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Rahmenempfehlungen für die Planung von Notfallschutzmaßnahmen durch Betreiber von Kernkraftwerken
- Empfehlung der Strahlenschutzkommission -
Vom 6. Dezember 2010
(BAnz vom 28.04.2011 Nr. 65a, ber. 03.05.2011 S. 1801)
1 Einleitung
Diese Rahmenempfehlung tritt an die Stelle der "Empfehlungen zur Planung von Notfallschutzmaßnahmen durch Betreiber von Kernkraftwerken" /1/. Die überarbeitete Rahmenempfehlung berücksichtigt den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik, die von der RSK/SSK in den zurückliegenden Jahren diesbezüglich ausgesprochenen Empfehlungen sowie die in den deutschen Kernkraftwerken implementierten Planungen des anlageninternen Notfallschutzes.
Die anlageninterne Notfallschutzplanung der Betreiber von Kernkraftwerken in Deutschland ist darauf ausgerichtet, bei auslegungsüberschreitenden Ereignissen (Notfällen) Auswirkungen auf die Umgebung zu verhindern oder, falls dies nicht mehr möglich ist, zu verringern. Zu den hierfür notwendigen Planungen zählen neben den anlagenintern erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen auch die Maßnahmen für eine adäquate Anbindung und Information der atomrechtlichen Aufsichtsbehörden sowie der sonstigen für den anlagenexternen Katastrophenschutz zuständigen Stellen. Der anlagenexterne Katastrophenschutz liegt im Zuständigkeitsbereich der Katastrophenschutzbehörden der Länder. Der anlageninterne Notfallschutz liegt in der Verantwortung des Betreibers.
Die vorliegende Rahmenempfehlung formuliert übergeordnete Anforderungen an die anlageninterne Notfallschutzplanung der Betreiber von Kernkraftwerken. Sie sind sinngemäß auf andere kerntechnische Anlagen (Forschungsreaktoren, Brennelementzwischenlager, Brennelementfabriken etc.) übertragbar, sofern für diese Einrichtungen jeweils eine anlageninterne Notfallschutzplanung erforderlich ist.
Unbeschadet des übergeordneten Charakters der nachfolgenden Anforderungen sind die unterlagerten Regelwerksvorgaben zur anlagenintemen Notfallschutzplanung zu berücksichtigen. Diesbezüglich sind insbesondere zu nennen: Kriterien für die Alarmierung der Katastrophenschutzbehörde durch die Betreiber kerntechnischer Einrichtungen /3/, Richtlinie zur Emission- und Immissionsüberwachung kerntechnischer Anlagen (REI) /5/ sowie die KTA 1201 /7/, KTA 1203 /8/, KTA 3901 /10/, KTA 3904 /11/. Darüber hinaus sind in diversen Empfehlungen der RSK vertiefte Anforderungen an die anlageninterne Notfallschutzplanung formuliert. Die Regelungstiefe dieser Rahmenempfehlungen wurde so gewählt, dass Doppelregelungen zu bereits bestehenden unterlagerten Regelwerksvorgaben vermieden werden. Gleichwohl ergaben sich unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik im Rahmen der Erstellung dieser Rahmenempfehlung notwendige Ergänzungen und Detaillierungen der bestehenden Regelwerksvorgaben.
Abgrenzend zu den an dieser Stelle formulierten Anforderungen an die anlageninteme Notfallschutzplanung wird im Hinblick auf den anlagenexternen Notfallschutz auf die "Rahmenempfehlung für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen" /4/ verwiesen.
2 Notfallorganisation
2.1 Aufgaben der Notfallorganisation
Die im Betriebshandbuch (BHB) verankerte Personelle Betriebsorganisation deckt die im Bereich der Sicherheitsebenen 1 bis 3 zu stellenden organisatorischen Anforderungen ab. Ergänzend zu diesen Anforderungen müssen im auslegungsüberschreitenden Bereich der Sicherheitsebene 4 weiterführende Aufgabenstellungen von der Kraftwerksorganisation abgearbeitet werden können. Entsprechende Anforderungen ergeben sich in einer auslegungsüberschreitenden Situation u. a. durch ggf. veränderte Randbedingungen innerhalb der Anlage (z.B. Notwendigkeit zur Durchführung von Notfallmaßnahmen und/oder improvisierten Systemfahrweisen, hohe Dosisleistung mit Sperrung und Unzugänglichkeit von Gebäuden etc.). Auch das Zusammenwirken mit den für den anlagenexternen
Katastrophenschutz zuständigen Stellen und die daraus resultierenden Aufgabenstellungen, wie fortlaufende Lageinformation, Durchführung des Messprogramms Störfall/Unfall und Übermittlung von Messergebnissen an die Katastrophenschutzbehörden stellen zusätzliche Anforderungen an die Betreiberorganisation. Darüber hinaus ist im Ereignisfall der erhebliche Informationsbedarf von Öffentlichkeit und Medien zu berücksichtigen.
Zu den von der Notfallorganisation abzudeckenden Aufgaben zählen insbesondere:
Die Betreiber der Kernkraftwerke haben die für diese Aufgaben erforderlichen anlageninternen Maßnahmen vorzubereiten und bei Bedarf durchzuführen. Dazu ist die Organisationsstruktur einer Notfallorganisation und das Zusammenwirken innerhalb der Organisation und mit externen Stellen festzulegen. Die technischen und personellen Ressourcen sind entsprechend aufzubauen.
2.2 Aufbauorganisation
2.2.1 Grundlegende Anforderungen - Abgrenzung zur Personellen Betriebsorganisation gemäß BHB
Die betreiberinterne Notfallorganisation sollte dem notfallspezifischen Anforderungs- und Aufgabenspektrum entsprechend aufgebaut sein. Gegenüber der im BHB verankerten Personellen Betriebsorganisation können die Kommunikations-, Entscheidungs- und Weisungswege im Sinne der im Notfall erforderlichen schnellen und umfassenden Handlungsfähigkeit der Organisation verkürzt werden. Entsprechend dem geänderten Anforderungsprofil im auslegungsüberschreitenden Bereich wird eine punktuelle Verstärkung der betrieblichen Organisation empfohlen (z.B. im Bereich Behördeninformation, Öffentlichkeitsarbeit).
Die übergeordneten Angaben zu Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung einschließlich der verantwortlichen Personen der Notfallorganisation sind im BHB (Personelle Betriebsorganisation) festzulegen. Detaillierende Regelungen sind im Notfallhandbuch (NHB) zu verankern.
Für jede Position in der Notfallorganisation sind festzulegen
Es wird empfohlen, den in der Personellen Betriebsordnung (PBO) verankerten Verantwortungs- und Entscheidungsbereich der atomrechtlich verantwortlichen Personen sowie die grundsätzliche Organisationsstruktur weitestgehend identisch beizubehalten, da ein Wechsel von Aufgaben und Verantwortungsstrukturen im Ereignisfall eine vermeidbare Fehlerquelle und einen zusätzlichen Stressfaktor darstellt.
Sofern hiervon abweichend Funktionsträger der Notfallorganisation von den in der PBO benannten atomrechtlich verantwortlichen Personen teilweise oder vollständig Aufgaben übernehmen sollen, ist fiür diese Funktionsträger die notwendige Fachkunde nachzuweisen und sie sind in den Kreis der in der PBO benannten atomrechtlich verantwortlichen Personen aufzunehmen.
Sofern vorgesehen ist, dass in der PBO festgelegte Aufgaben- und Verantwortungsbereiche durch die Notfallorganisation modifiziert werden, ist dies in der PBO auszuweisen.
Es steht dem Betreiber frei, für die Notfallorganisation von der PBO abweichende oder gleichlautende Funktionsbezeichnungen zu wählen. Funktionsbezeichnungen und Strukturen sind unter Berücksichtigung der anlagenspezifischen Gegebenheiten daran auszurichten, dass ein naht- und reibungsloser Übergang von der regulären Betriebsorganisation zur Notfallorganisation sichergestellt ist. Die Notfallorganisation sollte sich funktional aus einem Krisenstab und Einsatzpersonal zusammensetzen, soll eine eindeutige, hierarchische Struktur aufweisen und von einem Einsatzleiter als oberstem Entscheidungs- und Verantwortungsträger geführt werden.
Für die im Krisenstab vertretenen Bereiche und die Schichtleitung ist ein unmittelbares Vortragsrecht der verantwortlichen Personen beim Einsatzleiter vorzusehen.
Die Unterstützung der Notfallorganisation durch andere Stäbe oder externe Organisationen (z.B. Hersteller, Kerntechnischer Hilfsdienst) ist zu regeln.
Für jede Position in der Notfallorganisation sollen mehrere, gleichermaßen qualifizierte Personen bereitstehen, die diese Position übernehmen können. Zudem ist ausreichend Personal für einen Wechsel mindestens alle 12 Stunden vorzusehen. Bei Umsetzung einer Zufallsbereitschaft sind pro Position mindestens vier Personen anzustreben (vgl. hierzu auch Kapitel 3.1).
2.2.2 Einsatzleiter und Krisenstab
Der Krisenstab soll sich zumindest aus den Leitern der Bereiche zusammensetzen, die zur Abdeckung der nachstehend genannten Funktionen innerhalb der Notfallorganisation vorzusehen sind:
Es wird empfohlen, den Kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten (KSB) in seiner Beratungsfunktion gemäß AtSMV /16/ in den Krisenstab einzubinden.
Soweit erforderlich, ist durch den Krisenstab die Einbindung/ Kontakthaltung zu externen Einsatzleitungen, z.B. zur Einsatzleitung Polizei/Feuerwehr, sicherzustellen.
Eine Krisenstab-Mindestbesetzung - bestehend aus Einsatzleiter, Strahlenschutz, Anlagenbetrieb, M- und E-Technik - sollte über einen ausgewiesenen Bereitschaftsdienst sichergestellt werden.
Der Einsatzleiter trägt die Gesamtverantwortung für
Der Einsatzleiter muss über eine entsprechende Qualifikation verfügen (vgl. Kapitel 9.1). Diese Position wird durch Mitarbeiter aus folgendem Personenkreis besetzt:
(1) Leiter der Anlage
(2) Stellvertretender Leiter der Anlage
(3) Betriebsleitungsbereitschaften/Hauptbereitschaft
(4) Führungslinie Anlagenbetrieb.
Der Krisenstab berät den Einsatzleiter. Jedes Mitglied ist für seine fachlichen Bewertungen verantwortlich, untersteht aber den Anordnungen des Einsatzleiters.
2.2.3 Einbindung der Schichtleitung in die Notfallorganisation
Die Aufgaben und Zuständigkeits- bzw. Tätigkeitsgrenzen des Schichtleiters und des Krisenstabs müssen eindeutig vorgegeben sein. Der Einsatzleiter entscheidet (unterstützt von den Mitgliedern des Krisenstabes) über die Einleitung von Notfallmaßnahmen, wobei der Schichtleiter uneingeschränkt die Weisungsbefugnisse behält, die in der personellen Betriebsordnung des Betriebshandbuchs festgelegt sind. Der Einsatzleiter kann dem Schichtleiter Weisungen erteilen. Hat der Schichtleiter abweichende Ansichten zu einer erteilten Weisung, so muss er diese gegenüber dem Einsatzleiter darlegen. Kann trotzdem kein Einvernehmen erzielt werden, hat der Schichtleiter die Weisung auszuführen und seine Bedenken im Schichtbuch zu dokumentieren.
