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Regelwerk, Wirtschaft, Vergabe
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TVgG M-V - Tariftreue- und Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern
- Mecklenburg-Vorpommern -

Vom 18. Dezember 2023
(GVOBl. M-V Nr. 28 vom 29.12.2023 S. 934)
Gl. -Nr.: 703-5


Zur vorherigen Regelungen: VgG, VgGDLVO M-V, VgE M-V

Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Gesetzeszweck

Dieses Gesetz soll bei Beschaffungen der öffentlichen Hand Verzerrungen im Wettbewerb um Aufträge und Konzessionen entgegenwirken, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen. Es verfolgt das Ziel, einen wirksamen Beitrag zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmenden zu leisten, einen unfairen Unterbietungs- und Verdrängungswettbewerb zu verhindern sowie die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren. Es soll zudem die Praxis der öffentlichen Auftrags- und Konzessionsvergabe und die Rahmenbedingungen für mittelständische Unternehmen im Bereich der öffentlichen Auftrags- und Konzessionsvergabe verbessern. Es dient einem gerechten Interessenausgleich zwischen öffentlichen Auftraggebern und Auftragnehmern sowie zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden.

§ 2 Anwendungsbereich, Verordnungsermächtigung

(1) Dieses Gesetz gilt für öffentliche Auftraggeber nach §§ 98 bis 101 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 22 des Gesetzes vom 8. Oktober 2023 (BGBl. I Nr. 272) geändert worden ist. Hierzu gehören insbesondere auch Eigenbetriebe und kommunale Einrichtungen im Sinne des Abschnittes 6 der Kommunalverfassung vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V. S. 777), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Juli 2019 (GVOBl. M-V S. 467) geändert worden ist.

(2) Dieses Gesetz gilt für

  1. Aufträge über Bauleistungen und die Vergabe von Baukonzessionen,
  2. Aufträge über Liefer- und Dienstleistungen sowie die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen.

Dieses Gesetz gilt nicht für Vergaben nach Satz 1, soweit das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorsieht. Unbeschadet des Satzes 2 gelten die Abschnitte 3 bis 5 bei Vergaben nach Satz 1 Nummer 1 erst ab einem Auftragswert von 50.000 Euro, bei Vergaben nach Satz 1 Nummer 2 erst ab einem Auftragswert von 10.000 Euro. Im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs gelten die Regelungen dieses Gesetzes mit Ausnahme des Abschnittes 2 für alle Dienstleistungsaufträge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3. Dezember 2007, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/2338 (ABl. L 354 vom 23. Dezember 2016, S. 22) geändert worden ist, auch in Form von Dienstleistungskonzessionen, und für Linienverkehrsgenehmigungen. Die Regelungen dieses Gesetzes mit Ausnahme des Abschnittes 2 gelten auch für die Direktvergabe sowie für die Betrauung eines internen Betreibers gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007.

(3) Dieses Gesetz gilt auch für öffentliche Aufträge über Beförderungsleistungen im Sinne von § 1 Nummer 4 Buchstabe d und g der Freistellungs-Verordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 9240-1-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. Mai 2012 (BGBl. I S. 1037) geändert worden ist. Die Abschnitte 3 bis 5 gelten erst ab einem Auftragswert von 50.000 Euro.

(4) Auszubildende, Praktikanten, Praktikantinnen und Teilnehmende an Bundes- und Jugendfreiwilligendiensten gelten nicht als Arbeitnehmende im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Das für Wirtschaft zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Ausnahmen von der Anwendung der Abschnitte 3 bis 5 für neu gegründete Unternehmen in den ersten drei Jahren nach Gründung festzulegen.

(6) Bei Beschaffungen gemeinsam mit öffentlichen Auftraggebern, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes haben, ist eine Einigung zwischen den öffentlichen Auftraggebern über die Einhaltung der Anforderungen nach den Abschnitten 3 bis 5 anzustreben. Soweit eine Einigung nicht zustande kommt, kann von den Bestimmungen des Gesetzes abgewichen werden. Die Gründe für das Fehlen der Einigung sind zu dokumentieren und dem für Wirtschaft zuständigen Ministerium anzuzeigen.

