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Empfehlung für die Anwendung der Richtlinie zur Inkorporationsüberwachung in der Nuklearmedizin
- Leitstelle Inkorporationsüberwachung des BfS -

Vom 5.1.2009
(GMBl. Nr. 12-14 vom 27.03.2009 S. 266)



Verabschiedet auf der Sitzung am 10.06.2008 in Würzburg

1 Einführung

Das Ziel der vorliegenden Empfehlung ist es, insbesondere die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden bei der Anwendung der am 1. März 2007 in Kraft getretenen Richtlinie zur Inkorporationsüberwachung [RIL 07] für den Bereich der Nuklearmedizin zu unterstützen.

Die o.g. Richtlinie gilt für die verschiedenen Anwendungsgebiete Medizin, Kerntechnik, Industrie usw. und ist daher naturgemäß in vielen Punkten allgemein gehalten. Speziell für die Anwendung von offenen radioaktiven Stoffen in der Nuklearmedizin soll diese Empfehlung den zuständigen Behörden Hilfestellung bei der Beurteilung des vom Anwender vorgeschlagenen Konzeptes der Inkorporationsüberwachung gemäß Kapitel 2 der Richtlinie [RIL 07] geben. Zur Abschätzung des Erfordernisses für eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung nach Kapitel 2.2 der Richtlinie liefert das vorliegende Dokument Empfehlungen für Inkorporationsfaktoren und Schwellenwertmessungen, aufgeschlüsselt nach den Anwendungsgebieten Diagnostik, Therapie, Radiochemie und Radiopharmazie. Präventive Strahlenschutzmaßnahmen sind nicht Gegenstand dieser Empfehlung.

Diese Empfehlung ist insbesondere dann heranzuziehen, wenn von den in der Richtlinie [RIL 07] vorgegebenen Inkorporationsfaktoren abgewichen werden soll. Bei der Ermittlung des Erfordernisses ist zu berücksichtigen, dass mit der Aktivität Ai,k (aus Gleichung 2.3 in der Richtlinie) die gehandhabte Aktivität und nicht die Lager- bzw. die genehmigte Umgangsaktivität gemeint ist.

Die Lagerung und Entsorgung radioaktiver Stoffe aus der Anwendung in der Nuklearmedizin ist in den einzelnen Kapiteln mit den dort aufgezeigten Arbeitsschritten abgedeckt.

An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass

  1. zwar die in der Richtlinie angegebenen Richtwerte für die Inkorporationsfaktoren ak bei erstmaliger Feststellung des Erfordernisses oder bei Fehlen belastbarer Angaben beim Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen zu verwenden sind,
  2. aber auch andere Inkorporationsfaktoren verwendet werden dürfen, wenn diese zuverlässig und repräsentativ belegt werden können.

Das bedeutet bei Punkt 1, dass bei Vorliegen belastbarer Inkorporationsfaktoren (z.B. aus vergleichbaren Einrichtungen) diese Faktoren auch bei der erstmaligen Feststellung des Erfordernisses verwendet werden dürfen. Im Zweifelsfall sollte aber eine behördlich bestimmte Messstelle in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden. Punkt 2 meint, dass prinzipiell auch andere als die in diesem Dokument empfohlenen Inkorporationsfaktoren verwendet werden dürfen (z.B. wenn sie aus eigenen Untersuchungen, aus Erfahrungen in den behördlich bestimmten Messstellen oder aus anderen zuverlässigen Quellen stammen).

Bei den Beispielen im Anhang 1.2 der Richtlinie [RIL 07] handelt es sich um reine Rechenbeispiele mit fiktiven Inkorporationsfaktoren; die Beispiele dienen hauptsächlich zur Erläuterung der einzelnen Rechenschritte.

Das Erfordernis der regelmäßigen Inkorporationsüberwachung ist nach der jetzt gültigen Richtlinie [RIL 07] spätestens nach einem Jahr erneut zu beurteilen. Gegenüber der Vorläufer-Richtlinie [RIL 94] ergibt sich damit die Möglichkeit, auf Grund der gewonnenen Überwachungsdaten nach einem Jahr gegebenenfalls wieder aus der regelmäßigen Inkorporationsüberwachung entlassen zu werden.

