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Regelwerk, Arbeits-und Sozialrecht
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HmbBGG - Hamburgisches Behindertengleichstellungsgesetz
Hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

- Hamburg -

Vom 19. Dezember 2019
(HmbGVBl. Nr. 1 vom 07.01.2020 S. 13)
Gl.-Nr.: 860-16



Archiv: 2005

Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz:

Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Gesetzesziele

Ziel des Gesetzes ist es, in Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. 2008 II S. 1420) Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei wird ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen.

§ 2 Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für

  1. Träger öffentlicher Gewalt und
  2. juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, an denen die Freie und Hansestadt Hamburg oder die HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH eine direkte oder indirekte Mehrheitsbeteiligung besitzen.

(2) Träger öffentlicher Gewalt im Sinne dieses Gesetzes sind Behörden und sonstige Einrichtungen der Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg, einschließlich der landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Beliehene und sonstige Landesorgane, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.

(3) Für Gerichte und Strafverfolgungsbehörden gilt das Gesetz, mit Ausnahme von § 11, soweit sie in Verwaltungsangelegenheiten tätig werden. § 11 findet für Gerichte und Strafverfolgungsbehörden uneingeschränkt Anwendung.

(4) Träger öffentlicher Gewalt nach Absatz 1 Nummer 1 haben bei der Bewilligung von Zuwendungen nach § 46 der Landeshaushaltsordnung vom 17. Dezember 2013 (HmbGVBl. S. 503), zuletzt geändert am 29. Mai 2018 (HmbGVBl. S. 200), in der jeweils geltenden Fassung bei Maßnahmen, bei denen Belange von Menschen mit Behinderungen berührt sind oder sein können, die Ziele dieses Gesetzes angemessen zu berücksichtigen. Ferner ist darauf hinzuwirken, dass soweit Dritte Aufgaben wahrnehmen oder Angebote bereitstellen, die im erheblichen öffentlichen Interesse liegen, die Ziele dieses Gesetzes berücksichtigt werden.

§ 3 Behinderung

Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.

§ 4 Besondere Belange von Frauen und Kindern mit Behinderungen, Benachteiligung wegen mehrerer Gründe

(1) Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und zur Vermeidung von Benachteiligungen von Frauen mit Behinderungen wegen mehrerer Gründe sind die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. Dabei sollen besondere Maßnahmen getroffen werden, um die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderungen zu fördern und bestehende Benachteiligungen abzubauen.

(2) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 treffen in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich alle erforderlichen Maßnahmen, um den besonderen Schutz und die Teilhabe von Kindern mit Behinderungen zu gewährleisten.

(3) Unabhängig von Absatz 1 sind die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen, die von Benachteiligungen wegen einer Behinderung und wenigstens eines weiteren in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert am 3. April 2013 (BGBl. I S. 610, 615), genannten Grundes betroffen sein können, zu berücksichtigen.

§ 5 Barrierefreiheit

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne besondere Hilfe auffindbar, zugänglich, verständlich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung persönlicher Hilfsmittel zulässig.

Abschnitt 2
Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit

§ 6 Benachteiligungsverbot

(1) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 dürfen Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen. Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderungen in der vollen und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden. Bestehende Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen gegenüber Menschen ohne Behinderungen sind abzubauen.

(2) Eine Benachteiligung liegt nicht vor, wenn angemessene Vorkehrungen getroffen wurden. Angemessene Vorkehrungen sind Maßnahmen, die im Einzelfall geeignet und erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass ein Mensch mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen alle Rechte genießen oder ausüben kann, und die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 nicht unverhältnismäßig oder unbillig belasten.

(3) Eine Benachteiligung liegt auch bei einer Belästigung im Sinne des § 3 Absätze 3 und 4 AGG vor, mit der Maßgabe, dass § 3 Absatz 4 AGG nicht auf den Anwendungsbereich des § 2 Absatz 1 Nummern 1 bis 4 AGG begrenzt ist.

