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Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten
- Niedersachsen -

Vom 28. April 2015
(Nds. MBl. Nr. 18 vom 20.05.2015 S. 469)



- 22.2-05140/12.3 - VORIS 21011 -

Bezug:
a) RdErl. v. 2.12.1996 (Nds. MBl. 1997 S. 3), geändert durch RdErl. v. 22.2.2001 (Nds. MBl. S. 297) - VORIS 21011 00 00 00.032 -
b) RdErl. v. 14.3.2008 (Nds. MBl. S. 464, 806; Nds. Rpfl. S. 133) - VORIS 21014 -

1. Allgemeines

1.1 Begriff der Verkehrsordnungswidrigkeiten

Verkehrsordnungswidrigkeiten sind gemäß § 24 StVG vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften einer aufgrund des § 6 Abs. 1 StVG erlassenen Rechtsverordnung, insbesondere der StVO und der StVZO, oder gegen Anordnungen, die aufgrund dieser Rechtsverordnungen getroffen wurden, sowie vorsätzlich oder fahrlässig begangene Zuwiderhandlungen gegen § 24a oder 24c StVG.

1.2 Unverzügliche Bearbeitung

Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten sind so einfach und so schnell wie möglich zu bearbeiten. Ein verzögerter Verfahrensablauf erschwert das Ermittlungsverfahren und beeinträchtigt die verkehrserzieherische Wirkung der Maßnahmen.

1.3 Zuständigkeit

Für die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten sind die Landkreise und kreisfreien Städte (Bußgeldbehörden) und bis zur Abgabe der Sache an die zuständige Bußgeldbehörde die Polizei zuständig (§ 7 Nr. 5 ZustVO-OWi).

1.4 Opportunitätsprinzip

(1) Die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Bußgeldbehörde und der Polizei (§§ 47, 53 OWiG). Sie können

(2) Von der Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit kann u. a. abgesehen werden, wenn

(3) Mit dem Opportunitätsprinzip ist auch vereinbar, die Verfolgung von für die Verkehrssicherheit nicht oder kaum bedeutsamen Zuwiderhandlungen zugunsten einer nachdrücklicheren Verfolgung gefährlicher und unfallträchtiger Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr zu beschränken.

1.5 Vordrucke

(1) Für das automatisierte Verfahren ist der Tatbestandskatalog Verkehrsordnungswidrigkeiten Niedersachsen zu verwenden. Als Anzeige sowohl im Verwarnungs- als auch im Bußgeldbereich ist ein Datenermittlungsbeleg (PolN 163) oder eine Sammelanzeige mit den den Tatvorwurf konkretisierenden Daten zu verwenden.

(2) Die im Tatbestandskatalog enthaltenen Hinweise zu dessen Anwendung und Anleitungen für das Ausfüllen des Datenermittlungsbeleges sowie Hinweise zur Sammelanzeige sind zu beachten.

(3) Die Angaben auf der Anzeige sollen gut lesbar (z.B. durch Stempelaufdruck) erfolgen.

2. Verwarnungsverfahren

2.1 Allgemeines

(1) Die Verwarnung ist ein wichtiges Verkehrserziehungsmittel. Sie dient dazu, einer betroffenen Person bei einer lediglich geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeit das Fehlverhalten möglichst sofort vorzuhalten, ohne eingehende Ermittlungen über die Tat vorzunehmen. Die Verwarnung soll eine betroffene Person anhalten, die Verkehrsvorschriften künftig besser zu beachten.

(2) Verwarnungen können mündlich oder schriftlich erteilt werden.

2.2 Geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten

(1) Bei einer unbedeutenden Verkehrsordnungswidrigkeit kommt eine Verwarnung ohne Verwarnungsgeld in Betracht.

