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Regelwerk, EU 2008, Chemikalien - EU Bund

Empfehlung 2008/345/EG der Kommission vom 7. Februar 2008 für einen Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2008) 424)

(ABl. Nr. L 116 vom 30.04.2008 S. 46)



Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 211,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) In ihrer Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen "Hin zu einem europäischen Forschungsraum" schlug die Kommission im Januar 2000 die Schaffung eines europäischen Forschungsraums vor 1, um so die europäische Forschungspolitik zu konsolidieren und zu strukturieren. Im Mai 2007 stieß die Kommission mit dem Grünbuch "Der Europäische Forschungsraum: Neue Perspektiven" erneut eine breit angelegte Debatte in den Institutionen und in der Öffentlichkeit darüber an, mit welchen Mitteln ein einheitlicher, attraktiver Europäischer Forschungsraum zu erreichen sei, der die Bedürfnisse und Erwartungen der Wissenschaft, der Industrie und der Bürger erfüllt 2.

(2) Die Kommission verabschiedete im Februar 2000 eine Mitteilung zum Vorsorgeprinzip 3, um einen Grundkonsens darüber zu erzielen, wie wissenschaftlich noch nicht in vollem Umfang einschätzbare Risiken erfasst, bewertet, bewältigt und vermittelt werden sollen.

(3) Anlässlich seiner Tagung im März 2000 in Lissabon beschloss der Europäische Rat, die Gemeinschaft innerhalb der folgenden zehn Jahre zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.

(4) Im Jahr 2004 nannte die Kommission in ihrer Mitteilung "Auf dem Weg zu einer europäischen Strategie für Nanotechnologie" 4 Maßnahmen, mit denen auf Gemeinschaftsebene der zusätzliche Nutzen erzielt werden soll, der notwendig ist, um in diesem Bereich wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig die verantwortliche Weiterentwicklung dieser Technologie zu gewährleisten. In seinen Schlussfolgerungen vom 24. September 2004 5 begrüßte der Rat "Wettbewerbsfähigkeit" das vorgeschlagene integrierte, sichere und verantwortungsvolle Konzept und die Absicht der Kommission, einen Aktionsplan für Nanotechnologien zu erstellen.

(5) Unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation erstellte die Kommission 2005 einen Aktionsplan für Nanotechnologien 6, in dem auf der Grundlage der in der Mitteilung "Auf dem Weg zu einer europäischen Strategie für Nanotechnologie" herausgestellten vordringlichen Bereiche kohärente und in sich schlüssige Maßnahmen zur unmittelbaren Durchführung einer integrierten, sicheren und verantwortungsvollen Strategie für Nanowissenschaften und -technologien festgelegt werden. In beiden Mitteilungen wird ausdrücklich erwähnt, dass Umwelt-, Gesundheits-, und Sicherheitsaspekte bei allen Forschungsarbeiten im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien einbezogen werden müssen.

(6) Im Anschluss an den Aktionsplan für Nanowissenschaften und Nanotechnologien legte die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien im Januar 2007 eine Stellungnahme zu den ethischen Aspekten der Nanomedizin vor 7.

(7) Aufgrund von Beiträgen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zu einer früheren Stellungnahme gab der wissenschaftliche Ausschuss für neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken im März 2006 eine geänderte Stellungnahme zur Angemessenheit bestehender Verfahren zur Bewertung möglicher Risiken im Zusammenhang mit technisch hergestellten und zufälligen Nanotechnologieprodukten ab 8.

(8) Im Juni 2006 verabschiedete der Europäische Rat eine geänderte Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, mit der die anlässlich des Gipfeltreffens in Göteborg im Juni 2001 initiierte Gemeinschaftsstrategie für eine nachhaltige Entwicklung präzisiert wurde, deren Schwerpunkt auf Umwelt- und Gesundheitsschutzzielen und auf der Beseitigung der Armut lag.

(9) In seinen Schlussfolgerungen 9 vom 23. November 2007 erkannte der Rat "Wettbewerbsfähigkeit" die Notwendigkeit an, zwischen allen Beteiligten in den Bereichen Nanowissenschaften und Nanotechnologien Synergien und Zusammenarbeit zu fördern, unter anderem zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Finanzinstituten, Nichtregierungsorganisationen und der Gesellschaft insgesamt.

