durch die Aktivität von Algen und höheren Pflanzen.

Die vorhandenen toxikologischen Erkenntnisse sind in mehreren Übersichtsarbeiten zusammengefaßt [1, 2, 3], auf die sich die nachfolgenden Abschnitte im wesentlichen stützen.

Allgemeine Toxizität

Brommethan wirkt akut hochtoxisch und schädigt das zentrale Nervensystem. Weitere wichtige Effekte sind Lungenödem, Nierenschäden und Leberfunktionsstörungen. Die Substanz, deren Toxizität durch eine steile Dosis-Wirkungs-Kurve charakterisiert wird, ist haut- und schleimhautreizend und kann in relevanten Mengen über die Haut aufgenommen werden.

Bindung an Makromolekule

Als alkylierendes Agens zeichnet sich Brommethan durch eine hohe Reaktionsfreudigkeit gegenüber nukleophilen Zentren in Proteinen und Nukleinsäuren aus. Die Umsetzung mit isolierter DNa bzw. kultivierten Zellen sowie die Begasung von Mais- und Weizenpflanzen führten zur Methylierung zyklischer und exozyklischer Stickstoffatome von Cytosin, Adenin und Guanin.

Nach in vivo-Exposition fanden sich DNA-Addukte in Leber und Milz von CBA-Mäusen (inhalative und i. p. Applikation; Djalali-Behzad et al., 1981) sowie in Leber, Lunge, Vormagen und Magen von F344-Ratten (orale und inhalative Verabreichung; Gansewendt et al., 1991). Bei dem Rattenexperiment wurde u. a. O6-Methylguanin nachgewiesen.

Schädlingsbekämpfer, die mit Brommethan Umgang hatten, wiesen gegenüber Kontrollpersonen einen erhöhten S-Methylcystein-Gehalt in Blutproteinen auf [4,5].

Gentoxizität in vitro

Brommethan erwies sich als mutagen in folgenden in vitro-Systemen:

Ames-Test (Ta 98, 100, 1535), SOS-Chromotest (Ta 1535/psK 1002), E.-coli-Vorwärtsmutation, Fluktuationstest (Klebsiella pneumoniae), Maus-Lymphom-Test (LS 178Y) und erzeugte Schwesterchromatidaustausche und Chromosonenaberrationen in menschlichen Lymphozyten. Teilweise wurden auch externe Stoffwechselaktivierungs-Systeme verwendet.

Negativ verliefen die Versuche mit den S.-typhimurium-Stämmen Ta 1537 und Ta 1538, in einigen Labors auch mit Ta 98 und 1535. Außerplanmäßige DNA-Synthese (UDS) konnte weder in primären Rattenhepatozyten noch in menschlichen Darmfibroblasten nach Brommethan-Exposition in vitro beobachtet werden. Auf Adenovirus-infizierte SHE-Zellkulturen wirkte die Substanz nicht transformierend.

Gentoxizität in vivo

Außer in Gerstensamen wirkte Brommethan auch im Tiermodell gentoxisch (s. Tabelle). Eine genauere Analyse der Zeitabhängigkeit für den SLRL-Test an Drosophila legt den Schluß nahe, daß sich eine meßbare Akkumulation prämutagener Schäden überwiegend auf diejenigen Stadien der Spermatogenese beschränkte, deren DNA-Reparatur-Kapazität vermindert ist. Nukleotidexzisionsreparaturdefiziente Fruchtfliegen-Mutanten reagierten im SLRL-Test empfindlicher als der Wildtyp [6].

Brommethan erzeugte Mikrokerne in Nagetieren nach Ganzkörperexposition (s. Tabelle). Bemerkenswert ist, daß der im Rahmen einer NTP-Studie durchgeführte Mikronukleus-Test an Mäusen nur bei Weibchen und kurzer Exposition zu positiven Resultaten führte. Es wird spekuliert, daß die Abschwächung des Effektes mit steigender Inhalationsdauer auf metabolische Veränderungen oder Nachlassen der Sensitivität des Knochenmarks zurückzuführen sein könnte (NTP, 1992).

Im Gegensatz zu gleichbehandelten Weibchen wurde bei männlichen Sprague-Dawley-Ratten nach Ganzkörperexpositon gegen 272 mg Brommethan pro Kubikmeter Atemluft an fünf aufeinanderfolgenden Tagen (7 h/d) ein signifikanter Anstieg an Chromosomenaberrationen in Knochenmarkszellen gefunden (P < 0,005). Bleiben bei der statistischen Analyse diejenigen Zellen unberücksichtigt, die lediglich "Gaps" (färberische Lücken) aufwiesen, sinkt der Befund unter die Signifikanzgrenze. Das Ergebnis wird deshalb als negativ gewertet (McGregor, 1981).

Je zehn männliche Ratten wurden an fünf aufeinanderfolgenden Tagen jeweils sechs Stunden lang 245, 490 und 980 mg/m3 Brommethan in einer Expositionskammer ausgesetzt. Wie aus einer kurzen Kongreßzusammenfassung hervorgeht, zeigten sich in der am höchsten dosierte Gruppe am letzten Behandlungstag klinische Effekte (Ataxie, Spasmen, Lethargie und Prostration). Zwei Tiere aus dieser Gruppe starben. Im Alkalischen Elutionstest wurden sowohl 1 Stunde als auch 24 Stunden nach Expositionsende statistisch signifikant erhöhte Elutionsraten der DNa aus den Hoden der höchstexponierten Ratten gemessen [7].

Ein Dominant-Letal-Test mit Sprague-Dawley-Ratten fiel negativ aus (Mc Gregor, 1981; s. Abschn. 6 "Reproduktionstoxizität").

Anläßlich einer Gebäudebegasung mit Brommethan in Deutschland wurden 5 Schädlingsbekämpfern unmittelbar im Anschluß an die Lüftung des Gebäudes periphere Lymphozyten entnommen und deren DNa mittels Alkalischer Filterelution untersucht. Unter den Probanden gab es drei sog. "Nichtkonjugierer" (keine GSTTI -Aktivität in den Erythrozyten, s. Abschn. 8 "Metabolismus"). Sie wiesen gegenüber den beiden "Konjugierern" deutlich erhöhte DNA-Strangbruchraten auf [8]. Während der Bodenbegasungsperiode im Sommer stieg die Schwesterchromatid-Austauschrate in peripheren Lymphozyten von Schädlingsbekämpfern, die mit Brommethan arbeiteten, trotz Atemschutzmaßnahmen an [5].

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