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Regelwerk, Strahlenschutz
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Schutz vor elektrischen und magnetischen Feldern der elektrischen Energieversorgung und -anwendung
- Empfehlung der Strahlenschutzkommission -

Vom 15. Mai 2008
(BAnz. Nr. 142a vom 18.09.2008 S. 1)



Verabschiedet in der 221. Sitzung der Kommission am 21./22. Februar 2008

1 Einleitung

Die Nutzung elektrischer Energie ist mit der Entstehung elektrischer und magnetischer Felder verbunden. Es ist unbestritten, dass sehr starke elektrische und magnetische Felder die Gesundheit und sogar das Leben gefährden können und dass daher ihre Begrenzung erforderlich ist.

Zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft und zur Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen wurde im Jahre 1996 die Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (26. BImSchV) für die Errichtung und den Betrieb von ortsfesten Hochfrequenz- und Niederfrequenzanlagen erlassen, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden und nicht einer Genehmigung nach § 4 BImSchG bedürfen [1]. Im Niederfrequenzbereich bezieht sie sich auf ortsfeste Hochspannungsanlagen mit den Frequenzen 50 Hz (allgemeine Energieversorgung) und 162/3 Hz (Bahnstromversorgung).

Bereits im Jahre 1997 hat die Strahlenschutzkommission darüber hinaus angeregt, die Grenzwerte auch allgemein für die Exposition der Bevölkerung durch elektrische und magnetische 50 Hz-Felder anzuwenden [2]. In einer weiteren Empfehlung hat die SSK im Jahre 2001 [5] vorgeschlagen, den gesamten Frequenzbereich der nichtionisierenden Strahlung von 0 Hz bis 300 GHz in die Grenzwertsetzung einzubeziehen und auf Basis der Richtlinien der International Commission an Nonionizing Radiation Protection (ICNIRP) [3] und der EU- Ratsempfehlung [4] den Schutz durch Basisgrenzwerte für intrakorporale Größen und davon abgeleitete, messtechnisch leichter überprüfbare Referenzwerte für äußere Feldgrößen zu gewährleisten.

Darüber hinaus hat die SSK im Jahr 2001 [5] empfohlen, die bestehenden Expositionsgrenzwerte nicht vollständig auszuschöpfen und an öffentlich zugänglichen Orten die Immissionen durch die Summe der Beiträge aller vorhandenen Feldquellen deutlich unterhalb der bestehenden Grenzwerte zu halten.

Im Lichte des verstärkten Ausbaus der Energieversorgungssysteme hat die SSK die Aufgabe übernommen, die Empfehlung zum Schutz vor niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern der Energieversorgung und -anwendung aus dem Jahre 1995 unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich veröffentlichten wissenschaftlichen Studien über biologische Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder und des erweiterten differenzierteren Bewertungsansatzes der SSK und unter den Vorsorgegesichtspunkten, wie sie in der Empfehlung der SSK im Jahr 2001 erarbeitet wurden, zu aktualisieren.

2 Bewertung

Die Strahlenschutzkommission kommt zu dem Schluss, dass auch nach Bewertung der neueren wissenschaftlichen Literatur keine wissenschaftlichen Erkenntnisse in Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen der Gesundheit durch niederfrequente elektrische und magnetische Felder vorliegen, die ausreichend belastungsfähig wären, um eine Veränderung der bestehenden Grenzwertregelung der 26. BImSchVzu rechtfertigen. Aus der Analyse der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur ergeben sich auch keine ausreichenden Belege, um zusätzliche verringerte Vorsorgewerte zu empfehlen, von denen ein quantifizierbarer gesundheitlicher Nutzen zu erwarten wäre.

Die SSK stellt fest, dass im häuslichen Bereich ortsfeste Anlagen zur Energieversorgung nur in einem kleineren Teil der Fälle für überdurchschnittlich hohe Magnetfeldexpositionen verantwortlich sind. In der überwiegenden Zahl der Fälle werden diese durch wohnungsinterne Feldquellen und durch die hauseigenen Elektroinstallationen verursacht. Eine vorsorgliche Expositionsreduktion wäre daher nicht nur auf ortsfeste Energieversorgungsanlagen zu beschränken, sondern müsste vor allem auch den privaten Bereich mit einschließen, z.B. im Hinblick auf die Planung und Ausführung der Elektroinstallation und die Beschaffung und Verwendung von Elektrogeräten.

Die Überlegungen der SSK zum Schutz vor elektrischen und magnetischen Feldern der Energieversorgung und -anwendung beziehen sich auf folgende Endpunkte:

  1. Angesichts der weiterhin steigenden Zahl von Personen mit implantierten elektronischen Geräten (z.B. Herzschrittmacher, intrakardiale Defibrillatoren) sieht die SSK in der derzeitigen Möglichkeit der Störbeeinflussung im Alltag durch elektrische und magnetische Felder unterhalb der zulässigen Grenzwerte (z.B. 10 μT, 50 Hz bzw. 300 µT, 162/3 Hz) ein zunehmend wichtiges Problem. Untersuchungen haben ergeben, dass elektromagnetische Störbeeinflussungen von Herzschrittmachern im Alltag häufig sind, ca. 30 % werden auf niederfrequente Feldquellen zurückgeführt [29]. Experimentell wurde das erste Auftreten von Schrittmacher-Fehlfunktionen bei Exposition gegenüber von 50 Hz-Magnetfeldern (je nach Implantationsart und Herzschrittmacher) zwischen 16 µT und 552 μ T festgestellt [30]. Langzeit-EKG-Überwachungen haben ergeben, dass im Alltag bei ca. 26 % der überwachten Patienten Tachykardien auftreten, die in 10 % gesundheitsgefährdend waren [22]. Eine Identifizierung der Ursachen war dabei jedoch nicht möglich. Berechnungen haben für eine Sensing-Schwelle von 0,2 mV und eine Induktionsfläche bis 315 cm2 ergeben, dass Störbeeinflussungen bei magnetischen Induktionen ab ca. 20 μT auftreten können.
    Die Vermeidung der Gefahr von Störbeeinflussungen elektronischer Implantate durch Expositionen im Alltag ist primär Aufgabe der Normungsgremien und Medizinproduktehersteller. Darüber hinaus ist jedoch die Vermeidung von Expositionen über der Störempfindlichkeitsgrenze der Geräte anzustreben, wenn dies mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Dies betrifft insbesondere jene Fälle, in denen eine Störbeeinflussung durch vorbeugendes Verhalten von Patienten nicht vermieden werden kann. Dies ist dort anzunehmen, wo die Störquelle nicht erkennbar ist oder wo der Patient durch seine Erkrankung und/oder sein Alter nicht mehr in der Lage ist, vorbeugend und umsichtig auf die Präsenz von Störquellen zu reagieren. In diesen Fällen ist es daher anzustreben, die bestehende Grenzwertregelung zu ergänzen. Da im Alltag insbesonders im Wohnbereich zusätzlich mit weiteren (auch mobilen) Feldquellen gerechnet werden muss, sollte der Expositionsspielraum bis zur Störschwelle von einer einzigen Feldquelle nicht zur Gänze ausgeschöpft werden. Angesichts der Konservativität der Annahmen erachtet es die SSK als ausreichend, von der festgestellten unteren Störbeeinflussungsgrenze 16 µT/50 Hz einen Abstand von ca. einem Drittel für die Beiträge weiterer Feldquellen zu veranschlagen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Störbeeinflussungen von Herzschrittmachern vermieden werden können, wenn die magnetischen Immissionen stationärer elektrischer Feldquellen bei 50 Hz unter 10 µT bzw. in Bereichen, in denen Beiträge zusätzlicher Feldquellen nicht zu erwarten sind, unter 15 μT bleiben.
  2. Die Ergebnisse von epidemiologischen Studien über einen möglichen Zusammenhang zwischen Leukämieerkrankungen von Kindern und Magnetfeldexpositionen werden nach wie vor weder durch Laborstudien (in vitro und in vivo) noch durch Wirkungsmodelle unterstützt und sind daher zu wenig gesichert, um Grenzwertregelungen zu rechtfertigen. Die SSK sieht daher in den alleinigen Ergebnissen der epidemiologischen Studien keine geeignete Basis, aufwändige Maßnahmen zu rechtfertigen, um Emissionen um mehrere Größenordnungen zu reduzieren.
  3. Die SSK stellt fest, dass die Bedeutung von ortsfesten Gleichstromanlagen zur Energieversorgung künftig zunehmen wird und derzeit Referenzwerte sowie Grenzwertregelungen für Gleichstrom-Energieversorgungsanlagen fehlen.