(7) Die Abschnitte 3 und 5 gelten nicht, soweit Gegenstand des Auftrages Leistungen sind, die Unternehmen mit Sitz im Ausland ganz oder teilweise im Ausland erbringen.

(8) Die Abschnitte 3 bis 5 finden keine Anwendung, wenn in besonderen Ausnahmesituationen aufgrund von Bestimmungen in den Abschnitten 3 bis 5 keine wertbaren Angebote abgegeben werden und der Bedarf des öffentlichen Auftraggebers deswegen nicht gedeckt werden kann. Dies ist in jedem Einzelfall vom öffentlichen Auftraggeber zu begründen und zu dokumentieren und dem für Wirtschaft zuständigen Ministerium anzuzeigen.

Abschnitt 2
Vergabeverfahren

§ 3 Grundsätze des Vergabeverfahrens

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden grundsätzlich im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund vergaberechtlicher Vorschriften ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Die öffentlichen Auftraggeber haben darauf hinzuwirken, dass die zu beschaffenden Leistungen von ihrer Herstellung über ihre Erbringung bis zur Entsorgung möglichst geringe Folgen für die Umwelt haben (nachhaltige Beschaffung). Insbesondere sollen die durch die Vergabe bedingten Treibhausgasemissionen gering und die Transportwege kurzgehalten werden.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe von Aufträgen vornehmlich zu berücksichtigen. Insbesondere sind grundsätzlich Lose zu bilden.

(5) Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige sowiegesetzestreue und zuverlässige (geeignete) Unternehmen vergeben.

(6) Der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Das wirtschaftlichste Angebot ist das Angebot mit dem günstigsten Verhältnis von Leistung und Gegenleistung.

(7) Öffentliche Auftraggeber können Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen.

§ 4 Verordnungsermächtigungen

Das für Wirtschaft zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung unter Einhaltung der Grundsätze in § 3 Absatz 1 bis 7 nähere Bestimmungen über die Anforderungen an den Auftragsgegenstand, den Konzessionsgegenstand und an das Vergabeverfahren zu treffen, insbesondere über

  1. die Arten, die Bekanntmachung und den Ablauf der Vergabe für alle Arten von Leistungen einschließlich freiberuflicher Leistungen,
  2. die Zulässigkeit von Direktaufträgen,
  3. die Auswahl und Prüfung der Unternehmen und Angebote,
  4. die Begünstigung regionaler und lokaler Leistungserbringung,
  5. konkrete Maßgaben zur Gewährleistung nachhaltiger Beschaffung,
  6. das Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes,
  7. den Abschluss des Vertrages,
  8. die Verwendung von Vergabehandbüchern.

Es wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A Abschnitt 1 und die Unterschwellenvergabeordnung zur Anwendung einzuführen; es wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung von diesen Vergabeordnungen abweichende oder über diese hinausgehende Regelungen zu erlassen.

Abschnitt 3
Mindestarbeitsbedingungen

§ 5 Mindestarbeitsbedingungen nach Maßgabe von repräsentativen Tarifverträgen, Verordnungsermächtigung