2 Diagnostik

Die verschiedenen Anwendungsgebiete in der nuklearmedizinischen Diagnostik (Anwendungsklassen) lassen sich jeweils in mehrere allgemeingültige Arbeitsprozesse bzw. Verfahrensschritte unterteilen (siehe Tabelle 2-1).

Tab. 2-1: Verfahrensschritte für ausgewählte Anwendungen in der Diagnostik

 Szintigramm SchilddrüseSzintigramm KnochenSzintigramm NiereVentilation LungePET Satellit
Anlieferung----Anlieferung
ElutionElutionElutionElutionElution-
Präparation/
Synthese
-RekonstitutionRekonstitution(Rekonstitution)-
--(Erwärmung)--
Qualitäts-
Kontrolle
--Qualitäts- Kontrolle--
AbfüllungAbfüllungAbfüllungAbfüllungAbfüllungAbfüllung
ApplikationEinmessenEinmessenEinmessen-Einmessen
ApplikationApplikationApplikationApplikationApplikation
--Messung Blutprobe--
Messung Leerspritze-Messung Leerspritze-Messung Leerspritze
EntsorgungEntsorgungEntsorgungEntsorgungEntsorgungEntsorgung

2.1 Konventionelle Diagnostik

Zur konventionellen Diagnostik gehört die Anwendung

sowie

Die Anwendung umfasst dabei alle dazugehörigen Arbeitsschritte von der Anlieferung bis zur Entsorgung, wie in Tab.2-1 dargestellt. Die derzeit gängigsten Radionuklide sind F-18, Tc-99m, In-111 und I-123.

In einer zu Beginn der 90er Jahre angefertigten Untersuchung, die vom BMU gefördert wurde, wurde im Universitätsklinikum Essen eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung durchgeführt [UFO 94]. Bei einem Jahresmittelwert der Arbeitsplatzaktivität von 9 GBq Tc-99m zeigte sich, dass für jede MTRA und für jeden in der Diagnostik tätigen Arzt die Dosiswerte unterhalb 1 % der damaligen Jahresgrenzwerte der effektiven Dosis von 15 mSv und Organdosis von 90 mSv (Schilddrüse) für Personen der Kategorie B (Anlage X Tabelle 1 [SSV 76]) liegen und damit auch unterhalb der Erfordernisschwelle, wie sie in der neuen Richtlinie zur Inkorporationsüberwachung [RIL 07] definiert ist. Aus dieser Untersuchung in einer großen nuklearmedizinischen Einrichtung ist abzuleiten, dass die Erfordernisschwelle bei einem vergleichbaren Umgang nicht erreicht wird.

Aktuelle Untersuchungen belegen, dass das Inkorporationsrisiko für diese Anwendungsklasse mit einem Inkorporationsfaktor von ak = 10-07 konservativ zu beschreiben ist [BER 07, SCH 08].

2.2 Lungenventilationsszintigrafie

Dieses diagnostische Verfahren beruht auf der Verwendung von zu inhalierenden Radiopharmaka (hier: Tc-99m-Aerosol). Das Radiopharmakon wird in einem Gerät vernebelt und vom Patienten eingeatmet. Eine Freisetzung von Aktivität in die Raumluft lässt sich dabei nicht vollständig ausschließen. Entscheidend für die Höhe der möglichen Expositionen für das Personal ist dabei die vorhandene Geräteausstattung (z.B. Absaugvorrichtung). Auf der Grundlage von Messungen, die in [PET 06] bzw. [UFO 00] dokumentiert sind, werden in der Tabelle 2.2-1 die folgenden Inkorporationsfaktoren empfohlen.