(2) Bei einer geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeit kann eine betroffene Person verwarnt und von ihr ein Verwarnungsgeld erhoben werden. Auf diese Weise kann ein Verfahren rasch und ohne großen Aufwand erledigt werden. Das Verwarnungsgeld beträgt mindestens 5 EUR und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens 55 EUR (§ 56 Abs. 1 OWiG). Einer betroffenen Person ist die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit vorzuhalten.

(3) Ob eine Verkehrsordnungswidrigkeit als geringfügig angesehen werden kann, richtet sich nach der Bedeutung der Zuwiderhandlung und nach dem der betroffenen Person zu machenden Vorwurf. In der Regel liegt ein derartiger Sachverhalt vor, wenn im Tatbestandskatalog ein Regelsatz unter 60 EUR ausgebracht ist. Eine Verwarnung ist aber auch nicht ausgeschlossen in Fällen, in denen für eine Verhaltensweise im Tatbestandskatalog ein Regelsatz von 60 EUR oder mehr ausgebracht ist, wenn sich die Verkehrsordnungswidrigkeit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der in Satz 1 genannten Voraussetzungen ausnahmsweise als geringfügig erweist. In derartigen Fällen ist im Feld "Euro" des Datenermittlungsbeleges der Betrag des angebotenen Verwarnungsgeldes einzutragen und unter "Bemerkungen" eine entsprechende Begründung erforderlich.

(4) Grob verkehrswidriges oder rücksichtsloses Verhalten steht grundsätzlich der Erteilung einer Verwarnung entgegen.

(5) Eine Verwarnung ist unzulässig gegenüber Exterritorialen und bevorrechtigten Personen sowie gegenüber Kindern (bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres).

2.3 Zuständigkeit

Verwarnungen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten können erteilen

2.4 Wirksamkeit der Verwarnung

Die Verwarnung mit Verwarnungsgeld ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt. Sie wird nur wirksam, wenn die betroffene Person nach Belehrung über ihr Weigerungsrecht mit der Verwarnung einverstanden ist und das Verwarnungsgeld sofort bezahlt oder innerhalb einer Woche überweist (§ 56 Abs. 2 OWiG). Nach wirksamer Verwarnung ist die Tat nur noch beschränkt verfolgbar (§ 56 Abs. 4 OWiG).

2.5 Verwarnungsverfahren durch die Polizei

2.5.1 Verwarnung an Ort und Stelle

(1) Bei einer geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeit ist die Angelegenheit möglichst durch eine Verwarnung an Ort und Stelle zu erledigen. Das gilt auch bei Verkehrsunfällen.

Das Verwarnungsgeld ist grundsätzlich bargeldlos vor Ort mittels EC- oder Kreditkarte über das mobile Zahlungsterminal zu bezahlen. Die Zahlung ist durch Aushändigen des Kundenbelegs des mobilen Zahlungsterminals (PolN 166 neu) zu quittieren. Der Händlerbeleg (PolN 166 neu) des mobilen Zahlungsterminals verbleibt bei der Polizei. Der Kundenbeleg und der Händlerbeleg (PolN 166 neu) weisen die Höhe des gezahlten Verwarngeldes aus.

(2) Von der Polizei kann ausnahmsweise auch dann noch eine Verwarnung erteilt und ein Verwarnungsgeld erhoben und ein solches eingezahlt werden, wenn eine betroffene Person in Fällen der Nummer 2.5.2 bei der Polizeidienststelle vorspricht und der Datenermittlungsbeleg noch nicht an die Bußgeldbehörde abgegeben worden ist. Der zuvor ausgefüllte Datenermittlungsbeleg ist in diesem Fall zu dem bei der Polizei verbleibenden Händlerbeleg (PolN 166 neu) des mobilen Zahlungsterminals zu nehmen.

2.5.2 Einleitung eines schriftlichen Verwarnungsverfahrens

(1) Ist eine betroffene Person nicht in der Lage, das Verwarnungsgeld sofort an Ort und Stelle bargeldlos - mittels EC- oder Kreditkarte - über das mobile Zahlungsterminal zu bezahlen, oder möchte sie sich schriftlich äußern, so ist ein Datenermittlungsbeleg auszufüllen und die Durchschrift der betroffenen Person mit dem Hinweis auf die auf diesem Blatt enthaltene Belehrung auszuhändigen.

