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BGI 761 - Lärmminderung bei der Betonfertigteilherstellung
Geräuschminderung im Bauwesen
Berufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI)
(bisher ZH 1/564.2)
(Ausgabe 10/1999)
nur zur Information
Umstrukturierung der Systematik (01.05.2014): nicht mehr im DGUV-Regelwerk enthalten
1 Vorbemerkung, Anwendungsbereich
Mit jährlich ca. 7000 von den Berufsgenossenschaften neu anerkannten berufsbedingten Erkrankungen liegt die Lärmschwerhörigkeit (BK 2301) an der Spitze aller anerkannten Berufskrankheiten und stellt damit ein hohes Gesundheitsrisiko für alle in Lärmbereichen tätigen Arbeitnehmer dar. Die Statistiken belegen, dass die Beschäftigten im Bauwesen ein besonders hohes Gehörschadensrisiko tragen. Diese seit Jahren anhaltend hohe Zahl an Erkrankungen zeigt deutlich, dass trotz aller Bemühungen, insbesondere bei der Umsetzung technischer Lärmminderungsmaßnahmen, in der Lärmminderung noch großer Handlungsbedarf besteht. Die hinreichend bekannte Lärm-Problematik in den Betrieben der Betonfertigteil-Industrie besteht in der meist sehr hohen Schallabstrahlung der unwuchterregten Stahlschalungen, die häufig im Bereich von 100 bis 120 dB(A) liegt. Trotz der relativ kurzen Verdichtungszeiten führt dies in vielen Fällen zu Beurteilungspegeln von mehr als 90 dB(A), so dass nach § 7 UVV "Lärm" [1] kennzeichnungspflichtige Lärmbereiche bestehen.
Um einen möglichst umfassenden Überblick über die Möglichkeiten der Lärmminderung bei der Verdichtung von Betonfertigteilen zu geben, und damit den derzeitigen Stand der Lärmminderungstechnik zu beschreiben, werden in diesem LSA- Blatt sowohl konstruktive Details zur Verminderung der Lärmentwicklung und ergänzende (sekundäre) Maßnahmen zur Lärmminderung an vorhandenen Schalungen als auch das Prinzip der lärmgeminderten Rüttelverdichtung und der lärmarmen Schütteltechnik dargestellt. Dieses LSA- Blatt ersetzt die früheren Ausgaben LSA 02-602 und LSA 03-602.
2 Entwicklung
In der Vergangenheit angewendete Lärmminderungsmaßnahmen, wie Bedämpfung und Abschirmung der Schalungsflächen oder Frequenzvariation der Rüttler führten nur zu Teilerfolgen, deren Entlastungswirkung für die Beschäftigten in den Fertigteilwerken positiv, aber nicht ausreichend waren.
Bild 1: Schüttelanlage zur Herstellung von Doppelwandelementen
Der erste wirklich durchgreifende Erfolg der Bemühungen um Lärmminderung bei der Betonfertigteilherstellung wurde mit der Entwicklung eines konstruktiv vollkommen neukonzipierten Kipptisches im Rahmen eines bereits 1985 abgeschlossenen Forschungsvorhabens erreicht [2]. Mit diesem Kipptisch, der unter der Bezeichnung "NUCRI I" in Produktion ging, konnte erstmals während der Verdichtung ein Schallpegel unterhalb von 85 dB(A) erreicht werden.
Als hemmend bezüglich der Verbreitung dieser lärmgeminderten Konstruktion erwiesen sich jedoch anfänglich die relativ hohen Anschaffungskosten des neuen Kipptisches, die vorwiegend auf die große Zahl der erforderlichen Rüttler zurückzuführen waren. Da sich die bei der Neukonstruktion zugrunde gelegten Erkenntnisse zudem nicht auf vorhandene Kipptische oder andere Schalungen in Form einer Nachrüstung übertragen ließen, hat sich lange Zeit an der Lärmsituation in den Fertigteilwerken wenig geändert.
Erst durch die Neuentwicklung der Unwuchterregung und die Weiterentwicklung der Konstruktion des "NUCRI"- Kipptisches zum Modell "NUCRI II" konnten die Herstellungskosten des lärmgeminderten Kipptisches deutlich gesenkt werden. Mit Unterstützung der Bau-Berufsgenossenschaften wurden in der Vergangenheit einige dieser lärmgeminderten Kipptische in Fertigteilwerken aufgestellt und damit die Lärmbelastung der Beschäftigten deutlich verringert.
