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MSC.1/Rundschreiben 1212
Richtlinien für alternative Ausführungen und Anordnungen im Hinblick auf SOLAS Kapitel II-1 UND III
Vom 29. März 2007
(VkBl. Nr. 8 vom 30.04.2007 S. 215; 30.10.2021 S. 978 aufgehoben)
1 Der Schiffssicherheitsausschuss beschloss auf seiner zweiundachtzigsten Tagung (29. November-8. Dezember 2006) Richtlinien für alternative Ausführungen und Anordnungen im Hinblick auf SOLAS Kapitel II-1 und III, die in der Anlage wiedergegeben sind und eine weitere Orientierungshilfe zu SOLAS Kapitel II-1, Regel 55 und SOLAS Kapitel III, Regel 38 darstellen, die mit Entschließung MSC.216(82) angenommen wurden und am 1. Januar 2009 in Kraft treten sollen.
2 Die Richtlinien dienen der Darstellung der Methodik für die in SOLAS Kapitel II-1, Regel 55 sowie in SOLAS Kapitel III, Regel 38 vorgeschriebene technische Analyse von alternativen Ausführungen und Anordnungen, die Anwendung finden auf spezifische technische oder Rettungssysteme, Ausführungen oder Anordnungen, für die um Genehmigung eines alternativen Entwurfs, der von den Vorschriften in SOLAS Kapitel II-1 und III abweicht, nachgesucht wird.
3 Die Regierungen der Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Richtlinien, die im Anhang enthalten sind, den Schiffseignern, Schiffbauern und Konstrukteuren im Hinblick auf eine Entwurfsvereinfachung im Rahmen von SOLAS Kapitel II-1, Regel 55 und SOLAS Kapitel III, Regel 38 zur Kenntnis zu bringen.
Richtlinien für alternative Ausführungen und Anordnungen im Hinblick auf SOLAS Kapitel II-1 UND III
1 Anwendungsbereich
1.1 Diese Richtlinien sind für die Anwendung eines sicheren konstruktiven Entwurfs vorgesehen, um auf diese Weise alternative Ausführungen und Anordnungen im Hinblick auf SOLAS Kapitel II-1 (Teile C, D und E) und SOLAS Kapitel III technisch zu rechtfertigen. Die Richtlinien dienen der Darstellung der Methodik für die in SOLAS Kapitel II-1, Teil F sowie in SOLAS Kapitel III, Teil C "Alternative Ausführungen und Anordnungen" vorgeschriebene technische Analyse, die auf spezifische Sicherheitssysteme, Ausführungen oder Anordnungen Anwendung findet, für die um Genehmigung eines alternativen Entwurfs, der von den Vorschriften in SOLAS Kapitel II-1 und III abweicht, nachgesucht wird.
1.2 Eine Anwendung dieser Richtlinien auf die Bauartgenehmigung einzelner Werkstoffe, Komponenten oder tragbarer Geräte ist nicht vorgesehen.
1.3 Diese Richtlinien sollen kein eigenständiges Dokument darstellen, sondern sie sind in Verbindung mit den entsprechenden Konstruktionsrichtlinien und anderen Unterlagen zu benutzen.
1.4 Im Hinblick auf eine erfolgreiche Anwendung dieser Richtlinien sollen alle Beteiligten, einschließlich der Verwaltung oder ihres bezeichneten Vertreters, die Eigner, Betreiber, Konstrukteure und Klassifikationsgesellschaften, von Beginn eines spezifischen Vorschlags hinsichtlich der Verwendung dieser Richtlinien in ständigem Kontakt stehen. Diese Vorgehensweise erfordert aufgrund einer größeren technischen Strenge gewöhnlich deutlich mehr Zeit für die Berechnung und Dokumentation als eine vorgeschriebene herkömmliche Ausführung. Zu den potentiellen Vorteilen zählen mehr Wahlmöglichkeiten, kostengünstige Ausführungen für ganz spezifische Anwendungen und eine verbesserte Kenntnis des Schadenpotentials.