(2) Wird bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit im ruhenden Verkehr die betroffene Person nicht an Ort und Stelle angetroffen, so ist ebenfalls ein Datenermittlungsbeleg auszufüllen und die Durchschrift gut sichtbar am Fahrzeug zu hinterlassen.

(3) Kommt bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit im fließenden Verkehr eine Verwarnung in Betracht und kann die betroffene Person ausnahmsweise nicht angehalten werden, so ist zur Einleitung eines schriftlichen Verwarnungsverfahrens ein Datenermittlungsbeleg oder ggf. eine Sammelanzeige auszufüllen.

3. Einleitung eines Bußgeldverfahrens durch die Polizei

Bei allen nicht geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeiten und in Fällen, in denen eine Verwarnung abgelehnt wird, ist zur Feststellung des Sachverhalts umgehend ein Datenermittlungsbeleg auszufüllen und die Durchschrift - soweit möglich - der betroffenen Person auszuhändigen.

3.1 Anhörung der betroffenen Person

(1) Im Interesse der Verkehrsaufklärung ist die betroffene Person möglichst unmittelbar im Zusammenhang mit dem Verkehrsverstoß anzuhalten und auf ihr Verhalten hinzuweisen. Ihr ist grundsätzlich an Ort und Stelle Gelegenheit zu geben, sich zum Vorwurf zu äußern (§ 55 Abs. 1 OWiG).

(2) Vor der Anhörung ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass es ihr freisteht, sich zu dem Vorwurf zu äußern.

(3) Das Ergebnis der Anhörung ist möglichst wortgetreu auf dem Datenermittlungsbeleg zu wiederholen. Längere Ausführungen können zusammengefasst werden, müssen aber den wesentlichen Inhalt richtig wiedergeben.

(4) Verweigern Betroffene eine Äußerung, so ist auch das zu vermerken. Zur Angabe der Personalien sind sie im Rahmen des § 111 OWiG verpflichtet.

3.2 Kennzeichenanzeigen

Können Betroffene bei Verstößen im fließenden Verkehr ausnahmsweise nicht angehalten werden, ist zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens ein Datenermittlungsbeleg oder eine Sammelanzeige auszufüllen.

3.3 Anzeigen durch Dritte

Es ist ein Datenermittlungsbeleg auszufüllen und ggf. das von der anzeigenden Person übersandte Schreiben beizufügen.

3.4 Sonderfälle

3.4.1 Verkehrsunfälle

Die Anzeige erfolgt mit den Vordrucken, die bei der Unfallaufnahme verwendet werden. Wegen des engen Sachzusammenhangs zwischen der Aufnahme und der Bearbeitung von Verkehrsunfällen sowie der Verfolgung etwaiger Verkehrsverstöße hat die Polizei Verkehrsordnungswidrigkeiten mit Unfallfolgen bis zum Abschluss der Ermittlungen zu bearbeiten. Anhörungen zum Unfallhergang sind möglichst an Ort und Stelle vorzunehmen, um der Bußgeldbehörde sofort einen entscheidungsreifen Vorgang übersenden zu können. Ist eine abschließende Bearbeitung vor Ort nicht möglich, kann nur mit Zustimmung der Bußgeldbehörde abweichend von der in Satz 2 getroffenen Regelung verfahren werden. Wird eine Verwarnung erteilt und zahlt die betroffene Person das Verwarnungsgeld sofort an Ort und Stelle bargeldlos - mittels EC- oder Kreditkarte - über das mobile Zahlungsterminal, so ist das weitere Verfahren nach dem RdErl."Aufnahme und Bearbeitung von Straßenverkehrsunfällen durch die Polizei" (Bezugserlass zu b) zum Abschluss zu bringen.