Bis zur Verantwortungsübernahme durch den Einsatzleiter nimmt der Schichtleiter die Einsatzleitung wahr. Die Verantwortungsübernahme durch den Einsatzleiter darf erst erfolgen, wenn der Einsatzleiter sich einen Überblick über die aktuelle Lage verschafft hat (insbesondere Anlagenzustand, durchgeführte, eingeleitete und geplante Maßnahmen).
Die Übernahme der Verantwortung ist
Das diensthabende verantwortliche Schichtpersonal sollte nach Übernahme der Verantwortung durch den Krisenstab von allen über die Kontroll- und Schalthandlungen hinausgehenden Aufgaben entlastet werden.
2.2.4 Notfallorganisation unterhalb des Krisenstabes
Die dem Krisenstab unterlagerten Bestandteile der Notfallorganisation sollen personelle und organisatorische Vorkehrungen für die folgenden Bereiche bzw. Aufgaben umfassen:
Die zur Kontakthaltung und Beratung der Katastrophenschutzbehörden vorgesehenen sachkundigen Verbindungspersonen sind zu benennen und mit entsprechenden Hilfsmitteln (Entscheidungshilfen, Unterlagen, Lagepläne, Kommunikationsmittel etc.) auszurüsten. Für die Kommunikation mit den sachkundigen Verbindungspersonen ist ein Ansprechpartner zu benennen.
2.2.5 Ergänzende Anforderungen an die Notfallorganisation
Die Aufbauorganisation ist so zu gestalten, dass ein durch die Informationsbedürfnisse der Medien erzeugter Druck die Kommunikation mit der Aufsichts- und Katastrophenschutzbehörde nicht stören kann.
Mit Kommunikationsaufgaben können auch andere Stäbe des die Anlage betreibenden Energieversorgungsunternehmens beauftragt werden, solange die Führungsfunktion des Krisenstabs für die katastrophenschutzrelevanten Kommunikationsaufgaben - z.B. Kommunikation mit den Katastrophenschutzbehörden -weiterhin gewährleistet ist.
Die Auswirkungen etwaiger Evakuierungen und Zufahrtsbeschränkungen durch die Katastrophenschutzbehörden in der Umgebung des Kraftwerkes auf die Verfügbarkeit des Personals der Notfallorganisation (in der Regel wohnen die Mitarbeiter in der Nähe des Kraftwerks und können somit von Evakuierung betroffen sein) sind zu betrachten und bei den Personal- und Alarmierungsplanungen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang sind mit der Katastrophenschutzbehörde Regelungen zu treffen, die sicherstellen, dass auch bei Evakuierungen und Zufahrtsbeschränkungen das notwendige Einsatzpersonal verzögerungsfrei zum Kraftwerk gelangen kann.
In der Personellen Betriebsorganisation des Betreibers ist ein Verantwortlicher für die Notfallschutzplanung vorzusehen. Dieser ist mit den erforderlichen Befugnissen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auszustatten, die es ihm ermöglichen, die Notfallorganisation und die technischen Vorkehrungen zu gestalten, deren Funktionsfähigkeit zu überprüfen und diese weiterzuentwickeln. Die übergeordnete Gesamtverantwortung des Leiters der Anlage für die anlageninterne Notfallschutzplanung bleibt hiervon unberührt.
3 Internes und externes Alarmierungsverfahren
3.1 Interne Alarmierung
3.1.1 Interne Alarmierung zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit der Notfallorganisation
Die Kriterien für die Alarmierung der Notfallorganisation sind verbindlich in der Alarmordnung festzulegen. Es ist sicherzustellen, dass Alarmierung und Aufbau der Notfallorganisation vollständig erfolgen, wenn die in der Alarmordnung festgelegten Kriterien für Voralarm bzw. Katastrophenalarm erreicht sind oder deren Erreichen zu besorgen ist (vgl. Kapitel 3.2 und /3/).
Der Krisenstab muss spätestens eine Stunde und die nachgelagerten Einsatzeinheiten müssen spätestens zwei Stunden nach Eintreten der die Alarmierung erfordernden Situation arbeitsfähig sein.
Wenn der Krisenstab über die gemäß Notfallorganisation notwendige Mindestbesetzung (vgl. Kapitel 2.2) verfügt, ein Einsatzleiter bestimmt ist und dieser die Einsatzleitung übernommen hat (vgl. Kapitel 2.2.2), ist der Krisenstab arbeitsfähig.
Um eine kurzfristige Verfügbarkeit der Notfallorganisation sicherzustellen, ist für die Alarmierung ein nach der Aktivierung selbständig arbeitendes automatisches Alarmierungssystem vorzusehen. Dieses Alarmierungssystem muss den Gesichtspunkten der Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit bei den anzusetzenden auslegungsüberschreitenden Ereignissen (z.B. USV-Pufferung, Schutz vor äußeren Einwirkungen) Rechnung tragen.
Als Rückfallebene/Ersatzmaßnahme bzw. zur Nachalarmierung von Personal sind Alarmierungslisten und Kommunikationseinrichtungen für eine telefonische Alarmierung vorzuhalten.
Für das alarmierte Personal sind geeignete Sammelräume vorzusehen, in denen eine Registrierung und erste Einweisung der eintreffenden Mitarbeiter erfolgt (vgl. hierzu Kapitel 6.2.4). Die Warte und der Wartenbereich sind von eintreffendem Personal weitestgehend freizuhalten. Die Einweisung der Krisenstabsmindestbesetzung (vgl. Kapitel 2.2) ist im Wartenbereich (z.B. in geeigneten Wartennebenräumen) sicherzustellen.
Zusätzlich zu den oben genannten Regelungen müssen zur Durchführung von Sofortmaßnahmen des Strahlenschutzes (Strahlenschutzmaßnahmen nach Fluchtalarm, Ermitteln der Emission radioaktiver Stoffe bzw. des Emissionspotenzials und Vorbereiten von Messungen in der Umgebung) mindestens drei Mitarbeiter des Strahlenschutzpersonals eine Stunde nach Eintreten der die Alarmierung erfordernden Situation im Einsatz sein.
3.1.2 Interne Alarme zur Räumung gefährdeter Bereiche
Interne Alarme (wie Fluchtalarm, Räumungsalarm, Feueralarme) sind im BHB (Alarmordnung) zu regeln. Es ist zu berücksichtigen, dass der Aufbau der Notfallorganisation auch unter den Randbedingungen vorlaufender interner Alarme gewährleistet sein muss. Auch unter den Randbedingungen eines Notfalls ist vom Schichtleiter die vollständige Befolgung der internen Alarme (Stichwort: Räumungskontrolle) zu kontrollieren. Durch geeignete Automatisierungen und Einbeziehung anderer Organisationseinheiten (z.B. automatische Auslösung der Alarmierung, automatische Aufforderung zur Räumungskontrolle und Rückmeldung an den Schichtleiter durch den OSD) ist der Schichtleiter von diesen Kontrollfunktionen weitestgehend zu entlasten.
Es sollte eine kurzfristige strahlenschutztechnische Betreuung des aus dem Kontrollbereich geflüchteten Personals sichergestellt werden. Außerhalb der Regelarbeitszeit ist dafür Sorge zu tragen, dass bereits vor dem Eintreffen der Strahlenschutzbereitschaft eine Erstbetreuung (z.B. durch geschultes OSD-Personal) ermöglicht wird (vgl. Kapitel 6.2.5).
3.2 Externe Alarmierung
Die Alarmierung externer Stellen (z.B. Katastrophenschutzbehörde, atomrechtliche Aufsichtsbehörde) ist entsprechend den in den Alarmordnungen verankerten Kriterien für die Alarmierung der Katastrophenschutzbehörde durch Betreiber von Kernkraftwerken /3/ vorzunehmen.
Es ist eine telefonische und schriftliche (Telefax) Alarmierung der externen Stellen vorzunehmen. Die Mindestinhalte und die Form der Alarmierung sind entsprechend den Rahmenempfehlungen /4/ mit der Katastrophenschutzbehörde abzustimmen und im BHB (Alarmordnung) festzulegen.
Es ist organisatorisch sicherzustellen, dass die Alarmierung unverzüglich nach dem Erreichen der Kriterien bzw. nachdem erkannt wird, dass ein Erreichen nicht zu verhindern ist, durch den Schichtleiter oder den Einsatzleiter erfolgt. Die kurzfristige Alarmierung der externen Stellen ist insbesondere erforderlich, um diesen Stellen einen möglichst großen zeitlichen Vorlauf zum Aufbau ihrer Organisationen zu geben.
Gemäß den Vorgaben der Rahmenempfehlung für den Katastrophenschutz /4/ ist bei einem Ereignisablauf in einer kerntechnischen Anlage, bei dem als Folge eines Unfalls eine nennenswerte Freisetzung kurzfristig, d. h. innerhalb weniger als sechs Stunden, erfolgen kann oder erfolgt, bei der externen Alarmierung auf den schnellen Ablauf deutlich hinzuweisen. In diesen Fällen ist ggf. für eine Analyse durch das Radiologische Lagezentrum/die zuständige Katastrophenschutzbehörde nicht genügend Zeit vorhanden, sodass die Katastrophenschutzleitung auf Empfehlung des Betreibers kurzfristig Schutzmaßnahmen der Bevölkerung veranlassen muss. Als einzig sinnvolle Kurzfristmaßnahme wird der Aufenthalt in Gebäuden angesehen.
Insoweit sollte bei
gleichzeitig mit der Empfehlung des Katastrophenalarms vom Betreiber auch die Maßnahmenempfehlung zum Aufenthalt in Gebäuden in der Zentralzone ausgesprochen werden.
Entsprechende Felder sind im Alarmspruch "Kerntechnischer Unfall" gemäß /4/ vorzusehen. Die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmenempfehlung ist im Rahmen der Katastrophenschutzplanungen zwischen dem Betreiber und der zuständigen Katastrophenschutzbehörde abzustimmen.
Eine Alarmrücknahme ist in der Regel erst möglich, wenn mit auslegungsgemäßen Mitteln die Einhaltung der Schutzziele gemäß Schutzziel-BHB gewährleistet werden kann (z.B. Bespeisung des Kerns und Nachwärmeabfuhr über das Notkühlsystem, aber nicht durch eine Notfallmaßnahme). Bei bestimmten Unfallabläufen ist langfristig keine Schutzzieleinhaltung mit auslegungsgemäßen Mitteln absehbar (z.B. Kernschäden oder Leckabdichtung bei drucklosem Reaktor mit einer provisorischen Dichtmanschette). Hier kann eine Rücknahme der externen Alarmempfehlung erfolgen, wenn nach gemeinsamer Auffassung von Betreiber und Aufsichtsbehörde keine gefahrbringende Freisetzung mehr zu besorgen ist. Entsprechende Kriterien zur Alarmrücknahme sollten im BHB (Alarmordnung) verankert werden.
4 Lageermittlung und Lagedarstellung
Entscheidungen über Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen auslegungsüberschreitender Ereignisabläufe, über Maßnahmen zur Wiederherstellung des sicheren Anlagenzustandes und über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung werden auf Basis der Beurteilung der bestehenden Lage getroffen. Die ermittelte Lage stellt auch eine wesentliche Basis für die Empfehlung zur Auslösung oder Rücknahme des Voralarms bzw. Katastrophenalarms dar (vgl. hierzu Kapitel 3.2). Insofern kommt einer anforderungsgerechten Lageermittlung und -darstellung durch den Betreiber eine hohe Bedeutung zu.
