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DGUV Information 204-011 - Erste Hilfe Notfallsituation:
Hängetrauma
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Information
(Ausgabe 04/2011; 10/2017; 01/2021)
Archiv: 10/2017
bisher:
BGI/GUV-I 8699
Erste Hilfe
Notfallsituation:
Hängetrauma
Änderungen zur letzten Ausgabe: Die Erste-Hilfe-Maßnahmen nach der Rettung aus der hängenden Position wurden den aktuellen medizinischen Erkenntnissen angepasst. Statt einer früher empfohlenen Kauerstellung als initiale Lagerung wird in der aktualisierten Fassung die Flachlagerung (oder die Lagerung nach Wunsch) der betroffenen Person aufgeführt. Einzelne Bilder wurden ausgetauscht.
1 Gefährdeter Personenkreis und Häufigkeit
Das Hängetrauma, auch Hängesyndrom genannt, kann bei längerem, bewegungslosem Hängen in einem Auffanggurt, z.B. nach einem Sturz von einem hochgelegenen Arbeitsplatz, zustande kommen. Aufgrund von Bewegungslosigkeit fehlt die Funktion der so genannten "Muskelpumpe" durch die Beinmuskulatur, wodurch der Rückstrom des Blutes aus den Beinen vermindert wird bzw. zum Erliegen kommt. Es kann aufgrund unterschiedlicher pathophysiologischer Mechanismen zu einem (Kreislauf)-Schock kommen.
Bei bestimmungsgemäßer Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz ist das Auftreten eines Hängetraumas heute sehr unwahrscheinlich. Dafür ist eine sachgerechte Auswahl, das exakte Anpassen des Gurtes mit der Durchführung eines Hängeversuchs (s. DGUV Regel 112-198 "Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz") erforderlich. Darüber hinaus ist die Planung und Vorbereitung entsprechender Rettungsmaßnahmen (s. DGUV Regel 112-199 "Retten aus Höhen und Tiefen mit persönlichen Absturzschutzausrüstungen") notwendig.
Das Hängetrauma kann bei Personen auftreten, die nach einem Sturz längere Zeit "hilflos" im Auffanggurt hängen und z.B.
Dies gilt analog bei der Nutzung von Steigschutzeinrichtungen.
Verschiedene Faktoren begünstigen das Auftreten eines Hängetraumas, u. a.:
Abb. 1 In einer Steigschutzeinrichtung bewegungslos hängende Person
2 Symptome und Beschreibung des Hängetraumas
Durch längeres, bewegungsloses Hängen im Gurt fehlt der Widerstand unter den Füßen und die so genannte "Muskelpumpe" zur Förderung des venösen Blutrückstromes kann nicht mehr wirken (Versacken des Blutes in den Beinen - Orthostase). In der Folge kann es aufgrund unterschiedlicher pathophysiologischer Mechanismen zum Schock, unter Umständen mit Todesfolge, kommen.
Pathophysiologische Faktoren des Hängetraumas:
Die Auswirkungen eines längeren, bewegungslosen Hängens in einem Auffanggurt können je nach Gesundheits- und Körperzustand der Person individuell sehr unterschiedlich sein. Folgende Symptome können auf die Entstehung eines Hängetraumas hinweisen:
3 Verhalten bei freiem Hängen im Seil
Grundsätzlich sollte die betroffene Person möglichst schnell aus der freihängenden Position befreit werden.
Solange eine Person noch handlungsfähig ist, kann sie unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um dem Blutstau in den Beinen entgegen zu wirken. Dazu ist es notwendig, dass die im Gurt hängende Person die Beine bewegt. Effektiver ist es, die Beine abzustützen und gegen einen Widerstand zu drücken. Hierfür sind Trittschlingen, z.B. ein Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung oder eine Prusikschlinge geeignet. Damit kann sich die frei hängende Person entlasten, die "Muskelpumpe" kann in Gang gehalten und eine eventuelle Einschnürung im Oberschenkel gelöst werden.