3.4.2 Technische Gutachten

Bei Anforderung eines technischen Gutachtens ist der Datenermittlungsbeleg bis zum Eingang des Gutachtens bei der Polizei zurückzuhalten und zusammen mit dem Gutachten der Bußgeldbehörde zuzuleiten. Die in der Regel später eingehende Rechnung ist mit Vordruck PolN 287 nachzureichen.

3.4.3 Sichergestellte Fahrzeuge

Dem Datenermittlungsbeleg ist die Niederschrift über die Sicherstellung eines Fahrzeuges (PolN 189) beizufügen.

3.4.4 Sicherheitsleistungen

Dem Datenermittlungsbeleg sind die Niederschrift über eine Sicherheitsleistung (PolN 140 a) und die entgegengenommene oder beschlagnahmte Sicherheitsleistung beizufügen.

4. Weitere Aufgaben der Polizei

4.1 Beweisfotos

(1) Die Polizei wertet das von ihr zur Beweissicherung gefertigte Bildmaterial aus. Nur soweit Beweisfotos von mindestens durchschnittlicher Qualität vorliegen, sind Anzeigen zu erstatten. In den Fällen der 2.5.2 Abs. 3 und Nummer 3.2 sind die Beweisfotos (das gesamte Messfoto, die Ausschnittvergrößerung des Frontfotos der Fahrerin oder des Fahrers in zweifacher Ausfertigung sowie, falls zur Lesbarkeit erforderlich, eine Ausschnittvergrößerung des Kennzeichens und/oder des Displays) den Anzeigen beizufügen. Sofern auch andere Personen auf dem Foto abgebildet sind, sind grundsätzlich Ausschnittvergrößerungen zu fertigen, auf denen nur die Person auf dem Fahrerplatz erkennbar ist.

(2) Die Auswertung des Bildmaterials kann in Absprache mit der Polizei auch von der Bußgeldbehörde vorgenommen werden.

4.2 Abgabe an die Bußgeldbehörden

Die Datenermittlungsbelege und Sammelanzeigen sind am Ende jeder Dienstschicht, zumindest einmal täglich, in der Dienststelle abzugeben. Die gesammelten Belege sind nach Prüfung - unter Beachtung der einer betroffenen Person zugestandenen Vorsprache- und Zahlungsmöglichkeit - spätestens am auf die Zuwiderhandlung folgenden Tag der Bußgeldbehörde zuzuleiten.

4.3 Nachermittlungen

(1) Einem Ermittlungsersuchen der Bußgeldbehörden ist grundsätzlich zu entsprechen (§ 161 Abs. 1 Satz 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG). Eine Bearbeitung hat zu erfolgen, wenn aufgrund des Ergebnisses der kritischen Prüfung der ersuchenden Bußgeldbehörde, insbesondere bei Bagatelldelikten (5 bis 55 EUR), eine Erfolg versprechende Beweisführung zu erwarten ist und alle eigenen Ermittlungsmaßnahmen zuvor erfolglos durchgeführt wurden. Hierüber ist Nachweis zu führen.

(2) In Verfahren des ruhenden Verkehrs, denen eine Anzeige einer Straßenverkehrsbehörde zugrunde liegt, ist einem Ermittlungsersuchen jedoch nur in besonders begründeten Einzelfällen nachzukommen.

(3) Bei Ermittlungsersuchen von Behörden außerhalb von Niedersachsen sind vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung Ermittlungen durchzuführen. Ermittlungsersuchen von Behörden außerhalb von Niedersachsen werden nur bearbeitet, wenn von der zuständigen Bußgeldbehörde zuvor alle Maßnahmen getroffen worden sind, die im Rahmen eigener Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen werden können. Sofern diese Maßnahmen zuvor nicht nachweislich durchgeführt worden sind, erfolgt eine unbearbeitete Rücksendung des Ersuchens.