Parallel zu dieser Entwicklung wurden im Rahmen von zwei vom damaligen Bundesministerium für Forschung und Technologie geförderten Forschungsvorhaben [3, 4], in enger Zusammenarbeit mit einem Fertigteil-Hersteller und mit Unterstützung der Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt am Main, eine Reihe von Lärmminderungsmaßnahmen entwickelt und erprobt, die unabhängig vom Schalungstyp sowohl bei der Neukonstruktion berücksichtigt als auch an bestehenden Schalungen nachträglich realisiert werden können.
Eine für die Herstellung von Betonfertigteilen vollkommen neue Verdichtungsmethode, stellt die "Schütteltechnik" dar, bei der die Unwuchterregung in horizontaler Richtung erfolgt. Zwar wurde bereits in den 60-iger Jahren in mehreren Arbeiten über Untersuchungen an horizontal angeregten Vordichtungsanlagen berichtet, jedoch wurden erst ca. 25 Jahre später in Schweden die ersten serienreifen Schüttelanlagen realisiert [5] und wenig später auch in Deutschland auf den Markt gebracht. Wiederum durch die Unterstützung der Bau-Berufsgenossenschaften aber auch durch das Engagement einiger Fertigungsbetriebe hat diese geräuscharme Technik zunehmend Anwendung in den Betonfertigteilwerken gefunden. Bild 1 zeigt eine moderne Schüttelanlage zur Herstellung von Doppelwandelementen.
Der Einsatz der lärmarmen Rüttel- und Schütteltechnik beschränkte sich allerdings bisher im Wesentlichen auf die Herstellung von plattenförmigen Bauteilen wie Wand- und Deckenelementen. Jedoch wird die Entwicklung von Schüttelsystemen zur Fertigung anderer, z.B. stabförmiger Fertigteile oder Rohre stetig vorangetrieben, so dass sich die Produktpalette für die Anwendbarkeit der Schütteltechnik ständig vergrößert. Bemerkenswerte Erfolge an einer 72 m langen Pi-Bahn mit Pendelrüttler- Antrieb werden in [6] beschrieben.
Trotz der beachtlichen Lärmminderungserfolge, die durch den Einsatz von lärmgeminderten Rütteltischen und Schütteltischen erzielt werden, ist es noch immer notwendig, auch Lärmminderungsmaßnahmen an herkömmlichen Schalungen zu beschreiben, da sich die lärmarmen Verdichtungs-Prinzipien bisher noch nicht für jede Art der Fertigteilproduktion einsetzen lassen. Außerdem müssen viele Bauteile noch mit den bestehenden herkömmlichen Anlagen produziert werden. Zudem ist auf Grund der langen Nutzungsdauer der Schalungen davon auszugehen, dass selbst bei sukzessiver Umrüstung innerhalb eines Betriebes noch lange Zeit herkömmliche Anlagen neben den lärmarmen Anlagen betrieben werden. Deshalb ist es weiterhin erforderlich, auch die Möglichkeiten der Lärmminderung an herkömmlichen Rüttelanlagen zu nutzen, um die Lärmbelastung der Arbeitnehmer in den Fertigteilwerken auf ein möglichst niedriges Niveau senken zu können.
3 Verdichtungsprinzipien
Die Verdichtung von Frischbeton kann grundsätzlich durch Stampfen, Pressen oder Schwingungserregung erfolgen. Für die Herstellung von Betonfertigteilen sind die beiden erstgenannten Verfahren jedoch heute ohne Bedeutung. Seit ca. 70 Jahren wird die Schwingungserregung zur Verdichtung in der Betonfertigteilherstellung praktiziert.
Das grundlegende Prinzip der schwingungserregten Verdichtung besteht darin, die innere Reibung der im Frischbeton vermengten Partikel durch die Anregung zu reduzieren, so dass schwerkraftbedingt eine dichtere Packung entsteht und die eingeschlossene Luft entweichen kann.