2 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinien gelten die nachstehenden Begriffsbestimmungen:
2.1 Der Ausdruck "Alternative Ausführungen und Anordnungen" bezeichnet Maßnahmen, die von den Vorschriften in SOLAS Kapitel II-1 oder III abweichen, die aber geeignet sind, der Zielsetzung des jeweiligen Kapitels zu entsprechen. Unter diesen Begriff fallen eine Vielzahl von Maßnahmen, einschließlich alternativer schiffbaulicher Elemente und Systeme auf der Grundlage neuartiger oder einmaliger Entwürfe, sowie herkömmliche schiffbauliche Elemente und Systeme, die in alternative Anordnungen eingebaut werden.
2.2 Der Ausdruck "Entwurfsunfall" bezeichnet eine technische Beschreibung der Entstehung und Schwere eines Unfalls im Hinblick auf die Verwendung in einem Entwurfsszenario.
2.3 Der Ausdruck "Entwurfsunfallszenario" bezeichnet eine Reihe von Bedingungen, die die Entstehung und Schwere eines Unfalls mit und durch Schiffsräume oder Schiffssysteme hindurch definieren, und beschreibt spezifische Faktoren, die für einen besorgniserregenden Unfall von Bedeutung sein können.
2.4 Der Ausdruck "funktionelle Anforderungen" beschreibt in allgemeinen Worten, welche Funktionalität das zur Diskussion stehende System erbringen muss, um den Sicherheitszielen des SOLAS-Übereinkommens zu entsprechen.
2.5 Der Begriff "Leistungskriterien" bezeichnet messbare Größen, die dazu benutzt werden, um die Eignung von Versuchsentwürfen zu bewerten.
2.6 Der Ausdruck "Entwurf auf der Grundlage von Vorschriften oder vorgeschriebener Entwurf" bezeichnet einen Entwurf von Sicherheitsmaßnahmen, welche die Vorschriften in SOLAS Kapitel II-1, Teile C, D und E und/oder in SOLAS Kapitel III, soweit zutreffend, erfüllen.
2.7 Der Ausdruck "Sicherheitsmarge" bezeichnet Anpassungen, die gemacht werden, um Unbestimmtheiten bei den für die Bewertung der alternativen Ausführung verwendeten Methoden und Annahmen auszugleichen, z.B. bei der Festlegung der Leistungskriterien oder bei den zur Bewertung der Auswirkungen eines Unfalls verwendeten technischen Modellen.
2.8 Der Ausdruck "Empfindlichkeitsanalyse" bezeichnet eine Analyse zur Bestimmung der Auswirkungen von Veränderungen bei den einzelnen Eingabeparametern auf die Ergebnisse eines vorgegebenen Modells oder Berechnungsverfahrens.
2.9 Der Ausdruck "SOLAS" bezeichnet die jeweils geltende Fassung des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See.
3 Technische Analyse
3.1 Die technische Analyse, die dazu verwendet wird, um zu zeigen, dass die alternativen Ausführungen und Anordnungen das entsprechende Sicherheitsniveau in Bezug auf die Vorschriften in SOLAS Kapitel II-1 und III erbringen, soll einer bewährten Vorgehensweise beim Sicherheitsentwurf folgen. Diese Vorgehensweise soll sich auf eine fundierte wissenschaftliche und technische Praxis mit allgemein anerkannten Verfahren, empirischen Daten, Berechnungen, Korrelationen und Computermodellen stützen, wie sie in ingenieurtechnischen Fachbüchern und in der technischen Literatur enthalten sind.
3.2 Es können auch andere, von der Verwaltung anerkannte sicherheitstechnische Vorgehensweisen zur Anwendung kommen.
4 Entwurfsteam
4.1 Durch den Eigner, Schiffbauer oder Konstrukteur soll ein für die Verwaltung annehmbares Entwurfsteam gebildet werden, dem - sofern dies die alternativen Ausführungen und Anordnungen verlangen - ein Vertreter des Eigners, Schiffbauers oder Konstrukteurs sowie ein beziehungsweise mehrere Experten mit dem notwendigen Wissen und der notwendigen Erfahrung auf dem Gebiet von Sicherheit, Konstruktion und/oder Betrieb angehören können, falls dies für die vorliegende spezifische Bewertung erforderlich ist. Weiter können dem Team Besichtiger, Schiffsbetreiber, Sicherheitsingenieure, Hersteller von Ausrüstungen, Experten für menschliches Verhalten, Schiff- und Schiffsmaschinenbauingenieure angehören.
