Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall
(IMO-Rundschreiben Nr. 2711 vom 26. Juni 2006)
Vom 11. Oktober 2010
(VkBl. Nr. 20 vom 30.10.2010 S. 506)
Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) hat am 26. Juni 2006 das Rundschreiben Nr. 2711 veröffentlicht, welches in seiner Anlage die Entschließung LEG.3(91) vom 27. April 2006 (Annahme von Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall) und in seinem Anhang die Entschließung A.987(24) vom 1. Dezember 2005 (Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall) enthält. Dieses Rundschreiben wird nachstehend bekannt gegeben.
Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall
Der Generalsekretär der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) beehrt sich, in der Anlage die Entschließung und die Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall zu übermitteln.
Die Entschließung und die Leitlinien finden Anwendung in allen Fällen, in denen Seeleute nach einem Seeunfall von den Behörden festgehalten werden können, wobei ein Seeunfall definiert ist als "jeder unvorhergesehene Zwischenfall oder jedes physische Ereignis im Zusammenhang mit der Navigation, dem Betrieb, dem Manövrieren oder der Handhabung von Schiffen oder der Maschinen, der Ausrüstung, der Betriebsstoffe oder der Fracht an Bord dieser Schiffe, die zum Festhalten von Seeleuten führen können." Diese Leitlinien richten sich an die
- Hafen- und Küstenstaaten,
- Flaggenstaaten,
- Heimatstaaten der Seeleute,
- Schiffseigentümer und
- Seeleute.
Die Entschließung, die der Rechtsausschuss der IMO auf seiner einundneunzigsten Sitzung am 27. April 2006 und der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation auf seiner 296. Tagung am 12. Juni 2006 angenommen haben, fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, die Leitlinien ab dem 1. Juli 2006 anzuwenden.
Mit der Überprüfung der Leitlinien soll auf der zweiundneunzigsten Sitzung des Rechtsausschusses im Oktober 2006 begonnen werden.
Es ist die Einsetzung einer Adhoc-Arbeitsgruppe vorgesehen, die sich mit den von einer Reihe von Ländern geäußerten Bedenken hinsichtlich der Anwendung der neuen Leitlinien befassen soll.
Alle Anmerkungen zur Umsetzung dieser Leitlinien sind der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation oder der Internationalen Arbeitsorganisation zuzuleiten, damit sie bei der Überprüfung berücksichtigt werden können.
Anmerkungen können elektronisch per E-Mail an info@inno.orq bei der IMO und an marit@ilo.org bei der ILO übermittelt werden.
Die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Nichtregierungsorganisationen mit Beobachterstatus werden gebeten, diese Leitlinien so weit wie möglich zu verbreiten und sie allen staatlichen Stellen oder Regierungsbeamten zur Kenntnis zu geben, die an Entscheidungen beteiligt sein können, die die Behandlung von Seeleuten betreffen, die gegebenenfalls im Zusammenhang mit einem Seeunfall festgehalten werden.
