Regelwerk |
Änderungstext
Gesetz zur Einführung einer Landesverfassungsbeschwerde
Vom 13. November 2012
(GBl. Nr. 16 vom 21.11.2012 S. 569)
Der Landtag hat am 8. November 2012 das folgende Gesetz beschlossen:
Das Gesetz über den Staatsgerichtshof vom 13. Dezember 1954 (GBl. S. 171), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 6. Mai 2008 (GBl. S. 119, 121), wird wie folgt geändert:
1. In § 2 Absatz 3 Satz 4 werden vor dem Punkt am Ende die Wörter "sein ständiger Stellvertreter führt die Amtsbezeichnung 'Vizepräsident des Staatsgerichtshofs' " eingefügt.
2. § 7 Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
alt | neu |
(3) Außerdem erhalten der Präsident des Staatsgerichtshofs und sein ständiger Stellvertreter eine monatliche Aufwandsentschädigung nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans. | ≫(3) Außerdem erhalten der Präsident des Staatsgerichtshofs und sein ständiger Stellvertreter eine monatliche Aufwandsentschädigung, die für den Präsidenten ein Zwanzigstel und für den Vizepräsidenten ein Vierzigstel des monatlichen Grundgehalts der Besoldungsgruppe B 9 beträgt.≪ |
3. In § 11 Absatz 1 Nummer 1 werden nach den Wörtern ≫verheiratet ist oder war,≪ die Wörter ≫eine Lebenspartnerschaft führt oder führte,≪ eingefügt.
4. § 14 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
alt | neu |
Die Prozeßbeteiligten können sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt oder einen Lehrer des Rechts an einer deutschen Hochschule vertreten lassen. | ≫Die Prozessbeteiligten können sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen.≪ |
5. § 17 wird wie folgt geändert:
a) Der bisherige Satz 1 wird Absatz 1.
b) Die bisherigen Sätze 2 und 3 werden durch folgenden neuen Absatz 2 ersetzt:
alt | neu |
Ein Antrag auf Eröffnung des Verfahrens, der formwidrig, unzulässig, verspätet oder offensichtlich unbegründet oder von einem Nichtberechtigten gestellt ist, kann im schriftlichen Verfahren verworfen werden, sofern sämtliche Richter zustimmen. Die Entscheidung erfolgt durch Beschluß, der keiner Begründung bedarf. | ≫(2) Unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge können durch einstimmigen Beschluss einer von dem Staatsgerichtshof für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellten Kammer, die aus drei Richtern besteht, zurückgewiesen werden. § 58 Absatz 4 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.≪ |
6. In § 38 Absatz 1 Satz 2 werden nach den Wörtern ≫sein Ehegatte≪ die Wörter ≫oder Lebenspartner≪ eingefügt.
7. Nach § 54 werden folgende neue § § 55 bis 59 eingefügt:
≫9. Verfassungsbeschwerde
§ 55
(1) Jeder kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt des Landes in einem seiner in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof erheben, soweit nicht Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben ist oder wird.
(2) Ist gegen die behauptete Verletzung der Rechtsweg zulässig, kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Der Staatsgerichtshof kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. Satz 2 ist auf Verfassungsbeschwerden gegen fachgerichtliche Entscheidungen nicht anwend bar.
(3) Dem Beschwerdeführer kann nach Maßgabe der Vorschriften der Zivilprozessordnung Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Die Fristen des § 56 Absatz 2 und 4 werden durch das Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gehemmt.
§ 56
(1) In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.
(2) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, dass der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefassten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.
(3) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.
(4) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offen steht, kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlass des Hoheits aktes erhoben und begründet werden.
§ 57
(1) Der Staatsgerichtshof gibt dem Verfassungsorgan, dessen Handlung oder Unterlassung in der Verfassungsbeschwerde beanstandet wird, Gelegenheit, sich binnen einer zu bestimmenden Frist zu äußern.
(2) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Handlung oder Unterlassung einer Behörde des Landes, ist dem zuständigen Ministerium, bei Behörden sonstiger Rechtsträger auch den Rechtsträgern, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, gibt der Staatsgerichtshof auch dem durch die Entscheidung Begünstigten Gelegenheit zur Äußerung.
(4) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar oder mittelbar gegen ein Gesetz, ist § 48 Absatz 1 entsprechend anzuwenden.
(5) Die in Absatz 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 48 Absatz 1 genannten Verfassungsorgane können dem Verfahren beitreten.
