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Elektromagnetische Verträglichkeit
Reaktor-Sicherheitskommission und der Strahlenschutzkommission
- Empfehlungen der Strahlenschutzkommission -
Vom 29. Januar 2004
(BAnz. Nr. 30 vom 13.02.2004 S. 2532)
Nach § 11 Abs. 3 der Satzung der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) vom 22. Dezember 1998 (BAnz. 1999 S. 201) wird als Ergebnis der Beratungen der 352. Sitzung der RSK vom 13. Juni 2002 die nachstehende Empfehlung bekanntgegeben (Anlage).
Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)
Nachweisführung der EMV der Leittechnik in kerntechnischen Anlagen
1. Beratungsauftrag und Vorgehensweise
In der 142. Sitzung des RSK-Ausschusses Elektrische Einrichtungen am 17. Oktober 2001 berichtete der Sachverständige TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb GmbH über verschiedene Aspekte der EMV-Problematik und stellte den EMV-Leitfaden "Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), Nachweis der EMV in atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsverfahren" der TÜVe und das EMV-Lastenheft "Nachweisführung elektromagnetische Verträglichkeit für Altsysteme der Leittechnik" der VGB vor [1, 2]. Im Zuge der Beratung wurde festgestellt, dass hinsichtlich der EMV-Problematik keine Regeln oder Richtlinien existieren, die die Qualifizierung, Nachweisführung und Prüfung hinsichtlich elektromagnetischer Verträglichkeit für elektrische Einrichtungen speziell in kerntechnischen Anlagen beschreiben. Nach Ansicht des Ausschusses solle geprüft werden, ob das Vorgehen der Nachweisführung der EMV nach dem EMV-Leitfaden der TÜVe und dem EMV-Lastenheft der VGB als sachgerecht empfohlen werden kann. Das BMU unterstützt dieses Vorhaben und bat den Ausschuss um eine diesbezügliche Empfehlung.
In der 143. Sitzung des RSK-Ausschusses Elektrische Einrichtungen am 5. Dezember 2001 berichtete die VGB zu dem EMV-Lastenheft [3]. In der 146. Sitzung des RSK-Ausschusses Elektrische Einrichtungen am 27. März 2002 verabschiedete der Kusschuss den Entwurf/Empfehlung zur Vorlage für die RSK. Die RSK hat in ihrer 352. Sitzung am 13. Juni 2002 diese Empfehlung abschließend beraten.
2. Sachverhalt
Der Sachverständige führte aus, dass auf internationaler Ebene nur in Form eines IEC-Reports mit informativem Charakter veröffentlicht wurde.
Zur Vereinheitlichung von Rechtsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten wurde das europäische EMV-Gesetz ("EMC Directive 89/336/EWG" vom Mai 1989) erlassen. Dabei stand jedoch die Beseitigung von Handelshemmnissen im Vordergrund. In Deutschland wurde dieses Gesetz durch das Deutsche EMV-Gesetz (EMVG) in nationales Recht umgesetzt und ist in der jetzigen Fassung vom 18. September 1998 gültig. Das EWG bietet jedoch keine Unterstützung für den EMV-Nachweis in atomrechtlichen Verfahren. Die grundsätzlichen Aspekte von EMV-Prüfungen in AtG-Verfahren beinhalten:
Insgesamt fehlte eine Strategie zur Prüfung der EMV in atomrechtlichen Verfahren. Dies führte beim TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb GmbH zur Erarbeitung des EMV-Leitfadens. Der Facharbeitskreis Leit- und Elektrotechnik (FAK LE) des VdTÜV (Leitstelle Kerntechnik) bildete den Arbeitskreis "EMV", der am 31. März 1998 den EMV-Leitfaden abschließend verabschiedete und in den TÜVIS-Prüfgrundlagen veröffentlichte.
Nach dem TÜV-Leitfaden werden für den Nachweis der EMV in atomrechtlichen Verfahren im Wesentlichen drei sicherheitstechnische Einstufungen von Änderungen vorgenommen, die eine unterschiedliche Prüftiefe des EMV-Nachweises erfordern. Detaillierte EMV-Prüfberichte, in denen die Prüfbedingungen dargestellt sind und anhand deren die Einhaltung der in der EMV-Analyse festgelegten Werte nachvollzogen werden können, müssen vorgelegt werden, wenn Änderungen an elektrischen Einrichtungen des Sicherheitssystems der Kategorien 1, 2 und grundsätzlich der Kategorie 3 gemäß RSK-Leitlinien vorgenommen werden sowie neue Anlagen und Anlagenteile mit elektrischen Einrichtungen des Sicherheitssystems errichtet werden. Bei Änderungen an betrieblichen elektrischen Einrichtungen sind EMV-Nachweise im atomrechtlichen Verfahren nicht notwendig oder erfordern lediglich Herstellererklärungen über Prüfungen der Störaussendung und der Störfestigkeit. Die letztgenannte Vorgehensweise ist in Einzelfällen auch auf Einrichtungen der Kategorie 3 gemäß RSK-Leitlinien anwendbar, wenn die sicherheitstechnische Bedeutung dieser Einrichtungen als gering bewertet wird.