Entschließung LEG.3(91)
(angenommen am 27. April 2006)
Annahme von Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall
Der Rechtsausschuss der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) und der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) -
unter Hinweis auf die von der Versammlung der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation auf ihrer vierundzwanzigsten ordentlichen Tagung und dem Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation auf seiner 292. Tagung verabschiedete Entschließung A.987(24), mit der die Versammlung der IMO und der Verwaltungsrat der ILO unter anderem der Annahme von Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten nach einem Seeunfall als vorrangige Angelegenheit zugestimmt und den Rechtausschuss der IMO und den Verwaltungsrat der ILO dazu ermächtigt haben, die genannten Leitlinien nach ihrer Fertigstellung auf geeignetem Wege bekannt zu machen;
nach Prüfung der von der Gemeinsamen Adhoc-Sachverständigenarbeitsgruppe der IMO und der ILO erstellten Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall;
in Erkenntnis der Notwendigkeit, die Leitlinien fortlaufend zu überprüfen;
unter Hinweis auf das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen, insbesondere des Artikels 36 "Verkehr mit Angehörigen des Entsendestaats";
im Hinblick auf MSC/MEPC.4/Rundschreiben 1 über die Aufbewahrung von Originalaufzeichnungen/Originaldokumenten an Bord von Schiffen vom 26. September 2005;
eingedenk der Bedeutung des am 10. Dezember 1982 in Montego Bay geschlossenen Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, insbesondere seiner Artikel 97, 228, 230, 232 und 292, sowie des internationalen Seegewohnheitsrechts;
in der Erwägung, dass die Leitlinien einen Kodex bewährter Methoden bereitstellen;
eingedenk der Notwendigkeit, die Anwendung und Umsetzung der Leitlinien zu überwachen; und
darüber hinaus in Anerkennung der Annahme des Seearbeitsübereinkommens der ILO vom 23. Februar 2006 -
- nehmen die Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall an, die in der Anlage zu dieser Entschließung wiedergegeben sind;
- fordern die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, diese Leitlinien ab denn 1. Juli 2006 anzuwenden;
- fordern die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Nichtregierungsorganisationen mit beratendem Status bei der IMO und der ILO ebenfalls auf, die Leitlinien einem möglichst großen Kreis zugänglich zu machen, um ihre breite Bekanntmachung und Anwendung sicherzustellen;
- fordern die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, gegebenenfalls eine Änderung ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Erwägung zuziehen, um den Bestimmungen der Leitlinien volle Wirksamkeit zu verleihen;
- fordern die Regierungen der Mitgliedstaaten weiter auf, die in diesen Leitlinien enthaltenen Grundsätze zu beachten, wenn sie die faire Behandlung von Seeleuten unter anderen Umständen prüfen, in denen unschuldige Seeleute festgehalten werden könnten; und
- stimmen der Notwendigkeit zu, die Leitlinien fortlaufend zu überprüfen.
Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall
I Einführung
1. Es wird empfohlen, diese Leitlinien in allen Fällen zu beachten, in denen Seeleute im Zusammenhang mit einem Seeunfall von den Behörden festgehalten werden können.
2. Seeleute sind als eine besondere Gruppe von Beschäftigten anerkannt und bedürfen angesichts des globalen Charakters der Seeschifffahrt und der verschiedenen Jurisdiktionen, mit denen sie in Berührung kommen können, eines besonderen Schutzes, vor allem bei Kontakten zu Behörden.
Diese Leitlinien sollen sicherstellen, dass Seeleute nach einem Seeunfall und in Fällen, in denen sie von den Behörden befragt und festgehalten werden eine faire Behandlung erfahren und sie nicht länger als erforderlich festgehalten werden.
3. Diese Leitlinien wurden nach Maßgabe der Entschließung A.987(24)* "Leitlinien über die faire Behandlung von Seeleuten bei einem Seeunfall" erstellt, welche die Versammlung der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation am 1. Dezember 2005 angenommen hat. Die Entschließung ist diesen Leitlinien als Anhang beigefügt.
4. Diese Leitlinien streben weder danach, sich in die inländischen, straf- oder zivilrechtlichen Verfahren eines Staates, noch in die uneingeschränkte Ausübung der Grundrechte von Seeleuten, einschließlich der durch internationale Menschenrechtsinstrumente gewährten Rechte und des Rechts der Seeleute auf menschenwürdige Behandlung zu jeder Zeit einzumischen.
5. Seeleute haben das Recht auf Schutz vor Zwangsmaßnahmen und Einschüchterungsmethoden jedweder Art im Verlauf oder nach Abschluss der Untersuchung eines Seeunfalls.
6. Die Untersuchung eines Seeunfalls darf der Heimschaffung, Unterbringung, Verpflegung, Zahlung von Löhnen und anderen Leistungen sowie der medizinischen Versorgung der Seeleute nicht entgegenstehen.