(4) Wenn im Streitfall der Mensch mit Behinderung Indizien beweist, die eine Benachteiligung auf Grund einer Behinderung vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

§ 7 Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

(1) Neu-, Um- und Erweiterungsbauten, die im Eigentum der öffentlichen Stellen stehen, sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik und unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes barrierefrei gestaltet werden. Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. Die Bestimmungen der Hamburgischen Bauordnung vom 14. Dezember 2005 (HmbGVBl. S. 525, 563), zuletzt geändert am 23. Januar 2018 (HmbGVBl. S. 19), in der jeweils geltenden Fassung bleiben unberührt.

(2) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 sollen anlässlich der Durchführung von investiven Baumaßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 bauliche Barrieren in den nicht von diesen Baumaßnahmen unmittelbar betroffenen Gebäudeteilen, soweit sie dem allgemeinen Besucherverkehr dienen, feststellen und unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abbauen, sofern der Abbau nicht eine unangemessene wirtschaftliche Belastung darstellt.

(3) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 erstellen über die von ihnen genutzten und im Eigentum eines Trägers öffentlicher Gewalt oder einer juristischen Person nach § 2 Absatz 1 stehenden Gebäude, die dem allgemeinen Besucherverkehr dienen, bis zum 30. Juni 2022 Berichte über den Stand der Barrierefreiheit dieser Bestandsgebäude. Die Berichte sind der aufsichtführenden Stelle zuzuleiten. Anschließend sollen verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren erarbeitet werden.

(4) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 sind verpflichtet, Barrierefreiheit bei Anmietungen der von ihnen genutzten Bauten zu berücksichtigen. Künftig sollen grundsätzlich nur barrierefreie Bauten, oder Bauten, in denen die baulichen Barrieren unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abgebaut werden können, angemietet werden, soweit die Anmietung nicht eine unangemessene wirtschaftliche Belastung zur Folge hätte.

(5) Neu zu errichtende öffentliche Straßen, Wege und Plätze sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten. Weitergehende Vorschriften bleiben unberührt.

(6) Der Senat unterstützt durch die Sicherstellung von Beratungsangeboten die Träger öffentlicher Gewalt, die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, Vereine, Institutionen sowie Unternehmen und Unternehmensverbände bei der Entwicklung von Konzepten und der Umsetzung von Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit.

§ 8 Barrierefreie Kommunikation, Gebärdensprache

(1) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 haben bei der Kommunikation mit Menschen mit Behinderungen deren besondere Bedürfnisse zu berücksichtigen. Menschen mit Behinderungen, insbesondere Menschen mit einer Hör- oder Sprachbehinderung haben nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 das Recht, mit den Trägern öffentlicher Gewalt zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren in für sie geeigneten Kommunikationsformen zu kommunizieren. Ansprüche aus anderen Bundes- oder Landesgesetzen gehen diesem Gesetz vor. Die Träger öffentlicher Gewalt haben dafür nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 die notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Kann eine von einem Träger öffentlicher Gewalt bestimmte und nicht gesetzlich vorgegebene Frist nicht eingehalten werden, weil eine geeignete Kommunikationshilfe nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden konnte, ist die Frist angemessen zu verlängern.

(2) Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Näheres über die

  1. Voraussetzungen und den Umfang des Anspruches nach Absatz 1,
  2. Bestimmung der geeigneten Kommunikationsunterstützung nach Absatz 1,
  3. Grundsätze und die Höhe für eine angemessene Vergütung oder eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen aus Haushaltsmitteln der Freien und Hansestadt Hamburg für den Einsatz geeigneter Kommunikationsunterstützung nach Absatz 1 Satz 2 und
  4. Art und Weise der Bereitstellung von geeigneter Kommunikationsunterstützung

zu bestimmen.

(3) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.