Nach dem prinzipiellen Ablauf eines anlagenspezifischen EMV-Nachweises werden zuerst die elektromagnetischen Anforderungen anlagenspezifisch aus den Umgebungsbedingungen am Einsatzort ermittelt (EMV-Analyse) oder die Standard-Anforderungen aus den EMV-Fachgrundnormen für den Industriebereich sowie spezielle Zusatzanforderungen übernommen. Auf Basis der v. g. Daten wird ein EMV-Prüfplan erstellt und anschließend die EMV-Prüfungen durchgeführt. Abschließend werden die Ergebnisse des EMV-Prüfberichts im Rahmen des AtG-Verfahrens bewertet.
Das EMV-Lastenheft "Nachweisführung Elektromagnetische Verträglichkeit für Altsysteme der Leittechnik" der VGB beschreibt eine EMV-Analyse. Die Analyse stützt sich auf einen Plausibilitätsnachweis und EMV-Prüfungen (bzgl. Stoßspannungsfestigkeit) für die in den Anlagen in Betrieb befindlichen "Altsysteme der Leittechnik" (betrifft alle von Siemens KWU in Deutschland errichteten Kernkraftwerke). Nach Auskunft der VGB führten ursprünglich Planungen zur Ertüchtigung von Blitzschutzmaßnahmen im Kernkraftwerk Biblis (KWB) in der Folge zu der Erstellung des EMV-Lastenheftes. Im weiteren Verlauf sei die Nachweisführung auf alle elektromagnetischen Beeinflussungen nach einem strukturierten Vorgehen ausgeweitet und in dem Lastenheft formuliert worden. Nach Ansicht des Sachverständigen bietet auch bei Nachrüstungen neuer Leittechnik die Beschreibung der elektromagnetischen Umgebung im EMV-Lastenheft eine gute Basis für detaillierte EMV-Betrachtungen.
Das EMV-Lastenheft wurde erstmals durch die VGB über KRB II in ein atomrechtliches Verfahren 1998 eingespeist. TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb GmbH erstellte daraufhin eine anlagenübergreifende gutachterliche Stellungnahme für die deutschen Kernkraftwerke mit Hinweisen für anlagenspezifische Stellungnahmen. 1999 erfolgte eine Abstimmung der anlagenübergreifenden Stellungnahme mit den anderen kerntechnischen Gutachtern. Daran anschließend wurden anlagenspezifische gutachterliche Stellungnahmen basierend auf den abgestimmten, anlagenübergreifenden Papieren (ab 2000) erstellt.
Seitens der VGB wurde das EMV-Lastenheft vorgestellt. Es beinhalte neben einem allgemeinen Teil, in dem die Schutzziele und anzuwendende Normen beschrieben sind, das Schnittstellenmodell zur Festlegung der EMV-Anforderungen auf die Leittechnikanlagen für Kernkraftwerke. Weiterhin seien in den Anforderungen an die Schnittstellen der Einfluss der Umgebungs- und Installationsbedingungen beschrieben, die Schärfegrade festgelegt, die Funktionsstörungen definiert, der Stand der Qualifizierung und die Erfordernisse von Prüfungen dargelegt. In weiteren Kapiteln werde eine repräsentative Auswahl der Prüflinge dargestellt, praktische Prüfungen beschrieben und Hinweise zur Dokumentation aufgezeigt.
Anhand einer Tabelle aus dem Lastenheft kann eine Auswahl von elektromagnetischen Beeinflussungen, die in EMV-Normen definiert sind, ermittelt werden. Aus den Normen können außerdem die Schärfegrade entsprechend den Störpotenzialen entnommen werden. Diese Aufzählung müsse ständig aktualisiert werden, da neue EMV-Normen hinzukämen. Die nach dem Schnittstellenmodell definierten Schnittstellen werden entsprechend den EMV-Störpotenzialen den aus den Normen entnommenen Schärfegraden und den Störkriterien zugeordnet. Daraus könne der Umfang der noch notwendigen EMV-Prüfungen für Altsysteme abgeleitet werden. Einige EMV-Störgrößen können durch administrative Maßnahmen aus der Betrachtung ausgeschlossen werden. Insgesamt verbliebe für Altsysteme als praktische EMV-Prüfung die Stoßspannungs-Prüfung.