3 Empfehlungen der SSK

Die SSK kommt nach Bewertung des aktuellen Wissensstandes zu dem Schluss, dass sich derzeit keine ausreichenden Gründe ergeben, die bestehenden Expositionsgrenzwerte in Frage zu stellen.

Aus den vorliegenden Studien lassen sich insbesondere keine belastbaren Kriterien ableiten, die verringerten Vorsorgewerten zugrunde gelegt werden könnten. Angesichts der bestehenden Unsicherheiten entspricht es jedoch den Grundsätzen des Strahlenschutzes, unnötige Expositionen zu vermeiden bzw. zu minimieren.

Angesichts der steigenden Anzahl von Personen mit aktiven Implantaten sieht die SSK jedoch Handlungsbedarf, Störbeeinflussungssituationen im Alltag durch gerätetechnische und regulatorische Maßnahmen zu verringern bzw. zu vermeiden.

Die SSK bekräftigt ihre Empfehlung aus dem Jahr 2001 [5], die bestehenden Expositionsgrenzwerte nicht völlig auszuschöpfen. Daher sollten Immissionen von ortsfesten Anlagen zur Energieversorgung an Orten, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, deutlich unterhalb der bestehenden Grenzen für die Gesamtexposition gehalten werden. Dies schließt insbesondere auch Wohnbereiche und Räumlichkeiten ein, die für den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Personen der Allgemeinbevölkerung vorgesehen sind.

In Hinblick auf die spezielle Frage, wie viel Exposition eine einzelne ortsfeste Anlage zur Energieversorgung verursachen darf, hat die SSK folgende Empfehlungen beschlossen:

4 Empfehlungen zur Forschung

Die SSK stellt ausdrücklich fest, dass nicht erwartet werden kann, dass weitere epidemiologische Studien der bisherigen Art zur Klärung der Frage eines kausalen Zusammenhanges zwischen Magnetfeldexposition und Kinderleukämie beitragen können.

Wissenschaftliche Begründung zur Empfehlung der Strahlenschutzkommission

1 Feldquellen

Auch wenn das rasche Abklingen mit zunehmender Entfernung von der Quelle berücksichtigt wird, sind Elektrogeräte nach der Stärke der Emission die häufigsten und relevantesten Feldquellen in unserem Alltag. Um die elektrische Energie von den Erzeugungsorten an die Verbraucher weiterleiten zu können, sind darüber hinaus Leitungssysteme erforderlich, die für die Überbrückung längerer Distanzen mit Hochspannung betrieben werden und magnetische und meist auch elektrische Felder erzeugen, die sich über einen größeren Bereich erstrecken können. Im Gegensatz zu Elektrogeräten, die Emissionen nur während vergleichsweise kurzer Zeitabschnitte erzeugen, sind Felder von Energieversorgungssystemen über lange Zeit vorhanden, auch wenn der magnetische Anteil mit den Lastschwankungen variiert.

1.1 Physikalische Grundlagen

Im Gegensatz z.B. zum Temperaturfeld, bei dem sich die Temperaturwerte verschiedener Quellen betragsmäßig addieren, sind sowohl elektrische als auch magnetische Felder Vektorfelder, wie z.B. das Strömungsfeld eines Windes. Dies bedeutet, dass die Feldgrößen nicht nur durch ihren Betrag, sondern auch durch ihre Richtung charakterisiert werden. Bei der Addition der Beiträge verschiedener Feldquellen führt daher die vektorielle Summe der einzelnen Feldbeiträge zu einem Ergebnis, das im Allgemeinen deutlich kleiner ist als es der additiven Summe der Beträge entsprechen würde. Bei Stromleitungen im Haushalt, die aus zwei Drähten bestehen, können sich daher die gegensinnig gerichteten Beiträge der Magnetfelder der Hin- und Rückleitung weitgehend aufheben. Die Kompensationswirkung ist dabei umso besser, je näher die beiden Leitungen aneinander liegen.

Bei Hochspannungsfreileitungen und Hochspannungskabeln wird die elektrische Energie durch ein oder mehrere Leitungssysteme mit jeweils drei Phasenleitern übertragen, wobei die Vektoren der zugeordneten elektrischen und magnetischen Feldgrößen eines Systems gegeneinander so versetzt sind, dass sie sich auch in diesem Fall umso besser aufheben (kompensieren), je geringer die Entfernungsunterschiede der exponierten Stelle zu den einzelnen Leitern sind. Im Nahbereich der Hochspannungsfreileitung sind die unterschiedlichen Entfernungen zu den Leiterseilen nicht mehr vernachlässigbar. Die Größe der auftretenden Felder hängt dann sowohl von der horizontalen Entfernung als auch von der Leiterhöhe und der Leiteranordnung bzw. dem Masttyp ab. Die relativ höchsten Feldwerte treten an der Stelle des größten Durchhanges in Spannfeldmitte unter den Leiterseilen auf. Da die Entfernungsunterschiede umso unbedeutender werden und daher die Kompensationswirkung umso besser wird, je weiter man sich von der Hochspannungsfreileitung entfernt, nehmen die Felder außerhalb der Leitungstrasse sehr rasch, etwa mit dem Quadrat der Entfernung, ab, und der Einfluss der Leiterhöhe verschwindet. Aus diesem Grund werden dann die Unterschiede des Magnetfeldes in Spannfeldmitte (an der Stelle des größten Durchhanges und damit der größten Bodennähe) und in Mastnähe (bei größter Leiterhöhe) vernachlässigbar.

1.2 Netzfrequente Energieübertragung

1.2.1 Elektrische Felder

Elektrische Energie wird in Form der elektrischen Spannung bereitgestellt und diese (und nicht der Stromverbrauch) ist es, die die Stärke des elektrischen Feldes bestimmt. Da die Spannung aus verschiedenen Gründen sehr konstant gehalten wird bzw. werden muss, ist der Betrag der elektrischen Feldstärke keinen zeitlichen Schwankungen ausgesetzt. Auch wenn die Netzfrequenz 50 Hz beträgt, kann es jedoch durch Netzrückwirkungen und Nichtlinearitäten im Stromkreis zum Auftreten zusätzlicher Frequenzen (Oberwellen) kommen. Unter Berücksichtigung der frequenzabhängigen Wechselwirkung mit dem Körper könnten daher bei der biologischen Bewertung der Exposition insgesamt selbst kleine Frequenzanteile Bedeutung erlangen. Der Oberwellenanteil relativ zur Grundwelle wird bei höheren Spannungsebenen geringer.

Bei gleicher Übertragungsleistung sind die elektrischen Übertragungsverluste umso geringer, je höher die elektrische Spannung ist. Aus diesem Grund werden zur Energieübertragung und -verteilung verschiedene Spannungsebenen verwendet:

Die maximal zulässige Betriebsspannung kann um ca. 10 % höher liegen.

Hochspannungsfreileitungen

Die Maximalwerte der elektrischen Feldstärken von Hochspannungsfreileitungen treten an der Stelle des tiefsten Durchhanges (in Spannfeldmitte zwischen zwei Masten) auf. Sie können bis an den Referenzwert und bei älteren Hochspannungsfreileitungen auch darüber hinaus reichen.

Tab. 1: Berechnete maximale elektrische 50 Hz-Feldstärken E" direkt unter 2-systemigen Hochspannungsfreileitungen verschiedener Spannungsebenen für den Bodenabstand h (Wertebereich für verschiedene Mastformen und jeweils ungünstigste Anordnung der Leiterseile der Systeme zueinander) [7].

Nennspannung

kV

h

m

Emax

kV/m

11081,1 - 2,0
220102,2 - 4,1
380104,6 - 6,8

Da elektrische Felder durch elektrisch leitfähige Gebilde (Bäume, Häuser) sehr gut abschirmbar sind, können äußere Feldquellen im Inneren von Wohnungen Feldeinträge verursachen, die bei 50 Hz im Vergleich zu den Werten im Freien um mehrere Größenordnungen abgeschwächt sind.

Hochspannungskabel

In Hochspannungskabeln sind die elektrischen Phasenleiter mit einem elektrisch leitfähigen Schirm umgeben. Dieser verhindert, dass elektrische Felder nach außen austreten können. Bei Hochspannungskabeln treten daher keine Expositionen gegenüber elektrischen Feldern auf. Außer zur Versorgung von Inseln, wo sie im Wasser verlegt sind, werden Hochspannungskabel üblicherweise als Erdkabel ausgeführt.