(10) Die Kommission legte 2007 einen ersten Durchführungsbericht zum Aktionsplan für Nanotechnologien in Europa vor 10. Darin kündigte sie ihre Absicht an, einen

freiwilligen Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien anzunehmen.

(11) Diese Empfehlung enthält den Verhaltenskodex, mit dem eine integrierte, sichere und verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien in Europa im Interesse der Gesellschaft insgesamt gefördert werden soll.

(12) Die allgemeinen Grundsätze und Leitlinien für Maßnahmen, die in dieser Empfehlung ausgeführt werden, stützen sich auf eine öffentliche Konsultation.

(13) Mit dieser Empfehlung wird den Mitgliedstaaten ein Instrument an die Hand gegeben, auf dessen Grundlage sie weitere Initiativen zur Gewährleistung einer sicheren, ethisch vertretbaren und nachhaltigen nanowissenschaftlichen und nanotechnologischen Forschung in der Europäischen Union ergreifen können.

(14) Ferner soll mit dieser Empfehlung ein Beitrag zu einer ordnungsgemäßen Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten geleistet werden, um die Synergien zwischen allen Akteuren der Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und Nanotechnologien europa- und weltweit optimal zu nutzen

- empfiehlt:

(1) Die Mitgliedstaaten sollten sich bei der Formulierung, Verabschiedung und Durchführung ihrer Strategien zur Entwicklung einer nachhaltigen Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und Nanotechnologien (im Folgenden "NuN") im Einklang mit der Strategie und dem Aktionsplan der Kommission für Nanotechnologien von den allgemeinen Grundsätzen und Leitlinien für Maßnahmen, wie sie in dem im Anhang beigefügten Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien ausgeführt sind, leiten lassen.

(2) Die Mitgliedstaaten sollten sich bei der Durchführung ihrer nationalen Regulierungsstrategien für Forschung und Entwicklung und bei der Erstellung sektorspezifischer oder institutioneller Normen für Forschung und Entwicklung bemühen, diesen allgemeinen Grundsätzen und Leitlinien zu folgen, wobei sie bereits geltende NuN-Leitlinien, bewährte Verfahren oder Vorschriften berücksichtigen.

(3) Die Mitgliedstaaten sollten diese allgemeinen Grundsätze und Leitlinien für die Forschung als einen integralen Bestandteil institutioneller Qualitätssicherungsverfahren behandeln, indem sie sie zur Festlegung von Finanzierungskriterien für nationale/regionale Finanzierungssysteme heranziehen und sie bei den Prüfungs-, Kontroll- und Bewertungsverfahren für staatliche Stellen einsetzen.

(4) Die Mitgliedstaaten sollten die freiwillige Befolgung des Verhaltenskodex durch die einschlägigen nationalen und regionalen Behörden, Arbeitgeber, Forschungsförderungseinrichtungen, Forscher sowie Einzelpersonen und Organisationen der Zivilgesellschaft, die mit NuN-Forschung zu tun haben oder daran interessiert sind, fördern und die erforderlichen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass sie einen Beitrag zur Entwicklung und Aufrechterhaltung eines günstigen Forschungsumfelds leisten, das eine sichere, ethisch vertretbare und wirksame Nutzung des NuN-Potenzials unterstützt.

(5) Die Mitgliedstaaten sollten bei der alle zwei Jahre stattfindenden Überprüfung dieser Empfehlung sowie des Umfangs der Übernahme und Anwendung des Verhaltenskodex durch die relevanten Akteure mit der Kommission zusammenarbeiten.

(6) In Verbindung mit ähnlichen Arbeiten auf Gemeinschaftsebene sind Kriterien zu erstellen und mit den Mitgliedstaaten zu vereinbaren, anhand derer erfasst werden kann, inwieweit der Verhaltenskodex übernommen und angewendet wurde.

(7) Die Mitgliedstaaten sollten im Rahmen ihrer bilateralen Vereinbarungen über Forschungsstrategien und -tätigkeiten mit Drittländern und in ihrer Rolle als Mitglieder internationaler Organisationen diese Empfehlung angemessen berücksichtigen, wenn sie Forschungsstrategien vorschlagen oder Entscheidungen treffen, und sich in angemessener Weise mit den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission abstimmen.

