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Regelwerk, Strahlenschutz

Fragestellungen zu Aufbau und Betrieb von Notfallstationen vom 13. Februar 2014
Bekanntmachung einer Stellungnahme der Strahlenschutzkommission

Vom 9. April 2014
(BAnz. AT vom 21.05.2014 B3)



Nachfolgend wird die Stellungnahme der Strahlenschutzkommission (SSK), verabschiedet in der 268. Sitzung der Kommission am 13./14. Februar 2014, bekannt gegeben.

1 Einleitung

Bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk kann es erforderlich werden, für die Bevölkerung und die Einsatzkräfte zur Überprüfung der Strahlenexposition und zur Durchführung von Hilfsmaßnahmen (z.B. Dekontamination) Notfallstationen einzurichten. Die Einrichtung und der Betrieb von Notfallstationen obliegen den Ländern und sind in den besonderen Katastrophenschutzplänen festgelegt.

Im Zuge der Auswertung der Erkenntnisse aus dem Reaktorunfall in Fukushima durch die länderoffene Arbeitsgruppe "Fukushima" hat der Arbeitskreis V "Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung" (AKV) der Innenministerkonferenz beschlossen, einheitliche Standards für den Betrieb von Notfallstationen zu erarbeiten.

2 Fragestellungen

Die mit der Erarbeitung einheitlicher Standards für den Betrieb von Notfallstationen beauftragte Unterarbeitsgruppe des AKV hat in diesem Zusammenhang im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) die folgenden Fragestellungen an die SSK herangetragen:

3 Beurteilung durch die SSK

3.1 Richtwerte für Dekontaminationsmaßnahmen in der Notfallstation

In Band 4 der Reihe Veröffentlichungen der SSK "Medizinische Maßnahmen bei Kernkraftwerksunfällen" (SSK 2007), Tabelle 4-2 werden die folgenden Kontaminationsstufen/Richtwerte für abgestufte Maßnahmen bei Kontamination der Haut definiert:

Tabelle 1: Richtwerte für abgestufte Maßnahmen bei Kontamination der Haut (Tabelle 4-2 aus [SSK 2007] [Auszug])

Stufe:IIIIIIIVV
Kontamination (kBq/cm2)< 0,040,04 - 0,40,4 - 44 - 40> 40
Dekontaminationsmaßnahmen nicht erforderlich zu erwägen empfohlen erforderlich vorrangig erforderlich
Beta-Hautdosis (mSv in 24 h)< 11 - 1010 - 100100 - 1.000> 1.000
Gammadosis durch äußere Bestrahlung (mSv in 24 h)< 0,020,02 - 0,20,2 - 22 - 20> 20

Der untere Richtwert, bei dem Dekontaminationsmaßnahmen eingeleitet werden sollten, ist gemäß (SSK 2007) bei einer Kontamination von etwa 0,4 kBq/cm2 gegeben (ab Kontaminationsstufe III), der obere Richtwert, bei dem Maßnahmen vorrangig erforderlich sind, bei mehr als 40 kBq/cm2 (Kontaminationsstufe V).

Im Fall eines kerntechnischen Unfalls ist davon auszugehen, dass Notfallstationen in mehreren Bundesländern gleichzeitig und über einen längeren Zeitraum betrieben werden müssen. Aus Sicht der SSK ist es erforderlich, dass in allen Notfallstationen gleiche Richtwerte für die Einleitung von Kontaminationsmaßnahmen herangezogen werden. Auch eine Anpassung des Richtwerts innerhalb einer Notfallstation z.B. in Abhängigkeit von der Anzahl der eintreffenden Personen ist möglichst zu vermeiden, da unterschiedliche oder wechselnde Richtwerte den Betroffenen kaum zu vermitteln sind und zur Verunsicherung und Diskussionen über die Arbeitsweise der Notfallstation führen können.

Der in (SSK 2007) ausgewiesene Richtwert von 0,4 kBq/cm2 (ab Kontaminationsstufen III) sollte deshalb einheitlich und durchgängig für die Durchführung von Dekontaminationsmaßnahmen in der Notfallstation zugrunde gelegt werden.