1.2.2 Magnetische Felder

Magnetische Felder werden von Strömen verursacht. Sie schwanken daher ständig mit dem aktuellen Stromverbrauch, der wiederum von der Anzahl der Abnehmer und der gleichzeitig betriebenen Energieverbraucher abhängig ist. Dies hat wichtige Konsequenzen:

Auch wenn die Netzfrequenz 50 Hz beträgt, kann es durch Netzrückwirkungen von Verbrauchern und Nichtlinearitäten zum Auftreten zusätzlicher Frequenzen (Oberwellen) kommen. Oberwellen des Magnetfeldes sind in der Regel deutlich höher als bei elektrischen Feldern. Ihr Anteil relativ zur Grundwelle nimmt zwar mit zunehmender Nennspannung ab, unter Berücksichtigung der frequenzabhängigen Wechselwirkung mit dem Körper können aber auch hier bei der biologischen Bewertung der Exposition selbst kleine Anteile Bedeutung erlangen.

Hochspannungsfreileitungen

Da Hochspannungsfreileitungen höherer Spannungsebenen in der Regel auch mit dickeren Leiterseilen und/oder Mehrfachleiter-Bündeln ausgeführt sind, steigt die maximale Strombelastbarkeit mit der Spannungsebene an. An der Stelle des tiefsten Durchhanges direkt unterhalb der Freileitung ergeben sich auch im ungünstigsten Lastfall des thermischen Grenzstroms magnetische Induktionen, die bei maximalem Dauerstrom deutlich und selbst beim thermischen Grenzstrom noch unterhalb des Referenzwertes 100 µT bleiben. Die Tabelle 2 enthält maximale Induktionswerte, die für eine Leiterhöhe von 8 m bzw. 10 m für zweisystemige Hochspannungsfreileitungen berechnet wurden (die bei einsystemigen Freileitungen auftretenden Induktionen sind wegen der ungünstigeren Kompensationswirkung tendenziell höher) [6]. Durch die geeignete Wahl der Mastform und bei zweisystemigen Freileitungen auch durch die gegenseitige Leiteranordnung kann eine Herabsetzung der auftretenden Induktionswerte bis auf ca. die Hälfte erreicht werden.

Tab. 2: Maximale magnetische Induktion Bmax pro kA Strombelastung direkt unter 2-systemigen Hochspannungsfreileitungen verschiedener Spannungsebenen für den
Bodenabstand h (Wertebereich für verschiedene Mastformen und jeweils ungünstigste Anordnung der Leiterseile zueinander) sowie maximale Induktion bei typischen
thermischen Grenzströmen Bmax (Ith) [7]

Nennspannung

kV

h

m

Bmax /KA

µT

ID

kA

Bmax (Ith)

µT

110811 - 211 ⋅0,635 *22
2201011 - 202 ⋅1,060 **71
3801013 - 273 ⋅0,6951 ***94
*) Einzelseil
**) Zweierbündel
***) Dreierbündel

Hochspannungskabel

Im Vergleich zu Freileitungen, bei denen zur Isolation ausreichend große Luftstrecken eingehalten werden können, muss bei Hochspannungskabeln die hohe Spannung durch entsprechende Isolationsdicken isoliert werden. Zur Isolation können derzeit Öl, Isoliergas oder Kunststoff verwendet werden.

Während die elektrischen Felder vollständig abgeschirmt werden, können die magnetischen Felder durch das Kabelmaterial und das Erdreich unbeeinflusst nach außen austreten. Da die einzelnen Phasenleiter trotz der getrennten Verlegung im Vergleich zur Hochspannungsfreileitung einen erheblich geringeren Abstand aufweisen, ist die Kompensationswirkung der drei Phasenanteile zwar grundsätzlich besser als bei Freileitungen. Wegen des vergleichsweise geringeren Bodenabstandes (die Verlegetiefen betragen je nach Spannungshöhe ca. 0,7 bis 1,6 m) kann jedoch die magnetische Induktion direkt über der Erdkabeltrasse gleich oder sogar erheblich höher sein als bei Freileitungen gleicher Übertragungsleistung (Abbildung 1). Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich hinsichtlich der seitlichen Abnahme der Magnetfelder: Bereits nach wenigen Metern (z.B. ca. 10 m bei 380 kV-Erdkabelleitungen) sind und bleiben die Induktionen von Erdkabelleitungen wesentlich kleiner als jene einer Freileitung.

Abb. 1: Vergleich der Querprofile der magnetischen Induktionen in 1 m Höhe einer (wegen der geringeren Strombelastbarkeit des Kabels) dreisystemigen 380 kV-Hochspannungs-Kabelverbindung (Verlegetiefe 1,6 m) und einer zweisystemigen 380 kV-Freileitung (Donaumast, Ith = 3,5 kA) mit gleicher elektrischer Übertragungsleistung
von 3,7 GW (Die Ober- und Untergrenze des grauen Bereichs ergibt sich durch die verschiedenen Leiterhöhen zwischen der Stelle des tiefsten Durchhanges und dem größten Bodenabstand an der Mastaufhängung) [28].

1.3 Energieübertragung für den Bahnbetrieb

Für den Betrieb elektrischer Eisenbahnen wird die niedrigere Frequenz 162/3 Hz verwendet. Die Energie wird in gesonderten Kraftwerken erzeugt und über ein einphasiges 110 kV-Bahnstrom-Freileitungsnetz an die Einspeisestellen in die Fahrdrahtleitungen übertragen. Diese werden mit 15 kV Fahrdrahtspannung betrieben. Wegen der einphasigen Systeme ist die Kompensationswirkung der Phasenkomponenten weniger gut als bei dreiphasigen Hochspannungsfreileitungen. Entlang der Bahnstrecken selbst ist die Kompensation der emittierten elektrischen und magnetischen Felder besonders schlecht, weil die Fahrleitung einphasig eingespeist wird und die Rückströme von der Lokomotive über die Schienen ins Erdreich abgeleitet werden. Darüber hinaus verlaufen die im Erdreich fließenden Rückströme über undefinierte Wege auch abseits der Bahnstrecke, kürzen Kurven ab und können somit bahnfrequente Felder auch kilometerweit abseits der Bahnstrecke verschleppen.

Der Stromverbrauch und damit die Magnetfelder hängen von der Anzahl und Art der im Streckenabschnitt zwischen zwei Einspeisestellen fahrenden Züge (Personenzüge, Lastzüge, Zuglänge) und dem Gelände ab. Lokomotiven verursachen beim Anfahren hohe Stromspitzen, die im Rollbetrieb verschwinden. Erst bei Steigungen und Beschleunigungen kommt es neuerlich zu erhöhtem Stromverbrauch. Dies verursacht zeitlich stark schwankende Magnetfelder, die außer dem 162/3 Hz-Anteil der Grundwelle noch weitere Oberwellen enthalten und messtechnisch schwierig zu erfassen sind. Über die Exposition durch Bahnfrequenzen gibt es daher nur vergleichsweise wenige und schwer zu extrapolierende Daten. In einer bayrischen Studie [26] über die personenbezogene Exposition gegenüber 162/3 Hz-Magnetfeldern ergab sich trotz der räumlichen Begrenztheit der Bahnanlagen der Bevölkerungs-Medianwert 1 der über 24 h gemittelten Mittelwerte von 17 nT, bei Anwohnern von 102 nT. In Einzelfällen konnten kurzzeitig maximale Expositionen bis 277 µT festgestellt werden. Da dies bereits außerhalb des Messbereichs des Gerätes lag, konnte auch eine Grenzwertüberschreitung nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt ist die Datenlage zur Exposition gegenüber Magnetfeldern von Bahnanlagen für eine umfassende Beurteilung noch zu gering.

1.4 Gleichspannungs-Energieübertragung

Gleichspannungs-Energieübertragung wird derzeit in größerem Ausmaß zum Betrieb von Bahnanlagen (z.B. Straßenbahn, U-Bahn) verwendet. Darüber hinaus ist in Zukunft für die Übertragung elektrischer Energie über lange Strecken wegen der deutlich niedrigeren Übertragungsverluste auch in Europa die Errichtung von Gleichspannungs-Freileitungen zu erwarten. Da in diesem Fall im Gegensatz zu Wechselspannungs-Freileitungen an den Leiterseilen die Polarität gleich bleibt, bilden sich um die Leiterseile Wolken elektrischer Raumladungen aus. Diese haben einerseits zur Folge, dass die elektrischen Feldstärken (je nach Polarität) bis zu doppelt so groß sein können und dass die Raumladungen mit dem Wind verfrachtet werden und sich die elektrischen Gleichfelder über größere seitliche Bereiche ausdehnen können als bei Wechselspannungs-Freileitungen. Erhöhungen im Vergleich zu Wechselspannungs-Freileitungen ergeben sich sowohl bezüglich der elektrischen als auch der magnetischen Emissionen auch wegen der schlechteren Kompensationswirkung der Zwei-Phasen-Systeme im Vergleich zu den Wechselstrom-Drei-Phasen-Systemen.