(8) Diese Empfehlung sollte ferner als Instrument zur Förderung des Dialogs zwischen Politikern, Forschern, Unternehmen, Ethik-Ausschüssen, Organisationen der Zivilgesellschaft und der Gesellschaft insgesamt auf allen Regierungsebenen eingesetzt werden, mit dem Ziel, die Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit über die Entwicklung neuer Technologien und ihre Einbindung zu verbessern.

(9) Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission bis zum 30. Juni 2008 und danach einmal jährlich alle Maßnahmen, die sie aufgrund dieser Empfehlung ergriffen haben, sowie erste Ergebnisse der Anwendung der Empfehlung und bewährte Verfahren mitteilen.

Brüssel, den 7. Februar 2008


1) KOM(2000) 6 vom 18.01.2000.
2) KOM(2007) 161 vom 04.04.2007.
3) KOM(2000) 1 vom 02.02.2000.
4) KOM(2004) 338 vom 12.05.2004.
5) Dok. 12487/04.
6) KOM(2005) 243 vom 07.06.2005.
7) Stellungnahme Nr. 21 vom 17. Januar 2007.
8) SCENIHR/002/05 vom 10. März 2006.
9) Dok. 14865/07.
10) KOM(2007) 505 vom 06.09.2007.

 

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 Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und -technologienAnhang

Dieser Verhaltenskodex gibt Mitgliedstaaten, Arbeitgebern, Forschungsförderern, Forschern und generell allen Bürgern und Organisationen der Zivilgesellschaft, die an der Forschung im Bereich der Nanowissenschaften und Nanotechnologien ("NuN") beteiligt oder interessiert sind ("allen Akteuren"), Leitlinien an die Hand, die ein verantwortungsvolles und offenes Konzept für die NuN-Forschung in der Gemeinschaft unterstützen.

Der Verhaltenskodex ergänzt bestehende Regelungen. Er schränkt die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, ein höheres Schutzniveau im Zusammenhang mit NuN-Forschung festzulegen, als in diesem Verhaltenskodex niedergelegt ist, weder ein noch berührt er diese anderweitig.

Akteure, die den Verhaltenskodex anwenden, sollten gegebenenfalls auch die Grundsätze der Charta der Grundrechte der Europäischen Union beachten.

Die Kommission wird den Verhaltenskodex alle zwei Jahre überprüfen und überarbeiten, um die Entwicklungen im Bereich NuN weltweit und ihre Integration in der europäischen Gesellschaft zu berücksichtigen.

1. Gegenstand und Ziel

Mit dem Verhaltenskodex werden alle Akteure aufgefordert, entsprechend der Strategie und dem Aktionsplan der Kommission für NuN verantwortlich zu handeln und zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass die NuN-Forschung in der Gemeinschaft in einem sicheren, ethisch vertretbaren und wirksamen Rahmen stattfindet und eine nachhaltige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung begünstigt.

Der Verhaltenskodex gilt für alle NuN-Forschungstätigkeiten, die im Europäischen Forschungsraum ausgeführt werden.

Seine Einhaltung ist freiwillig. Der Kodex umfasst allgemeine Grundsätze und Leitlinien für Maßnahmen, die von allen NuN-Akteuren ergriffen werden sollten. Er soll die Durchführung der im NuN-Aktionsplan für Europa (2005-2009) genannten Konzepte regulatorischer und nicht regulatorischer Art erleichtern und unterstützen und zu einer besseren Umsetzung der bestehenden Vorschriften sowie einem besseren Umgang mit wissenschaftlichen Ungewissheiten beitragen.

Der Verhaltenskodex sollte ferner Europa als Basis für den Dialog mit Drittländern und internationalen Organisationen dienen.

