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BGI 793 - Lärmgeminderte mechanische Schrauber
Geräuschminderung bei der Montage
Berufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI)
(bisher ZH 1/564.8)
(Ausgabe 07/1978)
nur zur Information
Umstrukturierung der Systematik (01.05.2014): nicht mehr im DGUV-Regelwerk enthalten
1 Vorbemerkung, Anwendungsbereich
Bei Montagearbeiten werden zum Herstellen von Schraubverbindungen meist mechanische Schrauber eingesetzt, die, als Schlagschrauber mit Druckluft- oder Elektroantrieb, in zahlreichen Fällen hohe Geräuschbelastung der Beschäftigten verursachen [1]. Oft verlangen Schraubverbindungen ein genaues Anziehen mit engen Toleranzen der Vorspannkraft, die nur durch drehmomentkontrollierte Schlagschrauber erzielt werden können, deren Geräuschentwicklung in gleicher Höhe wie bei einfachen, nicht regulierbaren Schlagschraubern liegt. Eine Absenkung der hohen Geräuschemission unter die Gehörschädigungsgrenze wird durch die Verwendung von Drehschraubern ermöglicht, die gleiche Anzugsdrehmomente wie Schlagschrauber bei wesentlich erhöhter Genauigkeit der Vorspannkraft erreichen.
Dieses LSA- Blatt gibt Anregungen zum Übergang vom Schlagschrauber- zum Drehschraubereinsatz mit dem Ziel einer nachhaltigen Senkung der Geräuschbelastung der Beschäftigten bei Montagearbeiten. Für hohe Anzugsdrehmomente, die bei Drehschraubern ein Gegenhalten der Bedienungsperson erfordern, das oberhalb bestimmter Grenzen durch Muskelkraft im Dauereinsatz nicht möglich ist, werden Hinweise zur Abstützung gegeben. In Ergebnissen vergleichender Geräuschuntersuchungen an Schlag- und Drehschraubern wird beispielhaft nachgewiesen, welche Verminderung der Geräuschemission erreichbar ist. Das LSA- Blatt fasst die Ergebnisse einer Untersuchung an mechanischen Schraubern zusammen. Dem Bericht können weitere Einzelinformationen entnommen werden [2].
2 Geräuschentstehung, Einflussfaktoren
Das Arbeitsgeräusch beim Schlagschraubereinsatz wird überwiegend von den zwei Hauptanteilen Werkzeuggeräusch und Werkstückgeräusch bestimmt. Das Werkzeuggeräusch wird für die Betriebszustände Leerlauf und Lastlauf ohne Werkstückgeräusch nach DIN 45635, Teil 20 bzw. Teil 21 [3] gemessen und vom Hersteller angegeben. Es wird bei Druckluftschlagschraubern im Lastlauf von den durch den Schlagvorgang erzeugten Gehäusevibrationen, der Lamellenfrequenz des Motors und den Abluft-Ausströmgeräuschen verursacht. Bei Elektroschlagschraubern fehlt der Druckluftgeräuschanteil, der auch bei neueren Druckluftschlagschraubern durch Abluftschalldämpfer gemindert werden konnte [4]. Beim Verschrauben von Blech- oder Rahmenteilen im Fahrzeug-, Behälter- und Stahlbau überragt das Werkstückgeräusch die Geräuschemission des Werkzeuges durch Schwingungsanregung beim Schlagbetrieb des Schraubers um mehr als 10 dB (A) [5]. Die Gesamtgeräuschemission kann beim Schlagschraubereinsatz zwischen 105 und 110 dB (A) erreichen.
Drehschrauber (Bild 1) erzeugen das erforderliche Anzugsdrehmoment durch kontinuierliche Steigerung der Anzugskraft, die ein gleichgroßes Gegenhaltemoment erfordert. Durch den Wegfall impulsartiger Krafterzeugung (keine Gehäusevibrationen des Werkzeuges) und -einleitung ins Werkstück wird auch bei gut schallabstrahlenden Blech- und Rahmenkonstruktionen keine Geräuschemission angeregt. Schalldämpfer sorgen bei druckluftbetriebenen Drehschraubern für die Senkung der Abluftgeräusche des Lamellenmotors. Nach Erreichen des eingestellten Anzugsdrehmomentes trennt eine Kupplung den Antrieb vom Schrauberkopf und entlastet damit die Gegenhaltekraft schlagartig. Diese einmalige, kurzzeitige Kraftänderung kann bei gut schallabstrahlenden Werkstücken einen einzelnen Geräuschimpuls verursachen. Druckluftdrehschrauber, bei denen es bei Annäherung an das eingestellte Anzugsdrehmoment zur Verlangsamung bis zum Stillstand des Antriebsmotors kommt (Abwürgeprinzip) und Drehschrauber mit berührungslosen Kupplungen (z.B. Magnetkupplung) weisen diesen "Abschaltknack" nicht auf.
