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Überwachung der Telekommunikation nach §§ 100a, 100b sowie §§ 100g, 100h und § 100i StPO
- Rheinland-Pfalz -

Vom 14. November 2006
(MBl. Nr. 13 vom 29.11.2006 S. 194)



1 Maßnahmen nach §§ 100a, 100b StPO

1.1 Allgemeines

1.1.1 Nach § 100a StPO darf die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation angeordnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine der in § 100a StPO genannten Straftaten begangen hat oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht oder durch eine Straftat vorbereitet hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Unter diesen Voraussetzungen dürfen bei Vorliegen einer Anordnung gemäß § 100b StPO und nach ausdrücklicher Zustimmung der Staatsanwaltschaft auch verdeckte Maßnahmen zur Feststellung der Position der von den Überwachungsmaßnahmen betroffenen Mobilfunkendgeräten durchgeführt werden.

1.1.2 Wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, hat den Strafverfolgungsbehörden die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zu ermöglichen (§ 100b Abs. 3 Satz 1 StPO) und bei vorliegenden Voraussetzungen (vgl. Nummer 2) unverzüglich Auskunft über die in § 100g Abs. 3 StPO beschriebenen Telekommunikationsverbindungsdaten zu erteilen, soweit diese den Beschuldigten oder sonstige in § 100a Satz 2 StPO bezeichnete Personen betreffen. Näheres regeln §§ 5 ff. der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) vom 3. November 2005 (BGBl. I S. 3136). Gemäß § 6 TKÜV haben Verpflichtete die zur Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen erforderlichen technischen Einrichtungen so zu gestalten, dass eine Anordnung unverzüglich umgesetzt werden kann. § 7 TKÜV enthält die Liste der bereitzustellenden Daten.

1.2 Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation

1.2.1 Erlaubt ist ausschließlich die Überwachung und Aufzeichnung der öffentlichen Telekommunikation. Maßnahmen nach § 100a StPO sind nur zulässig, wenn diese durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch von der Staatsanwaltschaft, schriftlich angeordnet worden sind (§ 100b Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO). Eine Anordnung der Staatsanwaltschaft tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen richterlich bestätigt wird (§ 100b Abs. 1 Satz 3 StPO). Werden Maßnahmen nach § 100a StPO angeordnet und sollen im Rahmen der Überwachung zusätzlich verdeckte Maßnahmen zur Feststellung der Position überwachter Mobiltelefone durchgeführt werden, sollen Antrag und Anordnung sich auf verdeckte Maßnahmen zur Funkzellenidentifikation beziehen.

1.2.2 Sind Maßnahmen nach § 100a StPO angezeigt, hat die Staatsanwaltschaft den Erlass der schriftlichen Anordnung über die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation bei dem zuständigen Gericht zu beantragen. Ist Gefahr im Verzug und die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig erreichbar, kann die Anregung von der das Verfahren bearbeitenden Polizeidienststelle unmittelbar gegeben werden; die zuständige Staatsanwaltschaft ist unverzüglich zu unterrichten.

1.2.3 Bevor die Überwachung beantragt wird, ist zu ermitteln, bei welchen Telekommunikationsdiensten Betroffene unter welchen Nummern oder Namen Fernsprechanschlüsse besitzen. Hierzu kann die Regulierungsbehörde um Auskunft gebeten werden (§ 112 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 - BGBl. I S. 1190 - in der jeweils geltenden Fassung). Die Daten können dort auch im automatisierten Auskunftsverfahren abgerufen werden. Die Speicherung dieser Daten richtet sich nach der Generalerrichtungsanordnung des Verfahrens "Automatisiertes Auskunftsersuchen" (TAE).

1.2.4 In dem Antrag auf Erlass der Anordnung nach § 100b StPO sind Namen und Anschrift des Betroffenen, die Rufnummer oder eine andere Kennung des Telekommunikationsanschlusses sowie Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Überwachungsmaßnahmen anzugeben. Der Antrag ist zu begründen; dabei sind die Tatsachen anzugeben, die den Verdacht begründen, dass der Betroffene als Täter oder Teilnehmer eine oder mehrere der in § 100a StPO bezeichneten Straftaten begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht oder durch eine Straftat vorbereitet hat, und die Gründe darzulegen, weshalb die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

1.2.5 Soll die Anordnung gegenüber einer anderen Person als dem Beschuldigten erlassen werden, so sind außerdem die Tatsachen anzugeben, aufgrund derer anzunehmen ist, dass diese Person für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben wird oder dass der Beschuldigte den Anschluss dieser Person benutzen wird (§ 100a Satz 2 StPO).

