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TRGS 910-75: Dieselmotor-Emissionen (DME)

(BArbBl. 12/89 S. 74)


Krebserzeugender
Stoff

Gruppen

I
(sehr stark gefährdend)
II
(stark gefährdend)
III
(gefährdend)

Massengehalte im Gefahrstoff in v. H.

Dieselmotor-Emissionen    X

Erläuterung:

Tierexperimentelle Ergebnisse

Die lungentumorerzeugende Wirkung der etwa zweijährigen Inhalation von Gesamtabgas aus Dieselmotoren (DieseimotorEmissionen [DME]) wurde bei Ratten seit 1985 in fünf Instituten aus vier Ländern nachgewiesen, und zwar in der Bundesrepublik Deutschland, in Japan, in der Schweiz und in den USa (1, 2, 3, 4, 5). Dabei waren in zwei Untersuchungen nur weibliche Ratten von zwei vielfach verwendeten Stämmen (F344 und Wistar) eingesetzt worden, in drei Experimenten männliche und weibliche F344-Ratten. Von den letztgenannten hatten die weiblichen Tiere nach Exposition gegenüber DME eindeutig häufiger Lungentumoren als die männlichen (1), in den beiden anderen war das Verhältnis der Tumorraten unwesentlich mal zum einen, mal zum anderen Geschlecht hin verschoben (3, 6). Die beiden niedrigsten Expositionen gegenüber DME, bei denen eine statistisch signifikante Erhöhung der Lungentumorrate von 1,4 auf 9,7 % und von 0,9 auf 3,6% als Mittelwert von männlichen und weiblichen F344-Ratten gefunden wurde, betrugen bezüglich des Partikelgehalts 2,2 mg/m3 über 80 ,1/Woche (1) bzw. 3,5 mg/m3 über 35 ,1/Woche (5). Das Ergebnis einer Studie mit Wistar-Ratten liegt im gleichen Bereich der Dosis-Wirkungsbeziehungen; nach Exposition gegenüber 4,2 mg/m3 für 95 h/Woche wurden bei 16% der Tiere Lungentumoren gefunden; die Kontrollgruppe hatte keine Tumoren (2). In einer der beiden japanischen Untersuchungen (3) waren DME schwächer wirksam als in den drei zuvor zitierten, in der anderen war der Effekt stärker (4).

Zur Vereinfachung des Vergleichs der zitierten Daten aus drei Inhalationsversuchen mit Ratten (1, 2, 5) lassen sich die über etwa 2 Jahre angewendeten Partikelkonzentrationen und Versuchszeiten pro Woche im Hinblick auf die Exposition am Arbeitsplatz auf eine 40-Stunden-Woche durch lineare Umrechnung normieren. So ergeben sich folgende Beziehungen zwischen Lungentumorhäufigkeiten und Konzentrationen: 8,3 % Tumoren bei 4,4 mg Part./m3 (1), 16% Tumoren bei 10,0 mg Part./m3 (2) und 2,7% Tumoren bei 3,1 mg Part./m3 (3). Nimmt man die arithmetischen Mittelwerte der Konzentrationen und Tumorhäufigkeiten dieser drei Datenpaare als Grundlage für lineare Dosis-Häufigkeitsbeziehungen in dem genannten Expositionsbereich, so ist je mg Dieselpartikeln/m3 DME eine Tumorrate von 1,5% zu erwarten.

Von den wenigen Versuchen an der Maus zeigten zwei Experimente statistisch signifikante Unterschiede zwischen den exponierten Mäusen und den Kontrolltieren, doch die Befunde sind insgesamt nicht so eindeutig wie bei den Ratten, denn beim Vergleich mit den histologischen Kontrollen verliert sich bei dem einen Versuch der statistisch signifikante Unterschied, bei dem anderen wird die zunächst nur schwache Signifikanz stärker. Bei Goldhamstern wurde in drei Inhalationsexperimenten und in entsprechend hoher Exposition keine Kanzerogenität des Abgases nachgewiesen (referiert in 7, 10). Goldhamster entwickelten allerdings - im Gegensatz zu Mensch, Ratte und Maus - auch nach Exposition gegenüber PAH-reichem Abgas (Pechpyrolyseabgas) keine Lungentumoren und sind damit als nicht hinreichend empfindlich anzusehen (8). Mit Meerschweinchen wurde kein Inhalationsversuch durchgeführt, der die Kriterien eines Kanzerogenitätstests erfüllt.

Die tierexperimentellen Befunde mit DME wurden inzwischen eine internationale Arbeitsgruppe im Rahmen der International Agency for Research on Cancer (IARC) eingehend referiert (9). Die Bewertung der IARC bestätigt die Einstufung der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der DFG.

Der Wirkungsmechanismus von DME. der bisher in den erwähnten lnhalationsexperimenten bei Ratten zwar ohne jeden Zweifel, aber entgegen den Erwartungen zur Tumorbildung geführt hat, ist bisher nicht bekannt. Weitere Tierexperimente mit Abgasbestandteilen geben einige Hinweise. Extrakte aus Partikeln von DME induzierten Tumoren auf der Mäusehaut nach häufiger Betropfung sowie Tumoren in der Rattenlunge nach Injektion in die Lunge. Diese kanzerogene Wirkung konnte auf die Gruppe der als krebserzeugend bekannten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAH) zurückgeführt werden. Die Experimente mit PAH ließen jedoch nicht darauf schließen, daß auch die Inhalation des verdünnten Abgases zur Tumorentstehung führen wurde, weil die im Abgas gemessenen PAH-Konzentrationen sehr gering waren (etwa 3 bis 10 ng Benzo(a)pyren pro mg Partikeln). Es muß also noch wenigstens ein weiterer wesentlicher Faktor hinzukommen, um den unerwartet aufgetretenen Effekt erklären zu können. Hierzu wurden vier Hypothesen aufgestellt (10); sie können hier nur erwähnt werden:
1. PAH-Adsorptionstheorie (PAH-Depot-Effekt), 2. Oberflächentheorie (Aktivkohle-Effekt), 3. Entzündungstheorie (unspezifischer Partikelmasse-Effekt), 4. Wirkung von bisher nicht erkannten Kanzerogenen.

Der durch Filter von Partikeln befreite Abgasanteil, also die sog. Gasphase, hat in zwei Inhalationsexperimenten bei Ratten keine Lungentumoren erzeugt. Höchstwahrscheinlich ist die Partikelkomponente der Emissionen aus Dieselmotoren - aber nicht nur die PAH - in irgendeiner Form die wesentlichste Ursache für die unerwartete Wirkung, wenngleich sich eine verstärkende Wirkung der Gasphase auf die Partikelphase nicht ausschließen läßt. Diese Interpretation der gegenwärtigen Datenlage rechtfertigt es, die Partikelkonzentration im Dieselmotorabgas vorläufig als Maßstab für die kanzerogene Potenz des Gesamtabgases einzusetzen. Es erscheint jedoch möglich, daß zukünftige Untersuchungsergebnisse eine Differenzierung dieses pragmatischen Vorgehens erfordern werden.

Epidemiologische Ergebnisse

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(Stand: 20.08.2018)

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