4.2 Das Fachwissen, das Personen besitzen sollen, um in dieses Team aufgenommen zu werden, ist abhängig von der Komplexität der alternativen Ausführungen und Anordnungen, für die um eine Genehmigung nachgesucht wird. Da die Bewertung ungeachtet der Komplexität gewisse Auswirkungen auf einen spezifischen Sicherheitsbereich haben wird, soll mindestens ein Experte in das Team aufgenommen werden, der über Kenntnisse und Erfahrungen in diesem spezifischen Sicherheitsbereich verfügt.
4.3 Das Entwurfsteam soll:
5 Vorläufige qualitative Analyse
5.1 Festlegungen des Anwendungsbereichs
5.1.1 Das Schiff, das (die) Schiffssystem(e), der (die) Bestandteil(e), der (die) Raum (Räume) und/oder die Ausrüstungsgegenstände, auf die sich die Analyse bezieht, müssen genau festgelegt werden. Dazu zählen das Schiff oder das System bzw. die Systeme, die sowohl den alternativen Ausführungen und Anordnungen als auch den beschreibenden Anforderungen entsprechen. Abhängig vom Ausmaß der gewünschten Abweichung von den beschreibenden Anforderungen können unter anderem folgende Informationen erforderlich werden: detaillierte Schiffspläne, Zeichnungen, Angaben zu und Zeichnungen von Ausrüstungsgegenständen, Prüfdaten und Analyseergebnisse, Betriebsmerkmale und Betriebsbedingungen des Schiffes, Betriebs- und Instandhaltungsverfahren, Werkstoffeigenschaften usw.
5.1.2 Die Vorschriften, welche die vorgeschlagenen alternativen Ausführungen und Anordnungen zusammen mit ihren Funktionsanforderungen betreffen, sollen klar verständlich und im vorläufigen Analysebericht dokumentiert sein (vgl. Absatz 5.5). Dies soll die Grundlage für die in Absatz 6.4 dargestellte Bewertung bilden.
5.2 Erarbeitung von Unfall- oder Betriebsszenarien
Unfall- oder Betriebsszenarien sollen die Grundlage für die Analyse und Bewertung von alternativen Versuchsentwürfen bilden und stellen somit das Rückgrat des alternativen Entwurfsprozesses dar. Die richtige Entwicklung von Unfall- oder Betriebsszenarien ist von wesentlicher Bedeutung und kann abhängig vom Ausmaß der Abweichung von der beschreibenden Ausführung mit einem erheblichen Zeit- und Mittelaufwand verbunden sein. In dieser Phase soll dargelegt werden, warum ein alternativer Entwurf von Vorteil sein kann: Bei den Rettungsvorrichtungen kann sich dies auf Unfallszenarien konzentrieren, bei denen eine alternative Ausführung oder Anordnung ein gleichwertiges (oder höheres) Niveau an Sicherheit bietet. Bei mechanischen oder elektrischen Vorrichtungen kann sich das Hauptinteresse auf ein Betriebsszenario richten, das ein gleichwertiges Sicherheitsniveau bietet, das aber die Wirksamkeit steigern oder die Kosten für den Betreiber senken kann.