§ 58
(1) Der Staatsgerichtshof entscheidet über Verfassungsbeschwerden in der Regel ohne mündliche Verhandlung.
(2) Über die Zurückweisung einer Verfassungsbeschwerde als unzulässig oder offensichtlich unbegründet und die Anforderung eines Vorschusses nach Absatz 3 Satz 2 kann abweichend von § 22 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 in einem schriftlichen Verfahren entschieden werden. Eine Anhörung nach § 57 ist nicht erforderlich. Die Entscheidung bedarf keiner Begründung, wenn der Beschwerdeführer zuvor auf Bedenken gegen die Zulässigkeit oder Begründetheit der Verfassungsbeschwerde hingewiesen worden ist. Im Übrigen genügt zur Begründung des Beschlusses ein Hinweis auf den maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt.
(3) Ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet, kann der Staatsgerichtshof dem Beschwerdeführer mit der Entscheidung über die Hauptsache eine Gebühr bis zu 2000 Euro auferlegen. Der Staatsgerichtshof kann dem Beschwerdeführer aufgeben, einen entsprechenden Vorschuss zu leisten. Die Verfassungsbeschwerde gilt als zurückgenommen, wenn der Beschwerdeführer den Vorschuss nicht innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Vorschussanforderung zahlt. Auf diese Rechtsfolge ist der Beschwerdeführer bei der Vorschussanforderung hinzuweisen. Für die Fristberechnung gilt § 222 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(4) Die Entscheidungen nach Absatz 2 und 3 können durch einstimmigen Beschluss einer von dem Staatsgerichtshof für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellten Kammer ergehen, die aus drei Richtern besteht, von denen mindestens zwei die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Die Bestellung mehrerer Kammern ist zulässig. Der Staatsgerichtshof bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres deren Zahl und Zusammensetzung sowie die Verteilung der Verfassungsbeschwerden auf die Kammern. Der Beschluss ergeht ohne mündliche Verhandlung und ist unanfechtbar. Im Falle einer Zurückweisung bleibt die Kammer für alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen zuständig.
(5) Absatz 1 bis 4 gilt entsprechend für die Ablehnung sonstiger Anträge als unzulässig oder offensichtlich unbegründet, die im Zusammenhang mit einer Verfassungsbeschwerde gestellt werden. Absatz 1, 2 und 4 gilt ferner entsprechend für Entscheidungen nach Erledigung der Hauptsache, über Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 55 Absatz 3 Satz 1 und über Kosten nach § 60 Absatz 1 Satz 2.
§ 59
(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift der Verfassung durch welche Handlung oder Unterlassung verletzt wurde. Der Staatsgerichtshof kann zugleich aussprechen, dass auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme die Verfassung verletzt. Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, hebt der Staatsgerichtshof die Entscheidung auf, in den Fällen des § 55 Absatz 2 Satz 1 verweist er die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.
(2) Wird der unmittelbar oder mittelbar gegen ein Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde stattgegeben, gelten die §§ 23 und 50 entsprechend.≪
8. Der bisherige § 55 wird § 60 und wie folgt geändert:
a) Es wird folgender neuer Absatz 3 eingefügt:
≫(3) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.≪
b) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4.
9. Nach dem neuen § 60 wird folgender neuer 6. Teil eingefügt:
≫6. Teil
Verzögerungsbeschwerde
§ 61
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Verfahrens vor dem Staatsgerichtshof als Verfahrensbeteiligter oder als Beteiligter in einem zur Herbeiführung einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs ausgesetzten Verfahren einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung des Staatsgerichtshofs.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann eine Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise, insbesondere durch die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer, ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag nach Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann der Staatsgerichtshof einen höheren oder einen niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Für das Verfahren gelten die §§ 97b bis 97 d des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes entsprechend mit der Maßgabe, dass über die Verzögerungsbeschwerde eine Beschwerdekammer entscheidet, die aus drei für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellten Richtern besteht.≪
10. Der bisherige 6. Teil wird der 7. Teil und erhält folgende Überschrift:
≫7. Teil
Schlussvorschriften≪.
11. Die bisherigen §§ 56 und 57
§ 56Die erste Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durchzuführen.
§ 57
Ist beim Inkrafttreten dieses Gesetzes die Frist des § 45 Abs. 3 verstrichen, so kann der Antrag noch binnen drei Monaten gestellt werden.
werden aufgehoben.
12. Der bisherige § 58 wird § 62.
Dieses Gesetz tritt am 1. April 2013 in Kraft.