Gleichfelder sind grundsätzlich biologisch weniger effizient als Wechselfelder. Dies hat zwei Gründe: Einerseits ist für die Erregung von Nerven- und Muskelzellen durch intrakorporale Stromdichten außer der ausreichenden Amplitude auch eine zeitliche Änderung des Reizes erforderlich, die bei Gleichfeldern naturgemäß fehlt. Andererseits sind die Wechselwirkungsmechanismen, z.B. die Induktion von intrakorporalen Stromdichten, weniger wirksam. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Immissionen unbegrenzt zulässig wären. Derzeit fallen Gleichstromanlagen nicht in den Geltungsbereich der 26. BImSchV. Die bestehenden Grenzwertvorschläge der ICNIRP [3] und der EU [4] sind bezüglich Gleichfeldern uneinheitlich und unvollständig.

Zum Schutz der Allgemeinbevölkerung empfiehlt die ICNIRP einen Basisgrenzwert für von elektrischen und magnetischen Gleichfeldern verursachten intrakorporalen elektrischen Gleichstromdichten von 8 mA/m2. Dieser Wert schützt naturgemäß nicht vor indirekten Effekten elektrischer Gleichfelder, wie z.B. Elektrisierungen durch Entladungsfunken. Referenzwerte für elektrische Gleichfelder fehlen. Für magnetische Gleichfelder liegt der Referenzwert bei 40 mT. Angesichts der zu erwartenden zukünftigen Entwicklung ist es erforderlich, Gleichstromanlagen in die gesetzlichen Regelungen aufzunehmen.

1.5 Expositionen im Haushalt

1.5.1 Kurzzeit-Expositionen

Die Nutzung von Elektrogeräten kann zu mit Abstand höchsten Expositionen gegenüber elektrischen und magnetischen Feldern führen. Sie sind zeitlich wiederkehrend, jedoch im Allgemeinen kurzzeitig. Darüber hinaus sind sie charakterisiert durch inhomogene Feldverteilungen und nicht zuletzt wegen der verstärkten Nutzung der elektronischen Leistungsregelung durch komplexe Mischungen vieler Frequenzen charakterisiert. Da zur gesundheitlichen Beurteilung eine frequenzgewichtete Bewertung erforderlich wäre, sind die bisher in der Literatur publizierten breitbandig gemessenen Effektivwerte für Strahlenschutzüberlegungen nicht (mehr) geeignet. In einer umfassenden Marktstudie [8] an 1146 Elektrogeräten aus 166 verschiedenen Gerätekategorien zeigte sich, dass die Emissionen von Geräten aus 73 untersuchten Kategorien, gemessen mit einer 100 cm2-Sonde an der Geräteoberfläche und jeweils bei Nennlast, den Magnetfeld-Referenzwert bis zu 80fach überschreiten können. Überprüfungen mittels numerischer Dosimetrie [9] ergaben, dass, z.B. bei Küchenmaschinen und Bohrmaschinen, auch der Basisgrenzwert überschritten werden kann. In 16 Gerätekategorien, z.B. bei Küchengeräten, Elektrowerkzeugen und Röhrenfernsehern, wurde der Referenzwert für elektrische Feldstärken bis zu 11fach überschritten [27].

Die SSK hat bereits darauf hingewiesen, dass einzelne Feldquellen den Grenzwert nicht völlig ausschöpfen sollten und sieht Handlungsbedarf zur Reduzierung der Emission von Elektrogeräten.

1.5.2 Durchschnittliche Exposition

Der Medianwert der häuslichen Magnetfeldexpositionen über 24 Stunden ist meist gering. Gestützt auf 1835 Messungen in von Familien mit Kindern bewohnten Wohnungen ergaben sich im Rahmen einer deutschlandweiten Studie [12] in nur 1,5 % der Kinderzimmer über 24 Stunden ermittelte Medianwerte der 50 Hz-Magnetfelder von über 200 nT, in 0,2 % der Kinderzimmer überschritt der Medianwert 400 nT.

Die Ergebnisse der Messungen in Kinderzimmern sind vergleichbar mit Messreihen in anderen westeuropäischen Ländern. Bezüglich des 162/3 Hz-Magnetfeldes lag der 24 Stunden-Medianwert bei 0,7 % der Wohnungen über 200 nT (der Grenzwert beträgt 300 μT). In Nordamerika sind höhere Magnetfelder wegen der nur halb so großen Netzspannung häufiger. In einer vergleichbar angelegten Studie in den USA wurden bei 60 Hz in 9,2 % der Wohnungen über 200 nT und in 0,9 % über 400 nT gemessen [16].

In Deutschland waren Hochspannungsfreileitungen nur zu 29 % für 50 Hz-Magnetfelder über 200 nT verantwortlich [1:2]. In 46 % der Wohnungen waren dies andere Quellen außerhalb des Wohnungsbereichs im Niederspannungsbereich (z.B. Niederspannungs-Erdkabel, Dachständer) und in 2.5 % der Wohnungen wohnungseigene Verursacher, vor allem die hausinterne Elektroinstallation.

In einer repräsentativen, 1952 Erwachsene umfassenden bayrischen Studie [26] wurde der Personenbezogene 24h-Mittelwert der Magnetfeldexposition mit Hilfe von am Körper getragenen Messgeräten ermittelt. Der Medianwert der 50 Hz-Messungen betrug 47 nT. In nur ca. 5 % der Fälle lag er über 300 nT. Eine frequenzgewichtete Summation von Oberwellen wurde jedoch nicht durchgeführt.

2 Biologische Wirkungen

Aufgrund der Kenntnisse über die physikalische Natur der elektrischen und magnetischen Felder kommen für biologische Wechselwirkungen folgende physikalische Mechanismen in Frage [10, 11]:

2.1 Wirkmechanismen

Die Kenntnis der Wechselwirkungsmechanismen ist erforderlich, um Expositionsbedingungen verschiedener Stärke und Frequenz beurteilen und Ergebnisse von Laborexperimenten an nichtmenschlichen Objekten auf äquivalente Expositionsbedingungen eines Menschen übertragen zu können.

Elektrische Wechselfelder

Magnetische Wechselfelder

Elektrische Gleichfelder

Magnetische Gleichfelder

Ähnlich wie bei magnetischen Wechselfeldern wirken Gleichfelder auch über folgende Mechanismen:

2.2 Biologische Studien

2.2.1 Bewertung der SSK

In ihrer Stellungnahme vom Jahr 2001 [5] hat die SSK nach Aktualisierung ihrer vorangegangenen Bewertungen zusammengefasst, dass bezüglich der Exposition gegenüber niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern lediglich in der Frage der kindlichen Leukämie und bei neurodegenerativen Erkrankungen ein wissenschaftlich begründeter Verdacht auf eine mögliche Beeinflussung durch Magnetfeldexpositionen besteht. Dieser Verdacht stützt sich allerdings primär auf Ergebnisse epidemiologischer Studien. In der Zwischenzeit sind weitere epidemiologische Studien veröffentlicht worden. Insgesamt wurde dieser Verdacht nicht entkräftet. Er besteht daher weiterhin.

In Hinblick auf die Erregung von Köperzellen konnte gezeigt werden, dass die Spannweite der Wahrnehmungsschwellen um eine Größenordnung zu niedrigeren Werten neigt als bis vor kurzem angenommen, dass jedoch die bestehenden Grenzwertempfehlungen selbst unter Einbeziehung der interpersonellen Unterschiede in der Allgemeinbevölkerung auch unter Berücksichtigung besonders empfindlicher Personen einen ausreichen Schutz vor Nervenerregung bieten [11,13].

Laborstudien

Um einen quantitativen Überblick über die Datenlage bei Laborstudien zu erhalten, wurden 229 Laborstudien ausgewertet, die der Bewertung der ICNIRP [10] und der WHO [11] zugrunde liegen (Abbildung 2). Die 720 berichteten Einzelergebnisse wurden in Abhängigkeit der Expositionsbedingung und der Expositionsdauer dargestellt, wobei zwischen keinen gefundenen Effekten (n.e.) und Effekten (p.e.) unterschieden wurde.

Während die meisten Wirkungsmechanismen von der Feldgröße direkt abhängen, ist die Induktion von Wirbelströmen auch von der Querschnittsfläche des biologischen Objektes bestimmt. Wenn biologische Untersuchungen an nichtmenschlichen Objekten durchgeführt wurden, wäre daher für durch Induktion verursachte Wirkungen eine Umrechnung im Verhältnis der Querschnittsflächen erforderlich, um die Ergebnisse auf den Menschen übertragen zu können. Dies wurde für die biologischen Endpunkte angewendet, die die Erregung von Nerven- und Muskelzellen betreffen (Wahrnehmung und Beeinflussung des Nervensystems).