1.2.6 Soll die von einem öffentlichen Anschluss wahrgenommene Telekommunikation überwacht werden und lässt sich die Überwachung (z.B. durch Observation, ständiges Mithören oder technische Vorkehrungen) nicht auf Mitteilungen des Beschuldigten oder von Tatmittlern beschränken, ist wegen der mit der Maßnahme zwangsläufig verbundenen Betroffenheit einer Vielzahl von unbeteiligten Personen vor einer Antragstellung in besonderem Maße der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Anordnungen, die in solchen Fällen ausdrücklich nur die Überwachung von Mitteilungen des Beschuldigten erlauben, rechtfertigen selbst dann nicht das Abhören und Aufzeichnen von Mitteilungen Dritter, wenn sonst eine Überwachung des Beschuldigten ausgeschlossen wäre.

1.2.7 Vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Anordnung (höchstens drei Monate) kann ein Antrag auf Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate gestellt werden, soweit die in § 100a StPO bezeichneten Voraussetzungen fortbestehen (§ 100b Abs. 2 Satz 5 StPO).

1.3 Vorbereitung der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation

1.3.1 Die Überwachungsmaßnahmen werden grundsätzlich unter der persönlichen und unmittelbaren Leitung einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts durchgeführt (Nr. 3 Abs. 1 und 2 RiStBV). Art, Umfang und Dauer der Überwachung richten sich nach der gemäß § 100b Abs. 2 StPO ergangenen Anordnung.

1.3.2 Die schriftliche Anordnung über die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation gemäß § 100b StPO sowie das Ersuchen um Vornahme der erforderlichen Schritte zur Umsetzung der angeordneten Maßnahme sind dem jeweiligen Betreiber der Telekommunikationsanlage im Original oder in Form einer beglaubigten Abschrift zuzuleiten (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TKÜV); in Fällen besonderer Dringlichkeit ist vorab per Telefax oder auf gesichertem elektronischen Weg eine Kopie der Anordnung zu übermitteln. Dabei sind besondere Vorkehrungen gegen Fehlleitungen zu treffen.

1.3.3 Von der Verwendung der Anschlussleitung eines unbeteiligten privaten Telekommunikationsteilnehmers, die ohnehin nur mit dessen Zustimmung benutzt werden könnte, ist mit Rücksicht auf die Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses und die Sicherung der Untersuchungsergebnisse in der Regel abzusehen.

1.4 Durchführung der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation

1.4.1 Von dem Beginn der Überwachung der Telekommunikation ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

1.4.2 Die Aufzeichnung der Telekommunikation nach § 100a StPO erfolgt nach Verarbeitung in einem Arbeitsspeicher auf hierfür zugelassenen externen Speichermedien. Je nach Speicherkapazität können Daten, zum Beispiel separat angelieferte Verbindungsdaten und deren Verknüpfung mit Sprachdaten, befristet auf der Festplatte des TKÜ-Rechners gespeichert werden. Zur Aufzeichnung dürfen nur ungenutzte oder vollständig gelöschte MOD-Datenträger verwendet werden.

1.4.3 In Fällen einer zusätzlich durchgeführten verdeckten Standortfeststellung von Mobilfunkendgeräten werden Anrufsignale in einem von den Strafverfolgungsbehörden festzulegenden Intervall verdeckt an das überwachte Gerät übermittelt. Die hierdurch erzeugten Standortkennungen sind Gegenstand der vom jeweiligen Telekommunikationsdienstleister auf Grundlage der Anordnung nach § 100b StPO zu übermittelnden Daten.

1.4.4 Abweichende Regelungen der obersten Dienstbehörde zur Nutzung anderer technischer Verfahren zur Aufzeichnung und Auswertung der Telekommunikation bleiben unberührt.