(1) Öffentliche Aufträge nach § 2 Absatz 2 Satz 1, öffentliche Aufträge über Leistungen im öffentlichen Personenverkehr auf Schiene und Straße gemäß § 2 Absatz 3 sowie Beförderungsleistungen nach § 2 Absatz 4 werden nur an Unternehmen vergeben, die sich bei Angebotsabgabe durch Erklärung in Textform gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichten, ihren bei der Ausführung dieser Leistung beschäftigten Arbeitnehmenden die Arbeitsbedingungen der in Mecklenburg-Vorpommern einschlägig und repräsentativ erklärten, mit einer tariffähigen Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifverträge zu gewähren. Änderungen der maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen während der Ausführungslaufzeit sind nachzuvollziehen, wenn sie in der Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 1 bekannt gegeben worden sind. Die Sätze 1 und 2 sind auf die Erteilung von Genehmigungen nach § 2 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(2) Das für Wirtschaft zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzulegen, welche Tarifverträge repräsentativ im Sinne von Absatz 1 sind, und die Kernarbeitsbedingungen dieser Tarifverträge bekannt zu geben. Bei der Feststellung der Repräsentativität eines Tarifvertrages ist auf die Bedeutung des Tarifvertrages für die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden in Mecklenburg-Vorpommern abzustellen. Die Auswahl ist nachvollziehbar zu begründen.

(3) Bei einer vereinbarten Auftragsdauer von bis zu zwei Monaten sind als anzuwendende Arbeitsbedingungen nur Entgelte und Zuschläge zu berücksichtigen. Beträgt die vereinbarte Auftragsdauer mehr als zwei Monate, sind zusätzlich zu den Entgelten und Zuschlägen die weiteren Arbeitsbedingungen des repräsentativen Tarifvertrages einzuhalten, auf den sich die Erklärung des Unternehmens nach Absatz 1 Satz 1 bezieht. Bei zeitlich auseinanderliegenden Leistungsabschnitten werden die Abschnitte zwecks Ermittlung der Auftragsdauer addiert. Lässt sich vorab keine genaue Auftragsdauer bestimmen, genügt eine begründete Schätzung; die Schätzung ist zu dokumentieren.

§ 6 Mindestarbeitsbedingungen nach Maßgabe von Branchentarifverträgen, Verordnungsermächtigung

(1) Soweit eine Rechtsverordnung nach § 5 Absatz 2 Satz 1 fehlt, werden öffentliche Aufträge nach § 2 Absatz 2 Satz 1, öffentliche Aufträge über Leistungen im öffentlichen Personenverkehr auf Schiene und Straße gemäß § 2 Absatz 3 sowie Beförderungsleistungen nach § 2 Absatz 4 nur an Unternehmen vergeben, die sich bei Angebotsabgabe durch Erklärung in Textform gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichten, ihren Arbeitnehmenden bei der Ausführung der Leistung mindestens die Arbeitsbedingungen zu gewähren, die den Vorgaben der Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 1 entsprechen. Änderungen der Rechtsverordnung während der Ausführungslaufzeit sind nachzuvollziehen. Die jeweils einschlägigen Verordnungsbestimmungen sind Bestandteil der vom öffentlichen Auftraggeber festgelegten Ausführungsbedingungen. Die Sätze 1 bis 3 sind auf die Erteilung von Genehmigungen nach § 2 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(2) Das für Wirtschaft zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die einzuhaltenden Arbeitsbedingungen für die Vergabe von Aufträgen nach Absatz 1 Satz 1 festzulegen. Dabei sind die maßgeblichen Kernarbeitsbedingungen der jeweils geltenden Branchentarifverträge mit tariffähigen Gewerkschaften bindend. Zu berücksichtigen sind Arbeitsentgelt, Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen sowie Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge und Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Die Festlegung davon abweichender Arbeitsbedingungen ist ausgeschlossen. Das für Wirtschaft zuständige Ministerium überprüft regelmäßig, mindestens alle zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, ob die Rechtsverordnungen wegen Änderungen der zugrundeliegenden Tarifverträge anzupassen sind.

(3) Es gilt § 5 Absatz 3; an die Stelle der Arbeitsbedingungen des repräsentativen Tarifvertrages in § 5 Absatz 3 Satz 2 treten die Arbeitsbedingungen gemäß der Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 1.

(4) Bei Vorliegen konkurrierender Branchentarifverträge ist auf die überwiegende Bedeutung der Tarifverträge für die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden in Mecklenburg-Vorpommern abzustellen.