3.1 Rüttelverdichtung
Zur Rüttelverdichtung werden elektrisch oder pneumatisch betriebene Unwuchterreger eingesetzt, die mit Frequenzen zwischen minimal 50 Hz und maximal 200 Hz betrieben werden. Um eine möglichst gute Übertragung der erzeugten Schwingbeschleunigungen auf den Beton zu erzielen, werden mehrere Rüttler so an der Schalung angebracht, dass durch senkrecht zur Schalungsfläche wirkende Kräfte Biegewellen in der Schaltafel erzeugt werden. Die damit auf der Schalungsfläche erzeugten Beschleunigungen müssen das 1,5fache bis 20fache der Erdbeschleunigung betragen, um die erforderliche Verdichtung zu erzielen, wobei die Anregung einer einzigen Frequenz für den Verdichtungsvorgang ausreichend wäre [2].
3.1.1 Geräuschursachen an herkömmlichen Schalungen und Maßnahmen zur Lärmminderung
Das grundlegende akustische Problem bei der Verdichtung von Frischbeton mit Außenrüttlern besteht in der Erzeugung von Biegewellen auf der Schalungsoberfläche, da diese quasi als Membran wirkt und die Schwingungen auf die angrenzende Luft überträgt. Würde die Anregung und Luftschallabstrahlung nur im Bereich der Nutzschwingungen erfolgen, so wäre dies im Sinne der Lärmentwicklung relativ unkritisch. Es kommt jedoch systembedingt zur Anregung eines breiten Frequenzspektrums, dessen mittel- bis hochfrequente Anteile bei herkömmlichen Schalungen den abgestrahlten Luftschallpegel bestimmen. Die Entstehung dieser höherfrequenten, für die Verdichtung unwirksamen Frequenzanteile ist sowohl auf den Einfluss der Rüttler als auch der Schalung zurückzuführen. Die Entstehungsmechanismen und die Bedeutung der verschiedenen Einflüsse für die Lärmentwicklung sind in den Arbeiten von Saemann [3] und Elmer [4] ausführlich beschrieben.
Als wesentliche Geräuschursachen sind nach den vorliegenden Erkenntnissen
zu nennen.
Für die Lärmminderung ergibt sich daraus die Zielsetzung, die Entstehung von höherfrequenten Schwingungen in der Schalung sowohl durch die Vermeidung höherfrequenter Anregungen des Rüttlers als auch höherfrequenter Anregungen innerhalb des Schalungssystems zu minimieren. Die praktische Umsetzung dieser Forderung kann sich im Wesentlichen auf drei Hauptansatzpunkte konzentrieren, nämlich
Die von Elmer [4] ermittelten Ursachen für die Entstehung hochfrequenter Schwingungen in Elektro-Unwuchterregern sind äußerst komplex, so dass sich die Entwicklung von lärmarmen Rüttlern entsprechend schwierig gestaltet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine kontinuierliche Entwicklung von Rüttlern bzw. Rüttelsystemen auch unter Einbeziehung der Frequenzvariation und der Einzel- oder Gruppensteuerung von Rüttlern stattfindet, so dass bei der Neuanschaffung von Rüttlern bei den Anbietern lärmgeminderte Rüttler bzw. Rüttelsysteme abgefragt werden sollten.
Eine für den Betreiber an vorhandenen Rüttlern leicht realisierbare Lärmminderungsmaßnahme besteht in der Kontrolle der Lagerbeschaffenheit der Rüttler und der Instandsetzung bzw. dem Austausch mangelhafter Rüttler.
Bei der Optimierung der Rüttlerankopplung sind zwei Aspekte von entscheidender Bedeutung:
Ein relativ großes Lärmminderungspotential liegt in der Vermeidung "loser Verbindungen" innerhalb der Schalungskonstruktion sowie zwischen der Schalung und angrenzenden Komponenten.
Als wesentliche Problempunkte sind folgende Komponenten der Schalungskonstruktion zu nennen:
3.1.2 Sekundäre Maßnahmen zur Lärmminderung
Aus zahlreichen Messungen an herkömmlichen Rüttelanlagen ist bekannt, dass die Schallabstrahlung der Schalung auf der Außenseite größer ist als auf der mit Beton belegten Seite. Ursache dafür ist, dass durch die zahlreichen Versteifungsprofile die schallabstrahlende Oberfläche auf der Außenseite der Schalung deutlich größer ist und auf der Nutzseite die Schallabstrahlung durch den Betonbelag gemindert wird. Bei Rütteltischen kommt es zusätzlich durch Schallreflexionen zwischen Hallenboden und Tischunterseite zu einer Schallpegelerhöhung, so dass unter einem Rütteltisch während der Verdichtung deutlich höhere Schallpegel gemessen werden als oberhalb. Bild 7 zeigt die an einem Rütteltisch während der Verdichtung über und unter Tisch aufgezeichneten Oktavspektren.