1.4.5 Bei länger dauernden Überwachungsmaßnahmen soll mindestens täglich eine Kontrolle der Überwachungsgeräte stattfinden. Ein ständiges Mithören soll nur erfolgen, wenn anzunehmen ist, dass aufgrund des Ergebnisses der Überwachung sofortige Maßnahmen erforderlich werden. Es ist sicherzustellen, dass jedem Gespräch Datum und Uhrzeit, an dem es geführt wurde, zugeordnet werden kann. Soweit möglich, sollen die einzelnen Gespräche technisch so markiert werden, dass sich Beginn und Ende auf dem Datenträger automatisch finden lassen.

1.4.6 Die Überwachungsgeräte und die erlangten Unterlagen sind jederzeit unter besonders gesichertem Verschluss aufzubewahren. Niederschriften über abgehörte Gespräche und festgestellte Telekommunikationsverbindungen sind ausschließlich in gesonderten Akten abzulegen (Nr. 186 Abs. 2 RiStBV).

1.4.7 In die Niederschriften werden von den zuständigen Beamten nur solche Gespräche wortwörtlich oder inhaltlich übernommen, die für das Verfahren Bedeutung haben. Bei anderen Gesprächen wird nur festgehalten, wer mit wem gesprochen hat, und angemerkt, dass das Gespräch für das Verfahren bedeutungslos ist.

Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist es nicht möglich, bei automatischer Aufnahme Telefongespräche zwischen bestimmten Anschlüssen - etwa Anrufe des Beschuldigten bei seinem Verteidiger oder Anrufe des Verteidigers bei dem Beschuldigten - nicht mit aufzuzeichnen. Wenn beim Abhören des Datenträgers zu erkennen ist, dass es sich bei einem Telefonat um ein "Verteidigergespräch" handelt, wird dieses Gespräch nicht weiter übertragen und auch nicht weiter abgehört. Sofern sich erst nach Abhören und schriftlicher Übertragung eines Gesprächs herausstellt, dass es sich um ein "Verteidigergespräch" handelt, sind die erlangten Unterlagen unverzüglich zu vernichten.

1.4.8 Bei der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation eingesetzte Dolmetscher und Übersetzer sind, soweit sie nicht bereits verpflichtet sind, vor Aufnahme ihrer Tätigkeit nach dem Verpflichtungsgesetz vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469 - 547 -) in der jeweils geltenden Fassung zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Die Verpflichtung ist aktenkundig zu machen.

1.5 Beendigung der Überwachungsmaßnahmen

1.5.1 Ist die Gültigkeitsdauer der Anordnung nach § 100b StPO abgelaufen oder liegen die Voraussetzungen für die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation nicht mehr vor, sind die sich aus der Anordnung ergebenden Maßnahmen unverzüglich zu beenden (§ 100b Abs. 4 Satz 1 StPO). Die Beendigung ist dem Gericht und dem Betreiber der Telekommunikationsanlage mitzuteilen (§ 100b Abs. 4 Satz 2 StPO).

1.5.2 Die erlangten Unterlagen sind unverzüglich der Staatsanwaltschaft zu übermitteln (§ 163 Abs. 2 StPO).

1.5.3 Die Beteiligten sind nach § 101 Abs. 1 StPO durch die Staatsanwaltschaft zu benachrichtigen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, der öffentlichen Sicherheit, von Leib oder Leben einer Person sowie der Möglichkeit der weiteren Verwendung eines eingesetzten nicht offen ermittelnden Beamten geschehen kann. Zu den Beteiligten gehört neben dem Beschuldigten auch der in § 100a Satz 2 StPO genannte Personenkreis. Personen, mit denen der Beschuldigte die überwachte Telekommunikation unterhalten hat, sind nur dann zu unterrichten, wenn Name und Anschrift bekannt sind und deren Interessen an einer Benachrichtigung ausnahmsweise die Interessen des Überwachten an einer Geheimhaltung der Maßnahme überwiegen.

1.6 Verwertung der Unterlagen

1.6.1 Während des Ermittlungsverfahrens entscheidet über die Verwertung der erlangten Kenntnisse und Unterlagen zu Strafverfolgungszwecken die Staatsanwaltschaft. Nach Rechtshängigkeit entscheidet über die Verwertung in dem bei ihm anhängigen Verfahren das zuständige Gericht.