§ 9 Gestaltung von Bescheiden und Formularen

(1) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 haben bei der Gestaltung von Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Formularen auf Verständlichkeit zu achten und die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.

(2) Blinde und sehbehinderte Menschen können von den Trägern öffentlicher Gewalt zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Satz 2 insbesondere verlangen, dass ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Formulare ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Art und Weise die in Satz 1 genannten Dokumente blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden.

(3) Die Vorschriften über Form, Bekanntgabe und Zustellung von Verwaltungsakten bleiben von den in den Absätzen 1 und 2 getroffenen Regelungen unberührt.

§ 10 Verständlichkeit und Leichte Sprache

(1) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 sollen mit Menschen mit geistigen oder kognitiven Beeinträchtigungen in einfacher und verständlicher Sprache kommunizieren. Auf Verlangen sollen sie ihnen insbesondere Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Formulare in einfacher und verständlicher Weise erläutern.

(2) Ist die Erläuterung nach Absatz 1 nicht ausreichend, sollen die Träger öffentlicher Gewalt auf Verlangen Menschen mit geistigen oder kognitiven Beeinträchtigungen Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Formulare in Leichter Sprache erläutern und auf Verlangen in Leichter Sprache zur Verfügung stellen.

(3) Kosten für Erläuterungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 sind von den zuständigen Trägern öffentlicher Gewalt oder juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 zu tragen.

(4) Der Senat kann durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises der Menschen mit Behinderungen und über Art und Umfang der Leistungserbringung erlassen.

(5) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 sollen Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereitstellen. Der Senat wirkt darauf hin, dass sie Leichte Sprache stärker einsetzen und ihre Kompetenzen zum Umgang mit Leichter Sprache auf- und ausbauen.

§ 11 Barrierefreie Informationstechnik

(1) Websites und mobile Anwendungen im Internet und im Intranet sowie zur Verfügung gestellte grafische Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, sind von den Trägern öffentlicher Gewalt und den juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 im Rahmen der Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. EU Nr. L 327 S. 1) barrierefrei zu gestalten und mit einer Erklärung zur Barrierefreiheit zu versehen.

(2) Insbesondere bei Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen ist die barrierefreie Gestaltung bereits bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung zu berücksichtigen.

(3) Weitergehende Regelungen, die sich aus anderen Vorschriften ergeben, bleiben unberührt.

(4) Von der barrierefreien Gestaltung können die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 im Einzelfall absehen, soweit sie durch eine barrierefreie Gestaltung unverhältnismäßig belastet werden würden.

(5) Es wird eine Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Informationstechnik eingerichtet. Ihre Aufgaben sind,

  1. regelmäßig zu überwachen, inwiefern Websites und mobile Anwendungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes den Anforderungen an die Barrierefreiheit genügen und
  2. an die zuständige Überwachungsstelle des Bundes nach § 13 Absatz 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467, 1468), zuletzt geändert am 10. Juli 2018 (BGBl. I S. 1117, 1118), in der jeweils geltenden Fassung zu berichten.

(6) Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nach Maßgabe der technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten zu bestimmen, wie die in den Absätzen 1 bis 6 genannten Verpflichtungen umzusetzen sind. Insbesondere sind festzulegen, die

  1. technischen Standards, die die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 bei der barrierefreien Gestaltung anzuwenden haben und der Zeitpunkt, ab dem diese Standards anzuwenden sind,
  2. konkreten Anforderungen an die Erklärung zur Barrierefreiheit,
  3. Einzelheiten des Überwachungsverfahrens.

Abschnitt 3
Rechtsbehelfe

§ 12 Vertretungsbefugnisse in gerichtlichen Verfahren

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Gesetz verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis die nach § 15 Absatz 3 BGG anerkannten Verbände sowie deren Hamburger Landesverbände, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen. In diesen Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderung selbst vorliegen.