Die Lage ist weitgehend gekennzeichnet durch
Damit Lageänderungen sofort erkannt werden und jeweils lagegerecht Maßnahmen getroffen werden können, muss die Lage ständig beobachtet werden. Es muss in regelmäßigen Zeitabständen eine erneute Bewertung der Lage und ggf. Aktualisierung der Lagedarstellung vorgenommen werden. Zur Kontrolle und Aktualisierung gehört in jedem Fall die Überprüfung der bestehenden Prognosen.
In der Notfallorganisation sind Verfahren und Hilfsmittel für eine systematische Lageanalyse und -darstellung sowie zur Maßnahmenerärbeitung, -umsetzung und -verfolgung zu etablieren.
Dazu gehören:
Für die Ermittlung der radiologischen Auswirkungen sollten die gleichen Berechnungsverfahren zum Einsatz kommen, wie sie auch bei den zuständigen Katastrophenschutzbehörden verwendet werden.
Eine wesentliche Grundlage für die Erarbeitung der radiologischen Lage stellt das Messprogramm Störfall/Unfall gemäß REI /5/ dar. Im Sinne einer notwendigen Beweissicherung sind ergänzend zu /5/ bei einem auslegungsüberschreitenden Ereignis spätestens bei Erreichen von Voralarm bzw. Katastrophenalarm Umgebungsmessungen und Probeentnahmen an vordefinierten Stellen vorzunehmen und die Ergebnisse an die zuständigen Behörden zu übermitteln.
Für das Messprogramm sollen Messstrategien erarbeitet werden, die zusätzlich zu den oben genannten Anforderungen sowie den Anforderungen der REI /5/ auch den Schutzanforderungen des für die Messungen eingesetzten Personals Rechnung tragen.
Die Messstrategien, die zur Validierung der rechnerisch ermittelten Lage erforderlichen Messpunkte sowie Vorgaben zur Messtruppführung sind zwischen dem Betreiber sowie den beteiligten Behörden und Organisationen (z.B. unabhängige Messstelle) abzustimmen.
Die Planung und Vorbereitung der Lagedarstellung schließt alle erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Darstellung und Dokumentation der Lage sowie zur Weiterleitung der Daten und Informationen an die zuständigen Behörden ein.
Grundlage der Lagedarstellung sind Lageberichte und Lagekarten, die dem Krisenstab vorzugsweise über eine IT-gestützte Lagedarstellung (Lageinformationssystem) verfügbar gemacht werden. Der Krisenstab beurteilt die Lage und legt entsprechende Maßnahmen fest.
Als Ergebnis der Lageermittlung sind erste Lageeinschätzungen für die Katastrophenschutzbehörde zu formulieren, die zusammen mit bzw. umgehend nach der Empfehlung für die Auslösung von Voralarm oder Katastrophenalarm der Katastrophenschutzbehörde übermittelt werden. Bei Lageänderungen sind bei Bedarf aktualisierte Lageeinschätzungen an die Katastrophenschutzbehörden zu übermitteln.
5 Kommunikation im Notfall
Die Kommunikation im Notfall beinhaltet im Sinne dieser Empfehlung die interne Kommunikation innerhalb der Notfallorganisation der Anlage einschließlich sachkundiger Verbindungspersonen, die Kommunikation mit externen Stellen und die Information der Öffentlichkeit.
Zur Vorbereitung der Kommunikation im Notfall ist ein Kommunikationsplan zu erstellen. Die Anforderungen an die Kommunikationstechnik sind zu spezifizieren.
5.1 Allgemeine Anforderungen
Die Kommunikation im Notfall ist zu planen. Übergeordnetes Ziel der Planung ist die zeitgerechte Bereitstellung benötigtet Informationen und Beratung.
Die Kommunikation muss effizient gestaltet werden. Dazu sind Hilfsmittel vorzubereiten (insbesondere Lageberichte, elektronische Lagedarstellung, Checklisten).
Alle für die Kommunikation wichtigen Informationen wie Rufnummern, E-Mail-Adressen etc. sind stets aktuell zu halten.
Mit den wichtigsten Kommunikationspartnern müssen die Kommunikationspläne abgestimmt sein.
Die Kommunikationswege müssen sicher sein. Die Telekommunikationsverbindungen müssen entsprechend TKSiV /6/ gesichert sein.
Die Einrichtungen der Kommunikation müssen über eine USV-gepufferte und notstromversorgte Energieeinspeisung verfügen. Ersatzeinspeisungen über mobile Aggregate sind vorzusehen.
Von der Ausweichstelle aus müssen grundsätzlich alle Kommunikationsaufgaben erledigt werden können. Die Information der Öffentlichkeit und die Leitung des Messprogramms Störfall/Unfall gemäß REI /5/ sind davon ausgenommen, sofern hierfür anderweitige Regelungen und Vorkehrungen getroffen wurden.
Das Schichtpersonal nimmt nur Kommunikationsaufgaben im Zusammenhang mit seinem Aufgabenbereich (im Wesentlichen Einleitung von Erstmaßnahmen [inkl. interne und externe Alarmierung], Überwachung des Anlagenbetriebs) wahr.
Für die zur externen Kommunikation mit Öffentlichkeit und Medien verwendeten Telefone ist eine Rufnummernunterdrückung o. Ä. vorzusehen, um eine Blockierung der Anschlüsse durch Rückrufe zu vermeiden.
Spezifische Anforderungen an Kommunikationseinrichtungen sind raumbezogen im Kapitel 6.2 dargestellt.
5.2 Interne Kommunikation
Die interne Kommunikation sollte vorzugsweise über die IT-gestützte Lagedarstellung abgewickelt werden (vgl. Kapitel 4). Als Rückfallebene bei Ausfall der IT-gestützten Lagedarstellung sind papiergestützte Hilfsmittel wie Einsatztagebücher, Checklisten, Protokolle, Lageberichte etc. vorzuhalten.
Für das in der Anlage tätige Einsatzpersonal sind mobile Kommunikationseinrichtungen vorzusehen.
5.3 Kommunikation mit externen Stellen
Die Kooperations- und Kommunikationsbeziehungen sind im Einzelnen in der Notfalldokumentation (vgl. Kapitel 8.1.3) zu beschreiben. Die Beschreibung umfasst für wichtige Kommunikationsbeziehungen die Ziele der Kommunikation, Informationsbedürfnisse der Kommunikationspartner, Art und Umfang der Inhalte, die Form der Kommunikation (Lageberichte, Messprotokolle etc.) und die einzusetzende Technik (E-Mail, Telefax, elektronische Datenübertragung etc.).
Für die Lagedarstellung und Informationsbereitstellung sind standardisierte, mit den Kommunikationspartnern abgestimmte Lageberichte zu verwenden. Für die Übermittlung von Lageberichten bzw. Bereitstellung von Informationen ist soweit möglich moderne Kommunikationstechnik zu verwenden. Für die Kommunikation mit den Katastrophenschutz- und Aufsichtsbehörden sind nach Möglichkeit deren elektronische Systeme zu benutzen (z.B. ELAN, ELDA). Die Kommunikation mit diesen Behörden muss zuverlässig sichergestellt sein, daher sind mindestens drei voneinander unabhängige Kommunikationswege vorzusehen, z.B. IT-gestützte Lagedarstellung, Telefon, E-Mail, Satellitentelefon. Ausrüstungen zur Durchführung von Video- und Telefonkonferenzen müssen vorhanden sein.
Es ist eine IT-gestützte Informationsbereitstellung für die Behörden nach dem Push-Prinzip -d. h. die Informationen werden den Behörden aktiv übermittelt und nicht von diesen abgerufen - anzustreben. Dies unterstützt die Effizienz der Kommunikation und hilft Fehlinformationen zu vermeiden.
5.4 Information der Öffentlichkeit
Durch geeignete Planungen und Vorkehrungen, insbesondere die Bereitstellung entsprechend geschulter Personen, ist sicherzustellen, dass die Information der Öffentlichkeit eindeutig, verständlich und lagegerecht zum richtigen Zeitpunkt erfolgt.
Die Information der Öffentlichkeit durch den Anlagenbetreiber soll die von den Katastrophenschutzbehörden geplanten und veranlassten Maßnahmen zum Schutz der von den Notfallauswirkungen betroffenen Bevölkerung unterstützen. Die Öffentlichkeit soll ausschließlich über Zustände und Abläufe am Standort der Anlage informiert werden, insbesondere über den Zustand der Anlage bzw. Anlagen, Ursache, Ablauf und Auswirkungen des Unfalls, Prognosen der weiteren Entwicklung, Zusammenwirken mit den Behörden.
Die Planung zur Information der Öffentlichkeit muss mindestens die Herausgabe von Presseerklärungen, das Betreiben eines Pressezentrums und die Bereitstellung von Informationen über das Internet umfassen.
Sollte die zuständige Katastrophenschutzbehörde ein Informationszentrum einrichten, so sollte sich der Anlagenbetreiber daran beteiligen. In einem solchen Fall kann auf die Einrichtung eines eigenen Pressezentrums verzichtet werden.
Für die Erstellung von Presseerklärungen sind Hilfsmittel wie Muster und Textbausteine vorzuhalten. Die vorgehaltene Ausrüstung für ein Pressezentrum sollte mobil sein. Pressezentren werden an Orten in Standortnähe eingerichtet, die von den Unfallauswirkungen nicht betroffen sind und an denen Einsatzkräfte nicht behindert werden können. Die Informationszentren der Kernkraftwerke sind wegen der großen Nähe zur Anlage in der Regel nicht als Pressezentrum geeignet.
Die Inhalte der Information der Öffentlichkeit müssen mit der zuständigen Katastrophenschutzbehörde abgestimmt sein. Ein Verfahren zur Abstimmung ist mit den Behörden zu vereinbaren (vgl. hierzu Kapitel 2.2).
Für die Vorbereitung der Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit ist der Leitfaden zur Information der Öffentlichkeit in kerntechnischen Notfällen /13/ sinngemäß anzuwenden.
6 Technische und räumliche Ausstattung der Notfallorganisation
6.1 Übergeordnete Anforderungen, Einsatz- und Schutzkonzept
Für die Anlage ist ein ganzheitliches Einsatz- und Schutzkonzept zu erstellen. Ziel dieses Konzepts ist es, bis in den auslegungsüberschreitenden Bereich der Sicherheitsebene 4 den notwendigen Personaleinsatz in der Anlage zu gewährleisten und gleichzeitig den erforderlichen Personenschutz sicherzustellen.
Der Einsatz der Notfallorganisation in den für sie vorgesehenen Räumlichkeiten ist auch bei erheblichen Aktivitätsfreisetzungen und beim Auftreten von Brandgasen oder anderen toxischen Gasen zu gewährleisten. Das Schutzkonzept ist entsprechend auszugestalten, d. h. soweit möglich, sind Abschirmungen und lüftungstechnische Abschlüsse/Filterungen vorzusehen. Hierbei sollte man sich an der Auslegung der Wartenzuluftfilterung orientieren. Diese Anforderungen gelten ebenso für die Verbindungswege zwischen den Räumen der Notfallorganisation und der Warte sowie die benötigten Sozial- und Sanitärbereiche.
