Regelwerk |
VersFG SH - Versammlungsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein
Vom 18. Juni 2015
(GVOBl.Schl.-H. Nr. 8 vom 25.06.2015 S. 135)
2180-1
Abschnitt 1
Allgemeine Regelungen
§ 1 Versammlungsfreiheit
(1) Jede Person hat das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen mit anderen zu versammeln und Versammlungen zu veranstalten.
(2) Dieses Recht hat nicht, wer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes verwirkt hat.
§ 2 Begriff der öffentlichen Versammlung
(1) Versammlung im Sinne dieses Gesetzes ist eine örtliche Zusammenkunft von mindestens drei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Aufzug ist eine sich fortbewegende Versammlung.
(2) Eine Versammlung ist öffentlich, wenn die Teilnahme nicht auf einen individuell bestimmten Personenkreis beschränkt ist oder die Versammlung auf eine Kundgebung an die Öffentlichkeit in ihrem räumlichen Umfeld gerichtet ist.
(3) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt dieses Gesetz sowohl für öffentliche als auch für nichtöffentliche Versammlungen.
§ 3 Schutzaufgabe und Kooperation
(1) Die Träger der öffentlichen Verwaltung wirken im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben darauf hin, friedliche Versammlungen zu schützen und die Versammlungsfreiheit zu wahren.
(2) Aufgabe der zuständigen Behörde ist es,
(3) Soweit es nach Art und Umfang der Versammlung erforderlich ist, bietet die zuständige Behörde der Person, die eine öffentliche Versammlung veranstaltet oder der die Leitung übertragen worden ist, rechtzeitig ein Kooperationsgespräch an, um die Gefahrenlage und sonstige Umstände zu erörtern, die für die ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung wesentlich sind. Bestehen Anhaltspunkte für Gefährdungen, die gemäß § 13 Absatz 1, § 20 Absatz 1 zu einem Verbot oder Beschränkungen führen können, ist Gelegenheit zu geben, durch ergänzende Angaben oder Veränderungen der beabsichtigten Versammlung ein Verbot oder Beschränkungen entbehrlich zu machen.
(4) Im Rahmen der Kooperation informiert die zuständige Behörde die Person, die eine öffentliche Versammlung veranstaltet oder der die Leitung übertragen worden ist, vor und während der Versammlung über erhebliche Änderungen der Gefahrenlage, soweit dieses nach Art und Umfang der Versammlung erforderlich ist. Konfliktmanagement ist Bestandteil der Kooperation.
§ 4 Veranstaltung einer Versammlung
Wer zu einer Versammlung einlädt oder die Versammlung nach § 11 anzeigt, veranstaltet eine Versammlung.
§ 5 Versammlungsleitung
(1) Die Veranstalterin oder der Veranstalter leitet die Versammlung. Wird die Versammlung von einer Vereinigung veranstaltet, wird sie von der Person geleitet, die deren Vorsitz führt. Die Veranstalterin oder der Veranstalter kann die Leitung einer anderen Person übertragen.
(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Versammlungsleitung gelten für nichtöffentliche Versammlungen nur, wenn eine Versammlungsleitung bestimmt ist.
§ 6 Befugnisse der Versammlungsleitung
(1) Die Versammlungsleitung sorgt für den ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung und wirkt auf deren Friedlichkeit hin. Sie darf die Versammlung jederzeit unterbrechen oder schließen.
(2) Die Versammlungsleitung kann sich der Hilfe von Ordnerinnen und Ordnern bedienen. Diese müssen bei Versammlungen unter freiem Himmel durch weiße Armbinden, die nur die Bezeichnung "Ordnerin" oder "Ordner" tragen dürfen, kenntlich sein. Die Vorschriften dieses Gesetzes für Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung gelten auch für Ordnerinnen und Ordner.
(3) Die zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Versammlung getroffenen Anweisungen der Versammlungsleitung und der Ordnerinnen und Ordner sind zu befolgen.