§ 7 Beratender Ausschuss, Verordnungsermächtigung

Bei dem für Wirtschaft zuständigen Ministerium wird ein beratender Ausschuss für die Feststellung der Repräsentativität der Tarifverträge nach § 5 Absatz 2 Satz 2 und für die Feststellung der zugrunde zu legenden Tarifverträge nach § 6 Absatz 2 Satz 2 errichtet. Das Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zu Organisation und Verfahren des Ausschusses zu regeln, insbesondere die Zusammensetzung des Ausschusses, die Bestellung der Ausschussmitglieder und ihre Amtsperiode, den Ausschussvorsitz, die Vertretung des Ministeriums im Ausschuss, die Einrichtung einer Geschäftsstelle, den Erlass einer Geschäftsordnung, das Feststellungsverfahren und die Beschlussfassung des Ausschusses.

§ 8 Vergaberechtlicher Mindestlohn, Verordnungsermächtigung

(1) Fehlen Rechtsverordnungen nach § 5 Absatz 2 Satz 1 und § 6 Absatz 2 Satz 1, werden öffentliche Aufträge nach § 2 Absatz 2 Satz 1, öffentliche Aufträge über Leistungen oder Genehmigungen im öffentlichen Personenverkehr auf Schiene und Straße gemäß § 2 Absatz 3 sowie Beförderungsleistungen nach § 2 Absatz 4 nur an Unternehmen vergeben, die sich bei Angebotsabgabe durch Erklärung in Textform gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichten, ihren Arbeitnehmenden bei der Ausführung der Leistung einen Vergaberechtlichen Mindestlohn von 13,50 Euro (brutto) pro Stunde zu zahlen. Das für Wirtschaft zuständige Ministerium wird ermächtigt, die Höhe des Vergaberechtlichen Mindestlohns durch Rechtsverordnung jährlich zum 1. Oktober anzupassen. Die Anpassung richtet sich nach der prozentualen Veränderungsrate im Index der tariflichen Monatsverdienste des Statistischen Bundesamtes für die Gesamtwirtschaft in Deutschland (ohne Sonderzahlungen); bei der Ermittlung der Veränderungsrate ist jeweils der Durchschnitt der veröffentlichten Daten für die letzten vier Quartale zugrunde zu legen. Änderungen der Rechtsverordnung während der Ausführungslaufzeit sind nachzuvollziehen. Der Vergaberechtliche Mindestlohn darf den Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz nicht unterschreiten.

(2) Liegt das den Arbeitnehmenden gemäß Rechtsverordnung nach § 5 Absatz 2 Satz 1 oder § 6 Absatz 2 Satz 1 zu zahlende Entgelt unter dem Vergaberechtlichen Mindestlohn nach Absatz 1, so ist dieser maßgebend. Satz 1 gilt entsprechend für die Arbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Juni 2023 (BGBl. I Nr. 172) geändert worden ist, sowie für allgemeinverbindliche Tarifverträge nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1323), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 1055, 1057) geändert worden ist.

(3) Verpflichtungen zur Zahlung höherer Löhne aus anderen Rechtsgründen bleiben unberührt.

§ 9 Nachunternehmen, Arbeitnehmerüberlassung, Werkvertragsverhältnisse

(1) Soweit Leistungen auf Nachunternehmen übertragen werden sollen, hat sich das Unternehmen bei Angebotsabgabe durch Erklärung in Textform gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber zu verpflichten, dem Nachunternehmen die für das Unternehmen geltenden Pflichten aufzuerlegen und die Beachtung dieser Pflichten durch das Nachunternehmen zu überwachen. Satz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn Leistungen mit Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers nach Zuschlagserteilung auf Nachunternehmen übertragen werden.

(2) Verleiher nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Werkvertragsunternehmen gelten als Nachunternehmen im Sinne des Absatzes 1.

