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Regelwerk; BGI / DGUV-I
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BGI 677 - Gehörschützer für das Schießen mit Handfeuerwaffen in Raumschießanlagen
Berufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI)
(bisher ZH 1/564.21)

(Ausgabe 09/1997)



nur zur Information
Umstrukturierung der Systematik (01.05.2014): nicht mehr im DGUV-Regelwerk enthalten

Abbildung 1: schütze während des Schießens in einer Raumschießanlage

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1 Zweck und Anwendungsbereich

Dieses LSA- Blatt gibt Hilfestellung bei der Abschätzung der Lärmexposition und bei der Auswahl geeigneter Gehörschützer für das Schießen mit Handfeuerwaffen.

Lärmbereiche im Sinne der Unfallverhütungsvorschrift UVV "Lärm" sind Bereiche, in denen Lärm auftritt, bei dem der ortsbezogene Beurteilungspegel 85 dB(A) oder der Höchstwert des nicht bewerteten Schalldruckpegels (Lpeak) 140 dB erreicht oder überschreitet. Allen Beschäftigten in Lärmbereichen ist geeigneter Gehörschutz zur Verfügung zu stellen. Ab 90 dB(A) besteht für die Beschäftigten die Verpflichtung, Gehörschutz zu tragen [1]. Schießanlagen, in denen z.B. Sportschützen oder Beschäftigte von Sicherheitsdiensten trainieren, sind erfahrungsgemäß Lärmbereiche.

Die "Regeln für den Einsatz von Gehörschützern" (BGR 194) [2] geben die Kriterien für die Auswahl von Gehörschützern an: Die Schalldämmung eines Gehörschützers ist dann ausreichend, wenn die für das Ohr wirksamen Schalldruckpegel L' folgenden Anforderungen genügen:

1. L'peak < 140 dB 1) und 2. L'Aeq < 85 dB(A)2)1) L'peak: für das Phr wirksamer unbewerteter Spitzenwert des Schalldruckpegels
(beide Voraussetzungen müssen zugleich erfüllt sein).2) L'Aeq: für das Ohr wirksamer äquivalenter Dauerschallpegel

2 Geräuschart

Der Geräuschcharakter von Schüssen ist impulsartig, die Größe der Schalldruckpegel unterscheidet sich je nach Waffe und Munition.

Es handelt sich beim Schießen mit Kurz- und Langfeuerwaffen um hoch- bis mittelfrequente (HM) Geräusche. Für die Auswahl ist die "Methode zur Beurteilung der Schalldämmung eines Gehörschützers unter Berücksichtigung des Spitzenwertes des unbewerteten Schalldruckpegels" nach [2] Anhang 1, Abschnitt 4 anzuwenden.

3 Gehörschäden und ihre Folgen

3.1 Akute Gehörschäden

Bei hohen Spitzenwerten des Schalldruckpegels (Lpeak) - wie sie beim Schießen mit Handfeuerwaffen auftreten - können akute Gehörschäden bereits nach Geräuscheinwirkungen von wenigen Minuten entstehen. Einige Waffen erzeugen extrem hohe Schalldruckpegel (Waffen mit großem Kaliber und/oder kurzen Läufen); dabei können akute Gehörschäden schon durch Einzelknalle verursacht werden [3]. Es tritt dann eine leichte bis mittelgradige, häufig einseitige, plötzliche Schwerhörigkeit auf. Es handelt sich dabei um reine, teilweise sehr ausgeprägte Innenohrschäden ohne Beschädigung des Trommelfells oder des Mittelohrapparates. Innenohrschäden sind nicht heilbar!

3.2 Chronische Gehörschäden

Chronische Gehörschäden können durch langfristige Lärmeinwirkung entstehen. Diese Gehörschäden werden als Lärmschwerhörigkeit bezeichnet.

Neben dem Spitzenwert des Schalldruckpegels speziell beim Schießlärm sind die Parameter Beurteilungspegel und die Dauer der Lärmbelastung (Anzahl der Expositionsjahre) die entscheidenden äußeren Einflussgrößen für die Lärmgefährdung. Anders als bei den akuten Gehörschäden ist für die Lärmschwerhörigkeit typisch, dass sie sich bei andauernder Lärmbelastung schleichend - über Jahre hinweg - verschlimmert. Während bei akuten Gehörschäden auch Schmerzen im Ohr auftreten können, bilden sich chronische Gehörschäden schmerzfrei aus. Beginnende Schäden des Innenohres werden von den Betroffenen selbst kaum bemerkt. Erst im fortgeschrittenen Stadium nehmen die Betroffenen die zum Teil erhebliche Höreinschränkung als Folge ihres Hörverlustes im täglichen Leben wahr. Dann allerdings kommt jede Hilfe zu spät, denn diese Gehörschäden sind mit den unter 3.1 beschriebenen vergleichbar, d.h. sie sind ebenfalls unheilbar!