2. Begriffsbestimmungen

Im Rahmen dieses Verhaltenskodex gelten folgende Begriffsbestimmungen:

  1. Nano-Objekte: Da keine anerkannte internationale Terminologie existiert, wird im gesamten Verhaltenskodex für alle Produkte der NuN-Forschung die generische Bezeichnung "Nano-Objekt" verwendet. Hierunter fallen z.B. Nanopartikel und ihre Aggregation auf Nanoebene, Nanosysteme, Nanomaterialien, Nanostrukturmaterialien und Nanoprodukte.
  2. NuN-Forschung: NuN-Forschung umfasst im hier zugrunde gelegten weitesten Sinne alle Forschungsarbeiten, deren Gegenstand Materie auf nanoskopischer Ebene ist (1 bis 100 nm). In diesen Bereich fallen alle vom Menschen erzeugten Nano-Objekte, sowohl technisch hergestellte als auch zufällig erzeugte. Natürlich vorkommende Nano-Objekte sind nicht Gegenstand dieses Verhaltenskodex. Zur NuN-Forschung gehört die Grundlagenforschung ebenso wie die angewandte Forschung, die Technologieentwicklung sowie prä- und konormative Forschungsarbeiten zur Absicherung wissenschaftlicher Empfehlungen, Normen und Vorschriften.
  3. NuN-Akteure: Mitgliedstaaten, Arbeitgeber, Forschungsförderer, Forscher und generell alle Bürger und Organisationen der Zivilgesellschaft, die an der NuN-Forschung beteiligt oder interessiert sind.
  4. Organisationen der Zivilgesellschaft: Im Sinne dieses Verhaltenskodex gelten als Organisationen der Zivilgesellschaft alle Rechtspersonen, die nicht staatlich und gemeinnützig sind, keine kommerziellen Interessen vertreten und ein gemeinsames Ziel im öffentlichen Interesse verfolgen.

3. Allgemeine Grundsätze

Dieser Verhaltenskodex stützt sich auf allgemeine Grundsätze, die Maßnahmen erfordern, um ihre Einhaltung durch alle Akteure sicherzustellen.

3.1 Bedeutung

Die NuN-Forschung sollte für die Öffentlichkeit verständlich sein. Sie sollte die Grundrechte respektieren und bei ihrer Konzipierung, Durchführung, Verbreitung und Nutzung das Wohlergehen der Bürger und der Gesellschaft insgesamt im Auge haben.

3.2 Nachhaltigkeit

Die NuN-Forschung sollte sicher und ethisch vertretbar sein und einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Sie sollte den Nachhaltigkeitszielen der Gemeinschaft und den Millennium-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen 1 dienen. Sie sollte Menschen, Tiere, Pflanzen oder die Umwelt weder heute noch in Zukunft schädigen, noch sollte sie eine biologische, physische oder moralische Bedrohung für sie darstellen.

3.3 Vorsorge

NuN-Forschung sollte nach dem Vorsorgeprinzip stattfinden, d. h. potenzielle Folgen ihrer Ergebnisse für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit vorhersehen und Vorsorgemaßnahmen ergreifen, die dem Schutzniveau entsprechen, wobei sie gleichzeitig den Fortschritt im Interesse der Gesellschaft und der Umwelt fördern sollte.

3.4 Integration

Bei der Organisation der NuN-Forschung sollte den Grundsätzen der Öffnung für alle Akteure, der Transparenz und der Berücksichtigung des legitimen Rechts auf Zugang zu Informationen gefolgt werden. Sie sollte die Beteiligung aller an den NuN-Forschungstätigkeiten beteiligten oder durch sie betroffenen Akteure am Entscheidungsprozess ermöglichen.

3.5 Exzellenz

Die NuN-Forschung sollte - auch im Hinblick auf die Integrität der Forschung und die gute Laborpraxis 2- den höchsten wissenschaftlichen Standards entsprechen.

3.6 Innovation

Durch die Regelung der NuN-Forschung sollten so weit wie möglich Kreativität, Flexibilität und die Fähigkeit zur Planung im Hinblick auf Innovation und Wachstum unterstützt werden.

3.7 Rechenschaftspflicht

Forscher und Forschungseinrichtungen sollten für die möglichen sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen ihrer NuN-Forschung für die heutige und für künftige Generationen zur Rechenschaft gezogen werden können.

4. Leitlinien für Massnahmen

Die hier dargelegten Leitlinien stützen sich auf die allgemeinen Grundsätze gemäß Punkt 3. Sie sollen Anleitung liefern, wie eine verantwortungsvolle Regelung, die Einhaltung des Vorsorgeprinzips sowie eine weite Verbreitung des Verhaltenskodex und eine angemessene Überwachung seiner Anwendung zu erreichen sind. Die Hauptzuständigen für die Maßnahmen sind nachstehend angegeben. Alle NuN-Akteure sollten jedoch in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich so weit wie möglich zur Durchführung der Leitlinien beitragen.