Diese sollen durch den Schiffseigentümer, den festhaltenden Staat oder einen anderen geeigneten Staat kostenfrei gewährleistet werden.
7. Diese Leitlinien finden keine Anwendung auf Kriegsschiffe oder Flottenhilfsschiffe.
II Begriffsbestimmungen
8. Inn Sinne dieser Leitlinien
bezeichnet der Ausdruck "Seefahrer" jede Person, die in irgendeiner Eigenschaft an Bord eines Schiffes angestellt oder beschäftigt ist oder arbeitet;
bezeichnet der Ausdruck "Reeder" den Eigentümer des Schiffes oder jede andere Organisation oder Person, wie zum Beispiel den Betreiber, den Schiffsagenten oder den Bareboat-Charterer, die vom Eigentümer die Verantwortung für den Betrieb des Schiffes übernommen und sich mit der Übernahme dieser Verantwortung bereit erklärt hat, alle Aufgaben und Pflichten als Reeder zu übernehmen, unabhängig davon, ob eine andere Organisation oder Person bestimmte Aufgaben oder Pflichten im Namen des Reeders erfüllt;
bezeichnet der Ausdruck "Seeunfall" jeden unvorhergesehenen Zwischenfall oder jedes physische Ereignis im Zusammenhang mit der Navigation, denn Betrieb, dem Manövrieren oder der Handhabung von Schiffen oder der Maschinen, der Ausrüstung, der Betriebsstoffe oder der Fracht an Bord dieser Schiffe, die zum Festhalten von Seeleuten führen können;
bezeichnet der Ausdruck "Untersuchung" die Untersuchung eines Seeunfalls;
bezeichnet der Ausdruck "Festhaltung" jede durch die Behörden als Folge eines Seeunfalls auferlegte Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Seeleuten, einschließlich des Verbots, das Hoheitsgebiet eines Staates zu verlassen, der ein anderer ist als der Herkunfts- oder Wohnsitzstaat des Seefahrers.
III Leitlinien für den Hafen- oder Küstenstaat
9 Der Hafen- oder Küstenstaat sollte
- dafür sorgen, dass jede von ihm durchgeführte Untersuchung zur Ermittlung der Ursache eines Seeunfalls innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs fair und zügig erfolgt;
- eine Zusammenarbeit und Verständigung mit allen Staaten mit einem begründeten Interesse, Reedern und Seeleuten anstreben und Schritte unternehmen, um den Interessenvertretungen der Seeleute innerhalb des Hafen- oder Küstenstaats Zugang zu den Seeleuten zu verschaffen;
- angemessene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Menschenrechte und die wirtschaftlichen Rechte von festgehaltenen Seeleuten jederzeit gewahrt bleiben;
- sicherstellen, dass die Seeleute so behandelt werden, dass ihre grundlegende Menschenwürde zu jedem Zeitpunkt gewahrt bleibt;
- sicherstellen/überprüfen, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um für den Unterhalt jedes festgehaltenen Seefahrers zu sorgen, einschließlich gegebenenfalls Löhne, geeignete Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung;
- sicherstellen, dass alle Seeleute in nicht diskriminierender Weise einen angemessenen Verfahrensschutz erhalten;
- sicherstellen, dass den Seeleuten, falls erforderlich, Übersetzungsdienste zur Verfügung gestellt und sie über ihr Recht auf eine unabhängige Rechtsberatung belehrt werden, sie Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung erhalten, sie auf ihr Recht zur Vermeidung einer Selbstbelastung und ihr Schweigerecht hingewiesen werden, sowie im Fall von in Haft genommenen Seeleuten sicherstellen, dass eine unabhängige Rechtsberatung bereitgestellt wird;
- sicherstellen, dass die betroffenen Seeleute darüber informiert werden, auf welcher Grundlage die Untersuchung durchgeführt wird (d. h., ob sie in Übereinstimmung mit dem IMO-Code für die Untersuchung von Unfällen und Vorkommnissen auf See (Entschließung A.849(20) in der durch die Entschließung A.884(21) geänderten Fassung oder ihren nachfolgenden Änderungen) oder auf der Grundlage anderer innerstaatlicher Rechtsverfahren erfolgt);