5. Verfahren bei kommunaler Überwachung des fließenden Verkehrs

5.1 Unverzügliche Anzeige festgestellter Verstöße

Die Straßenverkehrsbehörden haben anlässlich der Überwachung des fließenden Verkehrs festgestellte Verstöße unverzüglich der zuständigen Bußgeldbehörde anzuzeigen. Dabei sind die in Nummer 1.5 vorgesehenen Vordrucke zu verwenden. Hiervon abweichende Regelungen können nur einvernehmlich zwischen Bußgeldbehörde und Straßenverkehrsbehörde getroffen werden.

5.2 Auswertung des Bildmaterials

Die Auswertung des Bildmaterials obliegt den Bußgeldbehörden. Dabei ist nach Nummer 4.1 Abs. 1 zu verfahren.

6. Aufgaben der Bußgeldbehörde im Ermittlungsverfahren

(1) Die Bußgeldbehörde hat im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren (§ 46 Abs. 2 OWiG), soweit nichts anderes bestimmt ist (insbesondere § 46 Abs. 3 bis 5, §§ 47 bis 50 und 55 OWiG).

(2) Soweit Halterfeststellungen erforderlich sind, erfolgen diese durch die Bußgeldbehörde.

(3) Bei Kennzeichenanzeigen mit Beweisfoto ist durch Vergleich des Fotos mit den Halterdaten festzustellen, ob die Halterin oder der Halter des Kraftfahrzeugs als betroffene Person infrage kommt. Soweit das wegen des unterschiedlichen Geschlechts oder des Alters ausgeschlossen werden kann, ist wie auch bei Firmenfahrzeugen der Halterin oder dem Halter des Kraftfahrzeugs ein Zeugenanhörungsbogen zu übersenden. In Verwarnungsverfahren ist aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung zugleich die Möglichkeit einzuräumen, die Angelegenheit durch Zahlung des verwirkten Verwarnungsgeldes zum Abschluss zu bringen. In den übrigen Fällen sind Halterinnen oder Halter von Kraftfahrzeugen, mit denen eine geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden ist, zunächst als betroffene Personen anzusehen und schriftlich zu verwarnen. Dabei ist ihnen in Kombination mit dem Verwarnungsgeldangebot die Möglichkeit der Anhörung einzuräumen für den Fall, dass sie mit der Durchführung des Verwarnungsverfahrens nicht einverstanden sind oder das Verwarnungsgeld nicht zahlen. Bei nicht geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeiten erfolgt die Anhörung durch Übersendung eines Anhörungsbogens.

(4) In Fällen des Absatzes 3 sind vorhandene Beweisfotos beizufügen. Dabei ist sicherzustellen, dass auf dem Foto nur die Person auf dem Fahrerplatz zu erkennen ist.

(5) Schweigt die Halterin oder der Halter eines Kraftfahrzeugs bei einer Kennzeichenanzeige, kann aus der Haltereigenschaft allein nicht geschlossen werden, dass diese Person das Kraftfahrzeug zur Tatzeit gefahren hat. In derartigen Fällen haben die Bußgeldbehörden, soweit nicht eine Einstellung des Verfahrens geboten ist, die betroffene Person anhand des vorliegenden Beweismaterials zu ermitteln und ihr Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Ermittlungsersuchen an andere Behörden sind nur zu stellen, wenn das Ergebnis der eigenen kritischen Prüfung, insbesondere bei Bagatelldelikten (5 bis 55 EUR), eine Erfolg versprechende Beweisführung erwarten lässt und alle eigenen Ermittlungsmaßnahmen erfolglos durchgeführt wurden. Hierüber ist Nachweis zu führen. Die Ersuchen sind landesintern an die für den Wohnsitz der jeweiligen Halterin oder des jeweiligen Halters des Kraftfahrzeugs zuständige Polizeidienststelle, in den Fällen der Nummer 5 an die zuständige Bußgeldbehörde und länderübergreifend in jedem Fall vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung an die Polizei zu richten.

