Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
14. Strahlenpilzhaltiger Staub

(BArbBl. 1/98 S. 52)



Vorkommen:

Zu den Strahlenpilzen (Aktinomyceten) im engeren Sinne sind granipositive Bakterien zu rechnen, die myzelartig wachsen. Es handelt sich um ubiquitäre Organismen, die besonders häufig in der Erde vorkommen, jedoch auch im Hausstaub zu finden sind [1]. Aktinomyceten können Sporen bilden, die längere Perioden der Austrocknung überstehen. Der einzige hitzeresistente sporenbildende Aktinomycet ist Thermoactinomyces vulgaris. Er ist thermophil und gehört zu der Bakterienflora, die in feuchtem Heu und organischen Abfällen vorkommt und dort zur Selbsterhitzung führen kann. Typische Arbeitsplätze, an denen Aktinomyceten vorkommen, sind in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Entsorgungswirtschaft zu finden (Tab. 1).

Arbeitsmedizinische und experimentelle Daten:

Das Einatmen von Stäuben organischer Materialien, die mit Aktinomyceten und deren Sporen kontaminiert sind, kann eine allergische Lungenerkrankung, die exogen allergische Alveolitis (EAA), hervorrufen [2, 3]. Dabei handelt es sich um eine Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ III/IV, bei der sich im Serum vermehrt Antikörper der IgG- und IgA-Klasse gegen den betreffenden Inhalationsstoff, in diesem Falle Aktinomyceten, nachweisen lassen [14].

Beispielsweise kann Heustaub (Farmerlunge) Ursache einer beruflichen Sensibilisierung sein [4]. So wurde an Arbeitsplätzen von Landwirten Sporenkonzentrationen von 2,61+ 1,8 x 109 pro in3Luft gefunden, während in Referenzbereichen nur 0,21 ± 0,2 x 109 Sporen pro m3 zu messen waren [5]. Für die Entwicklung einer Farmerlunge sind insbesondere die Bakterienarten Saccharopolyspora rectivirgula (= Micropolyspora faeni) und Thermoactinomyces vulgaris verantwortlich. CORMIER und LAVIOLETTE [6] geben für die Prävalenz dieser Erkrankung unter Landwirten in Abhängigkeit von der Beschäftigungsregion Werte zwischen 0,3 und 15 % an. Bezüglich der Inzidenz der Farmerlunge zitieren ZEJDa und DOSMAN [7] Werte zwischen 0,02 und 0,05 % pro Jahr.

KATILa et al. [8] untersuchten Milchbauern im Rahmen einer Längsschnittstudie bezüglich berufsbedingter Atemwegserkrankungen sowie des Gehaltes an IgG-Antikörpern gegen Aktinomyceten (Thermoactinomyces vulgaris, Saccharopolyspora rectivirgula) und gegen Schimmelpilze. Bei 70 % der Milchbauern war der Gehalt an spezifischem IgG identisch mit dem bei der ersten Untersuchung sechs Jahre zuvor. Die übrigen Probanden zeigten bezüglich der Antikörper gegen Aktinomyceten durchweg eine Zunahme, während der Gehalt an Antikörpern gegen Schimmelpilze bei einigen Milchbauern gesunken war. Personen, die innerhalb des Untersuchungszeitraumes das Krankheitsbild einer Farmerlunge entwickelt hatten, wiesen einen signifikanten Anstieg an IgG-Antikörpern gegen Thermoactinomyces vulgaris und Saccharopolyspora rectivirgula auf.

In einer weiteren Studie wurde der Gehalt an spezifischen Antikörpern der Klassen IgG, IgA, IgM und IgE gegen Thermoactinomyces vulgaris und Saccharopolyspora rectivirgula bei 13 Patienten mit Farmerlunge über einen Zeitraum von 18-3 8 Monaten untersucht [9]. Dabei zeigte sich eine gute Korrelation zwischen dem Krankheitsverlauf und dem Gehalt der IgG- und IgA-Antikörper gegen Aktinomyceten.

Tabelle 1: Arbeitsplätze, an denen es zur Ausbildung einer berufsbedingten exogen allergischen Alveolitis durch Aktinomyceten kommen kann [in Anlehnung an 10]

Bereich Bearbeitete Materialien/Exposition
Landwirtschaft Heu, Stroh, Gemüse, Futtersilos, Viehställe
Forstwirtschaft Holzstaub, verschimmelte Holzschnitzel
Landwirtschaft und Gartenbau Champignonanbau auf speziellem Substrat, Umgang mit Speisepilzen und Giftpilzen, Pilzkompost
Gartenbau Umgang mit Rindenmulch
Entsorgungswirtschaft Kompostierung
Entsorgungswirtschaft Wertstoffsortieranlagen, mechanisch-biologische Restinüllbehandlung
Entsorgungswirtschaft Biologische Sanierungsverfahren
Druckereien u.a. Luftbefeuchter, Klimaanlagen

Bewertung:

Eine höhergradige Belastung der Arbeitsplatzatmosphäre mit Aktinomyceten birgt das Risiko einer exogen allergischen Alveolitis (EAA) in sich. Die Erkrankungs-Prävalenz in exponierten Kollektiven kann in solchen Fällen über 10 % betragen. Andere Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Aktinomyceten sind dagegen ungewöhnlich. Eine Korrelation zwischen der Gesamtstaubmenge und der darin enthaltenen Zahl an Keimen ist nicht immer gegeben [10]. Aus diesem Grunde können staubreduzierende Maßnahmen wie Luftabsaugvorrichtungen oder das Tragen von Filtermasken das gesundheitliche Risiko senken, jedoch nicht völlig ausschalten [5].

Literatur:

  1. Horak, B.; Dutkiewicz, J.; Solarz; K: Microflora and acarofauna of bed dust from homes in Upper Silesia, Poland. Ann Allergy Asth Immunol 76 (1), 41-50 (1996)
  2. Sennekamp, H. J.: Exogen allergische Alveolitis und allergische bronchopulmonale Mykosen. Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York (1994)
  3. Bergmann, K. C.: Die Pathogenese der exogen-allergischen Alveolitis: Eine Immunregulationsstörung? Allergologie 13 (3), 85-90 (1990)
  4. Baur, X.: Berufsbedingte bronchopulmonale Erkrankungen. In: Fabel H (Hrsg.), Pneumologie, Urban & Schwarzenberg München, 2. Auflage, 495-518 (1995)
  5. Baur, X.: Berufskrankheit - Exogen-allergische Alveolitis. Zbl Arbeitsmedizin 43 (9), 282-283 (1993)
  6. Cormier, Y.; Laviolette, M.: Farmer`s lung. In: Seminars in respiratory medicine. Occupational lung diesease in agriculture. - Thieme Medical Publishers 14(1), 31-37 (1993)
  7. Zejda, J. E.; Dosman, J. A.: Respiratory disorders in agriculture. Tubercle and Lung Disease 74, 74-86 (1993)
  8. Katila, M. L.; Ojanen, T. H.; Mantyjarvi, R. A.: Significance of IgG antibodies against environmental microbial antigens in a farming population. Clin Allergy 16 (5), 459-467 (1986)
  9. Ojanen. T.; Terbo, E. O.; Tukiainen, H.; Mantyjarvi, R. A.: Classspecific antibodies during follow up of patients with farmer`s lung. Eur Resp J 3 (3), 257-269 (1990)

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