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Regelwerk
Änderungstext

Gesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes

Vom 21. Juli 2015
(GBl. Nr. 15 vom 29.07.2015 S. 642)



Der Landtag hat am 15. Juli 2015 das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes

Das Landesverfassungsschutzgesetz in der Fassung vom 5. Dezember 2005 (GBl. 2006 S. 1), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. Februar 2014 (GBl. S. 77, 78), wird wie folgt geändert:

1. § 5a Absatz 9 Satz 1 wird wie folgt geändert:

Die Wörter ≫Gremium nach § 2 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz≪ werden durch die Wörter ≫Parlamentarische Kontrollgremium≪ ersetzt.

2. § 6 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 wird das Wort ≫Vertrauensleuten≪ durch die Wörter ≫Vertrauenspersonen, Verdeckt arbeitenden Bediensteten≪ ersetzt.

b) In Absatz 1 Satz 3 werden die Wörter ≫den Ständigen Ausschuss des Landtags≪ durch die Wörter ≫das Parlamentarische Kontrollgremium≪ ersetzt.

c) In Absatz 3 Satz 10 werden die Wörter ≫Gremium nach Artikel 10 des Grundgesetzes≪ durch die Wörter ≫Parlamentarische Kontrollgremium≪ ersetzt.

3. Nach § 6 wird folgender § 6a eingefügt:

≫ § 6a Vertrauenspersonen und Verdeckt arbeitende Bedienstete

(1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf

  1. Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit ihm Dritten nicht bekannt ist (Vertrauenspersonen) und
  2. eigene Mitarbeiter unter einer ihnen verliehenen und auf Dauer angelegten Legende (Verdeckt arbeitende Bedienstete)

zur Aufklärung von Bestrebungen unter den Voraussetzungen des § 6 Absatz 2 und 5 einsetzen.

(2) Über die Verpflichtung von Vertrauenspersonen entscheidet der Behördenleiter oder sein Vertreter. Als Vertrauenspersonen dürfen Personen nicht angeworben und eingesetzt werden, die

  1. nicht voll geschäftsfähig, insbesondere minderjährig sind,
  2. von den Geld- oder Sachzuwendungen für die Tätigkeit auf Dauer als alleinige Lebensgrundlage abhängen würden,
  3. an einem Aussteigerprogramm teilnehmen,
  4. Mitglied des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages, eines Landesparlaments oder Mitarbeiterin oder Mitarbeiter eines solchen Mitglieds sind oder
  5. im Bundeszentralregister mit einer Verurteilung wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, eingetragen sind.

Der Behördenleiter kann eine Ausnahme von Nummer 5 zulassen, wenn die Verurteilung nicht als Täter eines Totschlags (§§ 12, 213 StGB) oder einer allein mit lebenslanger Haft bedrohten Straftat erfolgt ist und der Einsatz zur Aufklärung von Bestrebungen, die auf die Begehung von in § 3 Absatz 1 des Artikel 10-Gesetzes bezeichneten Straftaten gerichtet sind, unerlässlich ist. Im Falle einer Ausnahme nach Satz 3 ist der Einsatz nach höchstens sechs Monaten zu beenden, wenn er zur Erforschung der in Satz 3 genannten Bestrebungen nicht zureichend gewichtig beigetragen hat. Auch im Weiteren ist die Qualität der gelieferten Informationen fortlaufend zu bewerten.

(3) Vertrauenspersonen und Verdeckt arbeitende Bedienstete dürfen weder zur Gründung von Bestrebungen nach § 3 Absatz 2 Nummern 1, 3 oder 4 noch zur steuernden Einflussnahme auf derartige Bestrebungen eingesetzt werden. Sie dürfen in solchen Personenzusammenschlüssen oder für solche Personenzusammenschlüsse, einschließlich strafbarer Vereinigungen, tätig werden, um deren Bestrebungen aufzuklären. Im Übrigen ist im Einsatz eine Beteiligung an Bestrebungen zulässig, wenn sie

  1. nicht in Individualrechte eingreift,
  2. von den an den Bestrebungen Beteiligten derart erwartet wird, dass sie zur Gewinnung und Sicherung der Informationszugänge unumgänglich ist, und
  3. nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht.

Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Vertrauenspersonen und Verdeckt arbeitende Bedienstete rechtswidrig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht haben, soll der Einsatz unverzüglich beendet werden. Über Ausnahmen nach Satz 4 entscheidet der Behördenleiter oder sein Vertreter.≪

4. § 15 wird wie folgt gefasst: 

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§ 15 Parlamentarische Kontrolle

(1) Das Innenministerium unterrichtet den Ständigen Ausschuss des Landtags über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes halbjährlich sowie auf Verlangen des Ausschusses und aus besonderem Anlass.