3.2 Messgeräte für Kontaminationskontrolle und Schilddrüsenmessung

Aus Sicht der SSK sollte für die Kontaminationsvorkontrolle ein Portalmonitor zum Einsatz kommen. Portalmonitore sind in der Regel mit großvolumigen Szintillationsdetektoren bestückt, die eine hohe Nachweiseffektivität und einen großen Messbereich für Gammastrahlung aufweisen. Der Einsatz eines Portalmonitors für die Kontaminationsvorkontrolle bietet den Vorteil, dass aufgrund der angepassten Messgeometrie und der hohen Nachweiseffektivität kurze Messzeiten (im Bereich einiger Sekunden) realisierbar sind. Des Weiteren ist der Personalbedarf gegenüber anderen Methoden (z.B. mittels Dosisleistungsmessgeräten) deutlich geringer. Auch eine Querkontamination des Monitors kann aufgrund des Abstands zur auszumessenden Person analog zur Messung mit Dosisleistungsmessgeräten weitestgehend ausgeschlossen werden.

Die nachfolgende Kontaminationskontrolle sowie die Nachkontrolle nach den Dekontaminationsmaßnahmen können mit den bei der Feuerwehr vorhandenen mobilen Kontaminationsmessgeräten erfolgen, wie sie beispielhaft in (SSK 2007) angegeben sind. Bei einer künftigen Ersatzbeschaffung für vorhandene Kontaminationsmessgeräte sollten bevorzugt Kontaminationsmessgeräte mit Szintillationsdetektoren ausgewählt werden, da diese eine höhere Nachweiseffektivität, einen größeren Messbereich und eine größere Robustheit gegenüber mechanischen Einflüssen aufweisen.

Für die Messung der Dosis an der Schilddrüse sind Dosisleistungsmessgeräte mit hoher Nachweiseffektivität (z.B. mit Szintillationsdetektor) und/oder Messgeräte mit Energiediskriminierung erforderlich, da insbesondere bei Kindern der Messeffekt des Jod in der Schilddrüse bei einer nachzuweisenden Schilddrüsendosis von 50 mSv im Bereich des Nulleffekts liegt. Es empfiehlt sich im Hinblick auf eine definierte statistische Unsicherheit dieser Messungen, die Dosisleistungsmessgeräte im Zählermodus zu betreiben (Vorgabe der Messzeit oder der Impulszahl).

Die SSK hält die Messung der Dosis an der Schilddrüse von Kindern aufgrund der dargestellten Schwierigkeiten beim Nachweis nach wie vor für problematisch. Bereits in (SSK 2007) wird deshalb in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei Kindern hohe Schilddrüsendosen möglich sind, auch wenn mit Hilfe eines Dosisleistungsmessgeräts keine erhöhte Aktivität nachweisbar ist. Im Zweifelsfalle, d. h. bei fehlender Übereinstimmung der abgeschätzten Schilddrüsendosis mit dem Messwert, müssen Kinder deshalb zeitnah an eine geeignete Messstelle weitergeleitet werden. Solche Messstellen finden sich z.B. in nuklearmedizinischen Abteilungen und Praxen sowie bei Institutionen, die mit der beruflichen Strahlenexposition befasst sind.

3.3 Lenkung der betroffenen Personen in der Notfallstation

Im Hinblick auf die Fragestellung, ob ein gemeinsamer Aufenthalt von zu dekontaminierenden und nicht zu dekontaminierenden Personen in Wartebereichen zu berücksichtigen ist, wird im Folgenden der Ablauf und die Lenkung der betroffenen Personen in der Notfallstation auf der Grundlage der Beschreibungen in (SSK 2007) sowie unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur Messtechnik skizziert.

Hinweis:
In den folgenden Beschreibungen werden für die Differenzierung der Vorgehensweise bzw. Kategorisierung der Schwere der Kontamination die Kontaminationsstufen aus Tabelle 4-2 in (SSK 2007) verwendet. Es sei darauf hingewiesen, dass die messtechnische Zuordnung einer Kontamination in Folge eines kerntechnischen Unfalls zu diesen Kontaminationsstufen nur eine grobe Orientierung liefert, da aufgrund der Unsicherheiten bei der Messung (Messgeometrie, Nuklidvektor etc.) die Abweichung der tatsächlichen Kontamination zur durch Messung "abgeschätzten" Kontamination durchaus im Bereich einer Größenordnung liegen kann.