§ 13 Verbandsklagerecht

(1) Ein nach § 15 Absatz 3 BGG anerkannter Verband sowie dessen Hamburger Landesverband kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, nach Maßgabe der jeweils geltenden Prozessordnungen Klage erheben auf Feststellung eines Verstoßes der Träger öffentlicher Gewalt oder der juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 gegen

  1. das Benachteiligungsverbot nach § 6 Absatz 1,
  2. die Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit nach § 7 Absätze 1 und 5,
  3. das Recht auf barrierefreie Kommunikation nach § 8 Absatz 1,
  4. die Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit bei der Ausgestaltung des Schriftverkehrs nach § 9 Absatz 2 und § 10 Absatz 2 und
  5. die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung medialer Angebote nach § 11 Absatz 1.

Satz 1 gilt nicht, wenn eine Maßnahme auf Grund einer Entscheidung in einem gerichtlichen Streitverfahren getroffen worden ist.

(2) Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die Maßnahme oder das Unterlassen in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird. Soweit ein Mensch mit Behinderung selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, ist eine Klage nach Absatz 1 nur zulässig, wenn der Verband geltend macht, dass es sich bei der angegriffenen Maßnahme oder dem Unterlassen um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt; dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle vorliegt. Um gerichtlichen Rechtsschutz nach Absatz 1 kann ein Verband erst ersuchen, wenn zuvor ein Schlichtungsverfahren nach § 13a durchgeführt wurde. Das gerichtliche Rechtsschutzbegehren ist nur zulässig, wenn gemäß § 13a Absatz 7 Satz 1 festgestellt wurde, dass eine gütliche Einigung nicht erzielt werden konnte und dies nach § 13a Absatz 7 Satz 2 bescheinigt worden ist.

(3) Handelt es sich bei dem Verstoß um eine Maßnahme oder ein Unterlassen eines Trägers öffentlicher Gewalt so ist vor Erhebung einer Klage nach Absatz 1 ein Vorverfahren entsprechend den Bestimmungen der §§ 68 bis 73 der Verwaltungsgerichtsordnung oder der §§ 78 bis 86 des Sozialgerichtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die angegriffene Maßnahme von einer obersten Landesbehörde getroffen worden ist. Gleiches gilt bei einem Unterlassen.

(4) § 6 Absatz 4 gilt auch für das Verbandsklagerecht.

§ 13a Schlichtungsstelle und Schlichtungsverfahren

(1) Es wird eine Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten nach den Absätzen 2 und 3 eingerichtet. Sie wird mit neutralen schlichtenden Personen besetzt und hat eine Geschäftsstelle. Das Verfahren der Schlichtungsstelle muss insbesondere gewährleisten, dass

  1. die Schlichtungsstelle unabhängig ist und unparteiisch handelt,
  2. die Verfahrensregeln für Interessierte zugänglich sind,
  3. die Beteiligten des Schlichtungsverfahrens rechtliches Gehör erhalten, insbesondere Tatsachen und Bewertungen vorbringen können,
  4. die schlichtenden Personen und die weiteren in der Schlichtungsstelle Beschäftigten die Vertraulichkeit der Informationen gewährleisten, von denen sie im Schlichtungsverfahren Kenntnis erhalten, und
  5. eine barrierefreie Kommunikation mit der Schlichtungsstelle möglich ist.

(2) Wer der Ansicht ist, in einem Recht nach diesem Gesetz durch einen Träger öffentlicher Gewalt nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 oder eine juristische Person nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 verletzt worden zu sein, kann bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen. Ist vor der Erhebung einer Klage gegen die behauptete Rechtsverletzung nach der Verwaltungsgerichtsordnung oder dem Sozialgerichtsgesetz ein Vorverfahren durchzuführen, gilt dies auch für das Schlichtungsverfahren mit der Maßgabe, dass ein Widerspruchsbescheid gemäß § 73 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 85 Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes erst nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens durch den Widerspruchsführer ergeht.