- sicherstellen, dass die Verpflichtungen aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen, einschließlich derer im Zusammenhang mit dem Zugang, umgehend eingehalten werden und der bzw. die Herkunftsstaaten aller betroffenen Seeleute bei Bedarf über die Rechtslage dieser Seeleute unterrichtet wird bzw. werden, und ebenfalls den Zugang von Konsularbeamten des Flaggenstaates zu den Seeleuten gestatten;
- sicherstellen, dass alle festgehaltenen Seeleute die Mittel erhalten, um sich vertraulich mit den folgenden Parteien austauschen zu können:
- Familienangehörige,
- Wohlfahrtsorganisationen,
- Reeder,
- Gewerkschaften,
- Botschaft oder Konsulat des Flaggenstaates oder ihres Wohnsitz- bzw. Herkunftsstaates,
- gesetzliche Vertreter;
- alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Beweissicherung nutzen, um die Notwendigkeit zur fortdauernden Anwesenheit eines Seefahrers auf ein Mindestmaß zu beschränken;
- sicherstellen, dass Entscheidungen nach dem Protokoll von 1978 zum Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL 73/78) im Einklang stehen mit den Bestimmungen in Anlage I (Regeln für die Verhütung der Verschmutzung durch Öl), Regel 11;
- im Fall der Untersuchung nach einem Seeunfall durch einen Küstenstaat, unverzüglich die Befragungen der Seeleute durchführen, wobei ihre körperliche und psychische Verfassung infolge des Unfalls zu berücksichtigen ist;
- Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass die Seeleute nach ihrer Befragung, oder soweit sie auch anderweitig für die Untersuchung eines Küstenstaates nach einem Seeunfall nicht gebraucht werden, die Erlaubnis erhalten, ohne unangemessene Verzögerung auf ihr Schiff oder in ihre Heimat zurückzukehren;
- Alternativen ohne Freiheitsentzug zur Untersuchungshaft (einschließlich Beugehaft) prüfen, insbesondere in Fällen, in denen es offensichtlich ist, dass der betroffene Seefahrer in einem regelmäßigen Liniendienst zu dem ihn festhaltenden Hafen- oder Küstenstaat beschäftigt ist;
- seine Untersuchung ohne Verzögerung abschließen und, falls erforderlich, Seeleute, die krimineller Handlungen verdächtigt werden, unter Anklage stellen und sicherstellen, dass alle Seeleute im Anschluss an eine derartige Anklage einen ordnungsgemäßen Verfahrensschutz erhalten;
- über Verfahren verfügen, damit sämtliche Schäden, Nachteile oder Verluste, die dem festgehaltenen Seefahrer oder dem Reeder aus der Festhaltung dieses bestimmten Seefahrers erwachsen und die den unrechtmäßigen, unangemessenen oder ungerechtfertigten Handlungen oder Unterlassungen des festhaltenden Hafen- oder Küstenstaates zuzuschreiben sind, unverzüglich und vollständig ausgeglichen werden;
- sicherstellen, soweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften dies gestatten, dass ein Verfahren vorhanden ist, um eine angemessene Kaution oder eine andere finanzielle Sicherheit stellen zu können, die die Freilassung und Heimschaffung des festgehaltenen Seefahrers bis zum Abschluss der Untersuchung oder des Gerichtsverfahrens ermöglicht;
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass im Fall von festgehaltenen Seeleuten jede Anhörung vor Gericht so rasch wie möglich stattfindet;
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die getroffenen Entscheidungen mit den allgemein geltenden Bestimmungen des Seerechts in Einklang stehen;
- Maßnahmen treffen um sicherzustellen, dass die allgemein anerkannten Bestimmungen des internationalen Seerechts betreffend den Grundsatz der ausschließlichen Hoheitsgewalt des Flaggenstaates bei Zusammenstößen oder sonstigen Vorkommnissen im Seeverkehr beachtet werden; und
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass es zu keinen diskriminierenden Maßnahmen oder Repressalien gegen Seeleute aufgrund ihrer Teilnahme an Untersuchungen kommt.