Alle am Standort der Notfallstation eintreffenden Personen werden nach ihrem Herkunftsgebiet getrennt. Personen, die nicht aus dem betroffenen Gebiet kommen, werden direkt an das Informationszentrum verwiesen.


Personen aus dem betroffenen Gebiet durchlaufen die Notfallstation. Dabei werden diese Personen zunächst einer Kontaminationsvorkontrolle mittels Portalmonitor unterzogen. Ziel dieser Vorkontrolle ist es, zum einen Personen aus dem betroffenen Gebiet festzustellen, die sehr stark kontaminiert sind (Kontaminationsstufe V), um diese unter Umgehung der Warteräume für Kontaminationskontrolle und Dekontamination im Sinne der Tabelle 4-2 aus (SSK 2007) direkt der Dekontamination zuzuführen. Auf Grund der Stärke der Kontamination sollten diese Personen bereits im ersten Dekontaminationsdurchlauf duschen, wobei zuerst gezielt die vorher unbekleideten Körperteile gereinigt werden sollten. Weiter sollte ihre verpackte Kleidung sofort in den dafür vorgesehenen Lagerbereich verbracht werden, um die Beeinflussung von Messungen durch deren Dosisleistungsbeitrag auszuschließen. Durch die bevorzugte Dekontamination stark kontaminierter Personen wird deren Dosis und die Möglichkeit von Querkontaminationen und Resuspension in den Wartebereichen und Verkehrswegen und damit die Dosis anderer Betroffener und des Einsatzpersonals reduziert. Dies muss den Betroffenen deutlich vermittelt werden, um den Eindruck zu vermeiden, dass hier eine für sie gefährliche Situation vorliegt.

Abbildung 1: Schematischer Ablauf und Lenkung der betroffenen Personen in der Notfallstation

Weiter werden bei der Kontaminationsvorkontrolle die Personen aus dem betroffenen Gebiet identifiziert, die nicht oder nur geringfügig kontaminiert sind (zwischen Stufe I und II). Diese werden direkt zur Dosisabschätzung weitergeleitet, wodurch der Aufwand für die nachfolgende Kontaminationskontrolle bereits deutlich reduziert werden kann.

Nach der Dekontaminationsvorkontrolle erfolgt für die den Kontaminationsstufen II bis IV zugeordneten Personen eine weitere Kontaminationskontrolle mit Kontaminationsmessgeräten. Dies ist erforderlich, da der Portalmonitor nur Gammastrahlung detektiert und bei ungünstiger Messgeometrie Kontaminationen gegebenenfalls unterschätzt werden könnten. Mit Betaempfindlichen Kontaminationsmessgeräten werden solche Kontaminationen sicher erkannt. Weiter kann die Anzahl der zu dekontaminierenden Personen nochmals reduziert werden, wenn diese noch in den Bereich der Kontaminationsstufe II fallen und deshalb direkt zur Dosisabschätzung weitergeleitet werden können.

Für zu dekontaminierende Personen der Kontaminationsstufen III und IV besteht mit den Kontaminationsmessgeräten die Möglichkeit, die Kontamination zu lokalisieren, dies im Erfassungsbogen zu dokumentieren und somit gezielt eine Teilkörperdekontamination (Waschen) der betroffenen Körperteile zu ermöglichen (siehe auch Ablauf der Dekontamination im nächsten Abschnitt). Grundsätzlich besteht hier auch die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der Bekleidung und der gegebenenfalls vor dem Aufsuchen der Notfallstation bereits erfolgten Kleidungswechsel auch sofort eine Dekontamination durch Duschen festzulegen.

Anmerkung:

Die Aufteilung in Kontaminationsvorkontrolle mit Portalmonitor und nachgeschalteter Kontaminationskontrolle mit Kontaminationsmessgerät bietet den Vorteil, dass das Konzept auch für Szenarien anwendbar ist, bei denen aufgrund fehlender Gamma-Strahlung Dosisleistungsmessgeräte oder Portalmonitore zum Kontaminationsnachweis nicht geeignet sind.