(4) Die Versammlungsleitung darf Personen, welche die Ordnung der Versammlung erheblich stören, aus der Versammlung ausschließen. Wer aus der Versammlung ausgeschlossen wird, hat sich unverzüglich zu entfernen.
§ 7 Störungsverbot
Es ist verboten, eine Versammlung mit dem Ziel zu stören, deren Durchführung erheblich zu behindern oder zu vereiteln.
§ 8 Waffen- und Uniformverbot
(1) Es ist verboten,
(2) Es ist verboten, in einer Versammlung durch das Tragen von Uniformen oder Uniformteilen oder sonst ein einheitliches Erscheinungsbild vermittelnden Kleidungsstücken in einer Art und Weise aufzutreten, die dazu geeignet und bestimmt ist, im Zusammenwirken mit anderen teilnehmenden Personen den Eindruck von Gewaltbereitschaft zu vermitteln und dadurch einschüchternd zu wirken.
(3) Die zuständige Behörde trifft zur Durchsetzung des Verbots Anordnungen, in denen die vom Verbot erfassten Gegenstände oder Verhaltensweisen bezeichnet sind.
§ 9 Anwendbarkeit des Landesverwaltungsgesetzes (LVwG)
(1) Soweit dieses Gesetz die Abwehr von Gefahren gegenüber einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht regelt, sind Maßnahmen gegen sie nach dem Landesverwaltungsgesetz zulässig, wenn von ihnen nach den zum Zeitpunkt der Maßnahme erkennbaren Umständen vor oder bei der Durchführung der Versammlung oder im Anschluss an sie eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
(2) Für Versammlungen in geschlossenen Räumen gilt Absatz 1 für den Fall, dass von den Teilnehmerinnen oder Teilnehmern eine Gefahr im Sinne von § 20 Absatz 1 ausgeht.
(3) Maßnahmen vor Beginn der Versammlung, welche die Teilnahme an der Versammlung unterbinden sollen, setzen eine Teilnahmeuntersagung nach § 14 voraus.
§ 10 Anwesenheit der Polizei
Die Polizei kann anwesend sein
Nach Satz 1 anwesende Polizeikräfte haben sich der Versammlungsleitung zu erkennen zu geben; bei Versammlungen unter freiem Himmel genügt es, wenn dies durch die polizeiliche Einsatzleitung erfolgt.
Abschnitt 2
Versammlungen unter freiem Himmel
§ 11 Anzeige
(1) Wer eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel veranstalten will, hat dies der zuständigen Behörde spätestens 48 Stunden vor der Einladung zu der Versammlung anzuzeigen. Veranstalten mehrere Personen eine Versammlung, ist nur eine Anzeige abzugeben.
(2) Die Anzeige muss den geplanten Ablauf der Versammlung nach Ort, Zeit und Thema bezeichnen, bei Aufzügen auch den beabsichtigten Streckenverlauf. Sie muss Name und Anschrift der anzeigenden Person und der Person, die sie leiten soll, sofern eine solche bestimmt ist, enthalten.
(3) Wird die Versammlungsleitung erst später bestimmt, sind Name und Anschrift der vorgesehenen Person der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wenn die Versammlungsleitung sich der Hilfe von Ordnerinnen und Ordnern bedient, ist ihr Einsatz unter Angabe der Zahl der dafür voraussichtlich eingesetzten Personen der zuständigen Behörde mitzuteilen.
(4) Wesentliche Änderungen der Angaben nach Absatz 1 bis 3 sind der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(5) Wenn der Zweck der Versammlung durch eine Einhaltung der Frist nach Absatz 1 Satz 1 gefährdet würde (Eilversammlung), ist die Versammlung spätestens mit der Einladung bei der zuständigen Behörde oder bei der Polizei anzuzeigen.
(6) Die Anzeigepflicht entfällt, wenn sich die Versammlung aufgrund eines spontanen Entschlusses augenblicklich bildet (Spontanversammlung).