Tab. 2.2-1: Empfohlene Inkorporationsfaktoren bei der Lungenventilationsszintigrafie mit Tc-99m

InkorporationsfaktorSchutzmaßnahmeBemerkung
10-04Ohne zusätzliche SchutzmaßnahmenKeine Änderung gegenüber Richtlinie
5·10-05Ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen, jedoch erhöhter LuftwechselMindestens 6-8-facher Luftwechsel pro Stunde (Zwangsbelüftung)
10-05Zusätzliche SchutzmaßnahmenAbsaugvorrichtung mit Absaugglocke oder separater Absaugung (Esse)
5·10-06Zusätzliche Schutzmaßnahmen in Verbindung mit erhöhtem LuftwechselMindestens 6-8-facher Luftwechsel pro Stunde (Zwangsbelüftung) in Kombination mit Absaugvorrichtung (Absaugglocke oder separate Absaugung (Esse))

Ein Inkorporationsfaktor von ak < 10-06 ist anwendbar, wenn durch zusätzliche Untersuchungen (Raumluftüberwachung, Ganzkörperzähler) die ständige Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen nachgewiesen wurde.

Ein Beispiel für eine Absaugvorrichtung ist in Abbildung 2.2-1 dargestellt.

Abb. 2.2-1: Beispiel für die Anwendung einer Absaugglocke [PET 06] (typische Saugleistung 300 m³/h während und nach Ventilation über Patientenkopf positioniert)

Hinweise:

2.3 PET-Anwendungen

Bei der Diagnostik mit Positronen emittierenden Radionukliden sind zwei Konstellationen zu unterscheiden:

  1. Ausschließliche Anwendung von gebrauchsfertig angelieferten Radiopharmaka, die meist mit F-18 markiert sind (z.B. F-18-FDG, F-18-FLT).
  2. Herstellung und Anwendung von PET-Radiopharmaka in einer Einrichtung (PET-Zentrum).

Im ersten Fall entspricht die Situation bezüglich der Inkorporationsrisiken der in Kapitel 2.1 beschriebenen konventionellen Diagnostik (PET-Satelliten, Tabelle 2-1).

Im zweiten Fall wurden in einem vom BMU geförderten UFO-Vorhaben die Inkorporationsrisiken in einem solchen PET-Zentrum untersucht [UFO 00]. Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:

Aus den durchgeführten Inkorporationsmessungen errechnen sich (bei konservativer Schätzung bezüglich der Häufigkeit der durchgeführten Arbeiten) Jahresdosen von weniger als 0,5 mSv für die Bereiche:

Selbst bei der tendenziell inkorporationsträchtigen Tracerentwicklung würden bei kurzlebigen Nukliden (C-11, F-18) 0,5 mSv nicht erreicht, lediglich bei der Tracerentwicklung mit längerlebigen und zudem in die Raumluft diffundierenden Nukliden wie I-124 wäre dies möglich.

Inkorporationsfaktoren wurden im Rahmen dieses UFO-Vorhabens nicht direkt errechnet. Eine nach Datenlage konservative Abschätzung führt zu den in der Tabelle 2.3-1 angegebenen Werten. Die Werte aus der Tabelle 2.3-1 werden durch die Ergebnisse jüngerer Stichprobenmessungen im Forschungszentrum Rossendorf bestätigt [SCH 08].

Tab. 2.3-1: Aus dem Vorhaben St.Sch. 4123 [UFO 00] abgeleitete Inkorporationsfaktoren für die Entwicklung, Herstellung und Anwendung von PETPharmaka

InkorporationsfaktorArbeitsvorgangBemerkung
10-05Tracerentwicklung mit I-124markierten SubstanzenUnter der Voraussetzung, dass diese in RadionuklidAbzügen (oder vergleichbaren Schutzvorrichtungen) durchgeführt werden.
10-06Sonstige Tracerentwicklung (alle Nuklide außer Iodisotopen), manuelle TracersynthesenUnter der Voraussetzung, dass diese in RadionuklidAbzügen (oder vergleichbaren Schutzvorrichtungen) durchgeführt werden.
10-07Alle anderen oben genannten Tätigkeiten (Zyklotronbetrieb, Zyklotronwartung; Routine-Tracerproduktion; Tracerportionierung und -verabreichung,PET-Untersuchungen (alle Nuklide)).-

Bei der Herstellung, Verarbeitung und Verabreichung gasförmiger PET-Pharmaka besteht analog der Lungenszintigrafie ein erhöhtes Freisetzungsrisiko. Hier gilt, dass die (unvermeidliche) Freisetzung im Untersuchungsraum nahe am Patienten, aufgrund der Kurzlebigkeit der PET-Nuklide O-15, C-11, nicht zu effektiven Dosen oberhalb 0,5 mSv/a führt. Inkorporationsfaktoren können, sofern benötigt, analog zu Tabelle 2.2-1 verwendet werden.