Zur Frage von potentiellen genotoxischen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder hat die SSK in ihrer Stellungnahme im Jahr 2007 [15] grundsätzlich festgestellt, dass die wissenschaftliche Untersuchungsmethodik in diesem Bereich durch eine Reihe methodischer Schwierigkeiten gekennzeichnet ist. Diese bestehen auch bei Untersuchungen im Niederfrequenzbereich, sodass auch dort die Studienqualität unterschiedlich gut ist. Eine differenzierte Bewertung wurde jedoch in Abbildung 2 nicht durchgeführt. Da sich Effekte, wie z.B. die Beeinflussung der Gene (Genotoxizität) durch Induktionswirkungen, nicht erklären lassen würden, wurde hier keine Umrechnung auf geänderte Körperquerschnitte durchgeführt; die in Abbildung 2 dargestellten Expositionsstärken entsprechen hier daher den Angaben in der Literatur.

Abb. 2: Zusammenfassung von in 229 Laborstudien über biologische Wirkungen berichteten 720 Einzelergebnissen [28]. Die Exposition für Wahrnehmung und Effekte
des Nervensystems wurde mit dem Verhältnis der Querschnittsfläche der Versuchstiere zu jener des Menschen umgerechnet. Es wurden alle Studien herangezogen,
die der Bewertung der ICNIRP 2003 [10] und/oder der WHO 2007 [11] zugrunde liegen. Um die Vielzahl der Einzelergebnisse mit einer begrenzten Anzahl von
Symbolen darstellen zu können, wurden die untersuchten biologischen Endpunkte gruppiert dargestellt (leere Symbole ... kein Effekt, volle Symbole ... Effekt festgestellt).

   ... Krebs, Karzinogenität
  ... Genotoxizität
   ... endokrines System, Reproduktion, Opioide und Analgesie
  ... Physiologie, kardiovaskuläres System, Blutparameter, Immunsystem
  *... Verhalten, Wahrnehmung, Nervensystem

Insgesamt lassen sich weder hinsichtlich der Expositionsstärke noch bezüglich der Expositionsdauer klare Einsatzschwellen eines Effektes erkennen. Die Abbildung zeigt, dass bei vergleichbaren Expositionsbedingungen Berichte über gefundene Effekte und solche über keine Effekte einander gegenüberstehen. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Sie können z.B. im Untersuchungsdesign, dem verwendeten Untersuchungsobjekt und in stochastischen Einflüssen begründet sein. Es zeigt daher, dass die Ergebnisse sehr widersprüchlich sind und hinsichtlich eines Nachweises von Wirkungen bei Expositionen unterhalb der Grenzwerte nicht belastbar sind. Es lässt sich weder ein potentieller negativer Effekt noch ein durch Expositionsvermeidung erreichbarer potentieller gesundheitlicher Nutzen quantifizieren (Kapitel 4.2).

Epidemiologische Studien

Magnetische Wechselfelder wurden von der International Agency for Research an Cancer (IARC) im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation analysiert und aufgrund der epidemiologischen Studien über Kinderleukämie als mögliches Karzinogen eingestuft [17]. Diese epidemiologischen Studien zeigten zwar konsistente Hinweise auf einen moderaten Zusammenhang zwischen magnetischen Feldern und dem Leukämierisiko bei Kindern. Dies wurde aber nicht als hinreichend angesehen, um auf einen ursächlichen Zusammenhang zu schließen. Gründe sind ernsthafte Bedenken wegen möglicher methodischer Limitierungen der epidemiologischen Studien, die einen Zusammenhang nur statistisch vorgetäuscht haben könnten, und die fehlende Bestätigung durch zell- und tierexperimentelle Forschung.

Besonderes Augenmerk kann zudem auf jene epidemiologischen Ergebnisse gerichtet werden, bei denen das Konfidenzintervall des Risikoschätzers den Wert 1 (Nullrisiko) nicht enthält, die also als statistisch signifikant angesehen werden.

Die Literatur über Magnetfelder und Kinderleukämie ist zahlreich und umfasst eine Vielzahl von Einzelergebnissen, weil Risikoschätzer mit verschiedensten Varianten auch voneinander nicht unabhängigen Expositionsmaßen und Expositionsintervallen berechnet wurden. Einzelne Veröffentlichungen enthalten bis zu 260 Einzelergebnisse. Dabei werden insgesamt über 30 verschiedene Varianten für Expositionsmaße erprobt, z.B. 24 h-Mittel- und/oder Medianwerte im Schlafzimmer und/oder an einer ausgewählten Stelle in der Wohnung, 8 h-Nachtmittel- und/oder Nachtmedianwerte an der Schlafstelle, zeitgewichtete Mittelwerte, zeitlich und räumlich punktuell gemessene Spot-Werte, mit Personendosimetern ermittelte Mittel- und/oder Medianwerte, aus Energieübertragungsdaten berechnete Mittelwerte über einen Zeitraum vor und/oder bei der Diagnose und/oder der Studiendurchführung. Risikoschätzer wurden auch für Expositions-Surrogate ermittelt, z.B. die Anzahl der in der Nähe der Wohnung verlaufenden Elektroleitungen (Wiring Code), der Abstand des Hauses und/oder des Grundstückes von einer Hochspannungsfreileitung, der Umstand, ob sich die Schule eines Kindes im Bezirk befindet, über den eine Hochspannungsfreileitung verläuft, oder die Exposition durch Elektrogeräte (z.B. Fernsehen, Haarfön, Heizdecken).

Eine Gesamtbeurteilung auf Basis der einzelnen Studien ist schwierig, weil die Studien meist nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Aus diesem Grund wurden mehrere dieser Studien in zwei Meta-Analysen ausgewertet. Greenland et al. [18] poolten 15 damals verfügbare Studien zu häuslichen Magnetfeldbelastungen (11 mit gemessenen und 8 mittels Wire Code geschätzten Expositionen) und berichteten ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko von 1,7 bei magnetischen Induktionen über 300 nT. Ahlbom et al. [19] poollten nur die 8 methodisch besseren Studien (klarer Bevölkerungsbezug und mindestens 24 h-Messung oder Langzeit-Magnetfeldschätzung als Expositionserhebung) und beobachteten ein doppeltes Leukämierisiko ab 400 nT, aber nicht darunter. Die Harmonisierung der verwendeten Expositionsschätzung und der Kategorisierung der Exposition führte zu einer deutlicheren Assoziation als die Einzelstudien. Dies legt die Schlussfolgerung einer konsistenten Assoziation nahe, wenngleich im Falle eines Vorliegens eines ähnlichen Bias in den Einzelstudien eine Meta-Analyse den Bias-Effekt verstärken würde. Wie die bayrische Studie über die Magnetfeldexpositionen im Alltag gezeigt hat [26], sind die Expositionswerte bei personenbezogener Ermittlung grundsätzlich höher als die in epidemiologischen Studien verwendeten ortsbezogenen Expositionsschätzungen. Der Unterschied kann mehr als das 2fache betragen.

Kritisch anzumerken ist, dass selbst in den methodisch besseren Studien der Einfluss eines Bias nicht ausgeschlossen werden kann. Die aufwändige Messmethodik dieser Studien wurde nämlich begleitet durch eine jeweils schlechte Teilnahmerate, die insbesondere bei den Familien nicht erkrankter Kinder mit dem Bildungsniveau der Eltern zusammenhing. Da in diesen Studien die erfassten sozial schwächeren Familien häufiger in Mehrfamilienhäusern oder Wohnblocks wohnten und gerade in diesen Häusern überdurchschnittlich hohe Magnetfelder auftraten [12], ist eine Überschätzung des Zusammenhangs wahrscheinlich (Selektionsbias). Ob die Überschätzung aber so stark ist, dass der gesamte Zusammenhang auf einen Selektionsbias zurückzuführen ist, bleibt umstritten. Für eine ausführlichere Diskussion methodischer Einflüsse auf die Ergebnisse sei auf die entsprechende Literatur verwiesen [20].

Neuere Einzelstudien haben an diesem Gesamtbild nichts verändert. Dementsprechend stellten die WHO, die ICNIRP und die EU übereinstimmend fest, dass die Einstufung der IARC von magnetischen Feldern als mögliches Karzinogen unverändert Bestand hat und sich die Evidenz weder erhärtet noch verringert hat [10, 11, 21].

