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Richtlinie (EU) 2018/2057 des Rates vom 20. Dezember 2018 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf die befristete generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen oberhalb eines bestimmten Schwellenwertes
(ABl. Nr. L 329 vom 27.12.2018 S. 3)
Der Rat der Europäischen Union -
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 113,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments 1,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 2,
gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) In ihrer Mitteilung vom 7. April 2016 über einen Aktionsplan im Bereich der Mehrwertsteuer hat die Kommission ihre Absicht bekundet, einen Vorschlag für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem für den grenzübergreifenden Handel zwischen Unternehmen der Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Besteuerung der grenzübergreifenden Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen vorzulegen.
(2) Angesichts des derzeitigen Ausmaßes des Mehrwertsteuerbetrugs und der Tatsache, dass nicht alle Mitgliedstaaten gleichermaßen davon betroffen sind und es mehrere Jahre dauern wird, bevor das endgültige Mehrwertsteuersystem umgesetzt ist, könnten einige konkrete Sofortmaßnahmen notwendig sein.
(3) In diesem Zusammenhang haben einige Mitgliedstaaten darum ersucht, eine an einen bestimmten Schwellenwert je Umsatz geknüpfte, befristete generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, die von einem der allgemeinen Grundsätze des derzeitigen Mehrwertsteuersystems - der fraktionierten Zahlung - abweicht, anwenden zu dürfen, um gegen den weitverbreiteten Karussellbetrug vorzugehen. Der Karussellbetrug geht insbesondere auf die derzeitige Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen zurück, die es ermöglicht, Gegenstände mehrwertsteuerfrei zu erhalten. Eine Reihe von Händlern begehen anschließend Steuerbetrug, indem sie die von ihren Kunden erhaltene Mehrwertsteuer nicht an die Steuerbehörden abführen. Ihre Kunden hingegen, die in Besitz von gültigen Rechnungen sind, sind weiterhin zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dieselben Gegenstände können mehrmals verkauft werden, indem wiederum von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferungen einbezogen werden. Ein vergleichbarer Karussellbetrug ist auch mit Dienstleistungen möglich. Durch die Ausnahmeregelung wird der Empfänger der Lieferungen oder Dienstleistungen als Steuerschuldner bestimmt, sodass die Gelegenheit zu dieser Form der Steuerhinterziehung beseitigt würde.
(4) Im Sinne von Artikel 27 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union werden Mitgliedstaaten mit unterschiedlichem Entwicklungsstand bei den Kapazitäten ihrer Steuerbehörden besondere Anstrengungen bei der Umsetzung des Mehrwertsteuersystems abverlangt, was die Bewältigung eines höheren Ausmaßes an Mehrwertsteuerbetrug und der Einbußen beim Steueraufkommen anbelangt.
(5) Um das Risiko der Betrugsverlagerung zwischen Mitgliedstaaten zu verringern, sollten Mitgliedstaaten, die bestimmte Kriterien hinsichtlich des Ausmaßes des Betrugs, insbesondere im Zusammenhang mit dem Karussellbetrug, erfüllen und nachweisen können, dass andere Gegenmaßnahmen nicht ausreichen, um diese Art von Betrug zu bekämpfen, die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anwenden dürfen. Darüber hinaus sollten sie nachweisen, dass die geschätzten Gewinne aus der Steuerehrlichkeit und der Steuererhebung, die infolge der Einführung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft erwartet werden, die geschätzte zusätzliche Gesamtbelastung für Unternehmen und Steuerbehörden überwiegen und dass den Unternehmen und Steuerbehörden keine höheren Kosten entstehen als aus der Anwendung anderer Gegenmaßnahmen.
(6) Beschließt ein Mitgliedstaat die Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, so sollte er diese auf alle nicht grenzübergreifenden Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anwenden, die einen bestimmten Schwellenwert je Umsatz übersteigen. Die Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft sollte nicht auf einen bestimmten Wirtschaftszweig beschränkt sein.
(7) Mitgliedstaaten, die beschließen, die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden, sollten spezielle elektronische Berichtspflichten für Steuerpflichtige einführen, damit das reibungslose Funktionieren und die effiziente Überwachung der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gewährleistet sind. Dadurch sollten alle neuen Formen des Steuerbetrugs, wie die künstliche Aufspaltung der Steuerbemessungsgrundlage von Umsätzen, aufgedeckt und verhindert werden.