Bild 2: Schweißkonstruktion eines lärmgemindertn Rütteltisches
Bild 3: Magnethaltermit Klemmvorrichtung
Bild 4: lärmgeminderte Randabstellungen
Bild 5: berührungsfreie Rohrführung
Bild 6: Rohrführung mit Kunststoffbuchse
Bild 7: Vergleich der Schallabstrahlung eines herkömmlichen Rütteltisches unterhalb und oberhalb der Schalung
Da die Außenseite der Schalung bzw. bei Rütteltischen die Tischunterseite bei der Verdichtung außer der Abstützung in der Regel keine weitere Funktion hat, können hier zur Lärmminderung schalldämmende Abschirmungen installiert werden. Die konstruktive Gestaltung dieser schalldämmenden "Verkleidung" kann hierbei abhängig vom Schalungstyp sehr unterschiedlich ausfallen. Überall dort, wo die Abschirmung an der Schalung befestigt werden muss, wie z.B. an Rütteltischen, Stabschalungen, Garagenschalungen oder Brückenträgerschalungen, sollte flexible Schalldämmfolie eingesetzt werden, um durch die Abschirmung nicht neue schallabstrahlende Flächen zu schaffen.
Mit relativ geringem Aufwand kann z.B. die Abschirmung der Tischunterseite an Rütteltischen realisiert werden, indem eine Schalldämmfolie vom Schalungsrand bis zum Hallenboden abgehängt wird. Bild 8 zeigt die Gegenüberstellung der Frequenzspektren vor und nach der Montage einer solchen Abschirmung an einem Kipptisch mit Elektro- Rüttlern. Der Lärmminderungserfolg betrug unmittelbar neben dem Tisch in Bodennähe 13 dB(A) und in Ohrhöhe 7 dB(A). Die anfänglich großen Pegeldifferenzen zwischen der Obertisch- und der Untertischmessung wurden auf ca. 2 dB(A) reduziert.
Sollte es erforderlich sein, dass bei der Vorbereitung der Schalung einzelne Schalungsbereiche von außen zugänglich sind, so kann die Schalldämmfolie z.B. bereichsweise als überlappende Streifen angeordnet werden oder in demontierbare Segmente unterteilt werden. Entscheidend für einen großen Lärmminderungserfolg ist neben der hohen Schalldämmung des Materials die spaltfreie Abdichtung der Abschirmung zu allen Anschlussstellen hin.
Als Alternative zur Schalldämmfolie kann z.B. an Umlaufanlagen die Rüttelstation mit einer gemauerten Abschirmung versehen werden, um die Schallabstrahlung aus dem Bereich unterhalb der Schalung zu mindern. Problematisch ist hier die vollständige Abdichtung zur Schalung sowohl seitlich als auch in Transportrichtung. Eine zumindest teilweise Kompensation dieses Problems kann durch das Auslegen des Hallenbodens unterhalb der Schalung mit einem schallabsorbierenden Material (Mineral- bzw. Steinwolleplatten oder Akustikschaumplatten) erreicht werden.
Die Vollkapselung, z.B. der Verdichtungsstation einer Umlaufanlage zur Herstellung von Filigrandecken, ist in der Regel nur dann zu empfehlen, wenn neben der Entlastung umliegender Arbeitsbereiche auch eine geringere Lärmbelastung der der Anlage zugeordneten Arbeitsplätze erzielt werden kann. Diese Bedingung ist nur erfüllt, wenn zumindest ein Teil des Verdichtungsvorganges ablaufen kann, ohne dass sich Arbeitnehmer innerhalb der Kapsel aufhalten.
Kann die Verdichtung vollkommen isoliert stattfinden, so stellt die Vollkapselung - abgesehen vom Einsatz lärmarmer Verdichtungsanlagen - die wirkungsvollste Lärmminderungsmaßnahme dar.