(3) Die vorstehenden Absätze sind auf allen weiteren Stufen einer Vertragshierarchie entsprechend anzuwenden.

§ 10 Bevorzugte Bieter

Auf bevorzugte Bieter gemäß § 224 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 sowie § 226 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234), das zuletzt durch Artikel 1 und 2 des Gesetzes vom 6. Juni 2023 (BGBl. I Nr. 146) geändert worden ist, finden die vorstehenden Bestimmungen dieses Abschnittes keine Anwendung.

§ 11 Angabe der maßgeblichen Mindestarbeitsbedingungen

In allen Vergabeverfahren sind die für die Ausführung des öffentlichen Auftrages maßgeblichen Mindestarbeitsbedingungen im Einzelnen bekannt zu geben. Ist eine allgemeine, unmittelbar zugängliche und kostenlos nutzbare Datenbank eingerichtet, genügt ein Hinweis auf die für den jeweiligen Auftrag geltenden Mindestarbeitsbedingungen in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen.

§ 12 Betreiberwechsel bei der Erbringung von Personenverkehrsdiensten

(1) Öffentliche Auftraggeber im Bereich der öffentlichen Verkehrsdienste auf Schiene und Straße haben gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bei einem Wechsel des Betreibers der Personenverkehrsleistungen den ausgewählten Betreiber zu verpflichten, den Arbeitnehmenden ein Angebot zur Übernahme zu den bisherigen Arbeitsbedingungen zu unterbreiten, die für die Erbringung der übergehenden Verkehrsleistung eingestellt wurden und beim bisherigen Betreiber für die Erbringung dieser Verkehrsleistung zum Stichtag der Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung beschäftigt waren. Die für den künftigen Betreiber maßgebenden Arbeitsbedingungen umfassen die auf die Arbeitsverhältnisse anzuwendenden Tarifverträge.

(2) Der bisherige Betreiber ist nach Aufforderung des öffentlichen Auftraggebers dazu verpflichtet, dem öffentlichen Auftraggeber oder Aufgabenträger binnen sechs Wochen alle hierzu erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen oder Einsicht in Lohn und Meldeunterlagen, Bücher und andere Geschäftsunterlagen und Aufzeichnungen zu gewähren, aus denen Art, Umfang, Dauer und tatsächliche Entlohnung sowie Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden hervorgehen oder abgeleitet werden können. Hierdurch entstehende Aufwendungen des bisherigen Betreibers werden durch den öffentlichen Auftraggeber erstattet.

Abschnitt 4
Weitere Kriterien bei der Auftragsvergabe

§ 13 Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen

Bei der Vergabe von Leistungen ist darauf hinzuwirken, dass keine Waren Gegenstand der Leistung sind, die unter Missachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization ILO) festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt worden sind. Die Mindeststandards der ILO-Kernarbeitsnormen ergeben sich aus:

  1. dem Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- oder Pflichtarbeit vom 28. Juni 1930 (BGBl. 1956 II S. 640, 641),
  2. dem Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes vom 9. Juli 1948 (BGBl. 1956 II S. 2072, 2073),
  3. dem Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen vom 1. Juli 1949 (BGBl. 1955 II S. 1122, 1123),
  4. dem Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit vom 29. Juni 1951 (BGBl. 1956 II S. 23, 24),
  5. dem Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom 25. Juni 1957 (BGBl. 1959 II S. 441, 442),
  6. dem Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II S. 97, 98),
  7. dem Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung vom 26. Juni 1973 (BGBl. 1976 II S. 201, 202) und
  8. dem Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit vom 17. Juni 1999 (BGBl. 2001 II S. 1290, 1291).