Für das zum Einsatz kommende Personal sind die notwendigen Schutzausrüstungen wie Kleidung, Atemschutz, Jodtabletten und Dosimeter mit integrierten Dosis- und Dosisleistungswarnschwellen vorzuhalten. Bereiche bzw. Räume der Notfallorganisation, an denen diese Ausrüstung einsatzbedingt vorgehalten werden sollte, sind bei der Planung zu identifizieren und entsprechend auszustatten.
Soweit sinnvoll möglich, ist auch unter Berücksichtigung etwaiger radiologischer und meteorologischer Randbedingungen bzw. bei Bränden auf dem Anlagengelände ein gefahrloses Betreten/Verlassen der Anlage und der Räume der Notfallorganisation zu gewährleisten. Bei den entsprechenden Planungen sind auch Ausweichwege zu berücksichtigen. Durch geeignete Vorkehrungen ist sicherzustellen, dass die gefahrlose Nutzbarkeit der Wege vor deren Benutzung verifiziert und das Personal über die jeweils zu nutzenden Wege informiert wird. Ein entsprechendes Konzept sollte sicherstellen, dass für das Personal, das in einem Notfall das Anlagengelände verlassen muss, bedarfsabhängig entsprechende Strahlenschutzmaßnahmen (Kontaminationsüberwachung, Wechsel der Kleidung) durchgeführt werden (können). Ebenso ist der An- und Abtransport des Personals unter Strahlenschutzaspekten zu planen.
Damit die Anlage ggf. für einen begrenzten Zeitraum in einem "Inselbetrieb" bei erheblich eingeschränktem Zugang von außen gehalten werden kann, sind die erforderlichen Ressourcen, Räume etc. für das Verbleiben bzw. die ersatzweise Vorhaltung von Einsatzpersonal auf der Anlage zu planen. In diesem Zusammenhang ist die Versorgung der Notfallorganisation (Essen/Trinken etc.) einschließlich der erforderlichen Randbedingungen (Kochen, Ver-, Entsorgung, Lagerhaltung) sicherzustellen.
Der Einsatz von Personal für die Durchführung von Maßnahmen in der Anlage oder von Messungen in der Umgebung erfordert das Wiederbetreten der Räume der Notfallorganisation nach einem Einsatz. Es sind entsprechende Planungen und Vorkehrungen erforderlich, um im Falle einer Kontamination weiter Anlagenbereiche eine Dekontamination des Personals durchzuführen sowie eine Kontaminationsverschleppung in die Räume der Notfallorganisation möglichst zu vermeiden.
Es sind Maßnahmen zum Schutz des Personals vor einer ereignisbedingten Strahlenexposition in den Gebäuden und auf dem Gelände des Kraftwerks, insbesondere in den Räumen der Notfallorganisation und in der Warte, vorzuplanen (z.B. Einstellung der Bestreifung im Außenbereich, Zuschaltung Umluftbetrieb oder Filterung, teilweises oder vollständiges Evakuieren der Anlage, Anlegen von Schutzausrüstung). Für die Stufung bzw. Einleitung der Maßnahmen sind Schwellenwerte festzulegen, die sich an den Dosisgrenzwerten der StrlSchV /2/ orientierten sollten. Für eine schnelle Abschätzung der potentiellen Strahlenexposition auf der Grundlage der Messungen innerhalb der Anlage sind Hilfsmittel vorzuhalten (vgl. Kapitel 4). Texte für Durchsagen zur Information des Personals über die mögliche Strahlenexposition und die angeordneten Schutzmaßnahmen sind vorzubereiten. Strahlenschutzmaßnahmen und -vorgaben für Personaleinsätze zur Personenrettung oder für Notfallmaßnahmen in der Anlage auf der Grundlage des § 59 StrlSchV /2/ sind für den jeweiligen Einzelfall unter Anwendung des § 6 StrlSchV /2/ festzulegen und zu dokumentieren. Es ist in geeigneter Form sicherzustellen, dass diese Randbedingungen bei einem Ereignis fortlaufend überprüft und eingehalten werden.
In Analogie zu den radiologischen Aspekten ist sicherzustellen, dass auch andere ereignisbedingte Randbedingungen keine unzulässigen Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Notfallorganisation haben. So ist auch bei Bränden im Anlagenbereich, bei einem Notstromfall bzw. einem "Station-Black-Out" die Einsatzfähigkeit der räumlichen und technischen Ausstattung der Notfallorganisation zu gewährleisten. Hierzu zählen die Bereitstellung ausreichender Beleuchtung,
die Funktion der Kommunikationseinrichtungen und die Verfügbarkeit der beschriebenen radiologischen Schutzvorkehrungen (z.B. Lüftungseinrichtungen).
Für Anlagen, die aufgrund ihrer Anlagenkonzeption die oben genannten übergeordneten sowie die nachfolgenden speziellen Anforderungen nicht vollumfänglich umsetzen können, sind die Auswirkungen entsprechend zu analysieren und geeignete Abhilfemaßnahmen, wie z.B. die frühzeitige Evakuierung der Anlage und ein Aufbau der Notfallorganisation in der Ausweichstelle, vorzuplanen. Die langfristige Besetzung der Notsteuerstelle/Teilsteuerstelle und die Kommunikation mit der Ausweichstelle sind in jedem Fall zu gewährleisten.
6.2 Spezielle Anforderungen an die Räume der Notfallorganisation
Der Abschnitt beschreibt ergänzend zu den übergeordneten Anforderungen des Kapitels 6.1 die spezifischen Anforderungen an die Räume, die für die Arbeitsfähigkeit der Notfallorganisation und den Schutz des Personals erforderlich sind.
Einbezogen werden auch die Messfahrzeuge des Betreibers zur Durchführung des Umgebungsmessprogramms bei Störfall/Unfall gemäß REI /5/.
Übergeordnete Anforderungen an die Kommunikationseinrichtungen sind dem Kapitel 5 zu entnehmen. Spezifische Anforderungen werden raumbezogen in den nachfolgenden Kapiteln dargestellt.
6.2.1 Warte
Aufgrund der gegenüber der Notsteuerstelle/Teilsteuerstelle in der Warte erheblich besseren Möglichkeiten zur Schutzzielkontrolle und Störfallbeherrschung ist dafür Sorge zu tragen, dass die Warte soweit möglich auch in auslegungsüberschreitenden Anlagenzuständen besetzt bleiben kann. Dies kann durch entsprechende Abschirmungen des Wartenbereichs sowie einen lüftungstechnischen Abschluss bzw. Filterung der Zuluft geschehen. Die Maßnahmen sind so zu implementieren, dass sie mit geringem Aufwand innerhalb kürzester Zeit wirksam gemacht werden können. Soweit möglich, sind fest installierte Systeme vorzusehen.
Zusätzlich ist persönliche Schutzausrüstung für das Wartenpersonal in erforderlichem Umfang vorzuhalten, damit bei Ausfall der auslegungsgemäß verfügbaren gefilterten Wartenlüftung eine Besetzung der Warte möglich ist. Auch in diesem Fall muss die Kommunikation innerhalb der Warte und innerhalb der Notfallorganisation durch geeignete Maßnahmen sichergestellt sein.
In der Warte sollten großformatige Dokumentations- und Visualisierungshilfsmittel vorgehalten werden, auf denen von der Schichtmannschaft die wesentlichen Eckpunkte und Maßnahmen des Störfallverlaufs dokumentiert und visualisiert werden. Diese Visualisierung sollte für eine Maßnahmenverfolgung/ -dokumentation sowie die Information nachrückenden Personals (Bereitschaften, Schichtwechsel, Krisenstab) geeignet sein.
6.2.2 Räume des Krisenstabs
Für den Krisenstab sind geeignete Räume einzurichten, mit den erforderlichen Arbeitsmitteln auszurüsten und ständig verfügbar zu halten. Die Räume des Krisenstabs sollen über eine der Warte vergleichbare Auslegung (gefilterte Lüftung, Abschirmung) verfügen und möglichst in Wartennähe angeordnet sein. Ein ggf. notwendiger Wechsel von Personal zwischen Warte und Räumen des Krisenstabs sollte schnell und einfach möglich sein. Ein eventueller Zwischenbereich zwischen Warte und Krisenstabsräumen sollte den gleichen Lüftungs- und Abschirmungsbedingungen unterliegen wie die Räume selbst.
Die Räume des Krisenstabs können für Aufgaben im Normalbetrieb der Anlage genutzt werden, wenn sichergestellt ist, dass der Krisenstab im Alarmfall seine Arbeit unverzüglich aufnehmen kann.
Alle für die Arbeit des Krisenstabs erforderlichen Unterlagen (BHB, NHB, PHB, weitere technische Unterlagen der Anlage) sind im Bereich der Räume des Krisenstabes verfügbar zu halten.
Des Weiteren sind die notwendigen Dokumentations- und Visualisierungshilfsmittel im Krisenstabsraum vorzuhalten. Hierzu zählen im Wesentlichen die Hilfsmittel zur Darstellung und Analyse des Anlagenzustands sowie der radiologischen Lage. Darüber hinaus sind über eine Visualisierung die Maßnahmenanweisung und die Maßnahmenumsetzungsverfolgung sowie die Information der externen Stellen (z.B. durch großformatige Übersichtsdarstellungen der zu informierenden externen Stellen mit deren Telefon- und Faxnummern sowie der Auslösekriterien) zu unterstützen.
Es ist sicherzustellen, dass in den Räumen des Krisenstabs Datenerfassungs- und Darstellungssysteme vorhanden sind, mit denen die relevanten anlagentechnischen, meteorologischen und radiologischen Daten bereitgestellt und visualisiert werden können. Der elektronischen Übertragung von Anlagendaten ist besondere Beachtung zu widmen, wenn die Krisenstabsräume nicht in räumlicher Nähe zur Warte liegen. Bei der Implementierung elektronischer Datenerfassungs- und Darstellungssysteme ist abzuwägen zwischen dem zur Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Umfang und den ggf. störenden Einflüssen, die solche Systeme auf die Stabsarbeit haben können.
Als Kommunikationseinrichtungen für den Krisenstab sind pro Position mindestens ein Telefon mit direkter Durchwahl nach außen sowie Kommunikationsmittel zwischen Krisenstab und Schicht vorzuhalten. Für die zur externen Kommunikation im Krisenstab verwendeten Telefone ist eine Rufnummernunterdrückung o. Ä. vorzusehen, um eine Blockierung der Anschlüsse durch Rückrufe zu vermeiden.
Die Krisenstabsräume und insbesondere alle IT-technischen Einrichtungen zur Datenübertragung und Visualisierung von Daten sind unterbrechungslos mit Notstrom zu versorgen.
6.2.3 Notsteuerstelle
Die Notsteuerstelle/Teilsteuerstelle ist so auszugestalten, dass ein Schutz des Personals in diesen Räumlichkeiten bei Unverfügbarkeit der Warte jederzeit gewährleistet ist. Hierzu sind entsprechende Abschirmungen und Lüftungssysteme vorzusehen. Sofern es sich hierbei nicht um passive Maßnahmen (z.B. Abschirmwände) handelt, ist sicherzustellen, dass aktive Schutzmaßnahmen im Anforderungsfall automatisch aktiviert werden (z.B. Lüftungsabschluss bei Auftreten von Aktivität oder Brandgasen), sodass das gemäß den Auslegungsanforderungen spätestens nach 10 Stunden herangeführte Personal in der Notsteuerstelle/Teilsteuerstelle anforderungsgerechte Einsatzbedingungen vorfindet.