(2) Art und Umfang der Unterrichtung des Ständigen Ausschusses werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes des Nachrichtenzuganges durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt.

(3) Die Mitglieder des Ständigen Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes im Ständigen Ausschuss bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ständigen Ausschuss oder aus dem Landtag.

(4) Die Unterrichtung umfasst Angelegenheiten, über die das Innenministerium das Gremium nach dem Artikel 10-Gesetz zu unterrichten hat.

 ≫ § 15 Parlamentarisches Kontrollgremium - Kontrollrahmen

(1) Die Landesregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium. Dies umfasst auch die Kontrolle nach § 5a Absatz 9 und § 6 Absatz 3 Satz 10 sowie nach § 2 Absatz 1 des Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz.

(2) Die Rechte des Landtags und seiner Ausschüsse sowie der Kommission nach dem Ausführungsgesetz zum Artikel 10-Gesetz bleiben unberührt.≪

5. Nach § 15 werden folgende §§ 15a bis 15k eingefügt:

§ 15a Mitgliedschaft

(1) Der Landtag wählt zu Beginn jeder neuen Wahlperiode aus seiner Mitte die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Er bestimmt die Zahl der Mitglieder, die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. In gleicher Weise wird für jedes Mitglied ein stellvertretendes Mitglied gewählt.

(2) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus oder wird es Mitglied der Landesregierung, so verliert es seine Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium. § 15b Absatz 4 bleibt unberührt. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium ausscheidet. Für stellvertretende Mitglieder gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

§ 15b Zusammentritt

(1) Das Parlamentarische Kontrollgremium tritt mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. Es gibt sich eine Geschäftsordnung und wählt einen Vorsitzenden.

(2) Jedes Mitglied kann die Einberufung und die Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums verlangen.

(3) Beschlüsse des Parlamentarischen Kontrollgremiums bedürfen der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder.

(4) Das Parlamentarische Kontrollgremium übt seine Tätigkeit auch über das Ende einer Wahlperiode des Landtags hinaus so lange aus, bis der nachfolgende Landtag nach § 15a entschieden hat.

§ 15c Pflicht der Landesregierung zur Unterrichtung

(1) Das Innenministerium unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium über die allgemeine Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Parlamentarischen Kontrollgremiums hat die Landesregierung zu einem konkreten Thema aus dem Aufgabenbereich des Landesamts für Verfassungsschutz zu berichten.

(2) Das Innenministerium unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium nach Maßgabe des § 2 Absatz 1 des Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz sowie nach Maßgabe der § 5a Absatz 9 und § 6 Absatz 3 Satz 10. § 2 Absatz 2 und 3 des Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz bleiben unberührt.

§ 15d Befugnisse des Kontrollgremiums

(1) Das Parlamentarische Kontrollgremium kann von der Landesregierung verlangen,

  1. im Rahmen der Unterrichtung der Landesregierung Einsicht in Akten und Dateien des Landesamts für Verfassungsschutz zu erhalten,
  2. im Rahmen der Unterrichtung der Landesregierung Einsicht in Akten und Dateien der Landesregierung zu erhalten, die die Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz betreffen, und
  3. Zutritt zu den Dienststellen des Landesamts für Verfassungsschutz zu erhalten.

(2) Das Parlamentarische Kontrollgremium kann nach Unterrichtung der Landesregierung

  1. Angehörige des Landesamts für Verfassungsschutz,
  2. für die Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz zuständige Mitglieder der Landesregierung und
  3. mit der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz befasste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Mitgliedern der Landesregierung

befragen oder von ihnen schriftliche Auskünfte einholen. Die zu befragenden Personen sind verpflichtet, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen.

(3) Die Landesregierung hat den Verlangen des Parlamentarischen Kontrollgremiums unverzüglich zu entsprechen.

(4) Auf Antrag eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist dem Landesbeauftragten für den Datenschutz Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes zu geben.

§ 15e Umfang der Unterrichtungspflicht, Verweigerung der Unterrichtung

(1) Die Verpflichtung der Landesregierung nach § 15c und § 15d erstreckt sich nur auf Informationen und Gegenstände, die der Verfügungsberechtigung des Landesamts für Verfassungsschutz unterliegen. § 22 des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Soweit dies aus zwingenden Gründen des Schutzes des Nachrichtenzugangs oder der Arbeitsweise des Landesamts für Verfassungsschutz oder aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Dritter notwendig ist oder wenn der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung betroffen ist, kann die Landesregierung sowohl die Unterrichtung nach § 15c als auch die Erfüllung von Verlangen nach § 15d Absatz 1 und 2 verweigern sowie den in § 15d Absatz 2 genannten Personen die Erteilung der Auskunft untersagen. Macht die Landesregierung von diesen Rechten Gebrauch, hat sie dies dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegenüber zu begründen. Die Entscheidung der Landesregierung kann im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden.