5.3 Erarbeitung eines Unfallszenarios
5.3.1 Allgemeines:
Die Erarbeitung eines allgemeinen Unfallszenarios kann in vier Bereiche unterteilt werden:
5.3.2 Gefahrenbestimmung:
Dieser Schritt ist sowohl für den Prozess der Erarbeitung eines Unfallszenarios als auch für die gesamte alternative Entwurfsmethodik von entscheidender Bedeutung. Wird eine besondere Gefahr oder ein besonderer Zwischenfall ausgelassen, dann bleibt er in der Analyse unberücksichtigt, so dass der resultierende Entwurf unangemessen sein kann. Gefahren können unter Verwendung von historischen und statistischen Daten, Expertenmeinungen und -erfahrungen und Gefahrenbewertungsverfahren ermittelt werden. Es stehen zahlreiche Gefahrenbewertungsverfahren zur Ermittlung von Gefahren zur Verfügung, wie zum Beispiel das HAZOP-Verfahren (Hazard and Operability Study), die Vorläufige Sicherheitsanalyse (PHA), die Fehler-, Möglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA), "Was-Wenn" usw. Es sollen mindestens folgende Bedingungen und Merkmale ermittelt und berücksichtigt werden:
5.3.3 Aufzählung von Gefahren
Alle oben ermittelten Gefahren sind einer von drei Unfallklassen zuzuordnen: lokal begrenzte, größere oder Katastrophenereignisse. Ein örtlich begrenztes Ereignis ist ein Unfall mit einer örtlich begrenzten Wirkungszone, die auf einen bestimmten Bereich beschränkt ist. Ein größeres Ereignis ist ein Unfall mit einer mittleren Wirkungszone, die auf die Grenzlinien des Schiffes beschränkt ist. Ein Katastrophenereignis ist ein Unfall mit einer großen Wirkungszone, die über das Schiff hinausreicht und Schiffe oder Orte in der Umgebung betrifft. In den meisten Fällen müssen nur örtlich begrenzte und/oder größere Ereignisse berücksichtigt werden. Beispiele für eine mögliche Berücksichtigung der Gruppe der Katastrophenereignisse wären die Beförderung und/oder die Offshore-Förderung von Erdölerzeugnissen oder anderen gefährlichen Stoffen, bei denen die Wirkungszone mit großer Wahrscheinlichkeit über die unmittelbare Umgebung des Schiffes hinausreicht. Die Gefahren sollen im Hinblick auf die künftige Auswahl einer bestimmten Zahl aus jeder Zwischenfallgruppe tabellarisch dargestellt werden.
5.3.4 Auswahl von Gefahren
Die Anzahl und Art von Gefahren, die für die quantitative Analyse ausgewählt werden sollten, hängen von der Komplexität der alternativen Versuchsausführungen und -anordnungen ab. Alle oben ermittelten Gefahren sollen im Hinblick auf die Auswahl einer Reihe von Ereignissen überprüft werden. Bei der Festlegung dieser Auswahl braucht die Häufigkeit des Auftretens nicht vollständig quantifiziert zu werden, sie kann jedoch in qualitativer Hinsicht Verwendung finden. Im Rahmen des Auswahlprozesses soll eine Reihe von Ereignissen ermittelt werden, die den größten und wahrscheinlichsten Bereich der aufgeführten Gefahren abdecken. Da sich die technische Bewertung auf einen Vergleich der vorgeschlagenen alternativen Ausführungen und Anordnungen mit den vorgeschriebenen Ausführungen stützt, soll beim Nachweis einer gleichwertigen Leistung bei größeren Zwischenfällen die Äquivalenz des Entwurfs bei allen kleineren Zwischenfällen entsprechend aufgezeigt werden und ein gleich hohes Sicherheitsniveau gegeben sein. Bei der Auswahl der Gefahren kann der Blick für die Dinge verloren gehen, was dazu führt, dass höchst unwahrscheinliche oder unbedeutende Gefahren ausgewählt werden. Es ist darauf zu achten, dass in die Auswahl von Ereignissen die am besten geeigneten Zwischenfälle aufgenommen werden.