Mit dem beschriebenen Ablauf kann der Großteil der nicht zu dekontaminierenden Personen bereits am Eingang der Notfallstation von den zu dekontaminierenden Personen getrennt werden und direkt zu den Wartebereichen für die Dosisabschätzung geleitet werden. Auch stark kontaminierte Personen werden bereits an dieser Stelle identifiziert und unter Umgehung der Wartebereiche für die Kontaminationskontrolle und die Dekontamination direkt der Dekontamination zugeführt. Damit werden sich in diesen Wartebereichen nur Personen aufhalten, die schwach bis mittelstark kontaminiert sind und die Dekontamination durchlaufen sollen. Unter diesen Randbedingungen sind aus Sicht der SSK keine weiteren Maßnahmen und keine weitere Differenzierung dieser Personen im Hinblick auf die Stärke ihrer Kontamination erforderlich.

In den Warteräumen für die Dosisabschätzung oder die ärztliche Kontrolle werden sich ausschließlich nicht zu dekontaminierende oder bereits dekontaminierte Personen aufhalten. Da zum einen bei den nicht zu dekontaminierenden Personen das Niveau der Kontamination niedrig ist und zum anderen für die dekontaminierten Personen von einer festhaftenden verbliebenen Kontamination ausgegangen werden kann, sind auch in diesen Warteräumen keine zusätzlichen Maßnahmen oder eine weitere Differenzierung der anwesenden Personen erforderlich.

3.4 Vorgehensweise bei der Dekontamination der betroffenen Personen

Wie oben dargestellt, sollten stark kontaminierte Personen (Stufe V) direkt der Dekontamination zugeführt werden und dort bereits im ersten Durchlauf duschen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass zuerst gezielt die vorher unbekleideten Körperteile gereinigt werden, ohne den übrigen Körper mit dem kontaminierten Wasser zu benetzen. Bei zu dekontaminierenden Personen der Stufen III und IV liegt schon eine Information über die kontaminierten Körperteile vor, so dass im ersten Schritt das Waschen dieser Körperteile ausreichend ist.

Bei der Nachkontrolle kann festgestellt werden, an welchen Körperteilen weitere Dekontaminationsmaßnahmen erforderlich sind. Damit kann entschieden werden, ob ein erneutes Waschen ausreichend oder Duschen erforderlich ist.

Die Dekontaminationsmaßnahmen sind in jedem Fall nach zweimaligem Waschen (bei lokal begrenzten Kontaminationen), nach Waschen und zweimaligem Duschen (bei durch die Nachkontrolle nach dem ersten Waschen festgestellten großflächigen Kontaminationen) oder nach zweimaligem Duschen (bei Kontaminationen der Stufe V oder bei durch die Kontaminationskontrolle festgestellten großflächigen Kontaminationen) zu beenden.

3.5 Schutzausrüstungen und -maßnahmen für den Schutz der Einsatzkräfte

In dem Abschlussbericht des Fraunhofer ITEM (Fraunhofer 2012) sind die Ergebnisse der Untersuchungen zur Resuspension partikelgebundener radioaktiver Kontamination von urbanen Oberflächen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Wettereinflüsse und Gegenmaßnahmen dargestellt. Außerdem werden auch Daten für eine nachvollziehbare, realitätsnahe Modellierung der Einflüsse der durch Personen und die Einsatzkräfte selbst hervorgerufenen Partikelfreisetzung im Außenraum und innerhalb einer Notfallstation durch Gehbewegungen sowie durch sich bewegende Fahrzeuge erarbeitet. Aus den experimentellen und analytischen Untersuchungen werden die folgenden Empfehlungen für einfache Schutz- und Verhaltensmaßnahmen von Einsatzpersonal abgeleitet.

In den Räumen der Notfallstation, in denen sich zu dekontaminierende Personen aufhalten, ist die Ausrüstung des Einsatzpersonals mit leichter Schutzkleidung und Mundschutz oder FFP-2-Halbmasken (insbesondere bei der Annahme und Verstauung kontaminierter Kleidung) ausreichend, um einer Inkorporation, insbesondere einer Inhalation radioaktiven Staubs, vorzubeugen.

