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Änderungstext
Landesgesetz zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften
Vom 9. März 2011
(GVBl. Nr. 7 vom 22.03.2011 S. 72)
Der Landtag Rheinland-Pfalz hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes
Das Landesverfassungsschutzgesetz vom 6. Juli 1998 (GVBl. S. 184), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 2009 (GVBl. S. 413), BS 12-2, wird wie folgt geändert:
1. § 10 wird wie folgt geändert:
a) Die Absätze 5 bis 7
(5) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 5 das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln nur heimlich mithören oder aufzeichnen wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, unerlässlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen. Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 dürfen nur auf Grund richterlicher Anordnung getroffen werden; bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Verwendung der durch Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen personenbezogenen Daten zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten erfolgt in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 4 Nr. 1 des Artikel 10-Gesetzes. Die durch Maßnahmen nach Satz 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen auch zur Verfolgung der in § 100c Abs. 1 Nr. 3 der Strafprozessordnung genannten Straftaten verwendet werden.(6) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch die fachlich zuständige Ministerin oder den fachlich zuständigen Minister angeordnet werden. Eine Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse zum Zwecke der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Grundordnung ist zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(7) Zuständig für richterliche Entscheidungen nach Absatz 5 Satz 3 sowie Absatz 6 Satz 2 ist das Amtsgericht Mainz. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.
werden gestrichen.
b) Absatz 8 wird Absatz 5 und wie folgt geändert:
In Satz 1 wird die Angabe "den Absätzen 2 und 5" durch die Angabe "Absatz 2" ersetzt.
2. Nach § 10a werden folgende §§ 10b und 10c eingefügt:
" § 10b Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen
(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 5 zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, technische Mittel zur optischen und akustischen Überwachung von Wohnungen einsetzen, sofern die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen ist auch zulässig, wenn er ausschließlich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz tätigen Personen erforderlich erscheint und vom Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder seinem Vertreter angeordnet ist.
(2) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf sich nur gegen eine Person richten, gegen die aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 5 besteht. Gleiches gilt für eine Person, die mit einer Person im Sinn von Satz 1 in einer Weise in Verbindung steht, die aufgrund konkreter Tatsachen die Annahme rechtfertigt, dass sie in einem objektiven Bezug zu den in § 5 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten dieser Person steht (Kontakt- oder Begleitperson). Die Maßnahme darf im Übrigen auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.
(3) Die Maßnahme darf nur in Wohnungen der in Absatz 2 Satz 1 oder 2 genannten Personen durchgeführt werden. Wohnungen anderer Personen dürfen nur überwacht werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich eine Person nach Absatz 2 Satz 1 oder 2 dort aufhält und die Überwachung der Wohnung allein dieser Person zur Erforschung des Sachverhalts nicht Erfolg versprechend erscheint.
(4) Der Einsatz technischer Mittel nach Absatz 1 Satz 1 darf nur auf Antrag des Leiters der Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann auch der Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder sein Vertreter den Einsatz technischer Mittel anordnen; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Soweit die Anordnung des Leiters der Verfassungsschutzbehörde oder seines Vertreters nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt worden ist, tritt sie außer Kraft; bereits erhobene Daten dürfen nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu löschen.
(5) Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die zu überwachende Wohnung und die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist. Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen sind bestimmt zu bezeichnen. Die Anordnung ist auf höchstens einen Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils einen weiteren Monat sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse fortbestehen. In der Begründung der Anordnung sind die Voraussetzungen und die wesentlichen Gründe einzelfallbezogen darzustellen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden.
(6) Die Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 darf nur angeordnet und durchgeführt werden, soweit nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere hinsichtlich der Art der überwachten Räumlichkeit und des Verhältnisses der überwachten Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Daten erhoben werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Die Maßnahme ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte oder Handlungen erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatisiert erfolgende Aufzeichnung fortgesetzt werden.
Automatisierte Aufzeichnungen nach Satz 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit der Daten vorzulegen. Ist die Überwachung nach Satz 2 unterbrochen worden, darf sie unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden.