1.6.2 Die durch die Maßnahmen erlangten personenbezogenen Informationen können in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden, soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer der in § 100a StPO bezeichneten Straftaten benötigt werden (§ 100b Abs. 5 StPO).

1.6.3 Die durch die Maßnahmen erlangten Erkenntnisse, die sich auf Straftaten beziehen, die nicht im Katalog des § 100a enthalten sind, dürfen in anderen Strafverfahren lediglich mittelbar verwertet werden. Sie können daher dort zwar nicht als Beweismittel verwertet, aber als Grundlage für weitere Ermittlungen genutzt werden. Zu diesem Zweck sind die aus den Maßnahmen erlangten relevanten Erkenntnisse in einem Aktenvermerk niederzulegen. Die Fertigung von Ablichtungen der erlangten Unterlagen (Gesprächsniederschriften etc.) zu anderen Vorgängen ist zu unterlassen, da sie dadurch einer späteren Vernichtungsanordnung entzogen werden könnten.

1.6.4 Erkenntnisse aus einer repressiven Maßnahme zur Überwachung der Telekommunikation dürfen zur Gefahrenabwehr verwendet werden (§ 477 Abs. 2, § 481 StPO). Will die Polizei solche Erkenntnisse entsprechend verwerten, unterrichtet sie vorab die Staatsanwaltschaft. Hat die Staatsanwaltschaft mit Rücksicht auf das Ermittlungsverfahren Bedenken gegen eine präventive Nutzung, teilt sie dies der Polizei mit. Eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft ist jedoch nicht erforderlich. Die Weitergabe der Erkenntnisse ist zu dokumentieren. In Eilfällen genügt die nachträgliche Unterrichtung der Staatsanwaltschaft.

1.7 Vernichtung der Unterlagen

1.7.1 Die Polizei unterrichtet die zuständige Staatsanwaltschaft unverzüglich - spätestens mit Vorlage des Ermittlungsvorgangs - über die Existenz aller Unterlagen/Datenträger, die Überwachungsdaten enthalten (z.B. Aufzeichnungsmedien, Niederschriften, Ausdrucke, Disketten, Festplatten oder sonstige Speichermedien), damit über deren Vernichtung bzw. Löschung rechtzeitig entschieden werden kann. Sind die durch die Maßnahme nach § 100a StPO erlangten Unterlagen zur Strafverfolgung nicht oder nicht mehr erforderlich, sind sie unverzüglich unter persönlicher Aufsicht einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts zu vernichten oder zu löschen (§ 100b Abs. 6 Satz 1 StPO). Auf deren persönliche Anwesenheit kann bei der Löschung von TKÜ-Dateien in den Räumen der Polizei nur dann verzichtet werden, wenn sich die Anwesenheit in der bloßen Beobachtung eines verdeckt ablaufenden Datenverarbeitungsvorganges erschöpfen würde. Die Vernichtung ist aktenkundig zu machen.

1.7.2 Die Löschung der Daten muss in einer Form erfolgen, die eine Wiederherstellung ausschließt. Vor der Löschung erstellte Sicherungsimages sind ebenfalls zu vernichten.

1.7.3 Die Vernichtung der erlangten Unterlagen aus Maßnahmen nach § 100a StPO ordnet die Staatsanwaltschaft an. Die Anordnungsbefugnisse des Gerichts im Hauptverfahren bleiben unberührt. Über die Vernichtung bzw. Löschung ist eine Niederschrift aufzunehmen (§ 100b Abs. 6 Satz 2 StPO) und von der zuständigen Staatsanwältin oder dem Staatsanwalt zu unterzeichnen. Die Niederschrift soll die durchführenden Personen benennen und folgenden Inhalt haben:

bei Datenträgern:

bei schriftlichen Aufzeichnungen:

1.7.4 In den Fällen der Nummer 1.7.1 Satz 3 informiert die Polizei die zuständige Staatsanwaltschaft über die Vernichtung. Für den Inhalt der Mitteilung gilt Nummer 1.7.3 entsprechend.

