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TRGS 910-55: 2,4-Diaminoanisol

(BArbBl. 9/83 S. 35)


Krebserzeugender
Stoff

Gruppen

I
(sehr stark gefährdend)
II
(stark gefährdend)
III
(gefährdend)

Massengehalte im Gefahrstoff in v. H.

2,4-Diaminoanisol     > 1

Erläuterung:

2,4-Diaminoanisol (DAA) bzw. 2,4-Diaminoanisolsulfat (DAAS) wurde vorwiegend als Haarfärbemittel verwendet. Nach Schätzung der National Institute of Occupational Safety and Health gehörten etwa 400000 Menschen zum mit DAa exponierten Personenkreis (NIOSH, 1978). Epidemiologische Studien in Dänemark und England erbrachten jedoch keine eindeutigen Anzeichen für Erhöhung der Krebshäufigkeit bei exponierten Personen (BGA-Schriften 4/1985).

DAa und DAAS waren akut mäßig toxisch und als 10%ige Lösung kaum oder nur leicht reizend an Haut und Schleimhäuten. Sie wurden im Vergleich zu anderen Aminen nur in geringen Mengen durch die intakte Haut resorbiert und wirkten nicht sensibilisierend. Eine teratogene Wirkung ist bei Untersuchungen an Haarfarben-Formulationen, die DAAS enthielten, nicht gefunden worden (Tox. Arbeitsmed. Bergr. von MAK-Werten, 1985). Dagegen hat sich DAa und DAAS in verschiedenen Untersuchungen auf mutagene Wirkungen als positiv erwiesen (Kemper und Lüpke. 1983).

Zur Bestimmung der möglichen krebserzeugenden Wirkung der Formulierungen, die DAa bzw. DAAS (am meisten im praktischen Gebrauch) als Aminokomponente und Wasserstoffsuperoxid als Oxidationsmittel enthielten, wurden entsprechende Gemische durch wiederholtes Auftragen auf die Mäuse- und Rattenhaut getestet. Dabei wurden keine Tumoren beobachtet (Burnett et al., 1975, Kinkel et al., 1973).

DAAS wurde auch in Lengzeit-Fütterungsversuchen (Applikationszeit 78 Wochen) an Ratte und Maus geprüft. Je 50 männliche und 50 weibliche F 344 Ratten erhielten täglich 0,5 oder 0,12 % im Futter. Dieselbe Anzahl weiblicher und männlicher B6C3F1-Mäuse erhielten 0,24 oder 0,12% nach demselben Fütterungsschema. Zu jeder Gruppe gehörte eine entsprechende Kontrollgruppe. Die Nachbeobachtungszeit betrug bei den Ratten 29 und bei den Mäusen 18-19 Wochen.

In der Rattenstudie konnte neben einer Depression der mittleren Körpergewichte in der hohen Dosisgruppe die Entwicklung von Schilddrüsentumoren bei beiden Geschlechtern und beiden Dosierungen beobachtet werden. Nach Gabe von 0,5% war bei beiden Geschlechtern die Anzahl von malignen Follikularzelltumoren der Schilddrüse signifikant höher als bei den Kontrollratten. Bei den männlichen Ratten der 0,5 %-Gruppe ergab sich eine signifikante Erhöhung von C-Zelladenomen und Karzinomen der Schilddrüse. Weiterhin war die Zahl der malignen Hauttumoren bei den männlichen Tieren der 0,5 %-Gruppe erhöht. Außerdem traten maligne Tumoren der Haut des äußeren Gehörganges (sog. Zymbaldrüsentumore) signifikant häufiger bei beiden Geschlechtern und beiden Behandlungsgruppen als den jeweiligen Kontrollen auf. Ebenfalls signifikant erhöht waren Präputialdrüsentumoren männlicher Tiere der 0,5 %-Gruppe (NCI. 1978, Ward et al., 1979). Als Ergebnis der Mäusestudie fanden sich bei den männlichen Tieren der hohen Dosisgruppe signifikant vermehrt Follikelzelladenome und Hyperplasien der Schilddrüse (Evarts u. Brown. 1980).

Die krebserzeugende Wirkung von DAa und DAAS ist aufgrund dieser tierexperimentellen Befunde wahrscheinlich und im Zusammenhang mit den positiven Ergebnissen aus den Mutagenitätsprüfuugen zusätzlich begründet (IRAC, 1982, Arbeitsmed. tox. Begr. von MAK-Werten, 1985). Aus den vorliegenden Befunden zeigt sich aber auch, daß DAa eine thyreotrope Substanz ist, die bei Langzeitapplikation über das Futter wachstumsstimulierend auf Follikelepithelzellen der Schilddrüse wirkt. Während Hyperplasien und in verhältnismäßig geringer Zahl Adenome der Schilddrüse bei niedrigen Dosen gefunden wurden, zeigten sich vermehrt gutartige und bösartige Tumoren in hoben Dosen. Diese hohen Dosen haben in einigen Versuchen zu verminderter Gewichtszunahme im Vergleich zu den Kontrollen und niedriger dosierten Tieren geführt und können damit als toxisch oder mindestens nahe dem toxischen Bereich angesehen werden. Da aus der thyreotropen Wirkung und Follikelzellhyperplasie auch sekundär eine abnorme hormonelle Wirkung abgeleitet werden kann. ist die im Verhältnis zu den Schilddrüsentumoren in geringerer Häufigkeit auftretende Zahl der Präputial-, Klitoris- und Zymbaldrüsentumoren in ihrer Entstehung ebenfalls als Folge einer hormonellen Dysregulation denkbar. Mit Berücksichtigung des Zugrundeliegens eines potentiellen. sekundären <hormonell bedingten) Biomechanismus und der Tatsache, daß der Stoff ausschließlich nach oraler Applikation und in Dosen nahe dem toxischen Bereich maligne Tumoren bei Ratten und Mäusen hervorruft, wird die Einstufung in Gruppe ITT (gefährdend) der Arbeitsstoffverordnung vorgenommen, und zwar in der Konzentration> 1%.

Literatur:

BGA-Schriften. 4, 25-32, Ed.: M. Sonneborn u. D. Kayser, 1985

Burnett, C.. B. Laumann, R. Giovacchini,  G. Wolcott, R. Scala, M. Keplinger: Food Cosmet. Toxicol.: 13, 353, 1975 "Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe", Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten, Arbeitsstoffkommission der DFG, Verlag Chemie. 1985

Evarts, R. P., C. A. Brown: J. natl. Cancer Inst.: 65, 197, 1980

IARC Monograph on the Evaluation of the Carcinogenic Risk of Chemicals to Humans, Vol. 27, 1982

Kemper. F. H., N. P. Lüpke: "Toxikologische Charakterisierung von aromatischen Amino-, Hydroxi- und Nitroverbindungen. insbesondere als Inhaltsstoffe von Oxidationshaarfarben", 3. Auflage. Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Westfälischen Wilhelm Universität Münster, 1983

Kinkel, K. J., S. Holzmann: Food Cosmet. Toxicol.: 11, 641, 1973

National Cancer Institute (NCI)

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