IV Leitlinien für den Flaggenstaat
10 Der Flaggenstaat sollte
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass jede Untersuchung zur Ermittlung der Ursache eines Seeunfalls fair und zügig durchgeführt wird;
- eine Zusammenarbeit und Verständigung mit allen Staaten mit einem begründeten Interesse, Reedern und Seeleuten anstreben und Schritte unternehmen, um den Interessenvertretungen der Seeleute Zugang zu den Seeleuten zu verschaffen;
- gegebenenfalls direkt im Rahmen des IMO-Codes über die Untersuchung von Unfällen und Vorkommnissen auf See (Entschließung A.849(20) der Versammlung der IMO, in der durch die Entschließung A.884(21) geänderten Fassung und möglicher späterer Änderungen) an allen Unfalluntersuchungen teilnehmen;
- sich dafür einsetzen, dass die Reeder ihren Verpflichtungen gegenüber Seeleuten nachkommen, die in einen Seeunfall verwickelt sind oder an einer Untersuchung teilnehmen;
- sicherstellen/überprüfen, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um für den Unterhalt jedes festgehaltenen Seefahrers zu sorgen, einschließlich gegebenenfalls Löhne, geeignete Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung;
- sicherstellen, dass die Reeder ihren Verpflichtungen zur Mitarbeit in allen Untersuchungen eines Flaggen-, Küsten- oder Hafenstaates nach einem Seeunfall nachkommen;
- sich für eine faire Behandlung von Seeleuten einsetzen und den Reedern für den Fall einer Untersuchung durch einen Hafen- oder Küstenstaat Unterstützung zukommen lassen;
- gegebenenfalls Mittel für die Heimschaffung von Seeleuten nach der Abarbeitung eines Seeunfalls bereitstellen, in Fällen, in denen die Reeder ihrer Verpflichtung zur Heimschaffung nicht nachkommen;
- nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei der Erhebung der Klage und der Zustellung der Klageschrift sowie bei der Rückkehr von Seeleuten, die seiner Hoheitsgewalt unterstehen und die in einem Verfahren im Anschluss an einen Seeunfall lediglich als Zeugen benötigt werden, in einen Hafen- oder Küstenstaat Unterstützung gewähren;
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass seine Konsularbeamten Zugang zu den beteiligten Seeleuten unabhängig von deren Staatsangehörigkeit erhalten;
- alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um eine faire Behandlung der Seeleute zu gewährleisten, die auf einem Schiff unter seiner Flagge angestellt oder beschäftigt waren.
Dies kann letztendlich auch den Einsatz internationaler Mechanismen für die Beilegung von Streitigkeiten beinhalten, die die sofortige Freigabe von Schiffen und Besatzungen nach Hinterlegung einer angemessenen Kaution oder finanziellen Sicherheit bewirken können; und
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass es zu keinen diskriminierenden Maßnahmen oder Repressalien gegen Seeleute aufgrund ihrer Teilnahme an den Untersuchungen kommt.