Hinweise:

3 Therapie

Bei nuklearmedizinischen Behandlungen, insbesondere jenen, die nach Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin [RIL 03] nicht als Standardbehandlungen durchgeführt werden, sondern mit einer patientenindividuellen Dosimetrie und einem stationären Klinikaufenthalt verbunden sind, trägt das Konzept der Inkorporationsfaktoren nur sehr bedingt. Das Inkorporationsrisiko ist hierbei nicht durch die (meist kurze) Verabreichung der Aktivität an den Patienten bestimmt, sondern vielmehr durch den anschließenden Umgang mit und am Patienten. Da dieser Umgang nicht standardisierbar ist, können hierfür keine belastbaren Inkorporationsfaktoren angegeben werden.

Für den Teil "Standardbehandlungen" (siehe Kapitel 3.1) ist dies allerdings möglich.

3.1 Standardbehandlungen

Standardbehandlungen mit radioaktiven Arzneimitteln sind Behandlungen von Patienten, bei denen individuelle Dosisabschätzungen nicht erforderlich oder nicht möglich sind. Hierzu gehören beispielsweise die palliative Behandlung bei Tumorerkrankungen (radioaktive Arzneimittel mit Sr-89, Y-90, Sm-153 und/oder Re-186, Re-188) und die Radiosynoviorthese (radioaktives Arzneimittel mit Y-90, Er-169 oder Re-186). Es erfolgt die Applikation von Fertigarzneimitteln, die auf Grund von einfachen Standardarbeitsvorgängen und dem Charakter des Radiopharmakons nur eine geringe Inkorporationswahrscheinlichkeit beim Aufziehen der Spritzen und der Applikation erwarten lassen.

Tab. 3.1-1: Empfehlung eines Inkorporationsfaktors für die Standardbehandlungen

InkorporationsfaktorArbeitsvorgangBemerkung
10-07Messung und Applikation der Radiopharmaka mit unterschiedlichen Radionukliden (siehe oben).Besonderer Kontaminationsschutz bei β-Strahlern empfohlen [BFS 06 und BFS 07].

Unter strikter Beachtung der Empfehlungen des BfS [BFS 07] und der SSK [SSK 05] zur Durchführung der RSO und unter Einbeziehung engmaschiger Kontaminationskontrollen wird mit einer Vermeidung von Kontaminationen zugleich das Inkorporationsrisiko hinreichend minimiert. In Analogie zur konventionellen Diagnostik wird für die Standardbehandlungen ein Inkorporationsfaktor von 10-07 empfohlen (siehe Tabelle 3.1-1).

Hinweise:

3.2 Radioiod-Therapie

Die mit Abstand häufigste stationäre nuklearmedizinische Therapie ist die Radioiodtherapie mit I-131-Natriumiodid bei gut- und bösartigen Schilddrüsenerkrankungen, das in der Regel oral als Kapsel verabreicht wird.

Langfristige Inkorporationsmessungen bei den hieran beteiligten Mitarbeitern in den behördlich bestimmten Inkorporationsmessstellen, die an der vorliegenden Empfehlung beteiligt sind, ergeben übereinstimmend folgendes Bild:

Inkorporationen finden statt, sie sind jedoch in der überwiegenden Zahl niedrig (< 100 Bq gemessene Aktivität bei regelmäßiger 14-tägiger Überwachung). Die daraus resultierende effektive Dosis ist in fast allen Fällen < 0,5 mSv/a. Trotzdem kann eine Überschreitung von 0,5 mSv/a nicht sicher ausgeschlossen werden. Dies wird auch durch das vom BMU geförderte Forschungsvorhaben gestützt [UFO 94].