Weitere Maßnahmen sind ausreichende Lüftung der Räume in der Notfallstation sowie regelmäßiges feuchtes Wischen der Bodenflächen.

Auch aus Sicht der SSK sind diese Maßnahmen zum Schutz der Einsatzkräfte geeignet und ausreichend.

Als Richtwerte für die Kontaminationskontrolle und Dekontaminationsmaßnahmen der Einsatzkräfte in der Notfallstation beim Verlassen der Bereiche, in denen sich zu dekontaminierende Personen aufhalten, sind die einschlägigen Vorgaben (z.B. in den Feuerwehrdienstvorschriften) anzuwenden.

3.6 Dekontamination von Tieren und Fahrzeugen

Es ist davon auszugehen, dass Betroffene mit ihren Haustieren (Hunde, Katzen) in der Notfallstation eintreffen. Dies ist bei der Planung der Notfallstation dahingehend zu berücksichtigen, dass Möglichkeiten für eine temporäre Unterbringung dieser Tiere vorhanden sind. Eine Dekontamination der Haustiere in der Notfallstation kann jedoch nicht geleistet werden und ist im Hinblick auf die Strahlenexposition der Halter auch nicht erforderlich.

Im Zusammenhang mit dem Schutz der Einsatzkräfte in der Notfallstation wurde in (Fraunhofer 2012) aufgezeigt, dass selbst bei einer Vielzahl zum Teil auch stark kontaminierter Personen in der Notfallstation die Dosisbelastung der Einsatzkräfte gering ist. Dies gilt noch deutlicher im Hinblick auf die Dosisbelastung von Betroffenen durch ihre Haustiere. Damit besteht über das außerhalb der Notfallstation sinnvolle Abduschen der Haustiere durch den Halter aus Sicht des Strahlenschutzes kein weiterer Handlungsbedarf. Eine entsprechende Information sollte den Betroffenen in der Notfallstation zur Hand gegeben werden.

Betrachtungen zum Erfordernis einer Dekontamination von Fahrzeugen sind in der SSK-Empfehlung "Richtlinie für die Festlegung von Kontaminationswerten zur Kontrolle von Fahrzeugoberflächen im grenzüberschreitenden Verkehr nach dem Strahlenschutzvorsorgegesetz" (SSK 1996) enthalten. Dort wird als Richtwert für Maßnahmen bei Oberflächenkontaminationen an Fahrzeugen im Falle von Ereignissen mit nicht unerheblichen radiologischen Auswirkungen ein Wert von 1 kBq/cm2 vorgeschlagen. Bei Überschreiten dieses Richtwerts sollten gemäß (SSK 1996) Dekontaminationsmaßnahmen am Fahrzeug durchgeführt und Fahrzeuginsassen über eine mögliche Gefährdung aufgeklärt werden. Bei einer Kontamination des Fahrzeugs in der Größenordnung des oben genannten Richtwerts werden in (SSK 1996) für den Fahrzeugführer bei einem Aufenthalt im Fahrzeug von 1.000 Stunden im ersten halben Jahr eine externe Strahlendosis von 2 mSv und eine Inkorporationsdosis von weniger als 0,1 mSv abgeschätzt. Diese Abschätzungen zeigen, dass bei einer Kontamination des Fahrzeugs aus Sicht des Strahlenschutzes kein akuter Handlungsbedarf besteht. Allerdings sollten die Fahrzeughalter in der Notfallstation dahingehend instruiert werden, dass sie ihr Fahrzeug zeitnah in einer Waschanlage reinigen und den Innenraum aussaugen sollten.

3.7 Dosisabschätzung

Gemäß (SSK 2007) ist die gesamte Körperdosis aus den Dosisbeiträgen an den verschiedenen Aufenthaltsorten des Betroffenen und der jeweiligen Aufenthaltszeit und -dauer abzuschätzen (effektive Dosis aus äußerer Bestrahlung und Inhalation, gegebenenfalls Teilkörperdosis Schilddrüse). Die dafür notwendigen Daten sind vom radiologischen Lagezentrum der Katastrophenschutzleitung bereitzustellen und zu aktualisieren. Es wird darauf hingewiesen, dass die so ermittelten Dosisabschätzungen in aller Regel ungenau sind. Sie können deshalb nur als Anhaltspunkte für die Strahlenexposition des Betroffenen gelten.