Bild 1: Druckluft-Geraddrehschrauber 290 Nm beim Verschrauben von LKW-Rahmen
3 Maßnahmen zur Schallpegelsenkung
3.1 Anwendungshinweise für Drehschrauber
Die mit Drehschraubern anstelle von Schlagschraubern vor allem durch Wegfall der Schwingungsanregung des Werkstücks und des Werkzeuggehäuses erreichbare Schallpegelminderung kann nur dann ausgenutzt werden, wenn durch geeignete Maßnahmen die Abstützung des erforderlichen Gegenhaltemomentes bewirkt wird. Praktische Einsatzerfahrung in der Automobilmontage haben gezeigt, dass bei häufiger Drehschrauberbenutzung während der Arbeitsschicht einspindelige Drehschrauber (Gerad- und Pistolendrehschrauber) bis zu 10 Nm-Anzugsdrehmoment ohne Zusatzabstützungen von Hand geführt werden können. Bei Winkeldrehschraubern liegt die zumutbare Gegenhaltekraft im Dauereinsatz wegen des als kräfteverstärkender Hebelarm wirkenden Werkzeugkörpers bei 40 Nm.
Diese Drehmomentwerte sollten als Orientierungshilfe bei der Planung des Drehschraubereinsatzes verwendet werden, um nachteilige Auswirkungen auf die Gelenke des Hand-Arm-Bereiches der Bedienungspersonen bei der ruckartigen Entlastung des durch Muskelkraft aufgebrachten Gegenhaltemomentes zu vermeiden.
Werden Anzugsdrehmomente oberhalb der genannten Orientierungswerte benötigt. so sind bei einspindeligen Gerad- oder Winkeldrehschraubern mechanische Abstützhilfen erforderlich, die das Gegenhaltemoment aufnehmen, so dass Muskelkraft nur zum Führen des Schraubers benötigt wird. Nachfolgend werden praktisch erprobte Abstützhilfen beschrieben, die in den meisten Fällen der Anwendung von Drehschraubern mit hohem Anzugsdrehmoment wegen großer Werkzeugmasse in Kombination mit einem Gewichtsausgleich eingesetzt wurden.
Zwei- und mehrspindelige Drehschrauber, die gleichzeitig zwei oder mehrere Schraubverbindungen herstellen, stützen das Anzugsdrehmoment gegeneinander ab, so dass keine zusätzlichen Abstützvorrichtungen benötigt werden.
3.2 Anwendungsbeispiel und Schallpegelsenkung bei einspindeligem Pistolendrehschrauber ohne Abstützvorrichtung (8 Nm)
Zum Anziehen von M 6-Schrauben des Türgestänges einer PKW-Tür wird ein Hochfrequenz-Pistolendrehschrauber eingesetzt, der bei Erreichen des eingestellten Anzugsdrehmomentes von 8 Nm mit deutlich hörbarem "Abschaltknack" vom Antriebsmotor abkuppelt (Bild 2). Diese Ausrück-Entlastungsvorgänge werden im Pegelschrieb infolge der guten Schallabstrahlungseigenschaften des Werkstückes als deutlich über das Raumgeräusch herausragende Einzelspitzen mit Schallpegelwerten bis zu 88 dB (A) sichtbar (Bild 3). Den Vergleich mit einem gleichstarken Hochfrequenz-Schlagschrauber zeigt Bild 4, das die einzelnen Schraubvorgänge als intermittierende Schallpegelanstiege bis zu 101 dB (A) deutlich erkennbar macht. Der Schallpegelunterschied von 13 dB (A) zugunsten des Drehschraubers ist hier durch ungünstige Schallreflexionsverhältnisse innerhalb der PKW-Karosserie beeinflusst. Im allgemeinen liegt der Schallpegel von Drehschraubern dieser Größenordnung um ca. 10 dB (A) unter dem vergleichbarer Schlagschrauber.
