Druck- und LokalversionFür einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die
Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an.
Regelwerk; Arbeits- und Sozialrecht; ILO

Protokoll zum Übereinkommen 29
Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930

Vom 31. Mai 2019
(BGBl. II Nr. 8 vom 05.06.2019 S. 438)



Gesetz zum Protokoll // Inkraftreten: 19.06.2020

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 28. Mai 2014 zu ihrer einhundertdritten Tagung zusammengetreten ist,

anerkennt, dass das Verbot von Zwangs- oder Pflichtarbeit Bestandteil der Grundrechte ist und dass Zwangs- oder Pflicht arbeit die Menschenrechte und die Würde von Millionen von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen verletzt, zum Fortbestehen von Armut beiträgt und der Verwirklichung von menschenwürdiger Arbeit für alle im Weg steht,

anerkennt, dass das Übereinkommen (Nr. 29) über Zwangsarbeit, 1930, nachstehend als "das Übereinkommen" bezeichnet, und das Übereinkommen (Nr. 105) über die Abschaffung der Zwangsarbeit, 1957, bei der Bekämpfung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit eine entscheidende Rolle spielen, dass Lücken bei ihrer Umsetzung aber zusätzliche Maßnahmen erfordern,

weist darauf hin, dass die Definition von Zwangs- oder Pflichtarbeit nach Artikel 2 des Übereinkommens sich auf Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen und Ausprägungen erstreckt und ohne Unterschied für alle Menschen gilt,

unterstreicht die Dringlichkeit der Beseitigung von Zwangs- und Pflichtarbeit in allen ihren Formen und Ausprägungen,

verweist auf die Verpflichtung der Mitglieder, die das Übereinkommen ratifiziert haben, Zwangs- oder Pflichtarbeit unter Strafe zu stellen und dafür zu sorgen, dass die gesetzlichen Strafmaßnahmen wirklich angemessen sind und streng vollzogen werden,

stellt fest, dass die in dem Übereinkommen vorgesehene Übergangszeit abgelaufen ist und die Bestimmungen des Artikels 1 Absätze 2 und 3 und der Artikel 3 bis 24 nicht mehr anwendbar sind,

anerkennt, dass die Umstände und Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit sich geändert haben und dass der Menschenhandel für die Zwecke von Zwangs- oder Pflichtarbeit, der mit sexueller Ausbeutung einhergehen kann, Gegenstand wachsender internationaler Sorge ist und dringende Maßnahmen zu seiner wirksamen Beseitigung erfordert,

stellt fest, dass eine zunehmende Zahl von Arbeitnehmern 1 Zwangs- oder Pflichtarbeit in der Privatwirtschaft verrichtet, dass bestimmte Wirtschaftssektoren besonders anfällig sind und dass bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern einem höheren Risiko ausgesetzt sind, zu Opfern von Zwangs- oder Pflichtarbeit zu werden, insbesondere Migranten,

stellt fest, dass die wirksame und dauerhafte Beseitigung von Zwangs- oder Pflichtarbeit zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs unter Arbeitgebern sowie zum Schutz der Arbeitnehmer beiträgt,

verweist auf die einschlägigen internationalen Arbeitsnormen, insbesondere das Übereinkommen (Nr. 87) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948, das Übereinkommen (Nr. 98) über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen, 1949, das Übereinkommen (Nr. 100) über die Gleichheit des Entgelts, 1951, das Übereinkommen (Nr. 111) über die Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf), 1958, das Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter, 1973, das Übereinkommen (Nr. 182) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999, das Übereinkommen (Nr. 97) über Wanderarbeiter (Neufassung), 1949, das Übereinkommen (Nr. 143) über Wanderarbeitnehmer (ergänzende Bestimmungen), 1975, das Übereinkommen (Nr. 189) über Hausangestellte, 2011, das Übereinkommen (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler, 1997, das Übereinkommen (Nr. 81) über die Arbeitsaufsicht, 1947, das Übereinkommen (Nr. 129) über die Arbeitsaufsicht (Landwirtschaft), 1969, sowie die Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998) und die Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008),

verweist auf andere einschlägige inter - nationale Instrumente, insbesondere die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948), den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966), den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966), das Übereinkommen über die Sklaverei (1926), das Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken (1956), das Überein - kommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (2000), das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels (2000), das Protokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg (2000), die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (1990), das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1984), das Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979) und das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2006),

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen zum Schließen von Lücken bei der Umsetzung des Übereinkommens, und bekräftigt, dass Präventions- und Schutzmaßnahmen sowie Rechtsbehelfe, wie Entschädigung und Rehabilitation, erforderlich sind, um die effektive und nachhaltige Beseitigung von Zwangs- oder Pflichtarbeit gemäß dem vierten Punkt der Tagesordnung der Tagung zu erreichen, und

dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Protokolls zu dem Übereinkommen erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 11. Juni 2014, das folgende Protokoll an, das als Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930, bezeichnet wird.

Artikel 1


(1) Bei der Umsetzung seiner aus dem Übereinkommen entstehenden Verpflichtungen zur Beseitigung von Zwangs- oder Pflichtarbeit hat jedes Mitglied wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Anwendung zu verhindern und zu beseitigen, um den Opfern Schutz und Zugang zu geeigneten und wirksamen Rechtsbehelfen und Abhilfemaßnahmen, wie zum Beispiel Entschädigung, zu gewährleisten und um die für Zwangs- oder Pflichtarbeit Verantwortlichen zu bestrafen.

