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Regelwerk

Begründungen für die Einstufungen krebserzeugender Gefahrstoffe in Gefährdungsgruppen II oder III der Liste des Anhanges II Nr. 1.1 Gefahrstoffverordnung
Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)

Ausgabe September 1987
(s. TRGS 002)



Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) geben den Stand der sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen sowie arbeitsmedizinischen, hygienischen sowie arbeitswissenschaftlichen Anforderungen an Gefahrstoffe hinsichtlich Inverkehrbringen und Umgang wieder. Sie werden vom

Ausschuß für Gefahrstoffe (AGS)

aufgestellt und von ihm der Entwicklung entsprechend angepaßt.

Die TRGS werden vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Bundesarbeitsblatt (BArbBl.) und vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Bundesgesundheitsblatt bekanntgegeben.

Dieses Blatt enthält die vom Ausschuß für Gefahrstoffe verabschiedeten Begründungen für die Einstufungen der krebserzeugenden Gefahrstoffe in Gefährdungsgruppen.

I Vorbemerkungen

Nachdem sich - eigentlich erst in den letzten zehn Jahren - gezeigt hat, daß die Krankheit Krebs weitgehend auch vom gesamten Lebensstil beeinflußt wird, spielt die Krebsprophylaxe in der allgemeinen Gesundheitsvorsorge eine ganz besondere Rolle. Dies gilt natürlich auch für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Die arbeitsplatzbezogene Krebsforschung hat der Krebsursachen-Forschung sogar ganz entscheidende Impulse gegeben.

Das Ausmaß arbeitsbedingter Krebsverursachung wird unterschiedlich bewertet. Auch deswegen sind die Bemühungen, gerade die Ursache der berufsbedingten Krebserkrankungen zu erkennen und zu vermeiden, in den letzten zehn Jahren außerordentlich intensiviert worden. Bei einer solchen substanzbezogenen Forschung ist die Erforschung des Einflusses der Lebensweise auf die Krebsentstehung in den Hintergrund getreten, obwohl gerade diesem Komplex sicherlich auch eine große Bedeutung zukommt. In der Praxis ergibt sich häufig die Schwierigkeit, die aus der substanzbezogenen Forschung resultierenden Erkenntnisse abzuwägen gegenüber möglichen Wirkungen anderer Einflüsse. Hier sei beispielhaft nur an die diesbezüglich sehr wichtigen Eßgewohnheiten erinnert und daran, daß es anscheinend unmöglich ist, den allbekannten Risikofaktor "Zigarettenrauchen" auszuschalten, weil es dazu wohl einer tiefgreifenden Änderung der Lebenssituation in den sogenannten Wohlstandsländern bedarf.

Doch selbst bei der substanzbezogenen Krebsursachen-Forschung sind noch sehr viele Fragen offen. Was für den Menschen krebserzeugend ist, kann mit letzter Sicherheit nur durch Erfahrungen am Menschen festgestellt werden. Da solche Erfahrungen aber immer äußerst leidvoll sind, müssen sie vermieden werden. Auf diesem Gebiet liegt eine der großen Aufgaben von Tierversuchen, denn hier können die Stoffe - und auch die Lebensumstände - erkannt werden, bei denen auch beim Menschen mit krebserzeugenden bzw. krebsfördernden Wirkungen gerechnet werden muß. Hier hat der Tierversuch eine große und verantwortungsvolle Aufgabe.

Um der schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, muß das "Instrument Tierversuch" so empfindlich wie möglich gemacht werden. Nur dann sind nämlich auch schwache Effekte zu erkennen. Werden aber die Ergebnisse solcher hochempfindlichen Tests unkritisch bewertet, so ist damit zu rechnen, daß letztlich die große Mehrzahl aller Stoffe in irgendeinem dieser Versuche positiv ist, also als krebserzeugend eingestuft werden muß. Dies wäre ein unsinniges Vorgehen. Sinnvoll kann es auch nicht sein, routinemäßig mit äußerst aufwendigen "Standard-Versuchen" zu testen und diese Versuche ebenso routinemäßig auszuwerten und zu bewerten. Vernünftig ist der Einsatz verschiedenartiger empfindlicher Tests - entsprechend den Gegebenheiten - und die Bewertung der Ergebnisse durch ein Expertengremium.

Zweifellos gibt es schon bei der "ja"- oder "nein"-Antwort viele Grenzfälle, die selbst von einem solchen kompetenten Gremium nicht eindeutig zu entscheiden sind - eine gewisse Unsicherheit bleibt. Wird nun ein solcher Grenzfall als "krebserzeugend" eingestuft, so ist klar, daß zwischen dem Gefährdungspotential dieses Stoffes und dem eines Stoffes mit einer sehr starken krebserzeugenden Wirkung ein ganz wesentlicher Unterschied besteht. Wenn man nicht alle tierexperimentiellen Ergebnisse in Frage stellen will, muß man davon ausgehen, daß ein ähnlicher Unterschied im Gefährdungspotential im allgemeinen auch für den Menschen besteht. Die Unwägbarkeiten der Übertragung tierexperimenteller Erkenntnisse auf den Menschen gebieten in jedem Falle - falls nichts anderes wissenschaftlich begründbar ist - die ungünstigsten Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Dem im Arbeitsschutz tätigen Praktiker ist nicht damit gedient, wenn ihm z.B. zwei solche Substanzen mit extrem unterschiedlichen Wirkungsstärken ohne nähere Erklärung als "krebserzeugend" angegeben werden. So etwas wäre auch keineswegs eine solide Ausgangsbasis für eine vergleichende Risiko-Nutzen-Analyse. Krebserzeugend ist nicht gleich krebserzeugend. Aus diesem Grunde entschloß sich der Ausschuß für Gefahrstoffe zu dem mehrheitlich getragenen Kompromiß, die krebserzeugenden Gefahrstoffe nach ihrer Gefährlichkeit gruppenmäßig einzustufen.

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