Bild 2: HF-Pistolendrehschrauber beim Verschrauben des Türgestänges einer PKW-Tür
Bild 3: Zeitlicher Schallpegelverlauf bei der Montage des PKW-Türgestänges mit HF-Drehschrauber
Bild 4: Zeitlicher Schallpegelverlauf bei der Montage des PKW-Schiebedaches mit HF-Schlagschrauber
3.3 Anwendungsbeispiel und Schallpegelminderung bei einspindeligem Gerad-Drehschrauber mit Abstützvorrichtung (290 Nm)
Das beim Verschrauben von LKW-Rahmen benötigte Anzugsdrehmoment von 290 Nm für M 16-Schraubverbindungen macht bei Drehschrauberverwendung den Einsatz einer Abstützvorrichtung erforderlich. Der im Bild 1 gezeigte große Drehschrauber stützt sich über einen seitlich angesetzten Abstützhebel, der bei Bedarf gegen ein längeres oder kürzeres Teil ausgewechselt werden kann, auf dem zu verschraubenden Rahmenprofil ab. Der Druckluftdrehschrauber erzeugt dabei eine maximale Geräuschemission von 90 dB (A), Werkstückgeräusch tritt nicht auf (Bild 5).
Bild 5: Zeitlicher Schallpegelverlauf bei der Montage von LKW-Rahmen mit Druckluft-Drehschrauber
Bild 6: Druckluft-Schlagschrauber 290 Nm beim Verschrauben von LKW-Rahmen
Bild 7: Zeitlicher Schallpegelverlauf bei der Montage von LKW-Rahmen mit Druckluft-Schlagschrauber
Im Vergleich dazu erreichen Werkstück- und Werkzeuggeräuschemission beim Druckluft-Schlagschrauber (Bild 6) Geräuschpegel bis zu 110 dB (A) (Bild 7). Die Senkung der Geräuschemission durch den Drehschraubereinsatz betrug in diesem Fall, überwiegend beeinflusst durch das Schallabstrahlungsvermögen des Werkstückes, 20 dB (A).
3.4 Weitere Beispiele zu Abstützvorrichtungen bei einspindeligen Drehschraubern mit Anzugsdrehmomenten über 10 Nm
Bei senkrecht arbeitenden Drehschraubern mit Gewichtsausgleich kann die muskuläre Abstützung des Gegenhaltemomentes durch seitlich angebrachte hebelartig wirkende, verlängerte Handgriffe bis zu Anzugsdrehmomenten von 40 Nm verstärkt werden (Bild 8).
Bild 8: Möglichkeit zur Abstützung des Gegenhaltemomentes bis zu 40 Nm über seitliche, verlängerte Handhebel (prinzipielle Darstellung, Quelle: Atlas Copco)
Zu Pistolendrehschraubern und Geraddrehschraubern mit Spatengriff gibt es als Zubehör Zusatzhandgriffe, die in vorbereitete Gewindelöcher eingeschraubt oder mit Klemmhalter und Spannschraube nachträglich montiert werden können. Diese Haltehilfen verlangen beidhändiges Führen des Schraubers. Es können damit maximale Gegenhaltemomente bis zu 45 Nm aufgebracht werden.
Bild 9 zeigt die Abstützung des Gegenhaltemomentes über eine wie eine zweite Schraubspindel gestaltete Vorrichtung. Diese Art kann gewählt werden, wenn mindestens zwei benachbarte Schrauben mit konstantem Abstand vorhanden sind, so dass die Abstützung auf eine Nachbarschraube möglich ist.
Bild 9: Druckluft-Geradschrauber mit Abstützung des Gegenhaltemomentes auf einer benachbarten Schraube (Quelle 5)
Dort, wo eine Mutter gegen eine Schraube anzuziehen ist, kann die Abstützung des erforderlichen Gegenhaltemomentes über eine starre, mit dem Schrauber verbundene, den Schraubenkopf oder die Mutter umfassende Zange (geschlitztes Stirnblech) erreicht werden (Bild 10). Die Zange wird zu Beginn über den Schraubenkopf oder die Mutter geschoben und umfasst diese während des gesamten Schraubvorganges.
