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Regelwerk

Änderungstext

Gesetz über die Schuldenbremse in Niedersachsen
- Niedersachsen -

Vom 23. Oktober 2019
(Nds. GVBl. Nr. 18 vom 01.11.2019 S. 288)



Der Niedersächsische Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Niedersächsischen Verfassung

Die Niedersächsische Verfassung vom 19. Mai 1993 (Nds. GVBl. S. 107), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2011 (Nds. GVBl. S. 210), wird wie folgt geändert:

1. Artikel 71 erhält folgende Fassung:

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Art. 71 Kreditaufnahme, Gewährleistungen

Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Gesetz. Kredite dürfen die für eigenfinanzierte Investitionen, Investitionsfördermaßnahmen und zur Umschuldung veranschlagten Ausgaben nicht überschreiten. Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer nachhaltigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zur Abwehr einer akuten Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen.

"Artikel 71 Kreditaufnahme, Gewährleistungen

(1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Gesetz.

(2) Der Haushalt ist ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.

(3) Bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sind die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Soweit sich eine solche Entwicklung negativ auf den Haushalt auswirkt, ist der Ausgleich des Haushalts durch Einnahmen aus Krediten abweichend von Absatz 2 zulässig. Soweit sich eine solche Entwicklung positiv auf den Haushalt auswirkt, sind vorrangig nach Satz 2 aufgenommene Kredite zu tilgen und ist im Übrigen Vorsorge dafür zu treffen, dass keine Kredite nach Satz 2 aufgenommen werden müssen.

(4) Im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, kann abweichend von Absatz 2 aufgrund eines Beschlusses des Landtages der Haushalt durch Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden. Der Beschluss bedarf für die Aufnahme von Krediten in Höhe von über 0,5 vom Hundert des zuletzt festgestellten Haushaltsvolumens der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages, im Übrigen der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Landtages. Nach Satz 1 aufgenommene Kredite müssen binnen eines angemessenen Zeitraums getilgt werden. Der Beschluss des Landtages (Sätze 1 und 2) ist mit einem entsprechenden Tilgungsplan zu verbinden.

(5) Das Nähere regelt ein Gesetz."

2. Nach Artikel 77 wird der folgende Artikel 77a eingefügt:

"Artikel 77a Übergangsvorschrift zu Artikels 71

Artikel 71 in der bis zum 30. November 2019 geltenden Fassung ist letztmals auf das Haushaltsjahr 2019 anzuwenden. Artikel 71 in der ab dem 1. Dezember 2019 geltenden Fassung ist erstmals auf das Haushaltsjahr 2020 anzuwenden."

Artikel 2
Änderung der Niedersächsischen Landeshaushaltsordnung

Die Niedersächsische Landeshaushaltsordnung in der Fassung vom 30. April 2001 (Nds. GVBl. S. 276), zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 16. Dezember 2013 (Nds. GVBl. S. 310), wird wie folgt geändert:

1. § 18 Abs. 1 bis 3 erhält folgende Fassung:

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"(1) Das Haushaltsgesetz regelt in bestimmter oder bestimmbarer Weise, bis zu welcher Höhe das Finanzministerium Kredite aufnehmen darf
  1. zur Deckung von Ausgaben im Sinne der §§ 18a bis 18f,
  2. zur Tilgung von am Kreditmarkt aufgenommenen Krediten,
  3. zur erneuten Bereitstellung von Mitteln, die in vorangegangenen Haushaltsjahren verausgabt wurden, um die Tilgung bestehender Schulden vorzufinanzieren, soweit Kreditermächtigungen deshalb nicht ausgeschöpft wurden, und
  4. zur Aufrechterhaltung einer ordnungsmäßigen Kassenwirtschaft (Kassenverstärkungskredite).

(2) Soweit Kassenverstärkungskredite zurückgezahlt sind, kann die Ermächtigung wiederholt in Anspruch genommen werden. Kassenverstärkungskredite dürfen nicht später als sechs Monate nach Ablauf des Haushaltsjahres, für das sie aufgenommen worden sind, fällig werden.