§ 12 Erlaubnisfreiheit
Für eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel sind keine behördlichen Erlaubnisse erforderlich, die sich auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsflächen beziehen.
§ 13 Beschränkungen, Verbot, Auflösung
(1) Die zuständige Behörde kann die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel beschränken oder verbieten, die Versammlung nach deren Beginn auch auflösen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
(2) Verbot oder Auflösung setzen voraus, dass Beschränkungen nicht ausreichen.
(3) Geht eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit von Dritten aus, sind Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen diese zu richten. Kann dadurch die Gefahr auch unter Heranziehung von landes- oder bundesweit verfügbaren Polizeikräften nicht abgewehrt werden, dürfen Maßnahmen nach den Absätzen 1 oder 2 auch zulasten der Versammlung ergriffen werden, von der die Gefahr nicht ausgeht. Ein Verbot oder die Auflösung dieser Versammlung setzt Gefahren für Leben oder Gesundheit von Personen oder für Sachgüter von erheblichem Wert voraus.
(4) Die zuständige Behörde kann die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel beschränken oder verbieten, die Versammlung nach deren Beginn auflösen, wenn
Tage nach Satz 1 Nummer 1 sind der 27. Januar und der 9. November.
(5) Sollen eine beschränkende Verfügung oder ein Verbot ausgesprochen werden, so sind diese nach Feststellung der Voraussetzungen, die diese Verfügung rechtfertigen, unverzüglich der Versammlungsleiterin oder dem Versammlungsleiter und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bekannt zu geben.
(6) Die Bekanntgabe einer nach Versammlungsbeginn erfolgenden beschränkenden Verfügung oder einer Auflösung muss unter Angabe des Grundes der Maßnahme erfolgen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verfügungen nach Satz 1 haben keine aufschiebende Wirkung.
(7) Sobald die Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle anwesenden Personen sich unverzüglich zu entfernen.
(8) Es ist verboten, anstelle der aufgelösten Versammlung eine Ersatzversammlung am gleichen Ort durchzuführen.
(9) Es ist verboten, öffentlich, im Internet oder durch Verbreiten von Schriften, Ton- oder Bildträgern, Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Darstellungen zur Teilnahme an einer Versammlung unter freiem Himmel aufzufordern, deren Durchführung durch ein vollziehbares Verbot untersagt oder deren vollziehbare Auflösung angeordnet worden ist.
§ 14 Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen
(1) Die zuständige Behörde kann einer Person die Teilnahme an oder Anwesenheit in einer Versammlung unter freiem Himmel unmittelbar vor deren Beginn untersagen, wenn von ihr nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
(2) Wer durch sein Verhalten in der Versammlung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet, ohne dass die Versammlungsleitung dies unterbindet, oder wer einer Anordnung nach § 6 Absatz 3 zuwiderhandelt, kann von der zuständigen Behörde ausgeschlossen werden. Wer aus der Versammlung ausgeschlossen wird, hat sich unverzüglich zu entfernen.
§ 15 Durchsuchung und Identitätsfeststellung
(1) Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass Waffen mitgeführt werden oder der Einsatz von Gegenständen im Sinne von § 8 Absatz 1 Nummer 2, § 8 Absatz 2 oder § 17 die öffentliche Sicherheit bei Durchführung einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel unmittelbar gefährden wird, können Personen und Sachen durchsucht werden. Aufgefundene Gegenstände im Sinne des Satz 1 können sichergestellt werden. Die Durchführung der Durchsuchungen richtet sich nach dem Landesverwaltungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein.
(2) Identitätsfeststellungen sowie weitere polizei- und ordnungsrechtliche oder strafprozessuale Maßnahmen sind nur zulässig, soweit sich an am Ort der Versammlung, im Bereich des Aufzuges oder auf unmittelbaren Wege dorthin tatsächliche Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Verstoß gegen § 8 oder § 17 oder für die Begehung strafbarer Handlungen ergeben.