Der oben bereits erwähnte Einsatz von Schallabsorptionsmaterial ist besonders dann zu empfehlen, wenn zwischen Schalungsflächen und baulichen Begrenzungsflächen (z.B. dem Hallenboden oder auch den Grubenwandungen bei Grubenfertigern) enge Räume entstehen, in denen die reflexionsbedingte Schallpegelerhöhung sehr groß ist. Da bei der herkömmlichen Rüttelverdichtung unter Berücksichtigung der A-Bewertung die mittel- bis hochfrequenten Geräuschanteile pegelbestimmend sind (s. Bild 9), kann mit gängigen Schallabsorptionsmaterialien von 80-100 mm Dicke eine deutliche Reflexionsschallminderung erzielt werden.
Bild 8: Vergleich der Schallabstrahlung eines herkömmlichen Rütteltisches unterhalb und oberhalb der Schalung, mit und ohne Abschirmung der Tischunterseite
Bild 9: unbewertetes und A-bewertetes Frequenzspektrum eines herkömmlichen Rütteltisches
Bild 10: Unwuchtwelle eines lärmgeminderten Rütteltisches (NUCRI II)
3.1.3 Lärmgeminderte Rüttelverdichtung
Wie oben bereits erwähnt, war der erste lärmgeminderte Rütteltisch das Ergebnis einer Forschungsarbeit. Entscheidend für den Lärmminderungserfolg war die konstruktive Abstimmung der Schalungskonstruktion auf das Antriebskonzept. Wesentliche konstruktive Merkmale sind die relativ biegeweiche, von der Tischunterkonstruktion entkoppelte Schalung und die mittig unter jedem Querträger der Schalung angeordneten Unwuchterreger, die fest miteinander gekoppelt mit einem Phasenversatz von 180° zum Nachbarrüttler betrieben werden. Während beim ersten Modell des lärmgeminderten Rütteltisches "NUCRI I" noch 18 Elektrorüttler eingesetzt wurden, wird das aktuelle Modell "NUCRI II" von einer kostengünstigeren Unwucht-Welle erregt (s. Bild 10), die über einen Riemen von einem Elektromotor angetrieben wird. Durch diese Änderung des Antriebes konnten die Mehrkosten des lärmgeminderten Rütteltisches von ca. 30 % (NUCRI I) auf ca. 10 % (NUCRI II) gesenkt werden.
Durch die lärmgeminderte Konstruktion dieses Rütteltisches entstehen bei der Verdichtung die unerwünschten hochfrequenten Geräuschanteile in wesentlich geringerem Maß, als bei der herkömmlichen Rütteltechnik (s. Bild 11), so dass unter günstigen Bedingungen Schallpegel unterhalb von 85 dB(A) erzeugt werden. Ungünstig, weil pegelerhöhend, wirken sich auch beim lärmgeminderten Rütteltisch die im Abschnitt 3.1.1 beschriebenen "losen Verbindungen" aus, so dass z.B. die Verwendung lärmgeminderter Randabstellungen (s. Bild 4), die speziell für den lärmgeminderten Rütteltisch entwickelt wurden, aber natürlich auch auf herkömmlichen Rütteltischen zur Lärmminderung beitragen können, sehr zu empfehlen ist. Ebenfalls ungünstig wirkt sich ein geringer Belegungsgrad der Schalung aus, insbesondere wenn hierbei die Bauteildicke groß ist. So wurde z.B. an einem lärmgeminderten Rütteltisch bei ca. 11 %-iger Belegung und einer Bauteildicke von 24 cm ein mittlerer Schallpegel (Abstand 1 m, Höhe 1,6 m) von 91 dB(A) gemessen. Zum Vergleich betrug der mittlere Schallpegel an einem lärmgeminderten Rütteltisch bei ca. 38 %-iger Belegung und einer Bauteildicke von 10 cm nur 83 dB(A).
Bild 11: Vergleich der Schallabstrahlung eines herkömmlichen und eines lärmgeminderten Rütteltisches
3.2 Schüttelverdichtung
Das wesentliche Merkmal der Schüttelverdichtung ist die ausschließlich horizontale Bewegung der Schalung, die sowohl in Längsrichtung als auch in Querrichtung und bei elektrisch betriebenen Anlagen teilweise auch als Kreisbewegung ausgeführt werden kann. Die Schüttelfrequenz und die Amplitude werden jeweils in Abhängigkeit von der Bauteilgröße gewählt, wobei die Schüttelfrequenz in der Regel zwischen 5 Hz und 20 Hz und die Amplitude bis zu 12 mm beträgt. Im Einzelfall wird auch mit höheren Schüttelfrequenzen bis max. 45 Hz gearbeitet. Die Anregung erfolgt entweder durch hydraulische oder durch elektrische Antriebseinheiten. Bild 12 zeigt einen der vier Unwuchtantriebe einer elektrisch betriebenen Schüttelanlage.