2.2.2 Internationale Bewertungen

WHO

Die WHO hat in ihrer Bewertung vom Jahr 2007 [11] einen konkreten quantitativen Bezug zu Expositionsstärken vermieden. Sie kommt zu dem Schluss, es gäbe

Hinweise auf Zusammenhänge mit sonstigen Krebserkrankungen bei Kindern oder Erwachsenen, sowohl alleine als auch im Zusammenwirken mit anderen Kanzerogenen, werden weiterhin als inadäquat eingestuft. Insgesamt wurde durch die zwischenzeitlichen Studien an Menschen, Tieren und Zellen die Einstufung der Magnetfelder durch IARC als möglicherweise karzinogen nicht geändert.

Die Annahme, chronische Expositionen gegenüber Magnetfeldern über 0,3 - 0,4 μT wären ein Leukämierisiko, beruhe lediglich auf Ergebnissen epidemiologischer Studien, während dieser Befund durch Laborstudien und Wechselwirkungsmechanismen nicht gestützt würde. Angesichts dieses Umstandes und der Unsicherheit epidemiologischer Ergebnisse, die durch Probleme bei der Auswahl von Kontrollgruppen und der Expositionsklassifikation bestehen, werden die Ergebnisse als nicht belastbar für einen Nachweis der Kausalität gesehen. Die WHO stuft sie jedoch als ausreichend für "Besorgnis" ein.

Die WHO betont ferner, dass Grenzwerte vor wissenschaftlich gesicherten, gesundheitsschädlichen Effekten schützen sollten. Angesichts der Unsicherheit über die Existenz chronischer Wirkungen sei jedoch Vorsorge gerechtfertigt. Diese sollte jedoch kein Grund sein, die Grenzwerte auf einen willkürlichen Wert zu reduzieren, weil dies die wissenschaftliche Basis der Grenzwerte unterminieren würde und wahrscheinlich ein teurer und nicht notwendigerweise effektiver Weg wäre, um zu schützen.

Zur Vorsorge werden geeignete Maßnahmen zur Reduzierung der Exposition als gerechtfertigt angesehen. Angesichts ihres ungewissen Nutzens sollten die Kosten solcher Maßnahmen jedoch sehr gering sein.

ICNIRP

Die Richtlinien zur Begrenzung elektrischer und magnetischer Felder wurden von der International Commission an Nonionizing Radiation Protection (ICNIRP) im Jahr 1998 publiziert. Gegenwärtig sind diese Richtlinien in Überarbeitung, eine Neufassung ist geplant. Die ICNIRP hat jedoch im Jahr 2003 eine umfassende Zusammenstellung der wissenschaftlichen Literatur vorgenommen [10].

Darin kommt sie zu folgender Beurteilung (übersetzte Zitate):

IARC

In ihrer Bewertung des möglichen Krebsrisikos für Menschen unterscheidet die IARC grundsätzlich 5 verschiedene Gruppen:

Gruppe 1: Karzinogene: Es besteht ausreichende Evidenz für die Karzinogenität, entweder direkt gestützt auf Humanergebnisse oder abgeleitet von Tierexperimenten, mit starker Evidenz für eine kanzerogene Wirkung über einen relevanten Mechanismus auch am Menschen.
Gruppe 2A:Vermutliche Karzinogene: In diesem Fall besteht begrenzte Evidenz für eine Karzinogenität beim Menschen, aber eine ausreichende Evidenz aus Tierstudien.
Gruppe 2B:Mögliche Karzinogene: In diesem Fall besteht begrenzte Evidenz für eine Karzinogenität beim Menschen und eine nicht ausreichende Evidenz aus Tierversuchen. Im Fall unzureichender Evidenz für die Karzinogenität beim Menschen und begrenzte Evidenz aus Tierversuchen ist dennoch eine Einstufung in diese Gruppe möglich, wenn dies durch andere relevante Ergebnisse unterstützt wird.
Gruppe 3:Nicht klassifizierbar: In diesem Fall besteht unzureichende Evidenz der Karzinogenität für Menschen und unzureichende oder begrenzte Evidenz aus Tierversuchen.
Gruppe 4:Vermutlich nicht karzinogen: In diesem Fall gibt es Evidenz, die das Fehlen von Karzinogenität in Menschen und Tieren nahelegt.

Aufgrund der Bewertung der vorliegenden experimentellen und epidemiologischen Studien und unter Berücksichtigung des Wissens über mögliche Wirkungsmechanismen kommt die IARC bezüglich der Exposition gegenüber niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern zu folgender Bewertung:

Niederfrequente Magnetfelder werden in die Gruppe 2B als möglicherweise karzinogen für Menschen eingeteilt. Dies wird gestützt auf

Bezüglich einer Kanzerogenität niederfrequenter elektrischer Felder gibt es keine relevanten Daten aus Tierversuchen.

3 Elektronische Implantate

Der Anteil von Patienten mit elektronischen Implantaten (z.B. Herzschrittmacher und implantierte Cardioverter-Defibrillatoren) nimmt in der Allgemeinbevölkerung erheblich zu. In Deutschland weist das Zentralregister für Herzschrittmacher einen mehr als 3fachen Anstieg von jährlichen Erstimplantationen von 21000 im Jahr 2001 auf 65500 im Jahre 2005 aus (Abbildung 3).

Abb. 3: Jährliche Herzschrittmacher-Erstimplantationen in der Bundesrepublik (nach Daten des Herzschrittmacher-Registers)

Der Prozentsatz der Patienten, deren Schrittmacher überlebensnotwendig ist, liegt bei ca. 40 %. Patienten sind bereits unter 10-jährige (0,2 %), ca. 6 % der Patienten sind jünger als 60 Jahre, der größte Anteil mit ca. 39 % entfällt auf die Altersgruppe der 70- bis 80-jährigen. Im Körper verbleiben Herzschrittmacher im Mittel ca. 8,5 Jahre, wobei jedoch ca. 12 % auch länger als 12 Jahre funktionsfähig bleiben [33]. Dies ist der Grund, weshalb technische Verbesserungen der Störfestigkeit nur mit großer Verzögerung für Strahlenschutzbetrachtungen relevant werden. Die Entwicklung der Herzschrittmachertechnologie von störunempfindlichen festfrequenten zu bedarfsgesteuerten (getriggerten oder inhibierten) und in letzter Zeit auch zu den sich physiologischen Bedürfnissen anpassenden frequenzadaptierenden Modellen haben die Herzschrittmacherfunktion von elektrischen Eingangssignalen abhängig und damit auch gegenüber Störbeeinflussungen von außen empfindlicher gemacht.

Es werden vier Grundtypen von Herzschrittmachern bzw. Herzschrittmacher-Betriebsarten unterschieden:

Inhibierte (Demand-) Herzschrittmacher:

Diese überwachen mit Hilfe einer Seinsing-Elektrode die Herztätigkeit. Die Impulsabgabe wird dabei durch vorhandene Herzerregungen gestoppt. Erst wenn das Herzsignal (EKG) länger als die programmierte Toleranzzeit ausbleibt, werden Stimulationsimpulse abgegeben. Das Vortäuschen einer Herzaktion durch ein induziertes Störsignal könnte daher in den Zeitintervallen, in denen gleichzeitig die eigene Herztätigkeit unterbleibt, zur Blockierung der Stimulation führen.

Getriggerte Herzschrittmacher:

Diese erfassen mit Hilfe einer Sensing-Elektrode die Herztätigkeit funktionierender Herzbereiche, z.B. des Vorhofs, und geben, von deren Erregung getriggert, den Stimulationsimpuls in den anderen Herzbereich, z.B. die Herzkammer, ab. Das Vortäuschen einer Herzaktion durch ein induziertes Störsignal könnte daher eine ständige Triggerung bewirken, weshalb sich die Impulsabgabe des Schrittmachers bis zur Sicherheitsgrenze (Hochlaufschutz) beschleunigt.

Festfrequenter (asynchroner) Herzschrittmacher:

Dieser Herzschrittmacher stimuliert mit einer fest vorgegebenen Rate, ohne auf die physiologischen Erfordernisse Rücksicht zu nehmen. Da seine Funktion auf kein Eingangssignal angewiesen ist, ist dieser Typ störunempfindlich. Erkennt der Herzschrittmacher eine Störsituation (z.B. aufgrund unphysiologisch großer Eingangssignale), schaltet er (reversibel) auf die asynchrone Sicherheits-Betriebsart um. Eine Umschaltung auf den festfrequenten Betrieb ist auch zu Überprüfungszwecken vorgesehen. Dazu wird ein Permanentmagnet auf die Implantationsstelle aufgelegt. Das magnetische Gleichfeld betätigt dann im Herzschrittmacher ein Reed-Relais, das die (reversible) Umschaltung auf den asynchronen Betriebsmodus vornimmt.