Abb. 2 Entlastung durch Stemmen eines Fußes in eine Trittschlinge
Abb. 3 Entlastung durch stemmen beider Füße in eine Trittschlinge
3.1 Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung
Das Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung wird dabei an den beiden seitlichen Halteösen des Auffanggurtes befestigt. Die Länge des Seiles ist so einzustellen, dass die im Seil hängende Person ihre Füße in die so entstandenen Seilschlaufen stemmt, um die Muskelpumpe zu betätigen.
3.2 Prusikschlinge
Die Prusikschlinge, eine Reepschnur, wird mit dem Prusikknoten - einem lösbaren Klemmknoten - am Sicherungsseil befestigt. Die Länge der Prusikschlinge ist auf die Körpergröße abzustimmen, so dass sich die Person durch Hineintreten in die Schlinge entlasten kann. Die Anwendung der Prusikschlinge sollte vorher geübt werden.
Die Prusikschlinge wird bereits vor Arbeitsbeginn für den "Ernstfall" vorbereitet und leicht zugänglich und erreichbar - z.B. in einer Schutztasche am Auffanggurt - verstaut.
Abb. 4 Anwendung der Prusikschlinge
Abb. 5 Prusikknoten
3.3 Eigenmaßnahmen ohne Hilfsmittel
Sollte kein Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung oder keine Prusikschlinge zur Verfügung stehen, kann sich die frei im Seil hängende Person wechselweise jeweils mit einem Fuß fest auf den anderen Fuß treten. Dabei wird der untere Fuß kräftig mit den Zehen nach oben gezogen. Dies hält allerdings nur für eine sehr kurze Zeit (wenige Minuten) den Rückfluss des Blutes aus den unteren Extremitäten in Gang.
Abb. 6 Abwechselnde Be- und Entlastung der Füße in der Prusikschlinge
4 Rettung
Hilflose Personen müssen möglichst schnell aus der freihängenden Position befreit werden. Es liegt in der Verantwortung des Unternehmers oder der Unternehmerin, die schnelle Rettung einer im Auffanggurt hängenden Person zu gewährleisten.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der öffentliche Rettungsdienst meist nicht über Einrichtungen und Personal für die Höhenrettung verfügt. Für eine schnelle Rettung muss deshalb der Unternehmer oder die Unternehmerin in der Regel selbst Einrichtungen und Sachmittel sowie fachkundiges Personal zum Retten hängender/auf gefangener Personen bereitstellen (§ 24 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention").
Einzelheiten zu möglichen Rettungsmaßnahmen bzw. deren Planung enthält die DGUV Regel 112-199 "Retten aus Höhen und Tiefen mit persönlichen Absturzschutzausrüstungen".
Abb. 7 Rettung einer verunfallten Person von einer Steigschutzeinrichtung
5 Hinweise zur Ersten Hilfe und ärztlichen Versorgung
Das Hängetrauma ist ein medizinischer Notfall. Es ist umgehend der Notruf abzusetzen. Notärztliche Hilfe anfordern!
Nach der Rettung der Person sind die üblichen Maßnahmen der Ersten Hilfe anzuwenden (siehe DGUV Information 204-007 "Handbuch zur Ersten Hilfe").
Die initiale Lagerung richtet sich nach dem Wunsch des Betroffenen. Häufig ist eine Flachlagerung sinnvoll 1.
Auf weitere Verletzungen durch den Sturz ist zu achten.
Bei der rettungsdienstlichen Versorgung ist unter anderem zu denken an:
Abb. 8 Flachlagerung nach der Rettung aus der hängenden Position
6 Betriebliche Prävention
Bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung muss berücksichtigt werden, dass eine Person nach einem Auffangvorgang hilflos im Auffanggurt hängen kann und aus dieser Position gerettet werden muss. Die hierzu notwendigen Maßnahmen und Vorgehensweisen sind im Vorfeld festzulegen und in regelmäßigen Zeitabständen zu üben.
Wenn die nachfolgenden betrieblichen Maßnahmen eingehalten werden, kann das Risiko eines Hängetraumas minimiert werden:
Weiterführende Literatur:
Fußnoten:
1) Die früher empfohlene Kauerstellung ist hinfällig und wird nicht mehr gelehrt.
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