4.1 Verantwortungsvolle Regelung der NuN-Forschung

Im Rahmen einer verantwortungsvollen Regelung der NuN-Forschung sollten die Bedürfnisse und Wünsche aller Akteure zur Kenntnis genommen werden, um sich der spezifischen Probleme und Möglichkeiten der NuN bewusst zu werden. Es sollte eine "Kultur der Verantwortung" entstehen, so dass mögliche künftige, derzeit nicht vorhersehbare Probleme bewältigt und Möglichkeiten genutzt werden können.

4.1.1 Die Mitgliedstaaten sollten mit der Kommission zusammenarbeiten, um auf Gemeinschaftsebene ein offenes und pluralistisches Forum für die Erörterung der NuN-Forschung aufrechtzuerhalten, das die gesellschaftliche Debatte über NuN-Forschung anregen, die Identifizierung und Erörterung von Ängsten und Hoffnungen unterstützen und mögliche Initiativen und Lösungen erleichtern soll. Daher sollten die Mitgliedstaaten die Kommunikation über Nutzen, Gefahren und Ungewissheiten der NuN-Forschung ausbauen. Jungen und älteren Bürgern sollte dabei besondere Aufmerksamkeit gelten.

4.1.2 Die Mitgliedstaaten, NuN-Forschungsförderungseinrichtungen, Forschungseinrichtungen und Forscher werden ermutigt - unter angemessener Berücksichtigung der Rechte an geistigem Eigentum - wissenschaftliche Kenntnisse über NuN sowie damit zusammenhängende Informationen (einschlägige Normen, Referenzen, Kennzeichnungen, Forschungsarbeiten über die Auswirkungen, Rechtsvorschriften) leicht zugänglich und nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für Laien verständlich zu machen.

4.1.3 Die Mitgliedstaaten sollten Laboratorien des privaten und öffentlichen Sektors ermutigen - unter angemessener Berücksichtigung der Rechte an geistigem Eigentum - bewährte Praktiken im Bereich der NuN-Forschung auszutauschen.

4.1.4 NuN-Forschungseinrichtungen und Forscher sollten sicherstellen, dass wissenschaftliche Daten und Ergebnisse vor ihrer allgemeinen Verbreitung außerhalb wissenschaftlicher Kreise einer angemessenen Prüfung durch Fachkollegen unterzogen werden, um Klarheit und eine ausgewogene Darstellung sicherzustellen.

4.1.5 Angesichts des Potenzials der NuN-Forschung sollten die Mitgliedstaaten und die NuN-Forschungseinrichtungen sicherstellen, dass NuN-Forschung auf dem höchsten Niveau wissenschaftlicher Integrität stattfindet. Fragwürdige Praktiken der NuN-Forschung (bei denen es sich nicht unbedingt um Plagiate, Fälschungen oder die Fabrikation falscher Daten handeln muss) sollten bekämpft werden, denn sie können Risiken für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt beinhalten, Misstrauen in der Öffentlichkeit hervorrufen und die allgemeine Nutzung der Forschungsergebnisse bremsen. Personen, die Unregelmäßigkeiten in der Forschung melden, sollten von ihren Arbeitgebern sowie durch die einzelstaatlichen oder regionalen Rechtsvorschriften geschützt werden.

4.1.6 Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass für die Anwendung der für die NuN-Forschung geltenden Rechtsvorschriften geeignete personelle und finanzielle Mittel bereitstehen. Einrichtungen, die NuN-Forschung betreiben, sollten auf transparente Weise darlegen, dass sie die einschlägigen Vorschriften einhalten.

4.1.7 Nationale und lokale Ethikausschüsse sowie die zuständigen Behörden sollten beurteilen, in welcher Weise die Anforderungen einer ethischen Analyse bei nanotechnologischer Forschung mit doppeltem Verwendungszweck gelten sollten. Sie sollten insbesondere die Folgen möglicher Einschränkungen der Aufklärung über gesundheitsrelevante Forschungsergebnisse und deren Veröffentlichung für die Wahrnehmung der Grundrechte erörtern.