Es sollten daher Schwellenwertmessungen entsprechend Kapitel 2.1 der Richtlinie zur Inkorporationsüberwachung [RIL 07] durchgeführt werden. In Zusammenarbeit mit einer behördlich bestimmten Messstelle ist ein geeignetes Messprogramm und -intervall (z.B. Eigenüberwachung mit Schilddrüsensonde, 14-tägig) festzulegen und von der zuständigen Behörde genehmigen zu lassen. Eine Überprüfung, z.B. der Kalibrierung der Messanordnung, sollte mindestens jährlich durch die zuständige Behörde oder eine behördlich bestimmte Messstelle erfolgen.

Die Schwellenwertmessungen sollen somit nicht nur nachweisen, dass eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung nicht erforderlich ist, sondern dienen auch der dauerhaften Sicherung einer möglichst geringen Inkorporation (ALARA-Prinzip).

Hinweise:

3.2.1 Prätherapeutische Dosimetrie

Hier erhält der Patient eine Kapsel von wenigen MBq I-131 zur oralen Einnahme und wird im Verlauf der Folgewoche mehrmals an einer Schilddrüsensonde gemessen.

Stichprobenmessungen (Universitätsklinikum Leipzig 2002 - 2006, Uniklinik Köln und Klinikum Chemnitz gGmbH 2008) ergaben, dass sämtliche Messwerte unterhalb der Erkennungsgrenze lagen [SCH 08]. Selbst bei 1.000 Anwendungen radioaktiver Stoffe zu diesem Zweck im Jahr würde die resultierende Dosis weniger als 0,25 mSv/a betragen. Dieses korrespondiert mit einem Inkorporationsfaktor von ak = 10-06.

3.2.2 Posttherapeutische Szintigrafie

Bei einigen Patienten werden I-131-Szintigrafien zum Zeitpunkt der Entlassung aus stationärer Therapie oder separat zur Verlaufskontrolle bei Schilddrüsenkarzinomen angefertigt. Sofern das hierfür eingesetzte Personal ansonsten im Bereich Diagnostik tätig ist, wäre ein speziell hieraus resultierendes Inkorporationsrisiko theoretisch denkbar.

Inkorporationsfaktoren können hierfür nicht spezifisch ermittelt werden. Es wurden in den angeführten Untersuchungen [UFO 94, SCH 08] jedoch keine I-131-Inkorporationen beim Diagnostik-Personal gefunden, so dass auf eine gesonderte Berücksichtigung der posttherapeutischen Szintigrafie bei der Abschätzung des Erfordernisses verzichtet werden kann.

3.3 Sonstige Therapien

Andere therapeutisch eingesetzte Radiopharmaka sind z.B. mIBG, Zevalin® (Radioimmuntherapie) oder Somatostatin-Analoga, die verwendeten Nuklide meist Y-90, I-131, zunehmend auch Lu-177. Ständig sind neue Radiopharmaka in der präklinischen Entwicklung und klinischen Erprobung, oft im Rahmen von Heilversuchen.

Inkorporationsfaktoren können für diese Verfahren im allgemeinen nicht angegeben werden. Schwellenwertmessungen sind angezeigt. Diese sollten von einer behördlich bestimmten Messstelle durchgeführt oder, nach Absprache mit der Aufsichtsbehörde, lokal durchgeführt und extern überprüft werden. Alternativ kann ein geeignetes Messprogramm gemeinsam mit der behördlich bestimmten Messstelle festgelegt und durch Kontrollmessungen von dieser validiert werden.

Im Gegensatz zur Radioiod-Therapie (Kapitel 3.2) können die Schwellenwertmessungen hier dem Nachweis dienen, dass nach einer Optimierung der Prozeduren das Erfordernis der regelmäßigen Überwachung nicht mehr gegeben ist.

Ausscheidungsmessungen durch das Bayerische Landesamt für Umwelt in Kulmbach an nuklearmedizinischen Einrichtungen mit großen Patientenzahlen zeigen, dass Schwellenwertmessungen in der Phase der Prozessoptimierung zur Vermeidung von Inkorporationen beitragen können und danach Inkorporationsfaktoren von ak = 10-07 oder geringer erzielt werden konnten [KRA 07].