5.3.5 Festlegung von Entwurfsunfallszenarien
Die in der quantitativen Analyse zu verwendenden Unfallszenarien sollen auf der Grundlage der ausgewählten Gefahren genau dokumentiert werden. Die Festlegung soll eine qualitative Beschreibung des Entwurfsunfalls (z.B. auslösendes Ereignis und sich anschließende Kette von Ereignissen, Ort usw.), eine Beschreibung des Schiffes, der Ausgangsabteilung oder des Ausgangssystems, der eingebauten Sicherungssysteme, der Zahl der Insassen, des physischen und mentalen Zustands der Insassen und der vorhandenen Fluchtmöglichkeiten beinhalten. Bei den Unfallszenarien sind mögliche künftige Veränderungen bei den Gefahren (erhöhte oder verringerte) in den betroffenen Bereichen zu berücksichtigen. Bei der quantitativen Analyse werden der Entwurfsunfall beziehungsweise die Entwurfsunfälle für jeden alternativen Versuchsentwurf detaillierter beschrieben. Die Erarbeitung eines Betriebsszenarios für eine alternative mechanische oder elektrische Ausführung oder Anordnung soll die Betriebsszenarien einschließen, bei denen die Alternative zur Anwendung kommt.
5.4 Entwicklung von alternativen Versuchsentwürfen
An diesem Punkt der Analyse sollen ein oder mehrere alternative Versuchsentwürfe entwickelt werden, um diese mit den erarbeiteten Leistungskriterien abzugleichen. Bei einem alternativen Versuchsentwurf ist auch die Bedeutung von menschlichem Verhalten, von Betrieb und Management zu berücksichtigen. Es sollte klar erkannt werden, dass eindeutig definierte Betriebs- und Managementverfahren eine große Rolle bei der Erhöhung des Gesamtsicherheitsniveaus spielen.
5.5 Vorläufiger Analysebericht
5.5.1 Ein Bericht über die vorläufige Analyse soll genau auf alle bis zu diesem Punkt ergriffenen Schritte eingehen, einschließlich der Bestimmung des Entwurfsteams, der Qualifikationen seiner Mitglieder, des Umfangs der Analyse des alternativen Entwurfs, der zu erfüllenden Funktionsanforderungen, der Beschreibung der für die quantitative Analyse ausgewählten Unfallszenarien und alternativen Versuchsentwürfe.
5.5.2 Der Bericht über die vorläufige Analyse ist der Verwaltung vor Beginn der quantitativen Analyse zur formalen Überprüfung und Zustimmung vorzulegen. Der Bericht kann auch dem Hafenstaat zu Informationszwecken vorgelegt werden, wenn die vorgesehenen Anlaufhäfen in der Entwurfsphase bekannt sind. Die vorläufige Analyse soll folgende wesentliche Ergebnisse beinhalten:
6 Quantitative Analyse
6.1 Allgemeines
6.1.1 Technisch gesehen ist die quantitative Analyse am arbeitsaufwändigsten. Sie besteht in der Quantifizierung von Entwurfsunfallszenarien, der Erarbeitung von Leistungskriterien, der Überprüfung der Annehmbarkeit der ausgewählten Sicherheitsgrenzen und der Bewertung der alternativen Versuchsentwürfe anhand der vereinbarten Leistungskriterien.
6.1.2 Die Quantifizierung der Entwurfsunfallszenarien kann die Berechnung der Auswirkungen von Unfallmeldesystemen, Alarm- und Abschwächungsmethoden, die Aufstellung von Zeitschienen ab dem Unfallereignis bis zu seiner Kontrolle oder bis zur Evakuierung, eine Folgenabschätzung in Bezug auf die Schäden für das Schiff und das Schadensrisiko für Fahrgäste und Besatzung beinhalten. Diese Angaben sollen dann dazu verwendet werden, um die während der vorläufigen Analyse ausgewählten alternativen Versuchsentwürfe zu bewerten.
6.1.3 Bei diesem Prozess kann die Risikoabschätzung eine große Rolle spielen. Man sollte sich dessen bewusst sein, dass Risiken niemals vollständig ausgeschlossen werden können. Im Verlauf des gesamten leistungsabhängigen Entwurfsprozesses darf diese Tatsache nicht vergessen werden. Der Zweck eines leistungsbezogenen Entwurfs besteht nicht darin, einen ausfallsicheren Entwurf zu erstellen, sondern einen Entwurf festzulegen, im Vertrauen darauf, dass dieser seine vorgesehenen Aufgaben erfüllt, wenn dies notwendig ist und dies in einer Art und Weise, die den Vorschriften von SOLAS Kapitel II-1 und III entspricht oder über diese hinausgeht.