V. Leitlinien für den Herkunftsstaat des Seefahrers
11 Der Herkunftsstaat des Seefahrers sollte
- eine Zusammenarbeit und Verständigung mit allen Staaten mit einem begründeten Interesse, Reedern und Seeleuten anstreben und Maßnahmen treffen, um den Interessenvertretungen der Seeleute Zugang zu den Seeleuten zu verschaffen;
- auf das körperliche und seelische Wohl und die Behandlung der Seeleute seiner Staatsangehörigkeit achten, die in einen Seeunfall, einschließlich aller damit zusammenhängender Untersuchungen, verwickelt sind;
- gegebenenfalls Mittel für die Heimschaffung von Seeleuten seiner Staatsangehörigkeit nach der Abarbeitung eines Seeunfalls bereitstellen, in Fällen, in denen die Reeder und der Flaggenstaat ihrer Verpflichtung zur Heimschaffung nicht nachkommen;
- nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei der Zustellung der Klageschrift und der Rückkehr von Seeleuten, die seiner Hoheitsgewalt unterstehen und die in einem Verfahren nach einem Seeunfall lediglich als Zeugen benötigt werden, in einen Hafen- oder Küstenstaat Unterstützung gewähren;
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass seine Konsularbeamten Zugang zu den beteiligten Seeleuten erhalten;
- Unterstützung und Hilfe sicherstellen, die die faire Behandlung von Staatsangehörigen des Herkunftsstaates des Seefahrers und die rasche Durchführung der Untersuchung ermöglichen;
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass alle von den Reedern, dem festhaltenden Staat oder einem anderen Staat für die festgehaltenen Seeleute oder zur Unterstützung der Familien dieser Seeleute überwiesenen Mittel, ihrem vorgesehenen Zweck zugeführt werden; und
- Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass keine diskriminierenden Maßnahmen oder Repressalien gegen Seeleute aufgrund ihrer Teilnahme an den Untersuchungen ergriffen werden.
VI Leitlinien für Reeder
12 Im Hinblick auf die Untersuchungen ist es die vordringliche Pflicht der Reeder, die Rechte ihrer angestellten oder beschäftigten Seeleute, einschließlich des Rechts zur Vermeidung einer Selbstbelastung, zu schützen und Maßnahmen zu treffen, um deren faire Behandlung sicherzustellen.
Sie sollten
- im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sicherstellen, dass keine diskriminierenden Maßnahmen oder Repressalien gegen Seeleute aufgrund ihrer Teilnahme an den Untersuchungen ergriffen werden, und Schritte unternehmen, die sicherstellen, dass ein solches Verhalten durch andere Stellen nicht toleriert wird;
- eine Zusammenarbeit und Verständigung mit allen Staaten mit einem begründeten Interesse, anderen Reedern sofern erforderlich, und Seeleuten anstreben und Maßnahmen treffen, um den Interessenvertretungen der Seeleute Zugang zu den Seeleuten zu verschaffen;
- Maßnahmen ergreifen, um die Bemühungen einer Hafen-, Küsten- oder Flaggenstaatsuntersuchung voranzutreiben;
- Schritte unternehmen, um Seeleute und andere Angestellte unter gebührender Beachtung der geltenden Rechte zu ermutigen, bei der Untersuchung mitzuarbeiten;
- alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Beweissicherung nutzen, um die Notwendigkeit der fortdauernden Anwesenheit eines Seefahrers auf ein Mindestmaß zu beschränken;
- ihrer Verpflichtung im Zusammenhang mit der Heimschaffung der Seeleute nachkommen oder Maßnahmen treffen, um die Seeleute wieder auf das Schiff zurückzubringen; und
- sicherstellen/überprüfen, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um für den Unterhalt jedes Seefahrers zu sorgen, einschließlich gegebenenfalls Löhne, geeignete Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung.
VII Leitlinien für Seeleute
13 Seeleute sollten
- sofern notwendig, Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass ihnen geeignete Übersetzungsleistungen zur Verfügung stehen;
- Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass sie ihr Recht zur Vermeidung einer Selbstbelastung vollständig kennen und sich vollkommen darüber im Klaren sind, dass gegenüber den Untersuchern des Hafen-, Küsten- oder Flaggenstaates abgegebene Erklärungen, möglicherweise bei einer künftigen strafrechtlichen Verfolgung verwendet werden können;
- Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass sie, falls sie dies für notwendig erachten, vor der Entscheidung, ob sie Erklärungen gegenüber den Untersuchern des Hafen-, Küsten- oder Flaggenstaates abgeben, Vorkehrungen für den Zugang zu einem Rechtsbeistand getroffen haben;
- soweit wie möglich in einer Untersuchung mit den Untersuchern des Hafen-, Küsten- oder Flaggenstaates unter Berücksichtigung ihres Rechts zur Vermeidung einer Selbstbelastung zusammenarbeiten, indem sie nach bestem Wissen und Gewissen wahrheitsgetreue Angaben machen.