Hinweis:

Durch die bei dieser Anwendung eingesetzten Beta-Strahler können bei unsachgemäßem Umgang extrem hohe Werte für die Strahlenexposition der Haut erreicht werden. Eine Optimierung des Strahlenschutzes muss vordringlich diesen Aspekt bei der Planung und beim Umgang berücksichtigen [BFS 06, BFS 07].

4 Radiochemie und Radiopharmazie

Dieser Abschnitt behandelt

In der Routine-Tracerproduktion in vollständig geschlossenen Syntheseboxen ist bei planmäßigem Verlauf das Inkorporationsrisiko äußerst gering und somit keine regelmäßige Inkorporationsüberwachung erforderlich (siehe [UFO 00]). Außergewöhnliche Aktivitätsfreisetzungen bei technischen Störungen und Eingriffen in sonst automatisierte Vorgänge werden durch geeignete Verfahren, z.B. Raumluftüberwachung, erfasst und veranlassen gegebenenfalls zeitnahe Inkorporationsmessungen aus besonderem Anlass.

Für die Tracerentwicklung liegen kaum belastbaren Ergebnisse zum Inkorporationsrisiko vor; in der Regel sind daher Messungen erforderlich. Es wird empfohlen, die geeignete Vorgehensweise mit einer behördlich bestimmten Messstelle abzustimmen.

Tab. 4-1: Empfehlung für Inkorporationsfaktoren

InkorporationsfaktorArbeitsvorgangBemerkung
10-03Radiochemische Markierungen, die aufgrund ihrer technischen Durchführung mit einer aktiven Freisetzung des eingesetzten Radionuklids einhergehen können.Schutzmaßnahmen werden empfohlen.
10-04Radiochemische Markierungen, die aufgrund zahlreicher Arbeitsschritte bei ihrer technischen Durchführung ein Inkorporationsrisiko aufweisen können, das über dem des einfachen, standardisierten Tc-99m-Markierungsverfahrens liegt. Entsprechendes gilt für die Anwendung von Ga-68.Schutzmaßnahmen werden empfohlen, besonderer Kontaminationsschutz bei β-Strahlern.
10-07Optimierte radiochemische Markierungen unter Verwendung von Schutzmaßnahmen (z.B. geeignete Sicherheitswerkbänke unter Einhaltung strahlenschutzrechtlicher Bedingungen, Handschuhboxen), die trotz zahlreicher Arbeitsschritte bei ihrer technischen Durchführung ein geringes Inkorporationsrisiko aufweisen [KRA 07].Besonderer Kontaminationsschutz bei β-Strahlern erforderlich, begleitende Überwachung durch eine behördlich bestimmte Messstelle wird in der Anfangsphase unbedingt empfohlen.

5 Zusammenfassung

Diese Empfehlung soll den zuständigen Behörden bei der Anwendung von offenen radioaktiven Stoffen in der Nuklearmedizin Hilfestellung bei der Beurteilung des vom Anwender vorgeschlagenen Konzeptes der Inkorporationsüberwachung gemäß Kapitel 2 der Richtlinie [RIL 07] geben. Hierzu werden in diesem Dokument für die Abschätzung des Erfordernisses einer regelmäßige Inkorporationsüberwachung Werte für Inkorporationsfaktoren, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Anwendungsgebieten der Diagnostik, Therapie, Radiochemie und Radiopharmazie, bereitgestellt.

Für die verschiedenen Anwendungsgebiete "Konventionelle Diagnostik", "Lungenventilationsszintigrafie" und "PET-Anwendungen" im Kapitel 2 "Diagnostik" werden Inkorporationsfaktoren ak zwischen 10-04 und 10-07 zur Feststellung des Erfordernisses für eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung empfohlen. Dabei ist zu beachten, dass diese Inkorporationsfaktoren nur unter den in den einzelnen Kapiteln angegebenen bzw. unter vergleichbaren Bedingungen Anwendung finden dürfen. Die niedrigen Inkorporationsfaktoren verdeutlichen aber, dass im Allgemeinen in der nuklearmedizinischen Diagnostik das Inkorporationsrisiko gering ist und in diesem Bereich die Erfordernisschwelle in der Regel nicht erreicht wird. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, eine behördlich bestimmte Messstelle hinzuzuziehen.