(8) Um beurteilen zu können, ob die Einführung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in einem Mitgliedstaat zur Betrugsverlagerung in andere Mitgliedstaaten führt und in welchem Maße das Funktionieren des Binnenmarkts möglicherweise gestört werden könnte, ist es angezeigt, eine spezielle Verpflichtung zum Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten, die die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anwenden, und den Mitgliedstaaten, die diese nicht anwenden, vorzusehen. Der gesamte Informationsaustausch unterliegt den geltenden Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten und über Vertraulichkeit, einschließlich der Ausnahmen und Einschränkungen, damit die Mitgliedstaaten oder die Union ihre Interessen im Steuerbereich wahren können.
(9) Um die Auswirkungen der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf betrügerische Aktivitäten auf transparente Weise zu bewerten, sollten von diesen Mitgliedstaaten vorab Beurteilungskriterien festgelegt werden, um das Ausmaß des Betrugs vor und nach der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft beurteilen zu können.
(10) Die Beschlüsse zur Genehmigung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft würden für einen oder mehrere Mitgliedstaaten Auswirkungen auf den Haushalt haben. Dementsprechend sollte die Befugnis zur Genehmigung der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft dem Rat übertragen werden.
(11) Ein Mitgliedstaat, der sich für die Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft entscheidet, sollte bei der Kommission beantragen, die Anwendung dieses Verfahrens vorzuschlagen, und sachdienliche Informationen vorlegen, damit die Kommission einen solchen Antrag beurteilen kann. Soweit erforderlich sollte die Kommission weitere Informationen anfordern können.
(12) Aufgrund der unerwarteten Auswirkungen, die die Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf das Funktionieren des Binnenmarkts haben könnte, da die Betrugsfälle sich möglicherweise auf andere Mitgliedstaaten verlagern, die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nicht anwenden, sollte der Rat als Schutzmaßnahme alle Durchführungsbeschlüsse aufheben können, mit denen die Anwendung dieses Verfahrens genehmigt wurde. Im Hinblick darauf, dass schnell reagiert werden muss, wenn erhebliche negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt eingetreten sind, sollte das Verfahren der negativen Einstimmigkeit angewandt werden.
(13) Da die Auswirkungen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft ungewiss sind, sollte deren Anwendung befristet sein.
(14) Um die Auswirkungen auf den Binnenmarkt eng zu überwachen, sollten alle Mitgliedstaaten - falls die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in mindestens einem Mitgliedstaat angewandt wird - der Kommission Berichte vorlegen, damit diese die Auswirkungen auf die Betrugsfälle, die Befolgungskosten für die Unternehmen und eine Verlagerung betrügerischer Aktivitäten infolge der Anwendung dieses Verfahrens beurteilen kann.
(15) Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates 3 sollte daher entsprechend geändert werden
- hat folgende Richtlinie erlassen:
In der Richtlinie 2006/112/EG wird folgender Artikel eingefügt:
"Artikel 199c
(1) Abweichend von Artikel 193 kann ein Mitgliedstaat bis zum 30. Juni 2022 eine generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf nicht grenzübergreifende Lieferungen einführen, wonach die Mehrwertsteuer von dem Steuerpflichtigen geschuldet wird, an den Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert werden, die alle einen Schwellenwert von 17.500 EUR je Umsatz übersteigen.
Ein Mitgliedstaat, der die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft einführen möchte, muss alle folgenden Bedingungen erfüllen:
Der Mitgliedstaat fügt dem Antrag nach Absatz 3 die Berechnung der Mehrwertsteuerlücke gemäß der Methode und den Zahlen des in Unterabsatz 2 Buchstabe a dieses Absatzes genannten, von der Kommission veröffentlichten Berichts zur Mehrwertsteuerlücke bei.
(2) Mitgliedstaaten, die die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anwenden, richten geeignete und effiziente elektronische Berichtspflichten für alle Steuerpflichtigen und insbesondere für Steuerpflichtige ein, die von der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft betroffene Gegenstände oder Dienstleistungen liefern oder erhalten, damit das reibungslose Funktionieren und die effiziente Überwachung der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gewährleistet sind.