§ 16 Bild- und Tonübertragungen und -aufzeichnungen
(1) Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen sowie entsprechende Aufzeichnungen von einer Person bei oder im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel nur dann anfertigen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von der Person eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Die Aufzeichnungen dürfen auch angefertigt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.
(2) Die Polizei darf Bild- und Tonübertragungen in Echtzeit (Übersichtsaufnahmen) von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nur dann anfertigen, wenn dies wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung erforderlich ist und wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von Versammlungsteilnehmerinnen oder Versammlungsteilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen.
(3) Der Einsatz von Technik für Aufnahmen und Aufzeichnungen ist offen vorzunehmen. Die Versammlungsleitung ist unverzüglich über die Anfertigung von Aufzeichnungen nach Absatz 1 und Übersichtsaufnahmen nach Absatz 2 in Kenntnis zu setzen. Die von einer Aufzeichnung nach Absatz 1 betroffene Person ist über die Maßnahme zu unterrichten, sobald ihre Identität bekannt ist und zulässige Verwendungszwecke der Aufzeichnung nicht gefährdet werden. Bei einem durch die Maßnahme unvermeidbar betroffenen Dritten im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 unterbleibt die Unterrichtung, wenn die Identifikation nur mit unverhältnismäßigen Ermittlungen möglich wäre oder überwiegend schutzwürdige Interessen anderer Betroffener entgegenstehen.
(4) Die Aufzeichnungen nach Absatz 1 sind nach Beendigung der Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, soweit sie erforderlich sind
Die Aufzeichnungen, die aus den in Satz 2 genannten Gründen nicht gelöscht wurden, sind spätestens nach Ablauf von sechs Monaten nach ihrer Anfertigung zu löschen, sofern sie nicht inzwischen zur Verfolgung von Straftaten nach Satz 2 Nummer 1, zur Gefahrenabwehr nach Nummer 2 oder zur Dokumentation nach Nummer 3 erforderlich sind. Die Löschung der Aufzeichnungen ist zu dokumentieren. Außer zu den in Nummern 1 bis 4 genannten Zwecken dürfen Aufzeichnungen nicht genutzt werden.
(5) Die Gründe für die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen nach Absatz 1 und für ihre Verwendung nach Absatz 4 sind zu dokumentieren. Satz 1 gilt für die Dokumentation von Aufnahmen nach Absatz 1 und Übersichtsaufnahmen nach Absatz 2 entsprechend. Werden von Aufzeichnungen eigene Fassungen für die Verwendung zur polizeilichen Aus- und Fortbildung erstellt, sind die Anzahl der hergestellten Fassungen sowie der Ort der Aufbewahrung zu dokumentieren.
(6) Die behördlichen Datenschutzbeauftragten der Polizei können die Einhaltung der Dokumentationspflichten nach Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 regelmäßig überprüfen.
§ 17 Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot
(1) Es ist verboten, bei oder im Zusammenhang mit einer Versammlung unter freiem Himmel Gegenstände mit sich zu führen,
(2) Die zuständige Behörde trifft zur Durchsetzung des Verbots Anordnungen, in denen die vom Verbot erfassten Gegenstände bezeichnet sind.
§ 18 Öffentliche Verkehrsflächen im Privateigentum
Auf Verkehrsflächen von Grundstücken in Privateigentum, die dem allgemeinen Publikum geöffnet sind, können öffentliche Versammlungen auch ohne die Zustimmung der Eigentümerin oder des Eigentümers durchgeführt werden, wenn sich die Grundstücke im Eigentum von Unternehmen befinden, die ausschließlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder von ihr beherrscht werden.
Abschnitt 3
Versammlungen in geschlossenen Räumen
§ 19 Einladung
(1) Wer eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen veranstaltet, darf in der Einladung bestimmte Personen oder Personenkreise von der Teilnahme ausschließen.