(7) Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung sollen Ersuchen ausschließlich um einen Fotoabgleich oder um Übersendung einer Kopie eines im Pass- oder Personalausweisregister vorhandenen Fotos landesintern auch unmittelbar an die für den Wohnsitz der jeweiligen Halterin oder des jeweiligen Halters des Kraftfahrzeugs zuständige Pass- oder Personalausweisbehörde gerichtet werden.

(8) Spätestens vor Abschluss der Ermittlungen ist einer betroffenen Person rechtliches Gehör zu gewähren (§ 55 OWiG). Der Abschluss der Ermittlungen ist in der Akte zu vermerken (§ 61 OWiG).

7. Einstellung des Verfahrens

(1) Das Verfahren ist gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO einzustellen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit fehlen (z.B. Fehlen der Verantwortlichkeit, Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit wird nicht erfüllt, Mangel an Beweisen, betroffene Person ist nicht zu ermitteln, Verfolgungsverjährung, wirksame Erteilung einer Verwarnung in derselben Sache, Rechtfertigungsgrund).

(2) Das Verfahren kann bei vorübergehenden Hindernissen tatsächlicher oder rechtlicher Art gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 205 StPO vorläufig eingestellt werden, wenn der Sachverhalt soweit wie möglich aufgeklärt ist sowie die notwendigen Beweismittel gesichert sind. Die Bußgeldbehörde hat in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob der Hinderungsgrund noch fortbesteht.

(3) Das Verfahren kann nach § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt werden, wenn die weitere Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen nicht geboten erscheint.

(4) Das Verfahren kann nach dem Opportunitätsprinzip z.B. eingestellt werden, wenn die Aufklärung des Sachverhalts so aufwendig wäre, dass dies zur Bedeutung der Tat und der zu erwartenden Geldbuße in keinem angemessenen Verhältnis stehen würde. Auch kann ein unter Würdigung aller Umstände besonders geringer Vorwurf zu einer Einstellung führen. Eine Einstellung kommt im Interesse der Verkehrssicherheit regelmäßig nicht in Betracht, wenn es sich um eine Hauptunfallursache handelt. Wird Anzeige von einer dritten Person erstattet und weicht die Einlassung der betroffenen Person in wesentlichen Punkten von den Angaben der anzeigenden Person ab ("Aussage gegen Aussage"), ist das Verfahren einzustellen, wenn weitere Beweismittel nicht vorliegen und eine Klärung des tatsächlichen Geschehens im Wege weiterer Ermittlungen nicht möglich erscheint oder unverhältnismäßig wäre.

(5) Die Einstellung des Verfahrens ist keine Sachentscheidung und hat daher keine Rechtswirkung. Die Verfolgung kann erneut aufgenommen werden, wenn dazu Anlass besteht und die Verjährung noch nicht eingetreten ist.

(6) Weigert sich die Halterin oder der Halter eines Kraftfahrzeugs, mit dem eine nicht geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden ist, die betroffene Person zu benennen und ist diese auf andere Weise nicht zu ermitteln, so ist das Verfahren einzustellen und über den Sachverhalt die zuständige Straßenverkehrsbehörde zu unterrichten, um ggf. eine Anordnung nach § 31a StVZO (Führung eines Fahrtenbuchs) zu treffen.

(7) Die Einstellung ist der betroffenen Person formlos schriftlich mitzuteilen, sofern sie zu der Verkehrsordnungswidrigkeit angehört worden ist, wenn sie um einen Bescheid gebeten hat oder sonst ein besonderes Interesse an der Unterrichtung ersichtlich ist (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 Satz 2 StPO). In der Mitteilung sind die Gründe der Einstellung nur auf Antrag und dann auch nur insoweit bekannt zu geben, als kein schutzwürdiges Interesse entgegensteht.