(3) Ermächtigungen im Sinne des Absatzes 1 Nrn. 1 bis 3 gelten bis zum Ende des nächsten Haushaltsjahres und, wenn das Haushaltsgesetz für das zweitnächste Haushaltsjahr nicht rechtzeitig verkündet wird, bis zur Verkündung dieses Haushaltsgesetzes. Ermächtigungen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 gelten bis zum Ende des laufenden Haushaltsjahres und, wenn das Haushaltsgesetz für das nächste Haushaltsjahr nicht rechtzeitig verkündet wird, bis zur Verkündung dieses Haushaltsgesetzes."

2. § 18a erhält folgende Fassung:

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" § 18a Kreditaufnahme

(1) Der Haushalt ist ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen, soweit sich aus den §§ 18b und 18c nichts anderes ergibt.

(2) Zur Feststellung, ob der Haushalt ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichen ist, sind

  1. aus den Ausgaben die Ausgaben für den Erwerb von Beteiligungen und für Tilgungen an den öffentlichen Bereich und
  2. aus den Einnahmen die Einnahmen aus der Veräußerung von Beteiligungen und aus der Kreditaufnahme beim öffentlichen Bereich herauszurechnen."

3. Nach § 18a werden die folgenden §§ 18b bis 18f eingefügt:

" § 18b Konjunkturbereinigung

(1) Soweit eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung

1. sich negativ auf den Haushalt auswirkt, darf dieser durch Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden, soweit ein Ausgleich durch Entnahme aus der Konjunkturbereinigungsrücklage (Absatz 5) nicht möglich ist,

2. sich positiv auf den Haushalt auswirkt, müssen Einnahmen vorrangig zur Tilgung von nach Nummer 1 aufgenommenen Krediten verwendet und im Übrigen der Konjunkturbereinigungsrücklage (Absatz 5) zugeführt werden;

die Höhe der Auswirkung auf den Haushalt entspricht jeweils der Konjunkturkomponente (Absätze 2 bis 4).

(2) Zur Feststellung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt ermittelt das Finanzministerium für jedes Haushaltsjahr eine Konjunkturkomponente. Diese wird aus der für den Gesamtstaat berechneten Unter- oder Überauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten (Produktionslücke), die das Land aus der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung übernimmt, abgeleitet und mit dem Beschluss über den Entwurf des Haushaltsgesetzes durch die Landesregierung festgestellt.

(3) Wird der Ansatz der Steuereinnahmen gegenüber dem Entwurf des Haushaltsplans im Haushaltsgesetz oder durch Nachtragshaushaltsgesetz geändert, so ist die Konjunkturkomponente durch Hinzurechnung einer Steuerabweichungskomponente fortzuschreiben. Zur Ermittlung der Steuerabweichungskomponente sind aus dem Betrag, um den sich der Ansatz der Steuereinnahmen ändert, herauszurechnen

  1. die Wirkungen zwischenzeitlicher Rechtsänderungen auf die Höhe der Steuereinnahmen und
  2. die Wirkungen von Änderungen bei den Steuereinnahmen auf die Höhe der Zuweisungen des Landes an die Gemeinden und Landkreise nach § 1 des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich.

Der absolute Betrag der Steuerabweichungskomponente ist auf höchstens 5 vom Hundert des Ansatzes der Steuereinnahmen im Entwurf des Haushaltsplans begrenzt. Die Steuerabweichungskomponente wird vom Finanzministerium ermittelt. Die Konjunkturkomponente einschließlich etwaiger Fortschreibungen durch eine Steuerabweichungskomponente wird mit dem Beschluss über das Haushaltsgesetz oder das Nachtragshaushaltsgesetz durch den Landtag festgestellt.

(4) Beim Haushaltsabschluss sind die tatsächlichen Auswirkungen der von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Sätze 1 bis 4 zu ermitteln.

(5) Zum Ausgleich der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung auf den Haushalt ist eine Konjunkturbereinigungsrücklage zu bilden. Der Rücklage werden die nicht zur Tilgung von Krediten verwendeten Beträge nach Absatz 1 Nr. 2 zugeführt. Aus der Rücklage darf nur entnommen werden, um die Aufnahme von Krediten nach Absatz 1 Nr. 1 zu vermeiden.