Der entscheidende Vorteil der Schütteltechnik für die Lärmminderung besteht in der äußerst geringen Schallabstrahlung der Schalung bei der Verdichtung. Durch die besonders schwingfähige Lagerung des Schwingrahmens (bei Umlaufanlagen) bzw. der Schalung selbst (bei stationären Anlagen), die z.B. durch eine Aufhängung an Federstäben (s. Bild 13) oder durch Gummipuffer (s. Bild 14) erreicht werden kann, wird der Anregung durch die Unwucht zur horizontalen Schwingung außer der Massenträgheit kaum Widerstand entgegengesetzt, so dass die Körperschallanregung der Schalung sehr gering ist. Zudem ist die schallabstrahlende Oberfläche in Richtung der Krafteinleitung wesentlich kleiner als bei vertikaler Anregung, so dass unter günstigen Bedingungen die Schallabstrahlung weniger als 70 dB(A) beträgt. Der Vergleich der Schalldruckspektren einer elektrisch und einer hydraulisch angetriebenen Schüttelanlage (s. Bild 15) zeigt, dass der elektrische Antrieb im hochfrequenten Bereich deutlich niedrigere Schallpegel verursacht als der hydraulische Antrieb, wodurch auch der A-Schallpegel etwas geringer ausfällt. Die höheren Schallpegel im tieffrequenten Bereich haben auf Grund der A-Bewertung keinen Einfluss.
Die Schütteltechnik wird bisher vorwiegend in Umlaufanlagen, z.B. zur Filigrandeckenfertigung, aber auch an stationären Schütteltischen oder an Wendeplatten-Anlagen zur Doppelwandfertigung eingesetzt.
Die Qualität der auf Schüttelanlagen gefertigten Bauteile wird durchweg als gut bezeichnet. Die Untersicht der Bauteile ist glatt und porenfrei, so dass eine Nachbearbeitung entfallen kann.
Im Einzelfall wird von den Anwendern von geringfügigen Rezepturänderungen und dem Einsatz besonderer Schalöle berichtet, um Anbackungen an der Schalung zu vermeiden.
Die Mehrkosten einer Schüttelanlage gegenüber einer herkömmlichen Rüttelanlage ergeben sich vorwiegend aus den Mehrkosten der Antriebseinheit mit Steuerung, während die Schalungskosten etwa gleich sind. Je nach Größe der Schalung können die Mehrkosten derzeit mit ca. 20 % bis 30 % beziffert werden (siehe auch [7]).
Bild 12: Unwuchtantrieb einer elektrischen Schüttelanlage
Bild 13: Prinzipskizze des "Gyro-Shake"- Schüttelsystems
Bild 14: Gummilagerung eines Schütteltisches
Bild 15: Vergleich der Schallabstrahlung einer hydraulisch und einer elektrisch angetriebenen Schüttelanlage
Bild 16: Vergleich der Schallabstrahlung eines herkömmlichen Rütteltisches, eines lärmgeminderten Rütteltisches und einer Schüttelanlage
4 Stand der Technik
Bild 16 zeigt im Vergleich die Geräuschabstrahlung eines herkömmlichen Rütteltisches, eines lärmgeminderten Rütteltisches und eines lärmarmen Schütteltisches. Die Gegenüberstellung belegt eindrucksvoll den durch die Entwicklung der lärmgeminderten Rütteltechnik und der Schütteltechnik erzielten Fortschritt. Konnte mit den lärmgeminderten Rütteltischen erstmals die Schallpegelgrenze von 85 dB(A) während der Verdichtung unterschritten werden, so wurde durch die Entwicklung der Schütteltechnik für die Betonverdichtung nochmals eine beachtliche Schallpegelsenkung erreicht und erstmals die Grenze von 70 dB(A) unterschritten, wodurch das Verdichtungsgeräusch im Umfeld der übrigen, in einem Fertigteilwerk anfallenden Schallereignisse zur unbedeutenden Nebensache wird. Damit bestimmt die Schüttelverdichtung eindeutig den Stand der fortschrittlichen Lärmminderungstechnik. Dass diese Technik sich auch in der Praxis bewährt, zeigt sich an der Vielzahl von Schüttelanlagen, die bereits im Einsatz sind und an der ständigen Weiterentwicklung, die von Herstellern und einigen engagierten Betreibern vorangetrieben wird, um den Einsatzbereich der Schüttelanlagen weiter zu vergrößern.