1.7.5 Als Beweismittel verwendete Unterlagen sind nach Rechtskraft des Urteils grundsätzlich "zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich" und dementsprechend unverzüglich zu vernichten. Eine Aufbewahrung über den Zeitpunkt der Rechtskraft hinaus kann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, angekündigt oder sonst zu erwarten ist.

Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig eingestellt, sind die Telefonüberwachungsunterlagen grundsätzlich zu vernichten. Im Falle einer Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts können solche Unterlagen weiter aufbewahrt werden, die bei einer nach kriminalistischer Erfahrung möglichen Wiederaufnahme der Ermittlungen zur weiteren Sachaufklärung geeignet erscheinen. Die Notwendigkeit einer weiteren Aufbewahrung ist in jährlichen Abständen zu überprüfen.

1.7.6 Sofern sich aus besonderen Gründen die Vernichtung der durch die Maßnahmen erlangten Unterlagen/Datenträger verzögert, sind die hierfür maßgeblichen Gründe in den Akten zu vermerken.

1.8 Berichtspflicht

Zu jedem Jahresende berichten die Staatsanwaltschaften dem Ministerium der Justiz über Art und Anzahl der in dem betreffenden Jahr vollzogenen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach §§ 100a, 100b StPO nach Maßgabe der aufgelegten Formblätter.

2 Maßnahmen gemäß §§ 100g ,100h StPO

2.1 Allgemeines

2.1.1 Gemäß § 100g Abs.1 StPO darf angeordnet werden, dass diejenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, unverzüglich Auskunft über die zur Untersuchung erforderlichen Telekommunikationsverbindungsdaten (§ 100g Abs. 3 StPO) zu erteilen haben, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere eine der in § 100a Satz 1 StPO genannten Straftaten, oder mittels einer Endeinrichtung (§ 3 Nr. 3 TKG) begangen oder in den Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht oder durch eine Straftat vorbereitet hat. Die Auskunft darf nur Verbindungsdaten des Beschuldigten oder die sonstigen in § 100a Satz 2 StPO genannten Personen betreffen und kann auch zukünftige Telekommunikationsverbindungen umfassen (§ 100g Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO).

2.1.2 Wenn die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, darf Auskunft darüber angeordnet werden, ob von einem Telekommunikationsanschluss Telekommunikationsverbindungen zu Beschuldigten oder den sonstigen in § 100a Satz 2 StPO genannten Personen hergestellt worden sind (§ 100g Abs. 2 StPO).

2.2 Anordnung

2.2.1 Die Nummern 1.2.2 und 1.2.3 gelten entsprechend.

2.2.2 Im Antrag auf Anordnung von Maßnahmen nach § 100g StPO sind Name und Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet, die Rufnummer oder eine andere Kennung seines Telekommunikationsanschlusses anzugeben (§ 100h Abs. 1 Satz 1 StPO). Eine räumlich und zeitlich hinreichend bestimmte Bezeichnung der Telekommunikation, über die Auskunft erteilt werden soll, ist im Falle einer Straftat von erheblicher Bedeutung ausreichend, wenn andernfalls die Erforschung des Sachverhaltes aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (§ 100h Abs. 1 Satz 2 StPO).

2.2.3 Maßnahmen nach § 100g StPO sind nur zulässig, nachdem diese durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch von der Staatsanwaltschaft, schriftlich angeordnet worden sind. Eine Anordnung der Staatsanwaltschaft tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen richterlich bestätigt wird (§ 100h Abs.1 Satz 3 i. V. m. § 100b Abs. 1 StPO).

2.2.4 Beinhaltet die Anordnung die Auskunft über zukünftige Telekommunikationsverbindungen, kann die Verlängerung der auf höchstens drei Monate zu befristenden Anordnung um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate beantragt und angeordnet werden, soweit die Voraussetzungen, die zur Anordnung der Maßnahmen führten, fortbestehen (§ 100h Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 i. V. m. § 100b Abs. 2 Sätze 4 und 5 StPO).

2.3 Durchführung, Beendigung der Maßnahme

2.3.1 Die schriftliche Anordnung gemäß § 100h StPO ist dem jeweiligen Betreiber der Telekommunikationsanlage im Original oder in Form einer beglaubigten Abschrift zuzuleiten; in Fällen besonderer Dringlichkeit ist vorab per Telefax oder auf gesichertem elektronischen Weg eine Kopie der Anordnung zu übermitteln. Dabei sind besondere Vorkehrungen gegen Fehlleitungen zu treffen.