Es gibt keine Mechanismen im menschlichen Ohr, die eine "Gewöhnung" an den Lärm ermöglichen: Die zeitweilige Hörschwellenverschiebung (das Gefühl, Watte im Ohr zu haben, z.B. nach dem Besuch in der Disko oder nach dem Arbeiten mit Maschinen als Heimwerker ohne Gehörschutz) stellt eine Überbeanspruchung der Hörsinneszellen (Haarzellen) im Innenohr dar; sie bildet sich bei seltenem Auftreten und ausreichender, lärmfreier Ruhezeit zurück. Tritt diese Überbeanspruchung häufiger auf, sterben die Haarzellen ab. Sie können weder erneut zum Leben erweckt werden noch besitzt der Organismus die Fähigkeit, neue Haarzellen zu bilden!

4 Ergebnisse aus Lärmmessungen in Raumschießanlagen

4.1 Angaben zu den Messungen

Zur Ermittlung der Lärmbelastung von Schützen, Trainern und Aufsichtführenden werden nach DIN 45645 [5] bzw. UVV "Lärm" [1] die Schalldruckpegel am stärker belasteten Ohr der Exponierten gemessen. Es werden sowohl Einzelschüsse mit einzelnen Waffen als auch die Exposition während des Übungsschießbetriebes erfasst.

4.2 Arten der untersuchten Waffen

Tabelle 1: Zusammenstellung der untersuchten Waffen und der verwendeten Munition

laufende NummerWaffenartFabrikatModellKaliberMunitionsfabrikatGeschossart
1PistoleHämmerli215.22 l.r.Lapua 
2PistoleWaltherOSP.32 S&WWinchester WCWad Cutter
3PistoleWaltherTPH6,35 mm Br.S & B 
4PistoleWaltherPP7,65 mm Br.FN 
5PistoleSIG-SauerP 2269 mm LugerFiocchi 
6PistoleColt1911.45 ACPWinchester 
7PistoleSIG-SauerP 220-6.45 ACPwiedergeladen 
8RevolverSmith & Wesson686.38 SpecialFiocchi WCWad Cutter
9RevolverSmith &Wesson686.357 MagnumFiocchiTeilmantelflachkopf
10RevolverSmith &Wesson629.44 MagnumWinchester TMFTeilmantelflachkopf
11BüchseAnschützModell 1907.22 l.r.EleyStandard
12FlinteBDF Beretta68612/70NikeStahlschrot
13BüchseEnfieldTK IV.303 BritishS & BVollmantelgeschoss
14BüchseSteyrSSG.308 WinWinchesterVollmantel
15BüchseSpringfield1903.30-06SamsonVollmantelgeschoss
16BüchseMauserK 988 x 57 ISGecoJagdmunition
171)RevolverRugerKGB 161.375 MagnumGecoTeilmantelgeschoss
181)RevolverSmith & Wesson686.38 Specialwiedergeladen WC 

1) Waffen wurden im Rahmen des Übungsbetriebes untersucht

4.3 Messergebnisse

4.3.1 Messbedingungen

Die Messungen wurden in einer Raumschießanlage mit fünf Bahnen durchgeführt.

Die Position des Trainers T3 ist auf einer Linie im Abstand von ca. 0,6 m hinter den Schützen S1 - S5; der Trainer steht in der Mitte zwischen zwei Schützen (Versatz zum Schützen: ca. 0,45 m).

Der Aufsichtführende AS hält sich entlang einer Linie im Abstand von ca. 1,5 m hinter den Schützen auf; auch er steht in der Mitte zwischen zwei Schützen (Versatz zum Schützen: ca. 0,45 m).