Bild 10: Druckluft-Geradschrauber mit Abstützung des Gegenhaltemomentes über eine Zange auf dem Schraubenkopf
Bei schweren Schraubern empfiehlt sich die Anbringung eines Gewichtsausgleiches, der vor allem bei stationären Montagearbeiten mit einer Vorrichtung zur Aufnahme des Gegenhaltemomentes kombiniert werden kann. Während bei der Verwendung von Federzügen zum Gewichtsausgleich größere räumliche Beweglichkeit des Arbeitsortes, aber keine Momentabstützung erreicht wird, bieten starre Aufhängungen z.B. in stabförmiger, teleskopartig in der Länge veränderlicher (Bild 11) oder gestellartiger Form (Bild 12) zusätzlich die Möglichkeit zur Aufnahme des Gegenhaltemomentes. Durch geeignete Anbringung in Laufschienen kann auch für diese drehmomentstabilen Aufhängungen eine gute Ortsveränderlichkeit erreicht werden. Bild 13 zeigt den Schrauber von Bild 11 im Arbeitseinsatz, bei dem lediglich noch die Führungskräfte muskulär aufgebracht werden.
Bild 11: Verwindungssteife Aufhängung für einen Druckluft-Winkeldrehschrauber
Bild 12: Mehrfach verstellbare Schrauberaufhängung mit Verdrehsicherung (Quelle: Bosch)
Bild 13: Druckluft-Winkeldrehschrauber von Bild 11 beim Verschrauben von LKW-Rahmen
3.5 Anwendungsbeispiel und Schallpegelsenkung bei mehrspindeligem Drehschrauber (90 Nm)
Der Austausch von Mehrfach- Schlagschraubern gegen mehrspindelige Drehschrauber ist ohne weitere Maßnahmen zur Abstützung des Gegenhaltemomentes möglich, weil sich die einzelnen Schraubspindeln gegeneinander abstützen. Diese meist schweren Mehrfachschrauber können über einen Federzug-Gewichtsausgleich aufgehängt und leicht gehandhabt werden. Bild 14 zeigt als Beispiel einen Fünffach-Hochfrequenzdrehschrauber zur Radbefestigung in der PKW-Montage, dessen Arbeitsgeräusch mit 88 dB (A) um 18 dB (A) niedriger liegt, als das des vorher eingesetzten Fünffach-Schlagschraubers.
Bild 14: Fünffach-Hochfrequenzdrehschrauber in der PKW-Radmontage
An Arbeitsplätzen, an denen bisher einspindelige Schlagschrauber eingesetzt waren, sollte vor der Anschaffung einspindeliger Drehschrauber geprüft werden, ob der zusätzliche Aufwand für Abstützvorrichtungen zur Aufnahme des Gegenhaltemomentes nicht durch die Verwendung eines zwei- oder mehrspindeligen Drehschraubers vermieden werden kann.
4 Zusammenfassung
An Montagearbeitsplätzen, an denen Schlagschrauber durch ihre eigenen Geräusche und die Schwingungsanregung des Werkstückes hohe Geräuschbelastung der Beschäftigten verursachen, kann der Einsatz von Drehschraubern (Momentenschrauber) Schallpegelsenkungen zwischen 10 und 20 dB (A) bewirken. Bei größeren Anzugsdrehmomenten müssen einspindelige Drehschrauber mechanisch abgestützt werden, um hohe muskuläre Belastung und Schädigungsgefahr für die Bedienungspersonen zu vermeiden. Einzelbeispiele für den Drehschraubereinsatz und zu Gestaltungsmöglichkeiten für die Abstützvorrichtungen zeigen, dass in nahezu allen Anwendungsbereichen der Drehschraubereinsatz zur Senkung hoher Geräuschbelastungen möglich ist.
5 Schrifttum
[1] | Specht, U.: Lärmquellen der Eisen- und Metallindustrie. Hrsg. Institut für Lärmbekämpfung, Mainz 1973 |
[2] | Christ, E.: Geräuschminderung bei Montagearbeiten - Lärmgeminderte mechanische Schrauber. IFL-Report Nr. 3/78, Mainz 1978. Hrsg. Institut für Lärmbekämpfung, Mainz |
[3] | DIN 45635: Geräuschmessung an Maschinen - Luftschallmessung; Hüllflächenverfahren; Rahmen-Messvorschrift. Teil 20: Druckluft-Werkzeuge und -Maschinen Teil 21: Elektrowerkzeuge |
[4] | Stapel, A. G.: Werkzeuge werden leiser. Sicherheitsingenieur, Heft 3/1974, Seite 136 bis 139. |
[5] | Drews, D.: Ergonomisch konstruieren - Werkzeuge für Menschen. Druckluftkommentare Heft 4/1975, Seite 28 bis 35. |
ENDE |