§ 15f Beauftragung eines Sachverständigen

(1) Das Parlamentarische Kontrollgremium kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder nach Anhörung der Landesregierung im Einzelfall einen Sachverständigen beauftragen, zur Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben Untersuchungen durchzuführen. Der Sachverständige hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium über das Ergebnis seiner Untersuchungen zu berichten. §§ 15d, 15e, 15h Absatz 1 und § 15i Absatz 1 Satz 2 gelten entsprechend.

(2) Das Parlamentarische Kontrollgremium kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder entscheiden, dass dem Landtag ein schriftlicher Bericht zu den Untersuchungen erstattet wird. Der Bericht hat den Gang des Verfahrens, die ermittelten Tatsachen und das Ergebnis der Untersuchungen wiederzugeben. § 15h gilt entsprechend.

(3) Der Bericht darf auch personenbezogene Daten enthalten, soweit dies für eine nachvollziehbare Darstellung der Untersuchung und des Ergebnisses erforderlich ist und die Betroffenen entweder in die Veröffentlichung eingewilligt haben oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegenüber den Belangen der Betroffenen überwiegt.

§ 15g Eingaben

(1) Angehörigen des Landesamts für Verfassungsschutz ist es gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten, jedoch nicht im eigenen oder im Interesse anderer Angehöriger dieser Behörde, ohne Einhaltung des Dienstwegs unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden. Das Parlamentarische Kontrollgremium übermittelt die Eingaben der Landesregierung zur Stellungnahme.

(2) An den Landtag gerichtete Eingaben von Bürgern über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamts für Verfassungsschutz sind dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kenntnis zu geben.

§ 15h Geheime Beratungen, Bewertungen, Sondervoten

(1) Die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind geheim. Die Mitglieder des Gremiums sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Bewertungen bestimmter Vorgänge, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ihre vorherige Zustimmung erteilt hat. In diesem Fall ist es jedem einzelnen Mitglied des Gremiums erlaubt, eine abweichende Bewertung (Sondervotum) zu veröffentlichen.

(3) Soweit für die Bewertung des Gremiums oder die Abgabe von Sondervoten eine Sachverhaltsdarstellung erforderlich ist, sind die Belange des Geheimschutzes zu beachten.

§ 15i Unterstützung der Mitglieder durch eigene Mitarbeiter

(1) Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums haben das Recht, zur Unterstützung ihrer Arbeit Mitarbeiter ihrer Fraktion nach Anhörung der Landesregierung mit Zustimmung des Kontrollgremiums zu benennen. Voraussetzung für diese Tätigkeit ist die Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen und die förmliche Verpflichtung zur Geheimhaltung.

(2) Die benannten Mitarbeiter sind befugt, die vom Gremium beigezogenen Akten und Dateien einzusehen und die Beratungsgegenstände des Parlamentarischen Kontrollgremiums mit den Mitgliedern des Gremiums zu erörtern. Sie haben Zutritt zu den Sitzungen des Kontrollgremiums. § 15h Absatz 1 gilt entsprechend.

§ 15j Berichterstattung

Das Parlamentarische Kontrollgremium erstattet dem Landtag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode Bericht über seine Kontrolltätigkeit. Dabei sind die Grundsätze des § 15h Absatz 1 zu beachten.

§ 15k Jährlicher Bericht im Ständigen Ausschuss

Das Innenministerium berichtet dem Ständigen Ausschuss des Landtags einmal jährlich nach Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts nach § 12 über die darin dargestellte Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz. Die Pflicht zur Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums nach § 15c sowie die Kontrolltätigkeit des Gremiums im Übrigen bleiben hiervon unberührt. § 15h Absatz 1 gilt entsprechend.≪

6. Die Inhaltsübersicht ist entsprechend anzupassen.

Artikel 2
Änderung des Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz

In § 2 Absatz 1 des Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz vom 13. Mai 1969 (GBl. S. 79), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. Oktober 2005 (GBl. S. 661, 665), werden die Wörter ≫ein Gremium, das aus fünf vom Landtag bestimmten Abgeordneten besteht,≪ durch die Wörter ≫das Parlamentarische Kontrollgremium nach § 15 des Landesverfassungsschutzgesetzes≪ ersetzt.

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

ENDE