2.3.2 Ist die Gültigkeitsdauer einer Anordnung nach § 100h StPO abgelaufen oder liegen die Voraussetzungen für die Auskunftserteilung nicht mehr vor, sind die sich aus der Anordnung ergebenden Maßnahmen unverzüglich zu beenden; die Beendigung ist dem Gericht und dem Betreiber der Telekommunikationsanlage mitzuteilen (§ 100h Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 i. V. m. § 100b Abs. 4 StPO).

2.3.3 Durch die Auskunft erlangte personenbezogene Informationen dürfen in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden, soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer der in § 100g Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Straftaten benötigt werden, oder wenn der Beschuldigte zustimmt (§ 100h Abs. 3 StPO).

2.3.4 Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht in den Fällen des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 StPO reicht, ist das Verlangen einer Auskunft über Telekommunikationsverbindungen, die von dem oder zu dem zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten hergestellt wurden, unzulässig; eine dennoch erlangte Auskunft darf nicht verwertet werden (§ 100h Abs. 2 Satz 1 StPO). Dies gilt nicht, wenn die zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten einer Teilnahme oder einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig sind (§ 100h Abs. 2 Satz 2 StPO).

2.3.5 Die Nummern 1.4.6, 1.5.2 und 1.7 sind entsprechend anzuwenden.

3 Maßnahmen gemäß § 100i StPO

3.1 Allgemeines

3.1.1 Gemäß § 100i Abs. 1 Nr. 1 StPO dürfen zur Vorbereitung einer Maßnahme nach § 100a StPO die Geräte- und Kartennummern ermittelt werden, wenn die Voraussetzungen des § 100a StPO vorliegen und die Durchführung der Überwachungsmaßnahme ohne die Ermittlung der Geräte- oder Kartennummer nicht möglich oder wesentlich erschwert wäre.

Gemäß § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO darf im Falle einer Straftat von erheblicher Bedeutung zur vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO oder Ergreifung des Täters aufgrund eines Haftbefehls oder Unterbringungsbefehls der Standort eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes ermittelt werden, wenn die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Die Maßnahme ist im Falle einer Straftat von erheblicher Bedeutung auch zulässig, wenn die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters zur Eigensicherung der zur vorläufigen Festnahme oder Ergreifung eingesetzten Beamten des Polizeidienstes erforderlich ist.

3.1.2 Wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, ist in Fällen von Maßnahmen nach § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO verpflichtet, den Strafverfolgungsbehörden Mitteilung über die für die Ermittlung des Standortes des Mobilfunkendgerätes erforderlichen Geräte- und Kartennummern zu machen (§ 100i Abs. 4 Satz 4 StPO).

3.2 Anordnung

3.2.1 Sind Maßnahmen nach § 100i StPO erforderlich, hat die Staatsanwaltschaft den Erlass der Anordnung über die Maßnahme bei dem zuständigen Gericht zu beantragen. Ist Gefahr im Verzug und die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig erreichbar, kann die Anregung von der das Verfahren bearbeitenden Polizeidienststelle unmittelbar gegeben werden; die zuständige Staatsanwaltschaft ist unverzüglich zu unterrichten.

3.2.2 Im Antrag auf Anordnung von Maßnahmen nach § 100i Abs. 1 Nr. 1 StPO sind Umfang der Maßnahme sowie die Erkenntnisse anzugeben, die zu der Annahme führen, dass die Durchführung der Überwachungsmaßnahme ohne die Ermittlung der Geräte- oder Kartennummer nicht möglich oder erschwert wäre.

Dient die Maßnahme der vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO oder Ergreifung eines Täters aufgrund eines Haftbefehls oder Unterbringungsbefehls und soll hierzu der Standort eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes ermittelt werden (§ 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO), sind die Gründe darzulegen, weshalb die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre.