(8) Eine Mitteilung der Einstellung an die eine Anzeige erstattende Person ist nur notwendig, wenn diese ersichtlich die Durchführung eines Bußgeldverfahrens gegen die angezeigte Person erstrebt (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 171 Satz 1 StPO). Die Angabe der Gründe für die Einstellung des Verfahrens ist grundsätzlich nicht erforderlich.

(9) Bis zur Abgabe eines Vorgangs an die zuständige Bußgeldbehörde kann auch die Polizei Verfahren einstellen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit fehlen oder die weitere Verfolgung oder Ahndung der Ordnungswidrigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen nicht geboten erscheint. Falls sie eine Einstellung bei nicht geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeiten für geboten hält, vermerkt sie dies im Datenermittlungsbeleg unter "Bemerkungen".

8. Kostentragungspflicht der Halterin oder des Halters eines Kraftfahrzeugs

Stellt die Bußgeldbehörde ein Verfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes ein, weil die betroffene Person nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung zu ermitteln ist oder die Ermittlungen einen unangemessenen Aufwand erfordern, so hat sie der Halterin oder dem Halter des Kraftfahrzeugs die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 25a StVG). Die Gebühr beträgt 20 EUR (§ 107 Abs. 2 OWiG). Die Kostenentscheidung ergeht in Form eines Kostenbescheides, der mit der Einstellungsverfügung verbunden ist. Die gemäß § 25a Abs. 2 Halbsatz 2 StVG erforderliche Anhörung der Halterin oder des Halters des Kraftfahrzeugs erfolgt im Regelfall mit der Anhörung nach § 55 OWiG.

9. Akteneinsicht

(1) Die Gewährung von Akteneinsicht obliegt der Bußgeldbehörde. Entsprechende Ersuchen sind ihr unverzüglich vorzulegen.

(2) Bei Verkehrsunfällen kann die Polizei, solange sie den Vorgang noch nicht an die Bußgeldstelle übersandt hat, Versicherungen, Unfallbeteiligten und Geschädigten auf Anfrage Auskunft über Name, Anschrift und Kfz-Kennzeichen der Unfallbeteiligten erteilen; bevollmächtigten Rechtsanwältinnen oder bevollmächtigten Rechtsanwälten kann darüber hinaus ein Abdruck der Verkehrsunfallanzeige (Blätter 1 bis 4) zur Verfügung gestellt werden. Zur Frage der Unfallursache oder des Verschuldens darf gegenüber Versicherungen, Unfallbeteiligten und Geschädigten nicht Stellung genommen werden. Der Inhalt einer erteilten Auskunft ist aktenkundig zu machen. In Zweifelsfällen ist die Entscheidung der Bußgeldbehörde einzuholen.

10. Aufbewahrungsfristen

(1) Akten über Verwarnungs- einschließlich Anschlussbußgeldverfahren und über Kostenbescheide gemäß § 25a StVG sind sechs Monate aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die Akten abgeschlossen sind. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind die Akten unverzüglich auszusondern und zu vernichten, es sei denn, sie werden in einem laufenden Verfahren benötigt.

(2) Bei der Polizei verbleibende Durchschriften von Anzeigen (Datenermittlungsbelege, Sammelanzeigen, Verkehrsunfallanzeigen/Ausfertigung für die Polizei) und Beweismittel (Lichtbildnegative, Videoaufnahmen) sind drei Jahre aufzubewahren. Sie dürfen nur für die Verfolgung der Tat als Ordnungswidrigkeit oder gemäß den §§ 41 und 81 OWiG als Straftat genutzt werden. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem sich der Vorfall ereignet hat. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind die Durchschriften von Anzeigen auszusondern und zu vernichten, es sei denn, sie werden in einem laufenden Verfahren benötigt. Das Gleiche gilt für Lichtbildnegative; Videobänder sind zu löschen.

11. Schlussbestimmungen

Dieser RdErl. tritt am 20.5.2015 in Kraft. Gleichzeitig tritt der Bezugserlass außer Kraft.

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