Programmierbare Herzschrittmacher:

Bei diesen Herzschrittmachern lassen sich die Betriebsarten induktiv auch nach der Implantation programmieren. Die Verwendung voll programmierbarer DDD-Herzschrittmacher ist seit 1983 von 4 % nahezu linear auf 62 % im Jahr 2005 gestiegen [33]. Bei einer Störbeeinflussung ist eine Umprogrammierung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Im Gegensatz zu anderen Störsituationen bleibt der geänderte Zustand auch nach der Störsituation erhalten.

Dies bedeutet, dass Störsignale aufgrund von elektrischen, magnetischen oder elektromagnetischen Interferenzen vorübergehende (reversible) oder auch bleibende Funktionsstörungen verursachen können, die von vorübergehender Umschaltung in einen festfrequenten Sicherheitsmodus bis hin zur bleibenden Umprogrammierung und zum Geräteausfall reichen können. Dabei kommt es nicht nur auf den lokalen Feldstärkewert am Ort des Herzschrittmachers an, sondern auch auf die Feldverteilung innerhalb des Thoraxbereiches.

Störbeeinflussungen

Herzschrittmacher können je nach ihrer Empfindlichkeit in "angemessen störfest", "eingeschränkt störfest" und "störempfindlich" eingeteilt werden [23]. Bei einer Sensing-Schwelle von ca. 0,2 mV ergibt sich für eine angepasste Elektrodenlänge und eine angenommene wirksame Induktionsfläche von 225 cm2 eine Störbeeinflussung durch 50 Hz-Felder ab 28 µT. In der Praxis kann die Induktionsfläche, z.B. bei Umwickeln des Generators mit dem überlangen Elektrodenstück, größer sein und bei linkspektoraler Implantation sogar bis 315 cm2 groß werden [23]. Zur Verbesserung der Störfestigkeit werden in den letzten Jahren bevorzugt bipolare Herzschrittmacherelektroden verwendet. Waren es im Jahr 1991 noch 18 % ventrikuliäre und 39 % atriale Bipolar-Elektroden, so ist der Prozentsatz bis zum Jahr 2005 auf 87 % bzw. 98 % gestiegen [33]. Angesichts der Mobilität von Personen (Touristen und Arbeitnehmer) können die Ergebnisse jedoch nicht verallgemeinert werden, sodass für Schutzüberlegungen weiterhin von der Störempfindlichkeit monopolarer Elektrodenanordnungen ausgegangen werden muss.

Die Herzschrittmacherbestimmungen [25] sehen vor, dass die Herzschrittmacherfunktion durch statische Felder bis 1 mT nicht beeinflusst werden darf. Um eine unbeabsichtigte Umschaltung sicher zu vermeiden, sollten unbeabsichtigte Expositionen gegenüber statischen Magnetfeldern 500 µT nicht überschreiten.

Störbeeinflussungen sind nicht nur durch Feldquellen der Energieerzeugung und -verteilung, sondern auch bei Anwendung elektrischer Geräte möglich. Die bestehenden Grenzwertempfehlungen und Festlegungen schließen den Schutz vor Störbeeinflussungen durch elektromagnetische Felder nicht ein. Störbeeinflussungen elektronischer Implantate sind daher innerhalb der zulässigen Expositionsgrenzwerte möglich und daher im Alltag nicht selten. Von 1567 befragten Herzschrittmacherpatienten gaben über 89 % an, schon elektromagnetische Störbeeinflussungen verspürt zu haben, ca. 30 % in Verbindung mit niederfrequenten Feldquellen [29]. Langzeit-EKG-Überwachungen haben ergeben, dass im Alltag in 26 % von 231 überwachten Patienten Tachykardien auftraten, bei 10 % der Patienten erreichten diese gesundheitsschädliche Formen mit anhaltenden Stimulationsraten über 180 min-1[22]. Angaben über konkrete Verursacher fehlen.

Irnich [32] fand bei ca. 5 % von 1000 untersuchten Herzschrittmachern eine Störbeeinflussungsschwelle von unter 1 mV. Experimentell wurde an Modellen das erste Auftreten von Schrittmacher-Fehlfunktionen bei Exposition gegenüber von 50 Hz-Magnetfeldern je nach Implantationsart zwischen 16 µT und 552 µT für Störschwellen von 1 mV bei atrialem und 2 mV bei ventrikulärem Sensing gemessen [30]. Die Induktionsflächen lagen dabei je nach Implantationsort zwischen 100 cm2 und 210 cm2. Bei einer Sensing-Schwelle von 0,2 mV ergibt sich für eine angepasste Elektrodenlänge und eine angenommene wirksame Induktionsfläche von 225 cm2 eine Störbeeinflussung durch 50 Hz-Felder ab 28 µT. In der Praxis kann die Induktionsfläche, z.B. bei Umwickeln des Generators mit dem überlangen Elektrodenstück, größer sein und bei linkspektoraler Implantation sogar bis 315 cm2 groß werden [23], womit sich die Störbeeinflussungsschwelle auf 20 µT verringert (für 162/3 Hz-Magnetfelder wären wegen der geringeren Induktionswirkung 3-fach höhere Werte erforderlich). Da im Alltag insbesonders im Wohnbereich zusätzlich mit weiteren (auch mobilen) Feldquellen gerechnet werden muss, sollte der Expositionsspielraum bis zur Störschwelle von einer einzigen Feldquelle nicht zur Gänze ausgeschöpft werden.

Angesichts der Konservativität der Annahmen erachtet es die SSK als ausreichend, von der unteren Störbeeinflussungsgrenze 16 µT einen Abstand von einem Drittel für die Beiträge weiterer Feldquellen zu veranschlagen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Störbeeinflussungen von Herzschrittmachern vermieden werden können, wenn die magnetischen Immissionen stationärer elektrischer Feldquellen bei 50 Hz unter 10 µT bzw. in Bereichen, in denen Beiträge zusätzlicher 50 Hz-Feldquellen nicht zu erwarten sind, unter 15 µT bleiben.

Elektrische Felder besitzen aufgrund der von ihnen verursachten intrakorporalen Potentialunterschiede ebenfalls ein Störbeeinflussungspotential. Zur Abschätzung ihres Einflusses wird davon ausgegangen, dass über eine Distanz von 25 cm zwischen Herzschrittmacher und Elektrodenspitze eine Störspannung abgegriffen wird, die ab ca. 5 kV/ m äußerer Feldstärke zu einer Störbeeinflussung führen könnte [24]. Experimentelle Untersuchungen mit Expositionen gegenüber elektrischen 50 Hz-Feldern ergaben Störbeeinflussungen ab Feldstärken bereits im Bereich zwischen 1,7 kV/m und 8,7 kV/m [31]. Da elektrische Felder durch leitfähiges Material leicht abschirmbar sind, können Feldquellen stationärer externer elektrischer Energieversorgungsanlagen im Wohnbereich keine störrelevanten elektrischen Felder verursachen. Wegen der Schirmwirkung leitfähiger Materie sind elektrische Felder nur bei sichtbaren Feldquellen von Energieversorgungsanlagen, z.B. direkt unter Hochspannungsleitungen, relevant. Da Expositionen durch nicht sichtbare Feldquellen daher nicht anzunehmen sind, können zu Magnetfeldern analoge Regelungen unterbleiben.

Die Herzschrittmacherbestimmungen [25] sehen vor, dass die Herzschrittmacherfunktion durch statische Felder bis 1 mT nicht beeinflusst werden darf. Um einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu gewährleisten, wird z.B. bei Errichtung und Betrieb von medizinischen Magnetresonanz-Tomografen den Herzschrittmacherpatienten der Zutritt zu Feldbereichen über 500 µT untersagt.

Da Störbeeinflussungen im Alltag derzeit nicht auszuschließen sind, sieht das Medizinproduktegesetz vor, dass ein Patient mit implantierten elektronischen Geräten im Erkennen und Vermeiden von Störbeeinflussungssituationen zu unterrichten ist. Zusätzliche vorbeugende Maßnahmen sind jedoch in jenen Fällen angebracht, in denen ein Patient die Störquelle nicht erkennen kann, wie dies z.B. bei in der Erde verlegten Hochspannungskabeln der Fall ist, oder in denen er aufgrund seines Allgemeinzustandes nicht mehr in der Lage ist, sich adäquat zu verhalten.

