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TRGS 910-12 A: Beschluß zur Umstufung von Asbest

(BArbBl. 9/88 S. 84)


Der Ausschuß für Gefahrstoffe hat am 22. Juni 1988 folgende Änderung der Einstufung von Asbest beschlossen:

Krebserzeugender
Stoff

Gruppen

I
(sehr stark gefährdend)
II
(stark gefährdend)
III
(gefährdend)

Massengehalte im Gefahrstoff in v. H.

Asbest
Chrysotil
Amphilbol-Asbeste
(Aktinolit, Amosit, Antophyllith, Krokodylith, Trempolith

> 2
> 0,5 

 < 2-0,2
< 0,5-0,05

< 0,2-0,02
<0,05-0,005

Dieser Beschluß wird erst mit entsprechender Änderung der Gefahrstoffverordnung verbindlich.

Begründung:

Seit der 1979 erfolgten Einstufung von Arbeitsstoffen mit einem Asbestgehalt von> 1 % in Gruppe II sind neue Erkenntnisse gewonnen worden, die die bereits damals bestehenden Argumente für die Bewertung von Asbest als besonders starkes Kanzerogen arbeitsmedizinisch-epidemiologisch und toxikologisch auf eine wesentlich breitere Grundlage stellen. Dementsprechend erfolgt nunmehr eine Einstufung in die Gruppe 1 - Dabei ist - ebenfalls mit arbeitsmedizinischer-epidemiologischer und toxikologischer Begründung - nunmehr zwischen Chrysotil und den Amphibolasbesten differenziert worden, wobei der gewichtsprozentuale Anteil der Amphibolasbeste stärker beschränkt wurde als derjenige von Chrysotil. Darüber hinaus wird auf die gegenüber 1979 stark gewachsenen Möglichkeiten zum Asbestersatz durch andere Stoffe hingewiesen (1).

Arbeitsmedizinisch-epidemiologische Begründung

Asbest kann beim Menschen mindestens zwei Tumorarten verursachen, nämlich Lungenkrebs und Mesotheliom (= bösartiger Tumor des Brust- oder Bauchfells) Da das Mesotheliom ohne Asbestfaserstaub-Gefährdung ein sehr seltener Tumor ist, wird aufgrund verschiedener Untersuchungen davon ausgegangen, daß etwa 2/3 aller in den letzten Jahren aufgetretenen Mesotheliomfälle durch Asbest verursacht wurden. Aufgrund des Mesotheliomregisters für die Bundesrepublik (2) und anderer epidemiologischer Untersuchungen ist hochgerechnet worden, daß in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig etwa 1000 (3, 4) oder 1300 (5) Krebstodesfälle pro Jahr durch Asbest verursacht werden. Dieser Schätzwert umfaßt etwa 350-400 Mesotheliome sowie die doppelte Anzahl Bronchialkarzinome. Ein wesentliche Teil der darin enthaltenen Lungenkrebsfälle ist auf die Kombination von Zigarettenrauch- und Asbestfaser-Inhalation im Sinne der wesentlichen Mitverursachung zurückzuführen.

Die dem Mesotheliomregister (2) zugrundeliegenden Sterbefälle durch Asbestfaserstaub sind auf die in Mittel hohen Konzentrationen an Arbeitsplätzen in den 20er bis 60er Jahren zurückzuführen; die Latenzzeit zwischen Beschäftigungsbeginn und dem Auftreten von Lungenkrebs oder Mesotheliom beträgt etwa 10 bis mehr als 50 Jahre. Bis 1950 lag die Asbesteinfuhr jedoch unter 20000t/Jahr, stieg in den folgen den 15 Jahren steil an und lag 1965 bis 1978 zwischen 150 und 180000t/Jahr. Auch die Zahl der Beschäftigten in der Asbestindustrie erhöhte sich, z.B. in der Asbestzementindustrie zwischen 1954 und -1964 von etwa 2000 auf 9500 (6) In jedem Falle besteht für Asbest auch im verarbeitenden Handwerk eine stark Verbreitung. Die Zahl der Asbest verarbeitenden Handwerker dürfte um ein Vielfaches höher liegen als die Zahl der Beschäftigten in der Asbestprodukte herstellenden Industrie. Die einschneidenden Staubminderungsmaßnahmen der 70er Jahre und der Rückgang des Asbestverbrauches in den 80er Jahren können sich auf die Krebssterblichkeit erst mit entsprechender Verzögerung auswirken. Die große Verbreitung von Asbest, der als sehr stark krebserzeugend beurteilt wird, gibt eine zusätzliche Begründung für die Einstufung.

Aufgrund der umfangreichen epidemiologischen Untersuchungsergebnisse in England und Nordamerika sind mehrere Abschätzungen des Krebsrisikos durch Asbest durchgeführt worden. Die Schätzungen von Doll und Peto (7), die niedriger liegt als diejenigen der amerikanischen Arbeitsschutzbehörde OSHa (8), ergeben für die Chrysotil-Textilindustrie ein asbestbedingtes Krebsmortalitätsrisiko von 0,8% nach einer 35jährigen Gefährdung gegenüber einer Asbestfaserkonzentration von 0,25/ml (1/4 des gegenwärtigen TRK-Wertes). Die Tätigkeit von Isolieren führte bei gleicher (geschätzter) Asbestfaserzahl zu einem ähnlich hohen Krebsrisiko wie in der Textilindustrie. In der Reibbelagindustrie und in der Asbestzementindustrie scheint das Risiko kleiner zu sein als in der Textilindustrie. Hier dürften arbeitstechnisch bedingte unterschiedliche Faserkonzentrationen und Faserabmessungen eine Rolle spielen.

Die Krebsgefährdung durch Asbestfasern wird aufgrund der vorliegenden Risikoabschätzungen und im Hinblick auf die mögliche Höhe der Gefährdung als sehr stark bewertet. Es stellt sich die Frage, ob die aufgetretenen Krebsfälle durch Asbest zu einem hohen Anteil durch die beständigeren Amphibolasbestarten hervorgerufen wurden, obwohl mehr als 90% des verarbeiteten Asbests auf Chrysotil entfielen.

Weiterhin ist zu fragen, ob mit einem so großen Unterschied der kanzerogenen Potenz zwischen Chrysotil und den Amphibolen gerechnet werden muß, daß er bei der höchsten Konzentration im Arbeitsstoff eine Einstufung in verschiedene Gruppen rechtfertigt. Zur Beurteilung ergeben sich aus der Epidemiologie folgende Hinweise:

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