Das Vorgehen entsprechend dem EMV-Lastenheft sei einvernehmlich mit den Gutachtern abgestimmt worden. Nach Auskunft des Sachverständigen wurden ihm bereits mehrere EMV-Analysen nach dem Lastenheft für größere Anlagenänderungen und für den FRM-II vorgelegt. Meist gebe e$ dabei, wie auch für den FRM-II, ein spezielles EMV-Lastenheft für das konkrete Projekt, welches aus dem allgemeinen Lastenheft abgeleitet ist. Auf dieser Basis wurde vom Sachverständigen nach Anwendung des EMV-Leitfadens der Nachweis der EMV geprüft. In einigen Bundesländern habe sich dieses Vorgehen bewährt und sei gängige Praxis. Das Verfahren stelle den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik dar.
3. Zusammenfassung des Sachverhalts
Für die Behandlung der EMV in atomrechtlichen Verfahren werden seitens der Betreiber Verfahrensweisen und Anforderungen zur Analyse und Nachweisführung der EMV im EMV-Lastenheft des VGB [4] zusammenfassend beschrieben. Für die Prüfung wurde seitens des TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb GmbH ein EMV-Leitfaden entwickelt [1] der auch von anderen Gutachterorganisationen angewendet wird und damit eine spezifisch auf atomrechtliche Verfahren bezogene Zusammenstellung der aus gutachterlicher Sicht anzuwendenden Anforderungen und Bewertungsgrundlagen darstellt. Dabei ist als ein wesentlicher Punkt im EMV-Leitfaden der TÜVe die Differenzierung der Prüftiefe nach der sicherheitstechnischen Bedeutung zu beachten.
Das EMV-Lastenheft der VGB beschreibt Umfang, Durchführung und die wesentlichen Aspekte der Nachweisführung im Rahmen einer EMV-Analyse für die Altsysteme der Leittechnik in deutschen Kernkraftwerken und ist damit auch ein Instrument im Rahmen von Nachrüstungen oder Änderungen unter Einbeziehung neuer Leittechniksysteme,
Die im Rahmen der Beratungen vorgestellten Papiere, EMV-Lastenheft der VGB und EMV-Leitaden der TÜVe, decken nach Aussage VGB und TÜV Süddeutschland für die EMV-Fragestellungen in atomrechtlichen Verfahren den erforderlichen Analyse- und Prüfumfang ab.
4. Bewertung durch die RSK
Zur EMV-Problematik stellt die RSK fest, dass neben den übergeordneten Anforderungen in den RSK-Leitlinien keine spezifischen Regeln und Richtlinien existieren, die die Qualifizierung, Nachweisführung und Prüfung hinsichtlich elektromagnetischer Verträglichkeit für elektrische Einrichtungen in kerntechnischen Anlagen festlegen.
Auf Basis der Beratungen im RSK-Ausschuss Elektrische Einrichtungen, bei denen der Umfang und die Vorgehensweise bei der Analyse und Nachweisführung (EMV-Lastenheft des VGB [4] ) einerseits und zugrunde zu legende Anforderungen und Bewertungsmaßstäbe (EMV-Leitfaden der TÜVe [1]) andererseits dargestellt und beraten wurden, kommt die RSK zum Ergebnis, dass die sicherheitstechnischen Anforderungen bezüglich der EMV-Problematik mit diesen Unterlagen vollständig und nachvollziehbar dargestellt sind.
Nach Ansicht der RSK beschreiben diese Unterlagen für die Behandlung der EMV-Problematik den Stand von Wissenschaft und Technik.
Beratungsunterlagen
[1] TÜVIS, Berichte der Facharbeitskreise der TÜV-Leitstelle Kerntechnik beim VDTÜV, Bericht 45 "Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), Nachweis der EMV in atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsverfahren" vom 9. November 1998, Fassung 01.99
[2] TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb GmbH, "Blitzschutz und elektromagnetische Verträglichkeit für Gebäude und Anlagen"
Dr. Ralf Frentzel, RSK EE - Oktober 2001
[3) Prof. Dr. Kern, "EMV-Lastenheft, Nachweisführung zur Elektromagnetischen Verträglichkeit für Altsysteme der Leittechnik`, Vorstellung im Auftrag der VGB", RSK-EE; 143. Sitzung, Bonn
[4] VGB "Lastenheft, Nachweisführung zur Elektromagnetischen Verträglichkeit für Altsysteme der Leittechnik - Vorgehensweise und Darstellung der Tätigkeiten-, Version e, 6. August 2001