Abbildung 2: Grundriss der Raumschießanlage im Schützenbereich

4.3.2 Gemessene maximale Werte für Lpeak [dB]

Aufgrund der Gefährdung des Gehörs schon durch einzelne Schallereignisse (s. Abschnitt 3.1) wird bei Verwendung von Gehörschützern für den am Ohr wirksamen Schall bei jedem einzelnen Schuss gefordert, dass der Spitzenwert des unbewerteten Schalldruckpegels L'peak den Grenzwert 140 dB nicht erreicht oder überschreitet. Deshalb ist in Tabelle 2 der jeweils größte gemessene Wert für Lpeak aus einer Serie von 2-14 Einzelschüssen pro Waffe und Munition angegeben.

Mit den Messwerten für Lpeak wurde Abbildung 3 erstellt. Es ist zu entnehmen, dass für Trainer und Aufsichtführenden Lpeak -Werte bis ca. 159 dB und für den Schützen Lpeak -Werte bis ca. 167 dB gemessen wurden.

Tabelle 2: Größter gemessener Wert für Lpeak [dB] (Nr. 17 u. 18: Messungen während des Übungsschießbetriebs)

WaffeSchützeTrainerAufsichtführender
1150146138
2158146140
3151148140
4150150146
5158153148
6149154150
7159154149
8140147140
9153158152
10164159153
11129126124
12152151143
13161155149
14158154152
15161156153
16160159153
171)167157-
181)167156-


1) Eine weitere Waffe wurde auf einer benachbarten Schießbahn zeitgleich geschossen, daher ggf. Messwert erhöht.

Abbildung 3: Bereich der gemessenen Lpeak -Werte für Trainer, Aufsichtführender und Schütze

4.3.3 Berechnete äquivalente Dauerschallpegel LAeq [dB]

Neben dem Spitzenwert Lpeak ist der äquivalente Dauerschallpegel LAeq, der sich aus der Schießlärmexposition ergibt, bei der Auswahl des Gehörschützers heranzuziehen. Berechnete Werte für den LAeq sind in der Tabelle 3 angegeben.

Der Berechnung der LAeq -Werte für den Schießlärm nach Anhang 1 (informativ) liegt ein Modell zugrunde, das - verglichen mit Messungen des LAeq im Rahmen des normalen Schießbetriebes in einer Raumschießanlage mit 5 x 25 m-Bahnen für den Trainer und den Aufsichtführenden - zufriedenstellende Werte ergab. Die Abweichungen der Rechenergebnisse von den tatsächlich gemessenen Werten waren kleiner als 3 dB.

Bei der Auswahl der Schießbahn, für die die Modellrechnung gelten soll, werden ungünstigste Verhältnisse hinsichtlich der Lärmexposition angenommen:

Hinsichtlich der Raumakustik werden ungünstige Bedingungen angenommen:

Bei Schießständen mit guter schallabsorbierender Auskleidung (gute Raumakustik: Pegelminderung ΔL je Abstandsverdoppelung von 4-5 dB) ergibt sich eine Verminderung der in der Tabelle 3 angegebenen Werte für den Schützen um bis zu 2 dB, für den Trainer um bis zu 4 dB und für den Aufsichtführenden um bis zu 5 dB.

Der berechnete Wert in der Tabelle 3 entspricht dem äquivalenten Dauerschallpegel LAeq bei der Belegung der Schießanlage mit 5 Schützen, die alle die gleiche Waffe benutzen und einen Durchgang mit 6 x 5 Schuss pro Schütze je Stunde absolvieren (d.h. insgesamt fallen 150 Schüsse je Stunde).

Bei einer Verdoppelung der Gesamtanzahl der Schüsse pro Stunde sind 3 dB zu den Werten in der Tabelle 3 zu addieren; bei einer Halbierung der Gesamtanzahl der Schüsse pro Stunde sind 3 dB abzuziehen.

Schützen, die selber mit leiseren Waffen schießen, sollten ihren Gehörschützer mittels desjenigen Wertes aus Tabelle 3 auswählen, der von der lautesten Waffe stammt, die in der betreffenden Schießanlage verwendet wird. Dies gilt grundsätzlich auch für Trainer und Aufsichtführende.