(3) Ein nach § 13 Absatz 1 Satz 1 zur Verbandsklage berechtigter Verband kann bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen, wenn er einen Verstoß gegen die zum Verbandsklagerecht berechtigten Verstöße nach § 13 Absatz 1 behauptet.

(4) Der Antrag nach den Absätzen 2 und 3 kann in Textform oder zur Niederschrift bei der Schlichtungsstelle gestellt werden. Diese übermittelt zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens eine Abschrift des Schlichtungsantrags an den Träger öffentlicher Gewalt nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 oder die juristische Person nach § 2 Absatz 1 Nummer 2.

(5) Die Schlichtungsstelle wirkt in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hin. Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein.

(6) Das Schlichtungsverfahren ist für die Beteiligten unentgeltlich.

(7) Das Schlichtungsverfahren endet mit der Einigung der Beteiligten, der Rücknahme des Schlichtungsantrags oder der Feststellung, dass keine Einigung möglich ist. Wenn keine Einigung möglich ist, endet das Schlichtungsverfahren mit der Zustellung der Bestätigung der Schlichtungsstelle an die Antragstellerin oder den Antragsteller, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte.

(8) Der Senat wird ermächtigt, nach Anhörung des Landesbeirats zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, das Nähere über die Geschäftsstelle, die Besetzung und das Verfahren der Schlichtungsstelle nach den Absätzen 1, 4, 5 und 7 sowie über die Kosten des Verfahrens und die Entschädigung durch Rechtsverordnung zu bestimmen.

Abschnitt 4
Koordination für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und deren Partizipation

§ 14 Senatskoordinatorin oder Senatskoordinator für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

(1) Auf Vorschlag des Senats wählt die Hamburgische Bürgerschaft eine Senatskoordinatorin oder einen Senatskoordinator für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Der Senat bestellt für die Dauer der Wahlperiode der Bürgerschaft die Senatskoordinatorin oder den Senatskoordinator für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Das Amt endet außer im Fall der Entlassung mit dem Zusammentreten einer neuen Bürgerschaft. Die Senatskoordinatorin oder der Senatskoordinator bleibt bis zur Nachfolgebestellung im Amt; eine erneute Bestellung ist möglich. Die Senatskoordinatorin oder der Senatskoordinator ist unabhängig, weisungsungebunden und ressortübergreifend tätig.

(2) Aufgabe der Senatskoordinatorin oder des Senatskoordinators ist es insbesondere,

  1. aus einer unabhängigen Position heraus zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung zu vermitteln,
  2. als koordinierende Stelle für Menschen mit Behinderungen und deren Verbände und Organisationen zur Verfügung zu stehen,
  3. darauf hinzuwirken, dass die Verantwortung der Träger öffentlicher Gewalt und der juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und für die Beseitigung geschlechtsspezifischer Benachteiligungen von Frauen mit Behinderungen zu sorgen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wahrgenommen wird,
  4. Maßnahmen in Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen anzuregen und dabei die Zivilgesellschaft einzubinden.

(3) Der Senat beteiligt die Senatskoordinatorin oder den Senatskoordinator frühzeitig bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben, die die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen betreffen oder berühren. Anmerkungen der Senatskoordinatorin oder des Senatskoordinators zu Bürgerschaftsdrucksachen müssen der Hamburgischen Bürgerschaft mitgeteilt werden.

(4) Die Träger öffentlicher Gewalt und die juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 unterstützen die Senatskoordinatorin oder den Senatskoordinator bei der Wahrnehmung der Aufgaben, insbesondere erteilen sie die erforderlichen Auskünfte und gewähren Akteneinsicht. Die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten und sonstiger Geheimhaltungsvorschriften bleiben unberührt.