4 Vorsorge

4.1 Internationale Regelungen

Nach den Mitteilungen der EU-Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips [6] ist vorgesehen, dass bei ausreichendem wissenschaftlichem Verdacht Maßnahmen bereits auch dann gerechtfertigt sind, wenn noch nicht alle erforderlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Maßnahmen effizient, verhältnismäßig, nichtdiskriminierend und kohärent (d.h. konsistent mit bereits in ähnlichen Fällen getroffenen Maßnahmen) sind. Dabei müssen die Vor- und Nachteile sowohl der Durchführung als auch der Unterlassung einer Maßnahme abgewogen werden.

Unter Verweis auf das Vorsorgeprinzip haben einige Länder in Ergänzung zu den Expositionsgrenzwerten Regelungen erlassen, die den Beitrag von ortsfesten Feldquellen zur Gesamtexposition (maximaler Immissionswert) in Bereichen mit längerem Aufenthalt begrenzen. Diese Regelungen beziehen sich entweder auf die Errichtung der Quellen und/oder die Errichtung von Neubauten in der Nähe von Feldquellen (Tabelle 3). Quantitative Begründungen für diese Regelungen werden nicht angegeben, in den Niederlanden wird auf die epidemiologischen Studien über Kinderleukämie Bezug genommen.

Tab. 3: In Ergänzung zu den Expositionsgrenzwerten beschlossene nationale Regelungen zur Begrenzung der Immissionsbeiträge durch einzelne ortsfeste Feldquellen

LandImmissionswert

50 Hz

Bereich
Niederlande0,4 µT 3Bereiche mit längerem Aufenthalt von Kindern
SchweizI µTOrte mit empfindlicher Nutzung
Israel1 µT 

Italien
10 µTBereiche mit Aufenthaltsdauern > 4h/d
3 µTBereiche mit dauerndem Aufenthalt
Irland16 µT (22 m)Schulen oder Wohnhäuser

Aufgrund der übereinstimmenden Bewertungen der ICNIRP und der WHO gibt es keine belastbaren Ergebnisse über gesicherte Gesundheitsrisiken unterhalb der bestehenden Grenzwerte. Die WHO sieht jedoch geeignete Vorsorgemaßnahmen zur Reduzierung der Exposition als gerechtfertigt an. Angesichts ihres ungewissen Nutzens sollten die Kosten solcher Maßnahmen sehr gering sein [11].

4.2 Quantitative Abschätzung

Als Grundlage für quantitative Vorsorgeüberlegungen können verschiedene Ansätze herangezogen werden.

Abb. 4: Häufigkeitsverteilung von insgesamt 720 positiven (dunkle Balken) und negativen Ergebnissen (weiße Balken) jener Laborstudien über mögliche biologische
Wirkungen niederfrequenter Magnetfelder, Klassengröße jeweils eine Dekade, die der Bewertung der ICNIRP [10] und der WHO [11] zugrunde gelegt wurden [28].

Abbildung 4 zeigt trotz des anzunehmenden Publication-Bias, dass zunächst bei kleinen Expositionen die Anzahl. der negativen Ergebnisse überwiegt. Ab 5 ET bis ca. 1 mT tritt der Gleichstand mit annähernd gleicher Häufigkeit positiver und negativer Ergebnisse ein, der bis über 100 µT erhalten bleibt. Nach diesem Zwischenbereich überwiegt bei Expositionen über 1 mT die Anzahl der positiven Ergebnisse. In diesem Bereich werden auftretende Effekte zunehmend durch gesicherte Wechselwirkungsmodelle erklärbar. Ein quantitativ bewertbarer gesundheitlicher Nutzen einer Einführung von niedrigen Vorsorgewerten lässt sich jedoch aus der Zusammenstellung nicht ableiten.

Die Darstellung in Abbildung 4 stellt lediglich eine Übersicht über die Datenlage dar und ist nicht geeignet, die für Grenzwertüberlegungen unverzichtbare differenzierte Bewertung der einzelnen Studien und der Gesundheitsrelevanz der berichteten Effekte zu ersetzen; ebenso wenig kann aus der Bilanzierung von positiven und negativen Effekten zwingend auf die Existenz oder das Fehlen eines Effektes an sich geschlossen werden.

Spezifische wissenschaftliche Untersuchungen über biologische Wirkungen magnetischer Felder von Bahnanlagen fehlen weitgehend. Da bei den meisten der in Abbildung 2 zusammengefassten biologischen Endpunkte nicht angenommen werden kann, dass sie auf die Induktion von Wirbelströmen zurückzuführen sind, wird in einem konservativen Ansatz angenommen, dass bahnfrequente 162/3 Hz-Magnetfelder vergleichbar wirksam sind wie netzfrequente 50 Hz-Magnetfelder. Magnetfeldimmissionen im Bahnbereich sind jedoch durch starke Amplitudenschwankungen ausgezeichnet und weisen daher ein breiteres Frequenzspektrum auf.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass auch nach Bewertung der neueren wissenschaftlichen Literatur keine wissenschaftlichen Erkenntnisse in Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen der Gesundheit durch niederfrequente elektrische und magnetische Felder vorliegen, die ausreichend belastbar wären, um eine Veränderung der bestehenden Grenzwertregelung der 26. BImSchV und der Grenzwertempfehlung der EU-Ratsempfehlung zu rechtfertigen. Es ergeben sich auch keine ausreichenden Gründe, um die Einführung zusätzlicher verringerter Vorsorgewerte zu empfehlen.

Literatur

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[4] EU Rat (1999): Empfehlung zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz-300 GHz). Ratsempfehlung 1999/519/EG
[5] SSK (2001): Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern. Gustav Fischer, Stuttgart
[6] Mitteilungen der EU-Kommission (2000): Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips. COM(2000)1, Brüssel
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[19] Ahlbom, A. et al. (2000): A pooled analysis of magnetic fields and childhood leukaemia. Br J Cancer 83:692-8
[20] Schüz, J. (2007): Implications from epidemiologic studies on magnetic fields and the risk of childhood leukemia on protection guidelines. Health Phys. 92:642-8
[21] Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR) (2007): Possible effects of Electromagnetic Fields (EMF) an Human Health.
European Commission, Bruxelles [http://ec.europa.eu/health/ph_risk/committees/04-scenihr/docs/ scenihr-o-007.pdf]
[22] Gradinger, R. (2004): Ventrikuläre Tachyarrhythmien und der plötzliche Herztod bei Patienten nach Herzschrittmacherimplantation. Dissertation, Univ. Freiburg
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[24] Pinski, S. L., Trohman, R. G. (2002): Interference in implanted cardiac Devices, Part L J. Pacing Clin. Electrophys: 25:1367-1381
[25] EN 45502-2-1 (2003): Aktive implantierbare medizinische Geräte. Teil 2-1: Besondere Festlegungen für aktive implantierbare medizinische Geräte zur Behandlung von
Bradyarrythmie (Herzschrittmacher)
[26] Brix, J., Matthes, R., Scheel, 0., Wettemann, H. (2005): Erfassung der niederfrequenten magnetischen Exposition der Bürger in Bayern.
Umwelt und Entwicklung Band 134, BStMLU, München
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[28] Leitgeb, N.: bisher unveröffentlichte Ergebnisse
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[32] Irnich, W. (1984): Interference in pacemakers. PACE 7:1021-1048
[33] Markewitz, A. (2005): Jahresbericht 2005 des Deutschen Herzschrittmacher-Registers. www.pacemaker-register.de

___________
1) Der Median beschreibt eine Grenze zwischen zwei Hälften; im genannten Fall bedeutet ein Medianwert von z.B. 200 nT, dass jeweils die Hälfte der Messwerte der Messung über
24 Stunden oberhalb und unterhalb dieses Wertes lag bzw. dass das Magnetfeld höchstens 12 Stunden kleiner als 200 nT und höchstens 12 Stunden größer als 200 nT war.
2) Die ICNIRP verwendet (auch) in [10] den Begriff "elektromagnetische Felder" undifferenziert auch im Niederfrequenzbereich, in dem elektrische und magnetische Felder getrennt
zu betrachten und zu benennen wären. Sie verwendet den Begriff selbst in Fällen, in denen sie lediglich Magnetfelder meint. Der SSK ist bewusst, dass dies physikalisch nicht korrekt
ist, dennoch wurde diese Terminologie in diesem Unterkapitel beibehalten, um nahe am Originaltext zu bleiben.
3) Im Gegensatz zu der in der 26. BImSchV vorgesehenen Beurteilung bei höchster Auslastung wird dieser Wert bei nur 30 %iger Auslastung ermittelt.
4) Im Sinne des Nichtdiskriminierungsgebotes bei Vorsorgemaßnahmen wären ähnliche Vorgaben auch für die Niederspannungsversorgung und andere Feldquellen, z.B. die Hausinstallation, vorzusehen.

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