§ 18c Ausnahmesituationen

Im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, gilt Artikel 71 Abs. 4 der Niedersächsischen Verfassung.

§ 18d Kontrollkonto

(1) Beträge, um die die mit dem Haushaltsabschluss festgestellte Kreditaufnahme von der Kreditaufnahme abweicht, die in dem betreffenden Haushaltsjahr zulässig war, sind vom Finanzministerium fortlaufend auf einem Verrechnungskonto zu erfassen (Kontrollkonto). Die festgestellte Kreditaufnahme nach Satz 1 umfasst

  1. die am Kreditmarkt aufgenommenen Kredite und
  2. die Veränderung des Bestandes der Kreditermächtigungen, die
  1. zum Ausgleich des betreffenden Haushaltsjahres übertragen wurden oder
  2. nach den Regelungen des Haushaltsgesetzes für das auf das betreffende Haushaltsjahr folgende Haushaltsjahr übertragen werden, weil sie aufgrund der Nutzung von anderen Mitteln zur Vorfinanzierung der Tilgung bestehender Schulden in vorangegangenen Haushaltsjahren nicht ausgeschöpft wurden.

Kreditaufnahmen nach Artikel 71 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung und Tilgungen nach dem Tilgungsplan nach Artikel 71 Abs. 4 Satz 4 der Niedersächsischen Verfassung sind aus dem Betrag der festgestellten Kreditaufnahme herauszurechnen.

(2) Ist die Summe der festgestellten Kreditaufnahmen höher als die Summe der zulässig gewesenen Kreditaufnahmen (negativer Saldo), so ist auf einen Ausgleich des Kontrollkontos hinzuwirken. Dieser soll in gleich großen Schritten innerhalb von zwei Haushaltsjahren beginnend mit dem Haushaltsjahr erreicht werden, das auf die Feststellung des negativen Saldos folgt.

§ 18e Verordnungsermächtigung

Das Finanzministerium regelt die zur Anwendung der §§ 18a bis 18d erforderlichen Einzelheiten durch Verordnung. Insbesondere können Bestimmungen getroffen werden über den Begriff der Steuereinnahmen im Sinne des § 18b, das Verfahren zur Ermittlung der Konjunkturkomponente und der Steuerabweichungskomponente, zur Ermittlung der zulässigen Kreditaufnahme und zu den auf dem Kontrollkonto zu erfassenden Abweichungen.

§ 18f Evaluation

(1) Die Ermittlung der Konjunkturkomponente ist unter Berücksichtigung des Standes der Wissenschaft vom Finanzministerium regelmäßig zu überprüfen.

(2) Überschreitet der Bestand der Konjunkturbereinigungsrücklage 5 vom Hundert der Steuereinnahmen des Landes im letzten abgeschlossenen Haushaltsjahr, so ist zu überprüfen, ob die Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung im Auf- und Abschwung symmetrisch berücksichtigt werden. Über das Ergebnis ist dem Landtag zu berichten."

4. § 34a wird gestrichen.

5. In § 62 Satz 5 wird der Klammerzusatz " (§ 34a)" durch den Klammerzusatz " (§ 18 Abs. 1 Nr. 4)" ersetzt.

6. Es wird der folgende neue § 117 eingefügt:

" § 117 Übergangsbestimmungen zu den §§ 18 bis 18f, 34a und 62

§ 18 Abs. 1 bis 3 sowie die §§ 18a, 34a und 62 Satz 5 in der bis zum 30. November 2019 geltenden Fassung sind letztmals auf das Haushaltsjahr 2019 anzuwenden. § 18 Abs. 1 bis 3, die §§ 18a bis 18f und 62 Satz 5 in der ab dem 1. Dezember 2019 geltenden Fassung sowie die aufgrund des § 18e erlassene Verordnung sind erstmals auf das Haushaltsjahr 2020 anzuwenden."

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Dezember 2019 in Kraft.

ID: 192045

ENDE