*) Diesem Dokument beigefügt
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Entschließung A.987(24) angenommen am 1. Dezember 2005 (Tagesordnungspunkt 10) | Anhang
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Die Vollversammlung der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation und der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation -
angesichts einer Reihe von Seeunfällen der jüngsten Vergangenheit, bei denen Seeleute auf Schiffen, die in Unfälle auf See verwickelt waren, über längere Zeiträume festgehalten wurden;
ernsthaft besorgt über die Notwendigkeit, die faire Behandlung von Seeleuten angesichts einer Zunahme der strafrechtlichen Verfolgung von Seeleuten nach einem Seeunfall sicherzustellen;
ebenso in dem Bewusstsein, dass Seeleute mit den Rechtsvorschriften und Verfahren eines Hafen- oder Küstenstaates und den Auswirkungen, die diese innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf sie haben können, möglicherweise nicht vertraut sind;
in der Überzeugung, dass Seeleute bis zur Beilegung eines vermögensrechtlichen Streitfalls nicht festgehalten werden sollten;
besorgt darüber, dass in einigen Fällen für die festgehaltenen Seeleute oder die internationale maritime Gemeinschaft die Gründe für solche Festnahmen nicht klar ersichtlich waren;
ebenso darüber besorgt, dass die inhaftierten Seeleute in einigen Fällen offenbar Bedingungen ausgesetzt waren, bei denen ihre grundlegenden Menschenrechte nicht unumschränkt geachtet wurden;
weiter besorgt darüber, dass diese Fälle eine nachteilige Wirkung auf die Moral von Seeleuten, auf die Attraktivität des Seemannsberufs und die Anwerbung junger Menschen sowie auf den Verbleib derzeitiger Seeleute in diesem Beruf haben;
unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR);
ebenso unter Hinweis auf die Erklärung der ILO von 1998 über die Grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und auf die allgemein anerkannten Grundsätze der für alle Arbeitnehmer geltenden internationalen Menschenrechte;
weiter unter Hinweis auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1982, insbesondere auf Artikel 292 über die unverzügliche Freigabe von Schiffen und Besatzungen und auf Artikel 230 über Geldstrafen und Wahrung der anerkannten Rechte des Angeklagten;
im Hinblick darauf, dass MARPOL 73/78 in Anlage I Regel 11 sowie in Anlage II Regel 6 festlegt, dass bestimmte Einleitungen keine Verletzung von MARPOL darstellen, insbesondere solche, die aufgrund einer Beschädigung des Schiffes oder seiner Ausrüstung erfolgen, vorausgesetzt, dass nach dem Eintritt des Schadens oder der Entdeckung der Einleitung alle angemessenen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen wurden, um eine Einleitung zu verhindern oder auf ein Mindestmaß zu beschränken, ausgenommen Fälle, in denen der Eigentümer oder der Schiffsführer entweder in der Absicht gehandelt haben, einen solchen Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein solcher Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde;
ebenso im Hinblick auf die einschlägigen internationalen Arbeitsnormen für die Heimschaffung von Seeleuten, insbesondere das Übereinkommen der ILO Nr. 166 über die Heimschaffung von Seeleuten aus dem Jahr 1987 (überarbeitete Fassung);
weiter im Hinblick auf den IMO-Code über die Untersuchung von Unfällen und Zwischenfällen auf See (Entschließung A.849(20) in der durch die Entschließung A.884(21) geänderten Fassung);