Festlegungen zur Ausrüstung der Notsteuerstelle sind in der KTA 3904 /11/ getroffen. Ergänzend hierzu ist für die Beherrschung auslegungsüberschreitender Zustände dafür Sorge zu tragen, dass von der Notsteuerstelle aus erste Einsätze zur Lageerkundung und ggf. Einleitung von Maßnahmen in der Anlage getroffen werden können.
Hierzu sind im Bereich der Notsteuerstelle
Als Kommunikationseinrichtungen in der Notsteuerstelle sollten mindestens zwei externe Telefonanschlüsse sowie ein Faxanschluss vorgehalten werden, die nicht über die normale Telefonanlage geführt und auf einer geschützten und gesondert verlegten Trassierung innerhalb der Anlage in die Notsteuerstelle geführt werden. Zur Sicherstellung der Heranführung zusätzlichen Personals sollte eine Wechselsprechanlage zwischen dem Leitstand und dem Außenzugang des Gebäudes der Notsteuerstelle vorgesehen werden. Die Wechselsprechzentrale muss sich im gesicherten Bereich der Notsteuerstelle befinden.
Soweit die Absicht besteht, Aufgaben der Ausweichstelle in der Notsteuerstelle wahrzunehmen, ist die Auslegung der Notsteuerstelle hinsichtlich Zugang, Kommunikationsmitteln und Visualisierungseinrichtungen auf ihre Eignung zu prüfen und ggf. entsprechend auszurüsten. Dabei sind die Anforderungen an die Ausweichstelle (siehe Kapitel 6.2.6) zugrunde zu legen. Solche Vorkehrungen stellen eine sinnvolle Ergänzung der Notfallplanungen dar. Eine Ausweichstelle gemäß Kapitel 6.2.6 ist jedoch auch in diesen Fällen bereitzustellen.
6.2.4 Aufenthaltsraum/Sammelraum der Einsatzkräfte
Es ist mindestens ein Sammelraum für Einsatzkräfte einzurichten, in dem sich das erforderliche alarmierte Einsatzpersonal sammelt, seine Anweisungen erhält und von dem aus es seine Aufgaben ausführt.
Der Raum ist wie Warte und Krisenstabsräume durch Lüftung (Filterung) und Abschirmung so auszulegen, dass sich das Personal auch in einer Notfallsituation dort aufhalten kann.
Für das Einsatzpersonal ist die für den Einsatz erforderliche persönliche Schutzausrüstung sowie Strahlenschutzausrüstung vorzuhalten. Der Sammelraum ist mit den notwendigen Kommunikationsmitteln und Dokumenten so auszurüsten, dass die für die Durchführung der Aufgaben erforderlichen Anweisungen, Arbeitsaufträge, Unterlagen und Informationen an das dort anwesende Personal übermittelt werden können, soweit nicht eine direkte räumliche Anbindung des Sammelraums an die Krisenstabsräume besteht.
Durch geeignete organisatorische und technische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass eingesetzte Personen nach ihrem Einsatz in den Raum zurückkehren können, ohne dass eine nennenswerte Kontamination des Raumes erfolgt.
6.2.5 Sammelstellen
In der Anlage sind an geeigneten Stellen Sammelstellen einzurichten, an denen sich das zum Verlassen (Räumung, Flucht) von Gebäuden aufgeforderte Personal sammeln kann. Diese Stellen sind so vorzubereiten, dass eine Bilanzierung des Personals sowie eine Kontaminationskontrolle und erforderlichenfalls ein Wechsel der Oberbekleidung durchgeführt werden kann.
Soweit sich Personen an Sammelstellen länger aufhalten müssen, ist an diesen Stellen die Dosisleistung sowie die Konzentration der luftgetragenen Aktivität zu messen und die zu erwartende Exposition abzuschätzen. Erforderlichenfalls sind beschleunigende Maßnahmen zur Räumung der Anlage zu veranlassen.
6.2.6 Ausweichstelle des Betreibers
Der Betreiber richtet für den Fall der Räumung der Anlage eine Ausweichstelle ein. Die Ausweichstelle dient dem Krisenstab des Betreibers als Arbeitsbereich, in dem er auch nach einer erforderlichen Räumung der Anlage seine Aufgaben gegenüber der Behörde und der Offentlichkeit wahrnehmen kann. Darüber hinaus ist die Ausweichstelle so einzurichten, dass sie im Bedarfsfall als Anlaufstelle für die gesamte Notfallorganisation und als Basis für die Einleitung von Maßnahmen in der Anlage dienen kann. Hierzu ist die Ausweichstelle mit der erforderlichen Dokumentation für die Notfallorganisation, mit Kommunikationsmitteln sowie mit Datenverbindungen und Visualisierungsmöglichkeiten auszustatten, die es dem Krisen-
Stab ermöglichen, Lagebeurteilungen zu erarbeiten und Kommunikationsverbindungen zwischen einer Restbesetzung in der Anlage sowie mit den zuständigen Behörden (Aufsichtsbehörde, Katastrophenschutzbehörden, Verbindungsmann des Betreibers) und Medien zu halten.
Die Dokumentation sollte neben dem BHB und NHB auch Systemschaltpläne, Gebäudepläne, Feuerwehreinsatzpläne, aktuelle Notfallalarmierungslisten, Telefonlisten sowie die für die Durchführung des Messprogramms Störfall/Unfall erforderlichen Unterlagen enthalten. Die notwendigen Dokumentations- und Visualisierungshilfsmittel sowie Kommunikationseinrichtungen sollten in Analogie zum Krisenstabsraum (vgl. Kapitel 6.2.2) vorgehalten werden.
Auch bei einer notwendigen Räumung der Anlage muss die Führung und Auswertung des Messprogramms Störfall/Unfall gewährleistet sein. Wenn keine anderweitigen Regelungen getroffen wurden, sind in der Ausweichstelle entsprechende Voraussetzungen zu schaffen.
Die Lage der Ausweichstelle sollte außerhalb der Zentralzone der Anlage so gewählt werden, dass sie nicht in einer der Hauptausbreitungsrichtungen liegt. Gleichzeitig sollte bei der Wahl der Ausweichstelle berücksichtigt werden, dass eine gute Verkehrsanbindung zur Anlage besteht und die Einleitung von Maßnahmen in der Anlage somit zeitnah möglich ist. Das Betreten der Ausweichstelle ist für die befugten Personen jederzeit verzögerungsfrei sicherzustellen, ohne dass Schlüssel oder Zugangskarten aus der Anlage bereitgestellt werden müssen. Der zutrittsberechtigte Personenkreis ist festzulegen.
In Ergänzung der erforderlichen Arbeitsmaterialien sind Strahlenschutz- und persönliche Schutzausrüstung (Dosisleistungsmessgerät, Kontaminationsmonitor, Atemschutz, Jodtabletten, Schwebstoffmonitor [Luftprobensammler], Personendosimeter sowie Wechselkleidung) für mindestens 25 Personen in der Ausweichstelle vorzuhalten.
Es sind Kriterien festzulegen, wann die Ausweichstelle zu besetzen ist (z.B. Unverfügbarkeit der Räume der Notfallorganisation, radiologische Grenzwerte). Es sind darüber hinaus die notwendigen Maßnahmen und Abläufe zur Besetzung der Ausweichstelle sowie der unverzüglichen Herstellung der Arbeitsfähigkeit (z.B. Heranführung des Personals, Einrichtung der Arbeitsplätze) und Erreichbarkeit (z.B. Unterrichtung der externen Stellen) der Notfallorganisation zu beschreiben.
6.2.7 Messfahrzeug
Die Anlage verfügt über mindestens ein Messfahrzeug, mit dem die Messaufgaben des Betreibers nach REI /5/ durchgeführt werden können. Das Messfahrzeug ist mit den notwendigen Kommunikationsmitteln zur Führung des Fahrzeugs durch die Einsatzleitung sowie zur Datenübertragung auszurüsten. Die Kommunikation zwischen den Messfahrzeugen und deren Einsatzzentrale muss diversitär aufgebaut sein (z.B. öffentlicher Mobilfunk und Betriebsfunk). Die Mobilfunkanschlüsse müssen eine Bevorrechtigung gemäß TKSiV /6/ haben.
Aufgrund des Messeinsatzes im hauptbeaufschlagten Gebiet sind möglichst entsprechende besondere Schutzvorkehrungen an den Messfahrzeugen wie außenluftunabhängiger Betrieb bzw. Filterung der Zuluft vorzusehen. Sind solche Schutzvorkehrungen der Messfahrzeuge nicht realisierbar, sollte ein vergleichbarer Schutz über die persönlichen Schutzausrüstungen des Personals sichergestellt werden. Darüber hinaus ist das Messpersonal mit Dosimetern mit Dosis-/Dosisleistungs-Warnschwellen und Jodtabletten auszurüsten.
Zur Einsatzlenkung sollte ein navigationssystemgestützter automatischer Fahrtroutenordner zur Anwendung kommen. Als Rückfallebene ist ergänzend ein papiergestützter Fahrtroutenordner vorzuhalten.
7 Anlagentechnische Notfallmaßnahmen
Einen wesentlichen Bestandteil der Notfallplanungen der Betreiber stellen die anlagentechnischen Notfallmaßnahmen dar. Diese anlagentechnischen Notfallmaßnahmen sind die Einrichtungen und Vorkehrungen, die genutzt werden, um auslegungsüberschreitende Ereignisabläufe frühzeitig zu erkennen, zu verfolgen und in ihren möglichen Auswirkungen innerhalb und außerhalb der Anlage wirksam zu begrenzen bzw. die Anlage in einen sicheren Zustand zu überführen. Die anlagentechnischen Notfallmaßnahmen sollten so konzipiert sein, dass mit den vorgesehenen Maßnahmen ein breites Spektrum von auslegungsüberschreitenden Ereignisabläufen und Phänomenen bei Unfällen mit schweren Kernschäden abgedeckt werden kann. Dabei sind die Ereignisabläufe zu berücksichtigen, die nach den Ergebnissen probabilistischer Sicherheitsanalysen dominierende . Beiträge zur Kemschmelzhäufigkeit liefern bzw. zu unzulässigen Freisetzungen radioaktiver Stoffe in die Umgebung führen. Die anlagentechnischen Notfallmaßnahmen sollen somit die vom Anlagenkonzept gegebenen Möglichkeiten und Erfordernisse abdecken.
Die anlagentechnischen Notfallmaßnahmen stützen sich auf eigens dafür vorgesehene fest installierte und mobile Maßnahmen und Einrichtungen ab. Zu den Notfallmaßnahmen zählen auch die flexible Nutzung verfügbarer Sicherheits- und Betriebssysteme und der Notstandseinrichtungen sowie die Eingriffe in leittechnische Einrichtungen, wie z.B. in das Reaktorschutzsystem.
Detailliertere Festlegungen zur Planung, Auslegung und zum Nachweis der Wirksamkeit anlagentechnischer Notfallmaßnahmen sind nicht Gegenstand dieser Rahmenempfehlungen. Die Anforderungen zur Verankerung der anlagentechnischen Notfallmaßnahmen im Notfallhandbuch sind der KTA 1203 /8/ zu entnehmen.