Abschnitt 5
Form und Prüfung von Erklärungen, Kontrollen, Sanktionen

§ 14 Ausschluss des Angebotes

Fehlt bei Angebotsabgabe eine Erklärung gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1, § 6 Absatz 1 Satz 1, § 8 Absatz 1 Satz 1, § 9 Absatz 1 Satz 1 (Erklärung zu Mindestarbeitsbedingungen) oder weist die Erklärung inhaltliche Mängel auf, ist das Angebot, soweit auch nach einmaliger erneuter Fristsetzung die Erklärung nicht oder unvollständig nachgereicht wird, von der Wertung auszuschließen. Der öffentliche Auftraggeber kann in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festlegen, dass er keine Erklärung nachfordern wird. Soweit ein Verstoß gegen § 8 Absatz 1 Satz 1 vorliegt, gelten die Regelungen über den Ausschluss gemäß § 19 Absatz 1 des Mindestlohngesetzes.

§ 15 Kontrollen

(1) Der öffentliche Auftraggeber hat die Befugnis, Kontrollen bei dem beauftragten Unternehmen durchzuführen, um die Einhaltung der Pflichten zu überprüfen, die nach Maßgabe der abgegebenen Erklärung zu Mindestarbeitsbedingungen bestehen. Das Land kann die Durchführung von Kontrollen auf eine andere Stelle übertragen.

(2) Für Kontrollen nach Absatz 1 hat das beauftragte Unternehmen vollständige und prüffähige Unterlagen bereitzuhalten und auf Verlangen der prüfenden Stelle vorzulegen oder elektronisch zu übermitteln; auf Befragen hat es zu den Unterlagen Auskünfte zu erteilen. Dies umfasst insbesondere Entgelt- und Meldeunterlagen, Aufzeichnungen und andere Geschäftsunterlagen, aus denen Art, Umfang, Dauer und tatsächliche Entlohnung sowie Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden hervorgehen oder abgeleitet werden können. Das Unternehmen hat personenbezogene Beschäftigtendaten in den Unterlagen zu anonymisieren; es hat die Anonymisierung aufzuheben, soweit die prüfende Stelle konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß darlegt. Die Arbeitnehmenden sind von ihren Arbeitgebenden auf die Möglichkeit dieser Kontrollen hinzuweisen.

(3) Der öffentliche Auftraggeber hat das beauftragte Unternehmen in Textform zu verpflichten, mit Nachunternehmen eigene Befugnisse und Pflichten nach den Absätzen 1 und 2 zu vereinbaren. Verleiher nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Werkvertragsunternehmen gelten als Nachunternehmen im Sinne von Satz 1. Die Sätze 1 und 2 sind auf allen weiteren Stufen einer Vertragshierarchie entsprechend anzuwenden.

(4) Für die Kontrollen im Rahmen der Erteilung einer Genehmigung im öffentlichen Personennahverkehr nach § 2 Absatz 3 gelten die Prüfungsbefugnisse der Genehmigungsbehörde nach § 54a des Personenbeförderungsgesetzes entsprechend.

§ 16 Sanktionen, Verordnungsermächtigung

(1) Um die Einhaltung der Pflichten zu gewährleisten, die nach Maßgabe der abgegebenen Erklärung zu Mindestarbeitsbedingungen bestehen, hat der öffentliche Auftraggeber mit dem Unternehmen für jeden schuldhaften Verstoß in Textform eine Vertragsstrafe in Höhe von bis zu fünf Prozent des Auftragswertes zu vereinbaren; bei mehreren Verstößen darf die Summe der Vertragsstrafen zehn Prozent des Auftragswertes nicht überschreiten. Ist die verhängte Strafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie von dem öffentlichen Auftraggeber auf Antrag des Unternehmens auf den angemessenen Eurobetrag herabgesetzt werden. Dieser kann beim Zweifachen des Betrages liegen, den der Auftragnehmer durch den Verstoß gegen die nach Maßgabe von Abschnitt 3 dieses Gesetzes bestehenden Pflichten zur Zahlung von Arbeitsentgelten eingespart hat.