weiter in Anerkennung der anerkannten Rechte der Staaten, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht Personen, die eines kriminellen Verhaltens angeklagt sind, zu verurteilen oder auszuweisen;
weiter in Anerkennung, dass die Staaten Untersuchungen von Seeunfällen durchführen sollten;
ebenso in Anerkennung, dass die faire Behandlung von Seeleuten in der direkten Verantwortung der Hafen- oder Küstenstaaten, Flaggenstaaten, des Heinnatstaates der Seeleute, der Schiffseigentümer und Seeleute liegt;
in der Überzeugung, dass empfehlende Leitlinien ein geeignetes Mittel zur Schaffung rechtssicherer Rahmenbedingungen und kohärenter bewährter Praktiken darstellen, um zu gewährleisten, dass Seeleute bei Seeunfällen eine faire Behandlung erhalten und ihre Rechte nicht verletzt werden;
in der Erwägung, dass angesichts des globalen Charakters der Seeschifffahrt die Seeleute eines besonderen Schutzes bedürfen;
ebenso in der Überzeugung, dass der Schutz der Rechte von Seeleuten durch Anwendung der genannten Leitlinien notwendig ist, um finanzielle, körperliche und emotionale Belastungen zu vermeiden, die sich bei einer längeren Inhaftierung für die Seeleute und ihre Familien ergeben;
überzeugt davon, dass die Annahme von Leitlinien, die bei einem Seeunfall die faire Behandlung von Seeleuten erleichtern, so schnell wie möglich erfolgen sollte;
nach Prüfung der Empfehlungen des Rechtsausschusses auf seiner neunzigsten Tagung, die der Verwaltungsrat der ILO auf seiner 292. Sitzung gebilligt hat -
- ersuchen alle Staaten dringend, die grundlegenden Menschenrechte von Seeleuten bei Seeunfällen zu achten;
- ersuchen ebenso alle Staaten dringend, Seeunfälle zügig zu untersuchen, um auf diese Weise jegliche unfaire Behandlung von Seeleuten zu vermeiden;
- ersuchen weiter alle Staaten, Verfahren anzunehmen, die die unverzügliche Heimschaffung oder Rückverschiffung von Seeleuten nach Seeunfällen gestatten;
- fordern die Regierungen der Mitgliedstaaten und nichtstaatliche Organisationen mit Konsultativ- oder Beobachterstatus bei der IMO oder der ILO auf, gegebenenfalls Fälle von unfairer Behandlung von Seeleuten bei Seeunfällen aufzuzeichnen und die Daten auf Anforderung an die IMO oder die ILO weiterzugeben;
- stimmen zu, die Leitlinien vorrangig zu verabschieden, und fordern zu diesem Zweck die Gemeinsame Adhoc-Sachverständigenarbeitsgruppe der IMO und der ILO über die faire Behandlung von Seeleuten auf, ihre Arbeiten rasch abzuschließen;
- gestatten dem Rechtsausschuss der IMO und dem Verwaltungsrat der ILO, die genannten Leitlinien nach ihrer Fertigstellung in geeigneter Weise zu verkünden und der fünfundzwanzigste ordentlichen Tagung der IMO-Vollversammlung und der 295. Tagung des Verwaltungsrates der ILO entsprechend zu berichten;
- bitten den Rechtsausschuss der IMO und den Verwaltungsrat der ILO, das Problem der unfairen Behandlung von Seeleuten bei Seeunfällen fortlaufend zu überprüfen und in regelmäßigen Abständen eine Bewertung des Ausmaßes des Problems vorzunehmen;
- bitten die Regierungen der Mitgliedstaaten, diese Entschließung den Schiffseigentümern und Seeleuten und ihren entsprechenden Organisationen sowie allen Regierungsbeamten zur Kenntnis zu bringen, die an Entscheidungen und Verfahren beteiligt sein können, die die Behandlung von Seeleuten bei Seeunfällen betreffen.
| ENDE |
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