Dient die Standortfeststellung im Falle einer Straftat von erheblicher Bedeutung der Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters zur Eigensicherung der zur vorläufigen Festnahme oder Ergreifung eingesetzten Beamten des Polizeidienstes (§ 100i Abs. 2 Satz 3 StPO), sind die Gründe anzuführen, die besondere polizeiliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich machen.

3.2.3 Maßnahmen nach § 100i StPO sind nur zulässig, nachdem diese durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch von der Staatsanwaltschaft, angeordnet worden sind (§ 100i Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 100b Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO). Im Fall einer Anordnung nach § 100i Abs. 1 Nr. 1 muss die Anordnung schriftlich ergehen (§ 100i Abs. 4 Satz 1 i. V m. § 100b Abs. 2 Satz 1). Im Fall einer Anordnung nach § 100i Abs. 1 Nr. 2 genügt auch eine mündliche Anordnung; diese ist aber in den Akten zu dokumentieren. Eine Anordnung der Staatsanwaltschaft tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen richterlich bestätigt wird (§ 100i Abs. 4 Satz 1 StPO i. V. m. § 100b Abs. 1 Satz 3 StPO).

Die Verlängerung der auf höchstens sechs Monate zu befristenden Anordnung um jeweils nicht mehr als sechs weitere Monate kann beantragt und angeordnet werden, soweit die Voraussetzungen, die zur Anordnung der Maßnahmen führten, fortbestehen (§ 100i Abs. 4 Sätze 2 und 3 StPO).

Die Erhebung personenbezogener Daten Dritter bei Durchführung von Maßnahmen nach § 100i StPO ist nur zulässig, soweit dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks der Maßnahme unvermeidbar ist; personenbezogene Daten Dritter dürfen über den Datenabgleich zur Ermittlung der gesuchten Geräte- und Kartennummer hinaus nicht verwendet werden und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen (§ 100i Abs. 3 StPO).

3.3 Durchführung

3.3.1 In Fällen von Maßnahmen nach § 100i StPO werden durch Aufbau einer Funkzelle Geräte- und Kartennummern der in einem eng begrenzten Raum zu einem bestimmten Zeitpunkt genutzten Mobilfunkendgeräte durch Messungen festgestellt. Durch Messungen kann der Standort eines Mobilfunkendgerätes über die Benennung einer Funkzelle hinausgehend ermittelt werden. Messbereich und -zeitraum sind innerhalb der sich aus der Anordnung ergebenden Grenzen von den Strafverfolgungsbehörden festzulegen.

3.3.2 Ist die Polizei mit der Durchführung der Maßnahme beauftragt, unterrichtet sie die Staatsanwaltschaft fortlaufend über Umfang und Ergebnisse der Maßnahme.

3.3.3 Nummer 1.4.6 Satz 1 gilt entsprechend.

3.4 Beendigung der Maßnahmen, Vernichtung der Unterlagen

3.4.1 Ist die Gültigkeitsdauer der Anordnung abgelaufen oder liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, sind die sich aus der Anordnung ergebenden Maßnahmen unverzüglich zu beenden.

3.4.2 Die Vernichtung von Unterlagen zu personenbezogenen Daten Dritter, die bei der Maßnahme erlangt wurden, erfolgt unverzüglich nach Beendigung der Maßnahmen unmittelbar durch die mit Durchführung der Maßnahmen beauftragten Beamten des Polizeidienstes. Die Vernichtung ist aktenkundig zu machen.

4 Allgemeine Verfahrensvorschriften

4.1 Gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 1 TKG haben die Betreiber der Telekommunikationsanlage die technischen Einrichtungen zur Umsetzung von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung auf eigene Kosten zu gestalten und vorzuhalten.

4.2 Die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Justiz und des Ministeriums des Innern und für Sport "Auslagen der Polizei in Straf- und Bußgeldverfahren" vom 21. Juli 1994 - JBI. S. 225; 2003 S. 199 (MinBl. S. 299) -, zuletzt geändert durch W vom 12. Juli 2004 - JBI. S. 193 (MinBl. S. 286) -, findet Anwendung.

5 Inkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Dezember 2006 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Justiz und des Ministeriums des Innern und für Sport vom 18. Oktober 1996 (JM 4104-4-10) - JBI. S. 345, 2004 S. 261 (MinBl. S. 428) - außer Kraft.

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