6.2 Quantifizierung von Entwurfsunfallszenarien
6.2.1 Nach der Auswahl einer geeigneten Anzahl von Ereignissen soll für jedes dieser Ereignisse eine Quantifizierung erfolgen. Die Quantifizierung macht eine Beschreibung aller Faktoren erforderlich, die die Art und das Ausmaß der Gefährdung beeinflussen können. Bei den Unfallszenarien sind mögliche künftige Veränderungen bei den betroffenen Systemen und Bereichen zu berücksichtigen. Dazu können die Berechnung spezifischer Unfallparameter, Schäden am Schiff, die Einwirkung von Schäden auf Fahrgäste, Zeitschienen usw. gehören. Es ist darauf hinzuweisen, dass bei Verwendung spezifischer Instrumente die Beschränkungen und Annahmen dieser Modelle gut verstanden und dokumentiert werden sollen. Dies erweist sich als sehr wichtig, wenn es darum geht, Sicherheitsmargen zu beschließen und anzuwenden. In der Dokumentation der alternativen Ausführung sollen die in der Analyse verwendeten Modelle und ihre Anwendbarkeit ausdrücklich angegeben werden. Der alleinige Verweis auf Literatur soll nicht als sachdienliche Dokumentation angesehen werden. Das allgemeine Verfahren zur Beschreibung der Entwurfsunfälle umfasst die in der vorläufigen Analyse abgeschlossene Entwicklung von Unfallszenarien, eine Zeitschienenanalyse und die im Folgenden näher erläuterte Folgenabschätzung.
6.2.2 Für alle ermittelten Gefahren ist eine Reihe von Unfallszenarien zu entwickeln. Da sich der Ansatz der alternativen Ausführung auf einen Abgleich mit der vorgeschriebenen Ausführung stützt, lässt sich die Quantifizierung oftmals vereinfachen. In vielen Fällen müssen lediglich ein oder zwei Szenarien analysiert werden, wenn dies genug Informationen ergibt, um das Sicherheitsniveau der alternativen Ausführungen und Anordnungen gegenüber der notwendigen vorgeschriebenen Ausführung zu bewerten.
6.2.3 Für jedes Unfallszenario soll eine Zeitschiene ab dem Zeitpunkt, an dem der Unfall ausgelöst wurde, erstellt werden. Die Zeitschienen sollen die gesamte Kette wichtiger Ereignisse bis zu und einschließlich der Fluchtzeiten (zu den Sammelplätzen, Evakuierungsstationen und Rettungsbooten, je nachdem, was zutrifft) umfassen. Die Zeitschiene soll die eigene Reaktion, die Aktivierung der Schadenssicherungssysteme oder die Schadenssicherungsmaßnahmen, untragbare Bedingungen usw. einschließen. Auch soll die Zeitschiene eine Beschreibung des Unfallausmaßes im gesamten Szenario beinhalten, welches anhand der verschiedenen Korrelationen, Modelle und Daten aus der Fachliteratur oder aktueller Versuche bestimmt wird.
6.2.4 Die Auswirkungen der verschiedenen Unfallszenarien sollen mit einschlägigen technischen Mitteln quantifiziert werden. Dies kann durch Verwendung bestehender Korrelationen und Berechnungsverfahren zur Bestimmung der Merkmale eines Unfalls erfolgen. In bestimmten Fällen können Prüfungen und Versuche in Originalgröße erforderlich sein, um die Unfallmerkmale richtig vorauszusagen. Unabhängig von den verwendeten Berechnungsverfahren soll eine Empfindlichkeitsanalyse durchgeführt werden, um die Auswirkungen der Ungewissheiten und Beschränkungen der Eingabeparameter zu bestimmen.
6.3 Erarbeitung der Leistungskriterien
6.3.1 Leistungskriterien sind der quantitative Ausdruck der mit den Anforderungen der einschlägigen SOLAS-Regeln verbundenen Zielsetzungen. Die geforderte Leistungsfähigkeit der alternativen Versuchsentwürfe wird numerisch in Form von Leistungskriterien beschrieben. Zu den Leistungskriterien können Haltbarkeitsgrenzen oder andere Kriterien gehören, die notwendig sind, um erfolgreiche alternative Ausführungen und Anordnungen zu gewährleisten.