(2) Der öffentliche Auftraggeber hat mit dem Unternehmen in Textform zu vereinbaren, dass die schuldhafte Nichterfüllung der nach Maßgabe der abgegebenen Erklärung zu Mindestarbeitsbedingungen bestehenden Pflichten durch das Unternehmen den öffentlichen Auftraggeber zur fristlosen Kündigung berechtigt.

(3) Das Unternehmen hat mit seinen Nachunternehmen eigene Vereinbarungen nach Maßgabe von Absatz 1 und 2 zu schließen. Verleiher nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Werkvertragsunternehmen gelten als Nachunternehmen. Satz 1 und 2 ist auf allen weiteren Stufen einer Vertragshierarchie entsprechend anzuwenden.

(4) Unternehmen, die andere Unternehmen vertraglich zur Einhaltung der Pflichten nach Maßgabe der Erklärung zu Mindestarbeitsbedingungen verpflichtet haben, haben dem öffentlichen Auftraggeber festgestellte Verstöße gegen diese Pflichten und den begründenden Sachverhalt mitzuteilen.

(5) Alle Unternehmen, die schuldhaft gegen Pflichten nach Maßgabe einer Erklärung zu Mindestarbeitsbedingungen verstoßen haben, sollen für eine Dauer von bis zu drei Jahren von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Die Entscheidung trifft der öffentliche Auftraggeber. Das für Wirtschaft zuständige Ministerium richtet ein Register über ausgeschlossene Unternehmen ein. Es wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zur Einrichtung und zum Betrieb des Registers zu regeln, insbesondere:

  1. die im Register zu speichernden Daten, den Zeitpunkt ihrer Löschung und die Einsichtnahme in das Register,
  2. die Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber, Entscheidungen nach Satz 2 an das Register zu melden und
  3. die Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber, zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Unternehmen Auskünfte aus dem Register einzuholen.

Abschnitt 6
Ermittlung des Auftragswertes, Verwaltungsvorschriften, Übergangsregelungen

§ 17 Ermittlung des Auftragswertes

Soweit nach diesem Gesetz oder nach einer Rechtsverordnung aufgrund dieses Gesetzes der Auftragswert maßgeblich ist, wird er nach § 3 der Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBI. I S. 624), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 17. August 2023 (BGBl. I Nr. 222) geändert worden ist, ermittelt.

§ 18 Allgemeine Verwaltungsvorschriften

Zur Anwendung der Vorschriften in diesem Gesetz und in den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen kann das für Wirtschaft zuständige Ministerium Verwaltungsvorschriften erlassen. Soweit das Ministerium keine Regelungen nach Satz 1 erlässt, können alle Ministerien jeweils für ihre Geschäftsbereiche im Einvernehmen mit dem für Wirtschaft zuständigen Ministerium Regelungen nach Satz 1 treffen.

§ 19 Übergangsregelung

Für Vergabeverfahren, die begonnen wurden, bevor die aufgrund der Ermächtigungen nach § 4 und § 16 Absatz 5 Satz 4 zu erlassenden Rechtsverordnungen in Kraft getreten sind, sind

  1. das Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 411), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (GVOBl. M-V S. 242) geändert worden ist,
  2. die Mindest-Stundenentgelt-Verordnung vom 7. September 2018 (GVOBl. M-V S. 358), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Januar 2023 (GVOBl. M-V S. 442) geändert worden ist,
  3. die Vergabegesetzdurchführungslandesverordnung vom 22. Mai 2012 (GVOBl. M-V S. 149), die zuletzt durch Verordnung vom 12. September 2019 (GVOBl. M-V S. 613) geändert worden ist,
  4. der Vergabeerlass vom 12. Dezember 2018 (AmtsBl. M-V S. 666), der zuletzt durch die Verwaltungsvorschrift vom 7. November 2022 (AmtsBl. M-V 2023 S. 59) geändert worden ist,

weiter anzuwenden. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn des Vergabeverfahrens ist der Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wurde.


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