(2) Die Leitung einer öffentlichen Versammlung in geschlossenen Räumen darf die Anwesenheit von Vertretern der Medien, die sich als solche durch anerkannten Presseausweis ausgewiesen haben, nicht unterbinden.
§ 20 Beschränkung, Verbot, Auflösung
(1) Die zuständige Behörde kann die Durchführung einer Versammlung in geschlossenen Räumen beschränken oder verbieten, die Versammlung nach deren Beginn auch auflösen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen eine unmittelbare Gefahr
(2) Verbot oder Auflösung setzen voraus, dass Beschränkungen nicht ausreichen.
(3) Geht eine unmittelbare Gefahr für die in Absatz 1 genannten Rechtsgüter von Dritten aus, sind Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen diese zu richten. Kann dadurch die Gefahr auch mit durch Amts- oder Vollzugshilfe ergänzten Mitteln und Kräften nicht abgewehrt werden, dürfen Maßnahmen nach Absatz 1 auch zulasten der Versammlung ergriffen werden, von der die Gefahr nicht ausgeht.
(4) Sollen eine beschränkende Verfügung oder ein Verbot ausgesprochen werden, so sind diese nach Feststellung der Voraussetzungen, die diese Verfügung rechtfertigen, unverzüglich bekannt zu geben. Die Bekanntgabe einer nach Versammlungsbeginn erfolgenden beschränkenden Verfügung oder einer Auflösung muss unter Angabe des Grundes der Maßnahme erfolgen und ist an die Versammlungsleitung zu richten. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verfügungen nach Satz 2 haben keine aufschiebende Wirkung.
(5) Sobald die Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben sich alle anwesenden Personen unverzüglich zu entfernen.
(6) Es ist verboten, anstelle der aufgelösten Versammlung eine Ersatzversammlung am gleichen Ort durchzuführen.
(7) Es ist verboten, öffentlich, im Internet oder durch Verbreiten von Schriften, Ton- oder Bildträgern, Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Darstellungen zur Teilnahme an einer Versammlung in geschlossenen Räumen aufzufordern, deren Durchführung durch ein vollziehbares Verbot untersagt oder deren vollziehbare Auflösung angeordnet worden ist.
§ 21 Ausschluss von Störern; Hausrecht
(1) Wer die Versammlung leitet, kann teilnehmende Personen, welche die Ordnung erheblich stören, von der Versammlung ausschließen.
(2) Die eine Versammlung leitende Person übt gegenüber anderen Personen als Teilnehmern das Hausrecht aus.
§ 22 Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton
(1) Unter den Voraussetzungen des § 20 Absatz 1 darf die Polizei Bild- und Tonaufnahmen sowie entsprechende Aufzeichnungen von einer Person bei oder im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung in geschlossenen Räumen anfertigen. Die Aufzeichnungen dürfen auch angefertigt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden. Die Aufnahmen und Aufzeichnungen sind offen vorzunehmen.
(2) Die von einer Aufzeichnung nach Absatz 1 betroffene Person ist über die Maßnahme zu unterrichten, sobald ihre Identität bekannt ist und zulässige Verwendungszwecke nicht gefährdet werden. Bei einem durch die Maßnahme unvermeidbar betroffenen Dritten im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 unterbleibt die Unterrichtung, wenn die Identifikation nur mit unverhältnismäßigen Ermittlungen möglich wäre oder überwiegend schutzwürdige Interessen anderer Betroffener entgegenstehen.
(3) Die Aufzeichnungen nach Absatz 1 sind nach Beendigung der Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, soweit sie erforderlich sind
Die Aufzeichnungen, die aus den in Satz 2 genannten Gründen nicht gelöscht wurden, sind spätestens nach Ablauf von sechs Monaten nach ihrer Anfertigung zu löschen, sofern sie nicht inzwischen zur Verfolgung von Straftaten nach Satz 2 Nummer 1 oder zur Gefahrenabwehr nach Nummer 2 erforderlich sind oder Gegenstand oder Beweismittel eines Rechtsbehelfs oder gerichtlichen Verfahrens sind. Die Löschung der Aufzeichnungen ist zu dokumentieren. Außer zu den in § 16 Nummern 1 bis 4 genannten Zwecken dürfen Aufzeichnungen nicht genutzt werden.