(5) Die Senatskoordinatorin oder der Senatskoordinator ist, auch nach Beendigung ihrer oder seiner Bestellung, verpflichtet, über die ihr oder ihm in Ausübung ihrer oder seiner Tätigkeit als Senatskoordinatorin oder Senatskoordinator bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

(6) Die Senatskoordinatorin oder der Senatskoordinator unterrichtet den Senat alle zwei Jahre über ihre oder seine Tätigkeit, die Umsetzung dieses Gesetzes und die Lage der Menschen mit Behinderungen in Hamburg. Der Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen kann zu dem Bericht eine Stellungnahme abgeben. Der Senat leitet den Bericht und die Stellungnahme des Landesbeirats der Bürgerschaft zu.

(7) Zur Gewährleistung der Arbeit der Senatskoordinatorin oder des Senatskoordinators sind ausreichende Personal- und Sachmittel zur Verfügung zu stellen.

(8) Die Rechts- und Dienstaufsicht obliegt der zuständigen Behörde.

§ 15 Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

(1) Bei der zuständigen Behörde wird für die Dauer der Wahlperiode der Bürgerschaft ein Landesbeirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen eingerichtet. Der Landesbeirat unterstützt den Senat bei der Aufgabe, gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderungen zu schaffen. Er berät den Senat und die Senatskoordinatorin oder den Senatskoordinator für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen insoweit in allen Angelegenheiten. Der Landesbeirat ist berechtigt, dem Senat, der Senatskoordinatorin oder dem Senatskoordinator, den Trägern öffentlicher Gewalt und den juristischen Personen nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 Empfehlungen zur Durchsetzung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu geben.

(2) Der Landesbeirat setzt sich aus 20 ständigen, stimmberechtigten Mitgliedern zusammen, die neben den Betroffenen und ihren Organisationen die für die Gleichstellung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wichtigen Bereiche und gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten sollen. Die Mitglieder werden von der Senatskoordinatorin oder dem Senatskoordinator im Einvernehmen mit den maßgeblichen Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen der Freien und Hansestadt Hamburg vorgeschlagen und von der zuständigen Behörde bestellt. Maßgebliche Interessenvertretungen sind die in der Rechtsverordnung zu § 3 Absatz 2 des Hamburgischen Gesetzes zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - vom 21. Juni 2018 (HmbGVBl. S. 214) bestimmten. Die Mitglieder des Landesbeirats üben ihr Amt ehrenamtlich aus. Die Mitgliedschaft endet mit dem Zusammentreten einer neuen Bürgerschaft.

(3) Die Geschäftsführung liegt bei der Senatskoordinatorin oder dem Senatskoordinator für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Die Senatskoordinatorin oder der Senatskoordinator für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist vorsitzendes Mitglied des Landesbeirats ohne Stimmrecht.

(4) Der Landesbeirat gibt sich eine Geschäftsordnung.

(5) Die Mitglieder des Landesbeirats erhalten eine Aufwandsentschädigung. Der Senat wird ermächtigt, die Aufwandsentschädigung der Mitglieder des Landesbeirats in einer Verordnung zu regeln.

§ 15a Förderung der Partizipation

Der Senat fördert die politische Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Hierzu fördert die Freie und Hansestadt Hamburg im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Maßnahmen von Verbänden, die

  1. nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend die Belange von Menschen mit Behinderungen fördern,
  2. nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder dazu berufen sind, Interessen von Menschen mit Behinderungen auf der Ebene des Bundes oder des Landes zu vertreten,
  3. zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens drei Jahre bestehen und in dieser Zeit im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen sind,
  4. die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten; dabei sind Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit des Vereines zu berücksichtigen, und
  5. den Anforderungen der Gemeinnützigkeit oder Mildtätigkeit im Sinne der Abgabenordnung genügen.

Die Maßnahmen sollen niedrigschwellig zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten beitragen.

Abschnitt 5
Schlussvorschrift

§ 16 Schlussbestimmungen

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

(2) Zum selben Zeitpunkt tritt das Hamburgische Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen vom 21. März 2005 (HmbGVBl. S. 75) in der geltenden Fassung außer Kraft.

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