Für die Anwendungsgebiete der Therapie (Kapitel 3) lässt sich im Allgemeinen das Erfordernis für eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung mangels belastbarer Inkorporationsfaktoren nicht zuverlässig nach den Rechenvorschriften der Richtlinie zur Inkorporationsüberwachung ermitteln. Das gilt insbesondere für die "Radioiod-Therapie" (Kapitel 3.2) und "Sonstige Therapien" (Kapitel 3.3). Hier wird empfohlen, Schwellenwertmessungen entsprechend Kapitel 2.1 (Tabelle 2) der Richtlinie durchzuführen und unbedingt mit einer behördlich bestimmten Messstelle zusammenzuarbeiten; z.B. zur Erstellung eines geeigneten Messkonzepts einschließlich der regelmäßigen Kalibrierungsüberprüfung der Messanordnung. Eine Ausnahme bilden die "Standardbehandlungen" (Kapitel 3.1), die Fertigarzneimittel verwenden; hier ist dagegen nur mit einem geringen Inkorporationsrisiko (ak = 10-07) zu rechnen.

Für den Bereich Radiochemie und Radiopharmazie liegen ebenfalls kaum belastbare Ergebnisse zum Inkorporationsrisiko vor, so dass sich die Empfehlung im Wesentlichen auf die in der Richtlinie zur Inkorporationsüberwachung angegebenen Inkorporationsfaktoren stützt. Nur bei Verwendung besonderer Schutzmaßnahmen, wie z.B. geeignete Sicherheitswerkbänke, ist die Verwendung eines niedrigeren Inkorporationsfaktors gerechtfertigt. Ansonsten ist für alle nicht standardisierten Verfahren der Einsatz der Raumluftüberwachung sinnvoll. Weiterhin wird empfohlen, die Vorgehensweise unbedingt mit einer behördlich bestimmten Messstelle abzustimmen.

Die Lagerung und Entsorgung radioaktiver Stoffe aus der Anwendung in der Nuklearmedizin ist in den einzelnen Kapiteln mit den dort aufgezeigten Arbeitsschritten abgedeckt.

Generell sollte im Zweifelsfall immer eine behördlich bestimmte Messstelle in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden. Sie verfügen z.B. über definierte Verfahren für die Ermittlung des Erfordernisses und können von daher entsprechende Hilfeleistung gewähren. Im Bedarfsfall bietet auch die Leitstele Inkorporationsüberwachung des BfS fachliche Unterstützung an.

6 Literaturverzeichnis

Die entsprechend *) gekennzeichneten Literaturstellen können auf der Internetseite der Leitstele Inkorporationsüberwachung des BfS (http://www.bfs.de/ion/beruf_schutz/ inkorpueberwach) bei "Empfehlungen zur Richtlinie" heruntergeladen werden.