Tabelle 3: Berechnete LAeq -Werte in dB(A)
(berechnet nach dem im Anhang 1 beschriebenen Verfahren für eine Raumschießanlage mit 5 x 25 m-Bahnen)

WaffeSchützeTrainerAufsichtführender
1989796
2102101100
310110099
4105104103
5108107106
6108107106
7110109108
81009998
9112111110
10118117116
11797877
12104103102
13109108107
14113112111
15111110109
16111110109

5 Auswahl von geeignetem Gehörschutz

Um die im Abschnitt 1 genannten Auswahlkriterien erfüllen zu können, ist zunächst für den Schützen, den Trainer oder den Aufsichtführenden anhand der von allen Schützen verwendeten Waffen aus Tabelle 2 der größte Lpeak -Wert aufzusuchen. Damit bestimmt man diejenigen Gehörschützer, die das Kriterium "L'peak < 140 dB" erfüllen. In Tabelle 6 - Anhang 2 - sind hierzu alle für den Einsatz auf Schießständen geeigneten Gehörschützer mit dem für sie zulässigen maximalen Lpeak -Wert gelistet.

Anmerkung: Für die Ermittlung der Einsatzbereiche der Gehörschützer in Tabelle 6 wurde der M-Wert des jeweiligen Gehörschützers verwendet.

Gehörschützer müssen immer beide der in Abschnitt 1 genannten Kriterien erfüllen!

Deshalb sind anschließend aus der Menge der nach Kriterium "L'peak< 140 dB" geeigneten Gehörschützer endgültig diejenigen Gehörschützer auszuwählen, die auch für den mittels Abschnitt 4.3.2 ermittelten LAeq -Wert geeignet sind: Der nach Tabelle 3 ermittelte Wert für LAeq muss in dem in Tabelle 6 angegebenen Bereich liegen.

Meist wird mit dem hier beschriebenen Verfahren zugunsten einer einfachen praktikablen Auswahl Überprotektion erzielt. Diese Überprotektion wird in Raumschießanlagen als unkritisch angesehen, da anzunehmen ist, dass Warnsignale oder Warnrufe mit Überprotektion im allgemeinen dort genauso gut wahrzunehmen sind wie ohne Überprotektion.

Zu beachten sind die folgenden zusätzlichen Hinweise:

Auswahl von Gehörschützern für Personen, die sich außerhalb der Schießanlage in weiteren Lärmbereichen aufhalten:

Hält sich der Schießlärmexponierte außerhalb der Schießanlage in weiteren Lärmbereichen (z.B. am Arbeitsplatz) auf, sollte er dort auch geeigneten Gehörschutz tragen.

Falls die Schießlärmexposition nicht mehr als 1 Stunde pro Tag andauert, kann ein geeigneter Gehörschützer hinsichtlich des LAeq -Wertes mittels Tabelle 3 ermittelt werden. In diesem Fall ist eine ausreichende Schutzwirkung der Gehörschützer gegen die gesamte Lärmeinwirkung gegeben.

Ist die Dauer der Schießlärmexposition für Personen, die außerhalb der Schießanlage in weiteren Lärmbereichen tätig sind, größer als 1 Stunde pro Tag, so ist das in diesem LSA -Blatt beschriebene Verfahren nicht anwendbar, da die Schutzwirkung des ermittelten Gehörschützers nicht ausreichend sein kann.

Schießlärmexposition länger als acht Stunden:

Ist die Schießlärmexposition größer als acht Stunden pro Tag, kann das in diesem LSA -Blatt beschriebene Verfahren nicht angewendet werden.

Die Auswahl eines geeigneten Gehörschützers muss dann anhand des Lpeak und des Beurteilungspegels nach [1] erfolgen. Durch die Ermittlung des Beurteilungspegels erhält man dann die Möglichkeit, den Wert für die durchschnittliche Schießlärmexposition mit den Grenzwerten für die längerfristig typische Lärmbelastung zu vergleichen und geeignete Gehörschützer (s. Abschnitt 1) auszuwählen.

Diese Auswahl geeigneter Gehörschützer ist in Abbildung 4 als Ablaufdiagramm dargestellt.

Abbildung 4: Ablaufdiagramm "Auswahl von Gehörschützern"

6 Modell zur Abschätzung des äquivalenten Dauerschallpegels

Finden sich in diesem LSA -Blatt keine geeigneten Angaben für eine spezielle Waffe und ist auch hinsichtlich der Schallemission keine Vergleichbarkeit mit den hier aufgeführten Waffen gegeben, so kann mit der Anleitung im Anhang 1 und zusätzlich zu ermittelnden Parametern des Schalldruckpegels eine Abschätzung der Lärmexposition auf der Basis der dort beschriebenen Modellrechnung erhalten werden.

UWS Umweltmanagement GmbHweiter. Frame öffnen