(7) Ein Eingriff in ein nach den §§ 53 und 53a der Strafprozessordnung geschütztes Vertrauensverhältnis ist unzulässig. Absatz 6 gilt entsprechend. Satz 1 findet keine Anwendung, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person selbst im Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 5 steht oder eine Kontakt- oder Begleitperson (Absatz 2 Satz 2) ist.
§ 10c Besondere Bestimmungen für Maßnahmen nach § 10b
(1) Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung oder aus Eingriffen entgegen § 10b Abs. 7 dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation ist zu löschen, wenn sie für Zwecke einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht mehr erforderlich ist. Soweit die Verarbeitung von Daten nach § 10b der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, fällt sie nicht in die Kontrollkompetenz des Landesbeauftragten für den Datenschutz.
(2) Eine Verwertung der bei einer Maßnahme nach § 10b Abs. 1 Satz 2 erlangten Daten zum Zweck der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere solcher für die freiheitliche demokratische Grundordnung, ist zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt oder dies bei Gefahr im Verzug unverzüglich nachgeholt worden ist.
(3) Für gerichtliche Entscheidungen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Verfassungsschutzbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.
(4) Die aus einer Maßnahme nach § 10b gewonnenen personenbezogenen Daten sind zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtzuerhalten.
(5) Der Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder sein Vertreter kann anordnen, dass bei der Übermittlung auf die Kennzeichnung nach Absatz 4 verzichtet wird, soweit und solange dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Beschränkungsmaßnahme nicht zu gefährden und das Gericht zugestimmt hat. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung bereits vor der Zustimmung getroffen werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten.
(6) Die Verfassungsschutzbehörde kann nach § 10b erhobene personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist
Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden.
(7) Sind mit personenbezogenen Daten, die übermittelt werden dürfen, weitere Daten des Betroffenen oder eines Dritten in Akten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig; eine Verwendung dieser Daten ist unzulässig. Über die Übermittlung entscheidet ein Bediensteter der übermittelnden Stelle, der die Befähigung zum Richteramt hat. Die Übermittlung ist zu protokollieren.
(8) Sind die durch eine Maßnahme nach § 10b erlangten personenbezogenen Daten zur Erfüllung des der Maßnahme zugrunde liegenden Zwecks und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie unverzüglich zu löschen. Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten ohne Einwilligung des Betroffenen nur zu diesem Zweck verwendet werden; sie sind entsprechend zu sperren. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. Die Akten sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Löschung folgt, zu vernichten. § 11 Abs. 5 gilt entsprechend.
(9) Für die Benachrichtigung des Betroffenen gelten die Bestimmungen des § 10 Abs. 5 mit der Maßgabe, dass die Zurückstellung der Benachrichtigung der gerichtlichen Entscheidung bedarf, sofern eine Benachrichtigung nicht binnen sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme erfolgt ist. Über die Dauer der weiteren Zurückstellungen, die zwölf Monate jeweils nicht überschreiten dürfen, entscheidet das Gericht. Eine abschließende Entscheidung kann frühestens fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahme getroffen werden."
3. In § 21 Abs. 1 Satz 2 wird die Angabe " § 10 Abs. 5" durch die Angabe " § 10b Abs. 1 Satz 1" und die Angabe " § 10 Abs. 6" durch die Angabe " § 10b Abs. 1 Satz 2" ersetzt.
4. Die Inhaltsübersicht wird entsprechend den vorstehenden Bestimmungen angepasst.
Artikel 2
Änderung der Neufassung des Ausführungsgesetzes zu Artikel 10 GG und zur Fortentwicklung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften
Die Neufassung des Ausführungsgesetzes zu Artikel 10 GG und zur Fortentwicklung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften vom 16. Dezember 2002 (GVBl. S. 477), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2009 (GVBl. S. 419), wird wie folgt geändert:
Artikel 4 Abs. 2 wird gestrichen.
Artikel 3
Einschränkung von Grundrechten
Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 7 der Verfassung für Rheinland-Pfalz) wird nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.
Artikel 4
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.