(3) Mitgliedstaaten, die die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anwenden möchten, richten einen Antrag mit folgenden Angaben an die Kommission:
Die Kommission kann innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags weitere Informationen - einschließlich zugrunde liegender Methoden, Annahmen, Studien und weiterer Belegunterlagen - anfordern, wenn sie der Meinung ist, dass ihr nicht alle notwendigen Informationen vorliegen. Der antragstellende Mitgliedstaat legt die erforderlichen Informationen innerhalb eines Monats nach Eingang der Anforderung vor.
(4) Ist die Kommission der Auffassung, dass der Antrag den Anforderungen gemäß Absatz 3 entspricht, so unterbreitet sie spätestens drei Monate nach Eingang aller notwendigen Informationen dem Rat einen Vorschlag. Der Rat kann auf einen solchen Vorschlag der Kommission hin einstimmig den antragstellenden Mitgliedstaat ermächtigen, die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden. Ist die Kommission der Auffassung, dass der Antrag den Anforderungen gemäß Absatz 3 nicht entspricht, so teilt sie innerhalb der gleichen Frist dem antragstellenden Mitgliedstaat und dem Rat ihre Gründe mit.
(5) Wird eine beträchtliche negative Auswirkung auf den Binnenmarkt gemäß Unterabsatz 2 dieses Absatzes festgestellt, schlägt die Kommission spätestens drei Monate nach Eingang aller notwendigen Informationen vor, alle Durchführungsbeschlüsse nach Absatz 4 aufzuheben, und zwar frühestens sechs Monate nach dem Inkrafttreten des ersten Durchführungsbeschlusses zur Ermächtigung eines Mitgliedstaats, die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden. Diese Aufhebung gilt als vom Rat angenommen, es sei denn, der Rat beschließt einstimmig, den Kommissionsvorschlag abzulehnen, und zwar innerhalb von 30 Tagen, nachdem die Kommission ihn angenommen hat.
Eine beträchtliche negative Auswirkung gilt als nachgewiesen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
(6) Mitgliedstaaten, die die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anwenden, legen allen Mitgliedstaaten in elektronischer Form folgende Informationen vor:
Die Informationen gemäß Unterabsatz 1 Buchstaben a und b sind spätestens drei Monate nach Einführung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft vorzulegen und danach alle drei Monate zu aktualisieren. Die Informationen gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe c sind spätestens neun Monate nach Einführung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft vorzulegen und danach alle drei Monate zu aktualisieren.
Mitgliedstaaten, die die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anwenden, legen der Kommission spätestens ein Jahr nach Beginn der Anwendung einen Zwischenbericht vor. Dieser Bericht muss eine detaillierte Bewertung der Wirksamkeit der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft enthalten. Drei Monate nach dem Ende der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft legen die Mitgliedstaaten, die die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft angewandt haben, einen Abschlussbericht über die allgemeinen Auswirkungen vor.
(7) Die Mitgliedstaaten, die die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nicht anwenden, legen der Kommission einen Zwischenbericht über die Auswirkungen der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in anderen Mitgliedstaaten auf ihr Hoheitsgebiet vor. Dieser Bericht wird der Kommission innerhalb von drei Monaten vorgelegt, nachdem die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in einem Mitgliedstaat mindestens ein Jahr lang angewandt wurde.
Wenn mindestens ein Mitgliedstaat die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anwendet, legen die Mitgliedstaaten, die die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nicht anwenden, der Kommission bis zum 30. September 2022 einen Abschlussbericht über die Auswirkungen der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in anderen Mitgliedstaaten auf ihr Hoheitsgebiet vor.
(8) In den Berichten nach Absatz 6 prüfen die Mitgliedstaaten die Auswirkungen der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf der Grundlage folgender Bewertungskriterien:
(9) In den Berichten nach Absatz 7 prüfen die Mitgliedstaaten die Auswirkungen der Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf der Grundlage folgender Bewertungskriterien:
Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt bis zum 30. Juni 2022.
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 20. Dezember 2018.
2) Stellungnahme vom 31. Mai 2017 (ABl. C 288 vom 31.08.2017 S. 52).
3) Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006 S. 1).
ENDE |