8 Unterlagen/Dokumentation
8.1 Notfallschutzdokumentation
8.1.1 Allgemeine Anforderungen
Auch im Notfall stellen neben der notfallspezifischen Dokumentation die betrieblichen Unterlagen (BHB etc.) eine wesentliche Dokumentationsbasis dar.
Die notfallspezifische Dokumentation besteht in der Regel aus
Die Anforderungen an die Dokumentation sind den einschlägigen KTA-Regeln KTA 1201 (BHB) /7/, KTA 1203 (NHB) /8/ sowie KTA 1404 (Dokumentation) /9/ zu entnehmen. Um Doppelregelungen zu vermeiden, werden nachfolgend nur die übergeordneten notfallspezifischen Aspekte dargestellt bzw. weiterführende Anforderungen formuliert.
Die Planungen zur Information der Bevölkerung sind mit der zuständigen Katastrophenschutzbehörde abzustimmen.
Regelungen, die nicht dauerhaft wirksam sein sollen, können in nachgelagerten Anweisungen außerhalb des Notfallhandbuches verankert werden. Dazu gehören z.B. Sachverhalte, die die Durchführung von Übungen betreffen (Übungsanweisungen).
Die Notfallschutzdokumentation muss jederzeit aktuell gehalten werden. Änderungen sind nachvollziehbar zu dokumentieren.
8.1.2 Notfallhandbuch
Im Notfallhandbuch sind Regelungen zu treffen, die ein situationsgerechtes Handeln der Notfallorganisation ermöglichen, und Maßnahmen zu beschreiben, die im Fall auslegungsüberschreitender Ereignisse ergriffen werden können, um das Ereignis zu beherrschen oder seine Folgen zu begrenzen. Insofern muss das Notfallhandbuch alle Organisations-, Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibungen, Arbeits- und Handlungsanweisungen, Unterlagen und Hilfsmittel enthalten, die zur Bewältigung eines auslegungsüberschreitenden Ereignisablaufs als erforderlich angesehen werden.
Der Übergang vom Betriebshandbuch auf das Notfallhandbuch ist eindeutig zu definieren. Die im BHB (Alarmordnung) enthaltenen Kriterien zur Empfehlung von Voralarm bzw. Katastrophenalarm stellen diesen Übergang im administrativorganisatorischen Bereich sicher (vgl. hierzu Kapitel 3.2). Der Übergang im anlagentechnischen Bereich ist durch die Aufnahme eindeutiger Querverweise/Weiterführungen aus dem Schutzziel-BHB auf die jeweiligen anlagentechnischen Notfallmaßnahmen herzustellen. Entsprechende Querverweise/ Weiterführungen sind bei allen Schutzzielen und Unterschutzzielen des Schutzziel-BHB aufzunehmen.
Für den Übergang vom Notfallhandbuch zurück zum Betriebshandbuch ist eine Strategie zu beschreiben, soweit dies technisch und organisatorisch sinnvoll möglich ist (KTA 1203 /8/).
Regelungen, die die Lageermittlung, die Lagebewertung und die Lagedarstellung betreffen, sind den Arbeitsunterlagen des Notfallhandbuchs hinzuzufügen. Dazu gehören auch die Verfahren und Hilfsmittel zur Ermittlung des Quellterms und der Radiologischen Lage.
Die Gliederung für das Notfallhandbuch findet sich in KTA 1203 /8/.
8.1.3 Kommunikations- und Alarmierungsunterlagen
Die Angaben zu den Alarmierungsmaßnahrnen (z.B. Melde- und Informationsverpflichtungen) sind im BHB (Alarmordnung) festzulegen. Ergänzende Kommunikations- und Alarmierungsunterlagen können in der notfallspezifischen Dokumentation vorzugsweise in Form von Checklisten enthalten sein. Zusammen enthalten diese Dokumente alle Angaben, die der Umsetzung der Regelungen zur Herstellung der schnellen Verfügbarkeit der Notfallorganisation und zur Umsetzung des Kommunikationskonzepts dienen. Zu diesem Unterlagenkomplex gehören
Die Kommunikations- und Alarmierungsunterlagen sollten Bestandteil des Notfallhandbuchs sein.
8.1.4 Ausbildungs- und Trainingsdokumentation
Die Ausbildungs- und Trainingsdokumentation sollte folgende Unterlagen umfassen:
8.1.5 Einsatzdokumentation
Zur Einsatzdokumentation gehören alle während eines Notfalleinsatzes erstellten Unterlagen. Hierzu gehören z.B. die Niederschriften der während eines Einsatzes getroffenen Entscheidungen inkl. der jeweiligen Entscheidungsgrundlagen und Maßnahmenverfolgung, versendete Lageberichte sowie auch etwaige dokumentierte Einwände und Bedenken der Mitglieder des Krisenstabes. Es sind entsprechende organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen, dass keine Dokumente verlorengehen können. Soweit möglich sollten die Dokumentation des Ereignisablaufes und die Dokumentation der Ergebnisse der Lageermittlung in einer ganzheitlichen IT-gestützten Lagedarstellung (Lageinformationssystem) erfolgen.
Im Zentrum der Einsatzdokumentation steht das Einsatztagebuch, das vorzugsweise elektronisch geführt werden sollte. Dieses Dokument muss im Einsatzfall ständig verfügbar sein, damit sich neu hinzugekommene Einsatzkräfte über den Ablauf informieren können.
8.1.6 Aufbewahrung und Zugang
Das Notfallhandbuch und die nachgelagerten Anweisungen, die Kommunikations- und Alarmierungsunterlagen sowie die Hilfsmittel müssen an den Einsatzorten der Notfallorganisation entsprechend den dort zu erfüllenden Aufgaben in aktueller Form zur Verfügung stehen.
Die übrigen Unterlagen sind im Archiv zu verwahren.
Der Zugang zur Zweitdokumentation und zur vor Ort benötigten betrieblichen Dokumentation (Betriebshandbuch, Anweisungen, Messprogramme etc.) muss jederzeit sichergestellt sein.
8.2 Verkürztes oder vereinfachtes Instandhaltungsverfahren
Bei Unfällen oder schwerwiegenden Ereignissen sollte das in den Betriebsordnungen vorgeschriebene Instandsetzungsverfahren verkürzt werden können, insbesondere wenn die erforderlichen Instandsetzungen zur Einhaltung übergeordneter Ziele, wie z.B. Personenrettung oder Vermeiden einer Freisetzung gefährlicher Stoffe, keinen Aufschub zulässt. Die hierfür erforderlichen Regelungen sind im BHB (Instandhaltungsordnung) verbindlich festzulegen.
Alle notwendigen Aktivitäten im Rahmen des verkürzten Instandhaltungsverfahrens unterliegen grundsätzlich der Verantwortung des Schichtleiters. Es ist zulässig, entsprechende Planungen und Freigaben durch den Einsatzleiter vornehmen zu lassen, jedoch ist vor endgültiger Freigabe der Arbeiten eine Abstimmung und Gegenzeichnung durch den verantwortlichen Schichtleiter vorzunehmen.
Die erforderlichen Strahlenschutz-, Personenschutz-, Arbeitsschutz- und Brandschutzmaßnahmen sind festzulegen.
Sämtliche Anweisungen können mündlich erteilt werden, eine nachträgliche Dokumentation ist sicherzustellen. Einer schriftlichen Anweisung ist soweit möglich der Vorzug zu geben. Die Mindestanforderung an eine Freigabe zur Durchführung einer Maßnahme ist eine telefonische Freigabe vom verantwortlichen Schichtleiter. In solchen Fällen sollte der Schichtleiter den Vorgang schriftlich dokumentieren (Freigabe an wen und wann, spezifische Anweisungen, wie z.B. zu notwendigen Sicherheits- und Schutzmaßnahmen). Der Angewiesene sollte die Anweisung ebenfalls nach Möglichkeit schriftlich festhalten.
9 Qualifikation, Schulung, Übungen
9.1 Qualifikationsanforderungen
Der Betreiber hat für die notwendige Erst- und Wiederholungsschulung des in der Notfallorganisation verantwortlich tätigen Personals und für den Erhalt der Fachkunde, insbesondere für die Gruppe der möglichen Einsatzleiter, zu sorgen.
Inhalt und Umfang der Schulungen müssen sich an der Bedeutung der jeweiligen Position für die Notfallorganisation orientieren. So müssen Einsatzleiter eine gezielte Ausbildung und fachliche Qualifikation nachweisen sowie ausreichende Kenntnisse über auslegungsüberschreitende Ereignisse haben. Die Anforderungen werden in der Regel durch die personenbezogene behördliche Anerkennung der Fachkunde entsprechend Fachkunderichtlinie für das verantwortliche Personal als Leiter der Anlage (und als Hauptbereitschaftshabender) erreicht. Sie nehmen an einschlägigen Wiederholungsschulungen, an Notfallübungen und am Simulatortraining im Rahmen der Vorgaben der Richtlinie für das verantwortliche Personal in Kernkraftwerken /15/ teil.
Für die Mitglieder des Krisenstabs sowie ihre Vertreter ist eine fachspezifische Qualifikation und gezielte Ausbildung im Hinblick auf übergreifende notfallspezifische Kenntnisse sicherzustellen. Dies gilt auch für etwaige Leiter von Einsatzeinheiten und deren Vertreter. Für diese Positionen soll möglichst nur Personal eingesetzt werden, welches in der normalbetrieblichen Organisation für die jeweiligen Aufgabenstellungen als verantwortliches Personal verankert ist (siehe hierzu auch Kapitel 2.2.1).
Die zur Kontakthaltung und Beratung der Katastrophenschutzbehörden vorgesehenen Sachkundigen Verbindungspersonen sind entsprechend ihrer Aufgabenstellung im Hinblick auf die abzuarbeitenden anlagentechnischen, radiologischen, organisatorischen und katastrophenschutzrelevanten Fragestellungen zu schulen.
Auch das nachgeordnete Personal ist regelmäßig in den für dessen Tätigkeitsumfang relevanten Notfallaspekten zu schulen. Hierzu gehören beispielsweise die Anwendung von Personenschutzmaßnahmen, die Durchführung von Notfallmaßnahmen sowie die Durchführung von Reparaturmaßnahmen unter erschwerten Umgebungsbedingungen.
Die Fähigkeiten des Personals sowie die Zusammenarbeit des Krisenstabs mit der Betriebsmannschaft, dem Einsatzpersonal und den externen Stellen sind im Rahmen von regelmäßigen, möglichst realitätsnahen Übungen zu beüben (vgl. hierzu Kapitel 9.2).
9.2 Übungen
Wesentlich für den Erwerb und die Festigung der notfallspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten des Betreibers sowie den Nachweis der Wirksamkeit der Notfallplanungen und -vorkehrungen ist die regelmäßige Durchführung von Übungen.
Notfallübungen sind grundsätzlich zu unterscheiden in anlageninterne und anlagenexterne Übungen. Während bei anlageninternen Übungen das Ziel im Beüben der betreibereigenen Notfallplanungen und Vorkehrungen sowie der Bedienung der Kommunikationsschnittstellen zu den beteiligten externen Stellen (z.B. Katastrophenschutzbehörde, KHG) liegt, wird bei anlagenexternen Übungen die Interaktion der Notfallschutzorganisation des Betreibers mit den für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden beübt.
