umwelt-online: Bekanntmachung 910 - Risikowerte und Exposition-Risiko-Beziehungen für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen (3)

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5 Extrapolation auf niedrigere Risikohöhen

5.1 Festlegung des Vorgehens nach dem Wirkprinzip

(1) Wurde nach den Erkenntnissen in Nummer 2 ein im Wesentlichen durch die direkte Gentoxizität determiniertes Wirkprinzip für die Kanzerogenese festgestellt, so erfolgt im Standardfall eine lineare Extrapolation.

(2) Wurde nach den Erkenntnissen in Nummer 2 festgestellt, dass das Wirkprinzip alleine durch nichtgentoxische Ereignisse geprägt ist und kann für den oder die bestimmenden Parameter eine Dosis-Wirkungsbeziehung mit einer Wirkungsschwelle benannt werden, so ist diese zu berechnen.

(3) Ist kein Wirkprinzip bekannt bzw. ausreichend gesichert, erfolgt im Standardfall ebenfalls eine lineare Extrapolation.

(4) In Fällen, wo das Wirkprinzip zwar im Wesentlichen bekannt ist, jedoch

  1. eine direkte Gentoxizität keine dominierende Bedeutung besitzt,
  2. keine eindeutige Wirkungsschwelle für die Kanzerogenität vorliegt oder
  3. eine Schwelle aufgrund der Datenlage nicht quantifiziert werden kann,

wird im Regelfall ein sublinearer Dosis-Wirkungsverlauf in den Niedrigrisikobereich unterstellt.

Zum Begriff der "Wirkungsschwelle" sind die Ausführungen im Nummer 2.5 zu beachten. Grundsätzlich ist ein NOAEL für kanzerogene Effekte (keine beobachtete signifikant erhöhte Inzidenz gegenüber Hintergrund) quantitativ nicht mit einer Schwelle gleichzusetzen.

(5) In Zweifelsfällen über die Zuordnung zu Absatz 1-4 ist über parallele Risikoquantifizierungen nach verschiedenen Methoden (siehe Nummer 5.2) zu prüfen, ob sich Unterschiede ergeben und wie relevant die Festlegung auf ein Wirkprinzip ist. Ggf. ist bei nahe zusammenliegenden Dosis-Risikoverläufen auf eine Entscheidung zum vorherrschenden Wirkprinzip nicht notwendig, um ohne relevanten Fehler eine Risikoquantifizierung vorzunehmen. Die Unsicherheit in der Risikoquantifizierung ist zu dokumentieren. Für den Fall, dass die parallelen Risikoquantifizierungen zwar für Expositionen mit erhöhtem Risiko noch zu vergleichbaren Risikozahlen führen (z.B. bei zusätzlichen Lebenszeitrisiken bis in den Promillebereich), jedoch bei niedrigeren Risiken gravierende Abweichungen auftreten, ist der Gültigkeitsbereich entsprechender Dosis-Risiko-Verläufe abzugrenzen.

(6) Eine Risikoextrapolation in den Niedrigrisikobereich unter Verwendung derjenigen Modellfunktion, die für den experimentellen Bereich die beste Anpassung an die Daten gezeigt hat, ist in der Regel kein geeignetes Vorgehen. Es ist z.B. möglich, dass im experimentellen Bereich Supralinearität vorliegt, jedoch Sublinearität im Niedrigrisikobereich.

Die Konvention, die Benchmark-Methode bei belegter Sublinearität als Ersatz für das linearisierte Multistage-Model als mechanistisch begründet für den experimentellen Bereich und den Niedrigrisikobereich zu verwenden (siehe Nummer 3.2 Abs. 3 und Nummer 5.2 Abs. 3), widerspricht dieser Aussage Abs. 6. Diese Modellierung wird jedoch deshalb als für die Extrapolation herangezogen, weil sie eine einfache Konvention zur Beschreibung einer Sublinearität bietet. Es ist jedoch nicht daraus zu schlussfolgern, dass mit diesem Modell die "richtige" Steigung im Niedrigrisikobereich gefunden wurde.

5.2 Extrapolation auf niedrigere Risikohöhen bei nichtlinearem Verlauf

(1) Es wird eine Informationslage entsprechend Fall Absatz 4 in Nummer 5.1 unterstellt, so dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einem nichtlinearen Dosis-Wirkungsverlauf auszugehen ist. In diesem Fall wird eine plausible Festsetzung für diese nichtlineare Funktion vorgenommen.

(2) Ist die Datenlage hinreichend qualifiziert, dass das Benchmark-Verfahren eingesetzt werden kann, dann wird unterstellt, dass mit der Benchmark-Modellierung auch die Nichtlinearität in einem Risikobereich ≥ 1:1000 abgebildet werden kann, auch wenn der experimentelle Bereich nur Risiken ab z.B. 1 Prozent oder ab 5 Prozent abdeckt. Zwischen BMD0,1 (1:1000) und Ursprung bzw. Hintergrund wird linear extrapoliert.

Der Bezug zur BMD statt zur BMDL ist deshalb gerechtfertigt,

  1. weil es sich bei der Orientierung an der BMD um die Schätzung mit der höchsten Wahrscheinlichkeit handelt ("maximum likelihood"),
  2. weil nach Fall Absatz 4 in Nummer 5.1 zusätzliche inhaltliche Gründe vorliegen müssen, die einen nichtlinearen Verlauf stützen, so dass Modellierungen, die über die BMDL mathematisch als möglich angesehen werden müssten, aus diesen inhaltlichen (z.B. mechanistischen) Gründen als unwahrscheinlich angesehen werden,
  3. weil aufgrund der Qualitätskriterien Benchmark-Modellierungen nur dann als adäquat betrachtet werden, wenn die Unterschiede zwischen BMD und BMDL gering sind, so dass nicht mit einer relevanten Risikounterschätzung bei Bezug auf die BMD zu rechnen ist (selbst wenn "in Wirklichkeit" die BMDL das Risiko korrekter widerspiegelt sollte). Ferner ergibt sich das Vorgehen aus der methodische Kontinuität zum T25, der ebenfalls keinen Vertrauensbereich enthält.

Die folgenden Beispiele (Fall A, B) zeigen eine Abgrenzung zwischen einem Fall mit Nichtlinearität (Fall A) und Linearität (Fall B). In Fall a wären zusätzliche mechanistische Hinweise erforderlich, die die Nichtlinearität stützen. Können diese nicht gegeben werden, stellt die BMD10 den POD dar, unterhalb dessen eine lineare Extrapolation erfolgen würde.

FALL A: Gute Datenlage verweist auf nichtlineare Verhältnisse

Konzentration (mg/m3) Anzahl Tiere Anzahl Tumoren Kommentar:
0 50 0 Verlauf spricht für eine deutliche Nichtlinearität; gute Datenlage; z.B. mechanistische Hinweise auf Nichtlinearität

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