Förderung eines integrativen Ansatzes

4.1.8 Die generelle Ausrichtung der NuN-Forschung sollte auf integrativer Basis entschieden werden, wobei alle Akteure die Möglichkeit erhalten sollten, ihren Beitrag zu den Vorgesprächen über diese Ausrichtung zu leisten.

4.1.9 Die Mitgliedstaaten, NuN-Forschungsförderungseinrichtungen, Forschungseinrichtungen und Forscher werden ermutigt, frühestmöglich und im Rahmen partizipatorischer Zukunftsforschung die künftigen Auswirkungen der Technologien oder Objekte zu berücksichtigen, die Gegenstand der Forschung sind. Auf diese Weise könnte es möglich sein, Lösungen zur Bewältigung negativer Auswirkungen zu entwickeln, die sich durch die Nutzung eines neuen Objekts oder einer neuen Technologie später ergeben könnten. Gegebenenfalls sind im Rahmen dieser Zukunftsforschung die entsprechenden Ethikausschüsse zu konsultieren.

4.1.10 Die NuN-Forschung selbst sollte für Beiträge aller Akteure offen sein. Diese sollten informiert werden und Unterstützung erhalten, so dass sie sich im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben aktiv an den Forschungstätigkeiten beteiligen können.

Prioritäten

4.1.11 Die für Forschung zuständigen Behörden und die Normenorganisationen sollten sich um die Festlegung einer Standard-Terminologie für NuN bemühen, um die Vermittlung wissenschaftlicher Daten zu erleichtern. Sie sollten genormte Messverfahren sowie den Einsatz geeigneter Referenzmaterialien im Interesse der Vergleichbarkeit wissenschaftlicher Daten fördern.

4.1.12 NuN-Forschungsförderungseinrichtungen sollten einen angemessenen Teil der NuN-Forschung für die Entwicklung von Verfahren und Instrumenten der Risikobewertung, die Präzisierung der metrologischen Verfahren auf Nanoebene sowie die Normung vorsehen. In diesem Zusammenhang ist der Entwicklung von Verfahren zur Risikobewertung aktiver Nanostrukturen der zweiten Generation besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

4.1.13 Die Mitgliedstaaten, NuN-Forschungsförderungseinrichtungen und Forschungseinrichtungen sollten sich für die Forschung in NuN-Bereichen einsetzen, die den größtmöglichen allgemeinen Nutzen versprechen. Vorrang sollten Forschungsarbeiten haben, die dem Schutz der Öffentlichkeit, der Umwelt, der Verbraucher und der Arbeitnehmer oder der Einschränkung, Verbesserung oder Ablösung von Tierversuchen dienen.

4.1.14 NuN-Forschungsförderungseinrichtungen sollten ausgewogene Evaluierungen der potenziellen Kosten, Risiken und Vorteile der Forschung in förderwürdigen Bereichen auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten vornehmen und veröffentlichen.

Verbote und Einschränkungen

4.1.15 NuN-Forschungsförderungseinrichtungen sollten keine Forschungsarbeiten in Bereichen finanzieren, in denen die Verletzung von Grundrechten oder grundlegenden ethischen Prinzipien möglich wäre, weder im Forschungsnoch im Entwicklungsstadium (z.B. zu künstlichen Viren mit pathogenem Potenzial).

4.1.16 NuN-Forschungseinrichtungen sollten keine Forschungsarbeiten ausführen, die der nichttherapeutischen Verbesserung menschlicher Fähigkeiten dienen und zur Abhängigkeit führen oder allein der illegalen Erhöhung der Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers dienen.

4.1.17 Solange keine Risikobewertung der langfristigen Sicherheit vorliegt, sollten Forschungsarbeiten zur bewussten Einführung von Nano-Objekten in den menschlichen Körper oder zu ihrer Beigabe zu Lebensmitteln (insbesondere für Säuglinge), Futtermitteln, Spielzeug, Kosmetika und anderen Produkten, durch die Mensch und Umwelt ihnen ausgesetzt sein können, vermieden werden.

4.2 Einhaltung des Vorsorgeprinzips

Angesichts der geringen Kenntnisse über die ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen von Nano-Objekten sollten die Mitgliedstaaten das Vorsorgeprinzip anwenden, um im Verlauf der NuN-Forschungsarbeiten die Forscher, die als erste in Kontakt mit Nano-Objekten kommen, aber auch andere Berufsgruppen, Verbraucher, Bürger und die Umwelt zu schützen.