Aufgrund der hohen Anzahl von Mitwirkenden bei anlagenexternen Übungen sind diese Übungen mit einem deutlich höheren Vorbereitungs- und Durchführungsaufwand verbunden. Gleichwohl sollten entsprechende Übungen unter Mitwirkung aller internen und externen Stellen mindestens alle 5 Jahre durchgeführt werden.
Anlageninteme Übungen sind mindestens jährlich als Vollübung durchzuführen. Bei Kraftwerksstandorten mit mehreren Blöcken ist pro Block eine jährliche Vollübung erforderlich.
Bei einer Vollübung sind alle in die Notfallorganisation des Betreibers eingebundenen Organisationseinheiten zu beteiligen. Sie sollte gemäß /14/ immer die folgenden Module enthalten:
Weitere Module, die gemäß /14/ zu einer Notfallübung gehören können, wie z.B.
sind szenarienspezifisch bei den Übungen zu berücksichtigen. Es ist durch geeignete Modulwahl dafür Sorge zu tragen, dass die jeweiligen Notfallschutzplanungen/-vorkehrungen regelmäßig beübt werden.
Bei Übungen bzgl. der externen Kommunikation- und Informationsschnittstellen sind nach Möglichkeit die betroffenen, externen Stellen direkt zu beteiligen, alternativ sind die Schnittstellen realitätsnah zu simulieren.
Vollübungen sollten unter Verwendung eines auslegungsüberschreitenden anlagentechnischen Szenarios durchgeführt werden, hierzu gehört auch die szenarienabhängige Überlagerung des auslegungsüberschreitenden Ereignisses mit Personenunfällen und Bränden sowie die realitätsnahe Durchführung von Flucht- und Räumungsalarmen während der Übung.
Vollübungen sollten unangekündigt erfolgen, d.h. Zeitpunkt und Szenario der Übung ist nur der jeweiligen Übungsleitung bzw. den mit der Übungsvorbereitung betrauten Mitarbeitern bekannt.
Mindestens jede zweite Vollübung sollte außerhalb der Regelarbeitszeit durchgeführt werden, um das Alarmierungsverfahren und den Aufbau der Notfallorganisation realitätsnah zu beüben.
In regelmäßigen Abständen ist der anlagenspezifische Simulator in die Übungen einzubeziehen. Die Simulatoren sollten so ausgerüstet sein, dass die wesentlichen für die Anlage relevanten auslegungsüberschreitenden Szenarien von Simulator abgebildet werden können. Simulatorübungen sollten alle 3 bis 5 Jahre in den Übungszyklus eingebunden werden. Die simulatorspezifischen Kommunikationswege erfordern die Erarbeitung eines spezifisch auf die Simulatorübung abgestimmten Kommunikationskonzepts.
Die jährlichen Vollübungen sollen durch regelmäßige Teil- bzw. Modulübungen ergänzt werden, in denen spezielle Aspekte der Notfallschutzplanungen separat beübt werden /14/. Hierzu können beispielsweise die Durchführung einzelner Notfallmaßnahmen, Krisenstabsübungen oder Kommunikationsübungen gehören. Art und Umfang dieser Übungen sollte anlassbezogen (z.B. Einführung neuer Notfallmaßnahmen, Ausbildung neuer Mitarbeiter, Abstellung von Mängeln aus Vollübungen etc.) gewählt werden.
Durch eine geeignete Modulkombination bei den Voll-, Teil- bzw. Modulübungen sollte gewährleistet werden, dass die einzelnen Module in der Regel jährlich geübt werden. Spezifische Module, wie die Besetzung der Ausweichstelle und Maßnahmen im Zuge von Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD), sollten alle 3 bis 5 Jahre in den Übungsszenarien Berücksichtigung finden.
Die Übungsvorbereitung, -leitung, -beobachtung und -auswertung soll durch speziell geschulte Mitarbeiter erfolgen, die diese Aufgaben kontinuierlich wahrnehmen und insofern spezifische Erfahrungen ausweisen.
Für eine Gewährleistung eines sicheren Anlagenbetriebs bei der Übungsdurchführung sind die übungsspezifischen Sicherheitsmaßnahmen und Verhaltensregeln schriftlich festzulegen und den von der Übung betroffenen Mitarbeitern rechtzeitig vor der Übung in Schulungen zu vermitteln.
Zur Übungsdurchführung sollte eine zentrale Übungsleitung gebildet werden, bei der die wesentlichen Informationen zusammenlaufen und durch die eine situationsangepasste Vorgabe bzw. Steuerung des Szenarios erfolgt.
Die Übung ist durch eine ausreichende Zahl geschulter Übungsbeobachter zu begleiten und zu protokollieren. Der Übungsablauf ist in einem Ablaufprotokoll darzustellen, welches die Grundlage für die Übungsauswertung darstellt.
Die Übung ist auszuwerten und die Erkenntnisse aus der Übungsauswertung sind in den Notfallplanungen zu berücksichtigen. Die Übungen sind in geeigneter Weise zu dokumentieren (vgl. Kapitel 8.1).
In den Notfallplanungen des Betreibers sind Vorgaben für die Übungsvorbereitung, -durchführung und -auswertung sowie für die Ergebnisdarstellung und Umsetzungsverfolgung von Verbesserungsmaßnahmen in den Notfallplanungen zu verankern (Stichwort: kontinuierlicher Verbesserungsprozess).
10 Dauerhafte Sicherstellung der Wirksamkeit der Notfallplanungen, Wiederkehrende Prüfungen
Die Notfallplanungen sind vom Betreiber zu aktualisieren und regelmäßig zu prüfen. Hierbei sind der Stand von Wissenschaft und Technik, Erkenntnisse aus Notfallübungen bzw. realen Anforderungsfällen anlagenübergreifend in Abstimmung mit den für den anlagenexternen Katastrophenschutz zuständigen Behörden zu berücksichtigen. Ergibt sich durch Änderungen an den anlagenexternen Katastrophenschutzplanungen Anpassungsbedarf für die Planungen des Betreibers, sind diese zeitnah umzusetzen.
Die in dieser Rahmenempfehlung benannten Einrichtungen und Ausrüstungsgegenstände sowie die Dokumentation sind wiederkehrend auf Funktionsfähigkeit, Vollständigkeit und Aktualität zu prüfen. Die Prüfergebnisse sind zu dokumentieren.
Die automatischen Alarmierungssysteme sind wiederkehrend zu prüfen. Die der Alarmierung zu Grunde liegenden Alarmierungslisten (Telefon, E-Mail etc.) sind wiederkehrend auf Aktualität zu prüfen.
11 Definitionen
Anlageninterner Notfallschutz (Quelle /8/)
Der anlageninterne Notfallschutz umfasst die Maßnahmen, die ergriffen werden, und die Einrichtungen, die genutzt werden, um auslegungsüberschreitende Ereignisabläufe frühzeitig zu erkennen, zu kontrollieren und in ihren möglichen Auswirkungen innerhalb und außerhalb der Anlage wirksam zu begrenzen (...).
Auslegungsüberschreitender Ereignisablauf (Notfall) (Quelle /8/)
Auslegungsüberschreitende Ereignisabläufe sind solche Abläufe, die sich aus in der Auslegung nicht mehr zu berücksichtigenden System- oder Komponentenausfällen entwickeln können.
Ausweichstelle (Quelle /4/)
Die Ausweichstelle der Einsatzleitung ist eine Einrichtung des Betreibers zur Aufnahme des Krisenstabes des Betreibers für den Fall einer Räumung der Anlage.
Bereitschaft
Eine planmäßig über einen definierten Bereitschaftsplan vorgesehene feste Besetzung einer Position innerhalb der Betriebsorganisation/Notfallorganisation (keine Zufallsbereitschaft, siehe Definition Zufallsbereitschaft).
Betriebshandbuch (BHB) (Quelle /7/)
Das Betriebshandbuch enthält alle betriebstechnischen und sicherheitstechnischen Regelungen, darunter alle Sicherheitsspezifikationen, die für den bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage und zur Beseitigung von Störungen und Beherrschung von Störfällen erforderlich sind, sowie in einem Anhang die Auflistungen, Unterlagen und ergänzenden Regelungen, die Grundlagen des operativen Teils des Betriebshandbuchs sind sowie diesen Teil ergänzen oder erläutern.
Betriebsvorschriften (Quelle /12/)
Alle schriftlichen Unterlagen, die zum Betrieb der Anlage erforderlich sind. Hierzu gehören insbesondere Betriebshandbuch, Notfallhandbuch, Prüfhandbuch, Verfahrens- und Arbeitsanweisung.
Einsatzleiter (Quelle /14/)
Der Einsatzleiter ist der Leiter der Betreiber-Notfallorganisation (z.T. wird auch synonym der Begriff Haupteinsatzleiter verwandt).
Einwirkung von außen (EVA) (Quelle /12/)
Einwirkungen, die durch Umgebungsbedingungen, Naturereignisse oder äußere zivilisatorische Einflüsse von außerhalb des Anlagengeländes hervorgerufen werden.
Ereignisanalyse (Quelle /12/)
Analysebestandteil der deterministischen Sicherheitsanalyse. Methode der Nachweisführung, mit der gezeigt wird, dass ausreichend wirksame Maßnahmen und Einrichtungen zur Beherrschung von Ereignissen vorhanden sind.
Ereignis, repräsentativ (Quelle 12/)
Ereignis, dessen Analyse einen ausreichend generisch abdeckenden sicherheitstechnischen Nachweis ermöglicht.
FORDEC-Verfahren
Verfahren zur systematischen Analyse der Fakten (Facts) und der bestehenden Handlungsoptionen (Options) im Hinblick auf die bestehenden Risiken (Risks) sowie zu Maßnahmeentscheidungen (Decision) und der nach der Ausführung (Execution) der Maßnahmen notwendigen Wirksamkeitskontrolle (Check).
Freisetzung radioaktiver Stoffe (Quelle /12/)
Das infolge Ereignissen der Sicherheitsebene 3 oder 4 unbeabsichtigte Entweichen radioaktiver Stoffe aus den vorgesehenen Umschließungen in die Anlage oder in die Umgebung.
Katastrophenschutz-Maßnahme (Quelle /12/)
Vorkehrung zum Schutz der Bevölkerung für den Fall, dass bei einem auslegungsüberschreitenden Anlagenzustand erhebliche Freisetzungen radioaktiver Stoffe in die Umgebung eingetreten oder zu besorgen sind.
Kernschaden, schwerer (Quelle /12/)
Zustand des Reaktorkerns, bei dem die Kühlbarkeit und/oder die dauerhafte Unterkritikalität nicht mehr gegeben sind.
Krisenstab (Quelle /14/)
Der Krisenstab ist das übergeordnete Leitungsgremium einer Notfall-/Krisenorganisation.
Leiter der Anlage (Quelle /12/)
Betriebsangehöriger, der die Verantwortung für den sicheren
Betrieb der gesamten Anlage, insbesondere für die Einhaltung
der Bestimmungen des Atomrechts und der atomrechtlichen
Genehmigungen sowie für die Zusammenarbeit aller Fachbereiche trägt, und der gegenüber den Fach- oder Teilbereichsleitern weisungsbefugt ist.