(4) Die Gründe für die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen nach Absatz 1 und für ihre Verwendung nach Absatz 3 sind zu dokumentieren.
(5) Die behördlichen Datenschutzbeauftragten der Polizei können die Einhaltung der Dokumentationspflichten nach Absatz 3 Satz 4 und Absatz 4 regelmäßig überprüfen.
Abschnitt 4
Straftaten, Ordnungswidrigkeiten, Einziehung, Kosten
§ 23 Straftaten
(1) Wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen zu verhindern oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Waffen oder Gegenstände entgegen § 8 Absatz 1 Nummer 2 bei einer Versammlung, auf dem Weg zu einer Versammlung oder im Anschluss an eine Versammlung mit sich führt, zu der Versammlung hinschafft oder sie zur Verwendung bei ihr bereithält oder verteilt, wenn die Tat nicht nach § 52 Absatz 3 Nummer 9 des Waffengesetzes mit Strafe bedroht ist. Ebenso wird bestraft, wer bewaffnete Ordnerinnen oder Ordner in öffentlichen Versammlungen einsetzt.
(3) Wer gegen die Leitung oder die Ordnerinnen oder Ordner einer Versammlung in der rechtmäßigen Ausübung von Ordnungsaufgaben Gewalt anwendet oder damit droht oder diese Personen während der rechtmäßigen Ausübung von Ordnungsaufgaben tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 24 Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatz 1 Nummern 1, 6, 8, 9 mit einer Geldbuße bis zu fünfhundert Euro und in den Fällen des Absatz 1 Nummer 3, 4 und 7 bis zu eintausendfünfhundert Euro und in den Fällen des Absatzes 1 Nummern 2 und 5 bis zweitausendfünfhundert Euro geahndet werden.
§ 25 Einziehung
Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach § 23 oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden
§ 26 Kosten
Amtshandlungen nach diesem Gesetz sind kostenfrei.
Abschnitt 5
Schlussbestimmungen
§ 27 Zuständigkeitsregelungen
(1) Die Landrätinnen und Landräte und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kreisfreien Städte als Kreisordnungsbehörden sind sachlich zuständig für Versammlungen unter freiem Himmel (§ 3 Absatz 3, § 11 Absatz 1, § 13 Absätze 1, 4, § 14 Absätze 1, 2).
(2) Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der amtsfreien Gemeinden, die Amtsdirektorin oder der Amtsdirektor, in ehrenamtlich verwalteten Ämtern die Amtsvorsteherin oder der Amtsvorsteher sind sachlich zuständig für Versammlungen in geschlossenen Räumen (§ 3 Absatz 3, § 20).
(3) Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk die Versammlung stattfindet. Berührt eine Versammlung unter freiem Himmel den Zuständigkeitsbereich mehrerer Kreisordnungsbehörden, kann die gemeinsame Fachaufsichtsbehörde eine zuständige Behörde bestimmen.
(4) Das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten ist sachlich zuständig für die Entgegennahme der Anzeigen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und von Aufzügen in nicht inkommunalisierten Küstengewässern Schleswig-Holsteins sowie auf Brücken und in Tunneln in diesen Bereichen. Das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten bestimmt in diesen Fällen die örtlich zuständige Behörde für Maßnahmen nach § 3 Absatz 3, § 11 Absätze 1, 3, 4, 5, § 13 Absätze 1, 4, § 14 Absätze 1, 2, § 17 Absatz 2.
(5) In unaufschiebbaren Fällen kann die Polizei auch an Stelle der zuständigen Behörde Maßnahmen treffen.
§ 28 Einschränkung von Grundrechten
Die Grundrechte der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes), der Meinungsfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes) sowie das Recht auf Eigentum (Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.
ENDE |