4.2.1 Studenten, Forscher und Forschungseinrichtungen im Bereich NuN sollten spezielle Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit, Sicherheit und Umwelt ergreifen, die an die Besonderheiten der Nano-Objekte angepasst sind, mit denen sie umgehen. Im Einklang mit der Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz (2007-2012) 3 sollten eigene Leitlinien für die Vermeidung von Krankheiten entwickelt werden, die von Nano-Objekten ausgelöst werden.

4.2.2 NuN-Forschungseinrichtungen sollten bestehende bewährte Verfahren für Klassifizierung und Kennzeichnung anwenden. Ferner sollten sie angesichts der Tatsache, dass Nano-Objekte aufgrund ihrer Größe bestimmte Eigenschaften aufweisen könnten, Systeme prüfen (z.B. die Entwicklung eigener Piktogramme), anhand derer Forscher und andere Personen, die in Forschungsräumen in Kontakt mit Nano-Objekten kommen können (z.B. Sicherheitspersonal, Notdienste), informiert werden können, so dass diese bei ihrer Arbeit die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen können.

4.2.3 Öffentliche und private NuN-Forschungsförderungseinrichtungen sollten verlangen, dass mit jedem Antrag auf Finanzierung von NuN-Forschung eine Risikobewertung vorgelegt wird.

4.2.4 Die Programme der NuN-Forschungsförderungseinrichtungen sollten die Überwachung der möglichen sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen von NuN über einen sinnvollen Zeitraum vorsehen.

Die Anwendung des Vorsorgeprinzips sollte auch das Schließen von Wissenslücken und somit weitere Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen beinhalten, u. a. sollten:

4.2.5 NuN-Forschungsförderungseinrichtungen einen angemessenen Teil der NuN-Forschung der Erforschung der von Nano-Objekten ausgehenden potenziellen Risiken, insbesondere für die Umwelt und die menschliche Gesundheit, widmen und dabei deren gesamten Lebenszyklus (von der Erzeugung bis zum Ende der Lebensdauer, einschließlich der Rezyklierung) berücksichtigen;

4.2.6 NuN-Forschungseinrichtungen und Forscher gezielt Forschungsarbeiten einleiten und koordinieren, um die grundlegenden biologischen Prozesse der Toxikologie und Ökotoxikologie von Menschen gemachter oder in der Natur vorkommender Nano-Objekte besser zu verstehen. Daten und Ergebnisse über die biologischen Auswirkungen (ob positiv, negativ oder neutral) sollten nach ihrer Validierung allgemein bekannt gemacht werden;

4.2.7 NuN-Forschungsförderungseinrichtungen gezielt Forschungsarbeiten einleiten und koordinieren, um die ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen der Öffnung neuer Bereiche durch NuN besser zu verstehen. Besondere Aufmerksamkeit ist den Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der Biotechnologie zu widmen, außerdem der Konvergenz beider Bereiche und der Konvergenz zwischen den kognitiven Wissenschaften und NuN.

4.3 Weite Verbreitung des Verhaltenskodex und Überwachung seiner Anwendung

4.3.1 Die Mitgliedstaaten sollten die weite Verbreitung dieses Verhaltenskodex, insbesondere auch über öffentliche nationale und regionale Forschungsförderungseinrichtungen, unterstützen.

4.3.2 Die NuN-Forschungsförderungseinrichtungen sollten neben diesem Verhaltenskodex den NuN-Forschern auch alle relevanten Rechtsvorschriften sowie ethische und soziale Rahmenbestimmungen bekannt machen.

4.3.3 Da die Anwendung des Verhaltenskodex gemeinschaftsweit überwacht werden sollte, sollten die Mitgliedstaaten mit der Kommission zusammenarbeiten, um geeignete Vorkehrungen für die Durchführung dieser Überwachung auf nationaler Ebene zu treffen und gleichzeitig Synergien mit anderen Mitgliedstaaten zu nutzen.

_________
1) Millenniumserklärung der Vereinten Nationen, Resolution der Generalversammlung 55/2 vom 08.09.2000.
2
) Richtlinie 2004/9/EG und Richtlinie 2004/10/EG .
3
) KOM(2007) 62 vom 21.02.2007.

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