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Übereinkommen 140 - Übereinkommen über den bezahlten Bildungsurlaub, 1974

Vom 24. Juni 1974
(BGBl. II vom 10.02.2010 S. 939)



Dieses Übereinkommen ist am 23. September 1976 in Kraft getreten.

Ort: Genf

Tagung: 59

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 1974 zu ihrer neunundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist,

verweist auf Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in dem festgestellt wird, daß jeder Mensch das Recht auf Bildung hat,

verweist ferner auf die Bestimmungen über die zeitweilige Freistellung von Arbeitnehmern oder die Gewährung von Freizeit zur Teilnahme an Bildungs- oder Berufsbildungsprogrammen, die in bestehenden internationalen

Arbeitsempfehlungen betreffend die berufliche Ausbildung und den Schutz der Arbeitnehmervertreter enthalten sind,

ist der Ansicht, daß die Notwendigkeit einer fortdauernden Bildung und Berufsbildung entsprechend der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung und dem Wandel der wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen angemessene Vorkehrungen für einen Urlaub zu Bildungs- und Berufsbildungszwecken erfordert, um neuen Bestrebungen, Bedürfnissen und Zielen sozialer, wirtschaftlicher, technischer und kultureller Art zu entsprechen,

ist der Ansicht, daß der bezahlte Bildungsurlaub als eines der Mittel zur Befriedigung der echten Bedürfnisse des einzelnen Arbeitnehmers in einer modernen Gesellschaft betrachtet werden sollte,

ist der Ansicht, daß der bezahlte Bildungsurlaub im Sinne einer Politik der fortdauernden Bildung und Berufsbildung konzipiert sein sollte, die schrittweise und wirksam durchgeführt wird,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend den bezahlten Bildungsurlaub, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Juni 1974, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über den bezahlten Bildungsurlaub, 1974, bezeichnet wird.

Artikel 1

In diesem Übereinkommen bedeutet der Begriff "bezahlter Bildungsurlaub" einen Urlaub, der einem Arbeitnehmer zu Bildungszwecken für eine bestimmte Dauer während der Arbeitszeit und bei Zahlung angemessener finanzieller Leistungen gewährt wird.

Artikel 2

Jedes Mitglied hat eine Politik festzulegen und durchzuführen, die dazu bestimmt ist, mit Methoden, die den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten angepaßt sind, und nötigenfalls schrittweise, die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub zu fördern, und zwar zum Zwecke

  1. der Berufsbildung auf allen Stufen,
  2. der allgemeinen und politischen Bildung,
  3. der gewerkschaftlichen Bildung.

Artikel 3

Diese Politik hat, falls erforderlich auf verschiedene Weise, einen Beitrag zu leisten

  1. zur Aneignung, Vervollkommnung und Anpassung beruflicher und tätigkeitsbezogener Befähigungen sowie zur Förderung und Sicherung der Beschäftigung angesichts der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung sowie der wirtschaftlichen und strukturellen Veränderungen;
  2. zur sachkundigen und aktiven Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter am Geschehen im Betrieb und in der Gemeinschaft;
  3. zum persönlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt der Arbeitnehmer; und
  4. allgemein zur Förderung einer geeigneten fortdauernden Bildung und Berufsbildung, die dem Arbeitnehmer hilft, sich den zeitbedingten Erfordernissen anzupassen.

Artikel 4

Diese Politik hat die Entwicklungsstufe und die besonderen Bedürfnisse des betreffenden Landes und der verschiedenen Tätigkeitsbereiche zu berücksichtigen und ist mit der allgemeinen Politik auf dem Gebiet der Beschäftigung, der Bildung und Berufsbildung sowie der Arbeitszeit abzustimmen, wobei saisonbedingte Schwankungen der Arbeitszeit oder des Arbeitsanfalls je nach Sachlage zu berücksichtigen sind.

Artikel 5

Die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub kann durch innerstaatliche Gesetzgebung, Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche oder auf jede andere den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Weise erfolgen.

Artikel 6

Die Behörden, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände und die mit Bildung und Berufsbildung befaßten Institutionen oder Stellen sind in einer den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten entsprechenden Weise bei der Festlegung und Durchführung der Politik zur Förderung des bezahlten Bildungsurlaubs heranzuziehen.

Artikel 7

Die Finanzierung der Vorkehrungen für den bezahlten Bildungsurlaub hat in regelmäßiger und angemessener Weise sowie in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Gepflogenheiten zu erfolgen.

Artikel 8

Der bezahlte Bildungsurlaub darf Arbeitnehmern nicht auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der politischen Meinung, der nationalen Abstammung oder der sozialen Herkunft verweigert werden.

Artikel 9

Falls erforderlich, sind besondere Bestimmungen in bezug auf den bezahlten Bildungsurlaub zu erlassen

  1. für bestimmte Arbeitnehmergruppen, deren Einordnung in den Rahmen allgemeiner Regelungen Schwierigkeiten bereitet, wie z.B. Arbeitnehmer in Kleinbetrieben, ländliche oder sonstige in entlegenen Gebieten lebende Arbeitnehmer, Schichtarbeiter oder Arbeitnehmer mit Familienpflichten;
  2. für bestimmte Gruppen von Betrieben, deren Einordnung in den Rahmen allgemeiner Regelungen Schwierigkeiten bereitet, wie z.B. Klein- oder Saisonbetriebe, wobei vorausgesetzt wird, daß die Arbeitnehmer in diesen Betrieben nicht von der Inanspruchnahme des bezahlten Bildungsurlaubs ausgeschlossen werden.

Artikel 10

Die Voraussetzungen für die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub können unterschiedlich sein, je nachdem, ob der bezahlte Bildungsurlaub einem der folgenden Zwecke dienen soll:

  1. der Berufsbildung auf allen Stufen,
  2. der allgemeinen und politischen Bildung,
  3. der gewerkschaftlichen Bildung.

Artikel 11

Zeiten des bezahlten Bildungsurlaubs sind Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung zum Zwecke des Erwerbs von Ansprüchen auf Sozialleistungen und sonstigen sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Rechten gleichzustellen, wie durch die innerstaatliche Gesetzgebung, Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche oder auf andere, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Weise vorgesehen.

Artikel 12

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 13

  1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.
  2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.
  3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 14

  1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.
  2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 15

  1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.
  2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 16

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Maßgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 17

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 18

  1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:
    1. Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 14, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.
    2. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.
  2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 19

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.

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