(2) Jedes Mitglied hat in Absprache mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden eine innerstaatliche Politik und einen innerstaatlichen Aktionsplan zur wirksamen und dauerhaften Beseitigung von Zwangs- oder Pflichtarbeit zu entwickeln, unter Einbeziehung systematischer Maßnahmen der zuständigen Stellen und gegebenenfalls in Koordinierung mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie mit anderen in Betracht kommenden Gruppen.

(3) Die in dem Übereinkommen enthaltene Definition der Zwangs- oder Pflichtarbeit wird bekräftigt, und daher haben die in diesem Protokoll genannten Maßnahmen ein gezieltes Vorgehen gegen den Menschenhandel für die Zwecke von Zwangs- oder Pflichtarbeit zu umfassen.

Artikel 2

Die zur Verhütung von Zwangs- oder Pflichtarbeit zu treffenden Maßnahmen haben zu umfassen:

  1. die Aufklärung und Unterrichtung der Menschen, insbesondere derjenigen, die als besonders anfällig gelten, um zu verhindern, dass sie zu Opfern von Zwangs- oder Pflichtarbeit werden;
  2. die Aufklärung und Unterrichtung der Arbeitgeber, um zu verhindern, dass sie in Zwangs- oder Pflichtarbeitspraktiken verwickelt werden;
  3. Bemühungen, um sicherzustellen, dass:
    1. der Geltungsbereich und die Durchsetzung der für die Verhütung von Zwangs- oder Pflichtarbeit relevanten Gesetzgebung, gegebenenfalls einschließlich des Arbeitsrechts, alle Arbeitnehmer und alle Wirtschaftssektoren mit einschließen; und
    2. die Arbeitsaufsichtsdienste und die sonstigen Dienste, die für die Durchführung dieser Gesetzgebung verantwortlich sind, gestärkt werden;
  4. den Schutz von Personen, insbesondere Wanderarbeitnehmern, vor möglichen missbräuchlichen und betrügerischen Praktiken während des Anwerbungs- und Vermittlungsverfahrens;
  5. die Unterstützung der Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors, um den Risiken von Zwangs- oder Pflichtarbeit vorzubeugen und darauf zu reagieren;
  6. die Bekämpfung der zugrunde liegenden Ursachen und Faktoren, die die Risiken von Zwangs- oder Pflichtarbeit erhöhen.

Artikel 3

Jedes Mitglied hat wirksame Maßnahmen zu ergreifen zur Ermittlung, zur Befreiung, zum Schutz, zur Erholung und zur Rehabilitation aller Opfer von Zwangs- oder Pflichtarbeit sowie zur Bereitstellung anderer Formen von Hilfe und Unterstützung.

Artikel 4

(1) Jedes Mitglied hat sicherzustellen, dass alle Opfer von Zwangs- oder Pflicht - arbeit, ungeachtet ihrer Anwesenheit oder ihres Rechtsstatus im Hoheitsgebiet, Zugang zu geeigneten und wirksamen Rechtsbehelfen und Abhilfemaßnahmen, wie zum Beispiel Entschädigung, haben.

(2) Jedes Mitglied hat im Einklang mit den Grundsätzen seiner Rechtsordnung die Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass die zuständigen Stellen die Befugnis haben, Opfer von Zwangs- oder Pflichtarbeit wegen ihrer Beteiligung an unrechtmäßigen Tätigkeiten, zu denen sie als unmittelbare Folge der ihnen auferlegten Zwangs- oder Pflichtarbeit gezwungen worden sind, nicht strafrechtlich zu verfolgen oder von einer Bestrafung abzusehen.

Artikel 5

Die Mitglieder haben zusammenzuarbeiten, um die Verhütung und Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit sicherzustellen.

Artikel 6

Die Maßnahmen zur Anwendung der Bestimmungen dieses Protokolls und des a Übereinkommens sind durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder durch die zuständige Stelle nach Absprache mit den in Betracht kommenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden festzulegen.

Artikel 7

Die Übergangsbestimmungen von Artikel 1 Absätze 2 und 3 und der Artikel 3 bis 24 des Übereinkommens sind zu streichen.

Artikel 8

(1) Ein Mitglied kann dieses Protokoll gleichzeitig mit der Ratifikation des Übereinkommens oder jederzeit danach durch a Mitteilung seiner förmlichen Ratifikation i dieses Protokolls an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung ratifizieren.

(2) Dieses Protokoll tritt zwölf Monate, nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind, in Kraft. In der Folge tritt dieses Protokoll für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft, und das Übereinkommen bindet das betreffende Mitglied unter Einbeziehung der Artikel 1 bis 7 dieses Protokolls.

Artikel 9

(1) Ein Mitglied, das dieses Protokoll ratifiziert hat, kann es, wann immer das Übereinkommen gemäß dessen Artikel 30 gekündigt werden kann, durch förmliche Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen; die Kündigung wird von diesem eingetragen.

(2) Die Kündigung des Übereinkommens gemäß dessen Artikel 30 oder 32 hat ohne Weiteres die Wirkung einer Kündigung dieses Protokolls.

(3) Jede Kündigung dieses Protokolls gemäß den Absätzen 1 oder 2 dieses Artikels wird erst ein Jahr nach der Eintragung wirksam.

Artikel 10

(1) Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen, Erklärungen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

(2) Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn die Eintragung der zweiten Ratifikation erfolgt ist, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, zu dem dieses Protokoll in Kraft tritt.

Artikel 11

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm eingetragenen Ratifikationen, Erklärungen und Kündigungen.

Artikel 12

Der französische und der englische Wortlaut dieses Protokolls sind in gleicher Weise verbindlich.

1) Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

UWS Umweltmanagement GmbHENDE