BER 07*)Berla, M.; "Bestimmung von Inkorporationsfaktoren häufig verwendeter Radionuklide in der Medizinischen Hochschule Hannover"; Diplomarbeit, Fachhochschule Hannover, 12.2007
BFS 06*)Empfehlung zum Strahlenschutz bei der Radioimmuntherapie mit Y-90-markierten Antikörpern, Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz; 09.2006
BFS 07*)Empfehlungen zum Strahlenschutz bei der Radiosynoviorthese (RSO), Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz, 08.2007
DIN 05Nuklearmedizinische Betriebe - Teil 2: Regeln für die Errichtung und Ausstattung von Betrieben zur therapeutischen Anwendung von offenen radioaktiven Stoffen; DIN 6844-2; Beuth Verlag GmbH, Berlin; 2005
KRA 07Kratzel, U; Messergebnisse der Inkorporationsüberwachung bei der Herstellung von Y-90/Lu-177 Somatostatin-Analoga für die RadiopeptidTherapie; Bayerisches Landesamt für Umwelt, Kulmbach, 2007
PET 06Petzold, J., "Optimierung der Lungenventilationsuntersuchungen mit dem Ziel der Minimierung der Inkorporationen von Tc-99m KohlenstoffPartikeln beim Personal", Abschlussbericht zum Forschungs- und Entwicklungsvorhaben des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie; 01.2006
RIL 03Strahlenschutz in der Medizin, Richtlinie nach der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlung (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV), GMBl. Nr. 11-13, S. 227; 2003
RIL 94Richtlinie für die physikalische Strahlenschutzkontrolle zur Ermittlung der Körperdosen (§§ 62, 63, 63a StrSchV; §§ 35, 35a RöV), GMBl. Nr.7, S. 286; 1994
RIL 07Richtlinie für die physikalische Strahlenschutzkontrolle zur Ermittlung der Körperdosen, Teil 2: Ermittlung der Körperdosis bei innerer Strahlenexposition; Inkorporationsüberwachung (§§ 40, 41 und 42 StrlSchV); nur Textteil: GMBl. Nr. 31/32, S. 623; 2007 und gesamte Richtlinie: BfSSCHR-43/07; 09.2007
SAH 91Sahre, P., Thieme, K., Müller, E., "Fallstudie einer Xe-133-Inhalation", Strahlenschutz für Mensch und Umwelt, Tagung 25 Jahre Fachverband für Strahlenschutz, FS-91-55-T, Aachen; 10.1991
SCH 08Schönmuth, T., "Ergebnisse von Inkorporationsmessungen im nuklearmedizinischen Bereich", Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf e.V., Bericht VKTA-90 (in Vorbereitung); 2008
SSK 05"Strahlenschutz bei der Therapie mit Beta-Strahlern in flüssiger Form im Rahmen einer Brachytherapie, Radiosynoviorthese und einer Radioimmuntherapie"; Empfehlungen und Stellungnahmen der Strahlenschutzkommission 2003, Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 52, S. 121-130; 2005
SSV 76Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlung (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV) vom 13. Oktober 1976 (BGBl. I S. 2905, 1977 S. 184, 269) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 1989 (BGBl. I S. 1321, ber. S. 1926) (BGBl. III 751-1-1)
SSV 01Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlung (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV) vom 20. Juli 2001 (BGBl. I S. 1714, ber. 2002 I, S. 1459) (BGBl. III 751-1-8)
UFO 94*)Inkorporationsüberwachung von beruflich strahlenexponiertem Personal in der Nuklearmedizin, M. Olthoff, C. Reiners; UFO-Vorhaben St.Sch. 1126, Bundesamt für Strahlenschutz; 1990-1994
UFO 00*)Entwicklung von Strategien zur Inkorporationsüberwachung von beruflich strahlenexponierten Personen in PET-Zentren, W. Eschner, R. Vogg; UFO-Vorhaben St.Sch. 4123, Bundesamt für Strahlenschutz; 1997-2000

7 Beteiligte Experten

Die vorliegende Empfehlung war in mehreren von der Leitstele Inkorporationsüberwachung des BfS veranstalteten Sitzungen mit folgenden Experten erarbeitet worden:

Eckardt, JörgUniversität Münster
Eschner, WolfgangUniversität zu Köln
Kratzel, UlrichBayerisches Landesamt für Umwelt, Kulmbach
Laßmann, MichaelUniversität Würzburg
Lauterbach, HubertJena; vormals Universität Jena
Schönmuth, ThomasVerein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf
Dalheimer, AndreasBundesamt für Strahlenschutz, Berlin
Dettmann, KarinBundesamt für Strahlenschutz, Berlin
König, KarlBundesamt für Strahlenschutz, Oberschleißheim
Noßke, DietmarBundesamt für Strahlenschutz, Oberschleißheim
Saha, BejoyBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn
Korrespondierende Unterstützung:
Harke, HeinrichMedizinische Hochschule Hannover
UWS Umweltmanagement GmbHENDEFrame öffnen