Modulübungen (Quelle /14/)
Modulübungen haben das Trainieren von in sich geschlossenen Gruppen von Einzelaktionen zum Ziel, die bestimmte Organisationseinheiten der Krisen-/Notfallorganisation als Reaktion und Gegenmaßnahmen bei Notfällen durchzuführen haben (z.B. Messprogramm Störfall/Unfall, Alarmierung der Notfallorganisation).
Notfallorganisation (Quelle /14/)
Unter Notfallorganisation versteht man die personellen/organisatorischen Planungen des Betreibers für einen Notfall. In den deutschen Kernkraftwerken werden -bei gleicher inhaltlicher Bedeutung - diesbezüglich unterschiedliche Begriffe (z.B. Notfallschutzorganisation, Krisenorganisation, Krisenmanagement) verwendet. Die Notfallorganisation setzt sich im Regelfall aus einem übergeordneten Leitungsgremium, dem Krisenstab (auch Haupteinsatzleitung) sowie nachgeordneten Einsatzeinheiten bzw. Einsatzleitungen zusammen.
Notfallplanungen (Quelle /14/)
Die Notfallplanungen sind die Gesamtheit aller organisatorischen und technischen Planungen eines Betreibers, die für die Beherrschung eines auslegungsüberschreitenden Ereignisses bzw. die Abminderung der aus dem Ereignis resultierenden Folgen für die Anlage und die Umgebung erforderlich sind.
Notfallübung/Notfallschutzübung (Quelle /14/
Eine Notfallübung/Notfallschutzübung ist eine Übung, in der das Zusammenwirken der einzelnen Organisationseinheiten der Krisen-/Notfallorganisation des Betreibers unter den Randbedingungen eines auslegungsüberschreitenden Ereignisses trainiert werden soll.
Notfallschutzübungen, unangekündigte (Quelle /14/)
Unangekündigte Notfallschutzübungen sind Übungen, bei denen sowohl der Übungszeitpunkt als auch das Übungsszenario dem Personal der Notfallorganisation nicht bekannt sind.
Notfallschutzübungen, angekündigte (Quelle /14/ Angekündigte Notfallschutzübungen sind Übungen, bei denen dem Personal der Notfallorganisation der Übungszeitpunkt und/oder das Übungsszenario bekannt sind.
Notfallhandbuch (NHB) (Quelle /8/)
Das Notfallhandbuch ist als eigenständiges Handbuch Teil der Betriebsdokumentation. Es enthält die organisatorischen Regelungen und Handlungsanweisungen zum anlagenintemen Notfallschutz.
Notfallmaßnahme (Quelle /8/)
Notfallmaßnahmen sind sowohl vorgeplante Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes als auch situationsbedingte Maßnahmen im präventiven und mitigativen Bereich.
Notsteuerstelle (Quelle /12/)
Einrichtung außerhalb der Warte, von der aus bei Ausfall der Warte der Reaktor unterkritisch gemacht, die Unterkritikalität aufrecht erhalten und die Wärmeabfuhr aus dem Reaktor nach dessen Abschaltung überwacht und gesteuert werden kann.
Notstromfall
Ausfall der Eigenbedarfsversorgung des Kraftwerkes, die Drehstromversorgung erfolgt über die Notstromdiesel.
ODM (Operational Decision Making, WANO Paris center)
Sachkundige Verbindungspersonen (vgl. /4/)
Speziell geschulte Mitarbeiter aus der Notfallorganisation des Betreibers, die im Ereignisfall zur zuständigen Katastrophenschutzbehörde entsandt werden (Aufgaben: Beschreibung des Anlagenzustandes, Erläuterung des Unfallablaufes und des Quellterms, Darstellung der radiologischen Konsequenzen).
Simulatorübung (Quelle /14/)
Notfallschutzübung, deren Szenarienvorgabe unter aktiver realtime-Einbeziehung des anlagenspezifischen Simulators erfolgt: Für eine Simulatorübung muss die Simulatorwarte mit einer Übungsschicht besetzt werden, welche im Übungsverlauf für die Analyse des Anlagenzustandes sowie die Einleitung entsprechender Fahrweisen und Schalthandlungen zuständig ist.
Station-Black-Out
Auslegungsüberschreitender Störfall mit vollständigem Ausfall der notstromversorgten Drehstromversorgung. Es ist lediglich die batteriegepufferte, unterbrechungsfreie Stromversorgung verfügbar.
Störfall (Quelle /2/)
Ein Störfall ist ein Ereignisablauf, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder eine Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind.
Teilübungen (Quelle /14/)
Einzelne Modulübungen zu bestimmten Themenbereichen lassen sich zu Teilübungen zusammenfassen (z.B. Alarmierung und nachfolgender Aufbau der Einsatzleitung). Das Ziel von Teilübungen ist das themenbereichsbezogene Trainieren der Kooperation und Kommunikation innerhalb der Krisen-/Notfallorganisation des Betreibers.
Übungskoordinator/Übungsleiter (Quelle /14/)
Der Übungskoordinator/-leiter ist für die Vorbereitung, Koordination, Beobachtung und Auswertung der Übung verantwortlich. Er wird von Übungsbeobachtern unterstützt.
Übungsszenario (Quelle /14/)
Das Übungsszenario ist der für die Übung unterstellte Ablauf des auslegungsüberschreitenden Ereignisses. Das Szenario beinhaltet sowohl die verfahrenstechnischen als auch die radiologischen Parameterverläufe. Hierbei sind ggf. von der Notfallorganisation einzuleitende Maßnahmen angemessen zu berücksichtigen.
Vollübung (anlagenintern) (Quelle /14/)
Eine anlageninterne Vollübung ist eine Übung, in der das Zusammenwirken der wesentlichen Organisationseinheiten der Krisen-/Notfallorganisation des Betreibers unter den Randbedingungen eines auslegungsüberschreitenden Ereignisses trainiert werden soll.
Warte (Quelle /12/)
Der zentrale Ort, von dem der Betrieb eines Kernkraftwerksblockes überwacht und gesteuert wird. Zur Warte zählen der Wartenraum und die Wartennebenräume.
Zufallsbereitschaft
Vorgesehener Personenkreis von mehreren Mitarbeitern, aus dem im Anforderungsfall die jeweilige Position der Notfallorganisation besetzt werden muss. Da für die Position keine feste Bereitschaft (siehe Definition Bereitschaft) besteht, ist die letztendliche Besetzung der Position aus dem Kreis der vorgesehenen Personen entsprechend ihrer Erreichbarkeit zufällig.
12 Abkürzungsverzeichnis
AtSMV | Atomrechtliche Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung |
BHB | Betriebshandbuch |
ELAN | computergestütztes Informationssystem, für die Elektronische Lagedarstellung des BfS |
ELDA | computergestütztes Informationssystem, für die Elektronische Lagedarstellung Schleswig-Holsteins |
E-Technik | Elektrotechnik |
EVA | Einwirkung von außen |
FORDEC | Facts, Options, Risks, Decision, Execution, Check |
KTA | Kerntechnischer Ausschuss |
KHG | Kerntechnische Hilfsdienst GmbH |
KSB | Kerntechnischer Sicherheitsbeauftragter |
NHB | Notfallhandbuch |
M-Technik | Maschinentechnik |
OSD | Objektsicherungsdienst |
PHB | Prüfhandbuch |
REI | Richtlinie zur Emissions- und Immissionsüberwachung kerntechnischer Anlagen |
RSK | Reaktor-Sicherheitskommission |
SEWD | Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter |
SSK | Strahlenschutzkommission |
StrlSchV | Strahlenschutzverordnung |
TKSiV | Telekommunikations-Sicherstellungs-Verordnung |
USV | unterbrechungsfreie Stromversorgung |
WANO-ODM | World Association of Nuclear Operators -Operational Decision Making |
13 Literaturverzeichnis
/1/ | "Empfehlungen zur Planung von Notfallschutzmaßnahmen durch Betreiber von Kernkraftwerken" Bek. d. BMI vom 27. Dezember 1976 |
/2/ | Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung -StrlSchV) StrlSchV, (BGBl. I S. 1714, (2002, 1459)), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. August 2008 (BGBl. I S. 1793) |
/3/ | RSK/SSK-Empfehlung: Kriterien für die Alarmierung der Katastrophenschutzbehörde durch die Betreiber kerntechnischer Einrichtungen; verabschiedet in der 366. Sitzung der RSK am 16. Oktober 2003 und in der 186. Sitzung der SSK am 11./12. September 2003 |
/4/ | Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anla- gen; GMBl Nr. 62/63 vom 19. Dezember 2008 |
/5/ | Richtlinie zur Emissions- und Immissionsüberwachung kerntechnischer Anlagen (REI) vom 7. Dezember 2005 |
/6/ | Verordnung zur Sicherstellung von Telekommunikationsdienstleistungen sowie zur Einräumung von Vorrechten bei deren Inanspruchnahme (Telekommunikations-SicherstellungsVerordnung -TKSiV) vom 26. November 1997 (BGBl. I S. 2751), zuletzt geändert durch Artikel 462 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) |
/7/ | KTA 1201 "Anforderungen an das Betriebshandbuch"; Fassung 2009-11 |
/8/ | KTA 1203 "Anforderungen an das Notfallhandbuch", Fassung 2009-11 |
/9/ | KTA 1404 "Dokumentation beim Bau und Betrieb von Kernkraftwerken"; Fassung 6/01 |
/10/ | KTA 3901 "Kommunikationseinrichtungen für Kernkraftwerke", Fassung 11/04 |
/11/ | KTA 3904 "Warte, Notsteuerstelle und örtliche Leitstände in Kernkraftwerken", Fassung 11/07 |
/12/ | Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke "Begriffsbestimmungen", Rev. D, April 2009 |
/13/ | Leitfaden zur Information der Öffentlichkeit in kerntechnischen Notfällen; verabschiedet in der 215. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 20. April 2007 |
/14/ | Forschungsvorhaben des BfS SR 2380 "Erarbeitung eines bundeseinheitlichen Kataloges zur Harmonisierung der Anforderungen an anlageninteme Notfallschutzübungen" 2001 |
/15/ | Richtlinie für den Fachkundenachweis von Kernkraftwerkspersonal, Stand März 1993; Bek. d. BMU vom 14. April 1993 -RS I 3 -13831/2 |
/16/ | Verordnung über den kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten und über die Meldung von Störfällen und sonstigen Ereignissen (Erste Verordnung zur Änderung der Atomrechtliche Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung -AtSMV vom 8. Juni 2010; BGBl. I S. 755) |
Bekanntmachung einer gemeinsamen Empfehlung der Strahlenschutzkommission und der Reaktor-Sicherheitskommission
Rahmenempfehlungen für die Planung von Notfallschutzmaßnahmen durch Betreiber von Kernkraftwerken
Empfehlung der Strahlenschutzkommission
Vom 6. Dezember 2010
(BAnz vom 28.04.2011 Nr. 65a)
Nachfolgend wird die gemeinsame Empfehlung der Strahlenschutzkommission und der Reaktor-Sicherheitskommission bekannt gegeben.
Die Empehlung wurde in der 242. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 1./2. Juli 2010
Die Empehlung wurde in der 429. Sitzung der Reaktor-Sicherheitskommission am 14. Oktober 2010 verabschiedet.
ENDE |