Es ist selbsterklärend, dass aus Sicht des Arbeitsschutzes der Schütteltechnik bei der Neubeschaffung von Verdichtungsanlagen der Vorzug zu geben ist.
5 Zusammenfassung
Bei der Herstellung von Betonfertigteilen werden während der Verdichtung des Frischbetons häufig sehr hohe Schallpegel erzeugt, die zu einer gehörgefährdenden Lärmbelastung der Arbeitnehmer führen können. Durch die Realisierung von Lärmminderungsmaßnahmen an vorhandenen herkömmlichen Rüttelanlagen kann die Geräuschentwicklung und -abstrahlung deutlich reduziert werden. Eine Lärmbelastung der Betonwerker kann jedoch durch diese Maßnahmen in der Regel nicht ganz vermieden werden.
Ein deutlich größerer Lärmminderungserfolg kann durch den Ersatz der herkömmlichen Rüttelanlagen durch lärmgeminderte Rütteltische oder lärmarme Schüttelanlagen erreicht werden. Beim Einsatz der lärmarmen Schüttelanlagen kann die Schallabstrahlung während der Verdichtung um mehr als 40 dB(A) im Vergleich zu herkömmlichen Rüttelanlagen vermindert werden.
Es werden die Ursachen der hohen Lärmentwicklung an herkömmlichen Rüttelanlagen sowie entsprechende Lärmminderungsmaßnahmen beschrieben.
Die Prinzipien der lärmgeminderten Rüttelverdichtung und der lärmarmen Schütteltechnik werden dargestellt und die Geräuschemissionen der verschiedenen Techniken verglichen.
6 Schrifttum
[1] Unfallverhütungsvorschrift "Lärm" (BGV B3). Neufassung vom Januar 1990. Carl Heymanns Verlag, Köln
[2] Saemann, E.-U. und M. Logemann: Entwicklung und Erprobung von zwei lärmarmen Rütteltischen für Betonfertigteile. Forschungsbericht des BMFT, 01 VA 062. Fachinformationszentrum Energie, Physik, Mathematik GmbH, Karlsruhe, Eggenstein-Leopoldshafen, 1985
[3] Saemann, E.-U.: Schalltechnische Grundlagenuntersuchung zur Entwicklung und Erprobung von lärm- und belastungsarmen Schalungen für den Betonfertigteilbau. Forschungsbericht des BMFT, 01 HK 245. Fachinformationszentrum Energie, Physik, Mathematik GmbH, Karlsruhe, Eggenstein-Leopoldshafen, 1989
[4] Elmer, K.-H.: Untersuchung der Lärmursachen bei der Verdichtung von Frischbeton mit Außenrüttlern. Forschungsbericht des BMFT, 01 HK 0167. Fachinformationszentrum Energie, Physik, Mathematik GmbH, Karlsruhe, Eggenstein-Leopoldshafen, 1992
[5] Fellberg, Hans: Betonverdichtung ohne Lärm. Mitteilungsblatt 4/95 der Bau-Berufsgenossenschaft Wuppertal
[6] Gillig, Johann und Holthaus, Erich W.: Lärmarme patentierte II-Schalung, Konzept, Umsetzung, Optimierung. Betonwerk + Fertigteil-Technik, Heft 6/1997, Seite 92-95, Bauverlag GmbH, Wiesbaden
[7] Kretschmer, U.: Lärmarme Betonverdichtung. Steine + Erden, Heft 5/1998, Schlütersche Verlag GmbH & Co. KG, Hannover
[8] Arnold, Wilfried und Vogel, Günter:
Betrachtungen zur Verdichtung von Beton auf horizontal erregten Vibrationstischen.
Bauzeitung, Heft 10, Berlin 1973
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