Grundsätzlich hat sich die in (SSK 2007) beschriebene Vorgehensweise bei der Dosisabschätzung bewährt. Die Erfassung von Aufenthaltsorten und -zeiten bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Genauigkeit der Abschätzung auf der Basis später vorliegender Messwerte und Berechnungen zu verbessern (Dosisrekonstruktion).

Für die Dosisabschätzung nach (SSK 2007) werden je nach Bundesland Software-Tools oder manuelle Methoden verwendet. Auch die für die Abschätzung erforderlichen Dosis-Daten werden mit verschiedenen Programmen für Ausbreitungsrechnungen bereitgestellt.

Im Hinblick auf die angestrebte bundesweite Harmonisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise von Notfallstationen ist es erforderlich, dass sowohl die Tools für die Dosisabschätzung als auch die Programme für die Datenbereitstellung vereinheitlicht werden. Die Übertragungswege sind zu planen. Datenbereitstellung, Übertragung und Anwendung sind im Rahmen von Übungen zu trainieren.

Es wird empfohlen, dass künftig als Datenbasis für die Dosisabschätzung in der Notfallstation einheitlich Berechnungen mit dem Entscheidungshilfesystem RODOS (Realtime Online Decision Support System) (Raskob und Gering 2010; siehe auch http://www.rodos.fzk.de) herangezogen werden.

4 Zusätzliche Hinweise der SSK

Ergänzend zu den vorstehenden Ausführungen sind aus Sicht der SSK im Zusammenhang mit dem Aufbau, den Aufgaben und denn Betrieb einer Notfallstation insbesondere die folgenden Aspekte zu beachten:

Die SSK stellt nochmals heraus, dass die Notfallstation nur für Unverletzte vorgesehen ist und dass entsprechend Abschnitt 4.1.2 in (SSK 2007) schon im Eingangsbereich Personen mit ernsthaften medizinischen Problemen erfasst und, gegebenenfalls ohne vorherige Dekontamination, einem Krankenhaus zugewiesen werden sollen. Hierzu müssen in der Notfallstation auch Informationen vorliegen, welche Krankenhäuser spezielle Erfahrungen und Ausrüstungen für die Versorgung von kontaminierten Personen haben.

Stark kontaminierte Personen und Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie eine hohe Strahlenexposition (> 100 mSv) erhalten haben, müssen einer spezifischen medizinischen Versorgung in dafür spezialisierten Krankenhäusern zugeführt werden (siehe auch die Abschnitte 4.4 und 4.5 in [SSK 2007]). Dafür müssen organisatorische Vorkehrungen getroffen sein.

Es sind Vorkehrungen dafür zu treffen, dass auch betroffene Personen, die nicht die Notfallstation aufsuchen, registriert werden können, damit sie gegebenenfalls medizinisch versorgt und weitergehenden Messungen zugeführt bzw. in spätere Überwachungsprogramme aufgenommen werden können.

5 Literatur

Fraunhofer 2012Fraunhofer ITEM. Ermittlung der Resuspension partikelgebundener radioaktiver Kontamination von urbanen Oberflächen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Wettereinflüsse und Gegenmaßnahmen, Abschlussbericht zum Vorhaben 3611S60012
SSK 1996Strahlenschutzkommission (SSK). Richtlinie für die Festlegung von Kontaminationswerten zur Kontrolle von Fahrzeugoberflächen im grenzüberschreitenden Verkehr nach Strahlenschutzvorsorgegesetz, Empfehlung, verabschiedet in der 138. Sitzung der SSK am 26. bis 28. Juni 1996 (BAnz. Nr. 2 vom 4. Januar 1997)
SSK 2007Strahlenschutzkommission (SSK). Medizinische Maßnahmen bei Kernkraftwerksunfällen Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 4, 3., überarbeitete Auflage (2007), Herausgegeben vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Raskob und Gering 2010Raskob W, Gering F. Key improvements in the simulation modelling for decision support systems developed in the EURANOS project, Radioprotection Vol. 45 (5), 149 - 159, 2010 D01: 10.1051/radiopro/2010037


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