6.3.2 Die Einhaltung der beschreibenden Regeln ist ein Weg, um die angegebenen Funktionsanforderungen zu erfüllen. Die Leistungskriterien für die alternativen Ausführungen und Anordnungen sind unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Regeln festzulegen.
6.3.3 Wenn aufgrund neuer oder einzigartiger Merkmale eine direkte Ableitung der Leistungskriterien für die alternativen Ausführungen und Anordnungen aus den vorgeschriebenen Regeln nicht möglich ist, können sie aus einer Bewertung der vorgesehenen Leistung einer häufig verwendeten und annehmbaren beschreibenden Ausführung entwickelt werden, vorausgesetzt es wird ein entsprechendes Sicherheitsniveau beibehalten.
6.3.4 Vor der Bewertung der beschreibenden Ausführung muss sich das Entwurfsteam darauf einigen, welche spezifischen Leistungskriterien und Sicherheitsgrenzen eingeführt werden sollen. Abhängig von den Vorschriften, auf deren Grundlage um die Genehmigung alternativer Ausführungen und Anordnungen nachgesucht wird, sollen diese Leistungskriterien zu einem oder mehreren der im Folgenden aufgeführten Bereiche zählen:
6.3.5 Das Entwurfsteam soll die möglichen Auswirkungen eines Leistungskriteriums auf andere Bereiche berücksichtigen, die nicht besonderer Teil der alternativen Ausführung sind. Zum Beispiel kann das Versagen einer besonderen Schutzvorrichtung nicht nur die Sicherheit von Fahrgästen und Besatzung im angrenzenden Bereich beeinträchtigen, sondern auch das Versagen einiger Systeme nach sich ziehen, was sich auf die Gesamtsicherheit des Schiffes auswirkt.
6.3.6 Nach Festlegung aller Leistungskriterien kann das Entwurfsteam mit der Bewertung der alternativen
Versuchsentwürfe fortfahren (siehe Absatz 6.4).
6.4 Bewertung von alternativen Versuchsentwürfen
6.4.1 Alle im Laufe der vorläufigen Analyse und der Beschreibung eines Entwurfsunfalls gewonnenen Daten und Informationen sollen in den Bewertungsprozess einfließen. Der Bewertungsprozess kann abhängig vom Grad der notwendigen Bewertung unterschiedlich sein (auf der Grundlage des im Verlauf der vorläufigen Analyse festgelegten Umfangs), doch soll er im Allgemeinen dem in der Abbildung 6.4.1 dargestellten Ablauf folgen.
Abbildung 6.4.1 Prozess-Flussdiagramm für alternative Ausführungen und Anordnungen
6.4.2 Jeder ausgewählte alternative Versuchsentwurf soll anhand der ausgewählten Entwurfsunfallszenarien analysiert werden, um nachzuweisen, dass er die Leistungskriterien mit der vereinbarten Sicherheitsgrenze erfüllt, was wiederum eine Gleichwertigkeit mit der beschreibenden Ausführung bedeutet.
6.4.3 Das notwendige Niveau technischer Strenge in einer Analyse ist abhängig vom Grad der Analyse, die erforderlich ist, um die Gleichwertigkeit der vorgeschlagenen alternativen Ausführungen und Anordnungen mit den beschreibenden Anforderungen nachzuweisen. Je mehr Komponenten, Systeme, Betriebsabläufe und Teile des Schiffes durch eine besondere alternative Ausführung beeinflusst werden, desto umfangreicher ist die Analyse.
6.4.4 Die endgültigen alternativen Ausführungen und Anordnungen sollen aus den alternativen Versuchsentwürfen ausgewählt werden, welche die definierten Leistungskriterien und Sicherheitsgrenzen erfüllen.
7 Unterlagen
7.1 Da der alternative Entwurfsprozess wesentliche Abweichungen von den beschreibenden Anforderungen beinhalten kann, soll der Prozess umfassend dokumentiert werden. Damit liegen Unterlagen vor, die erforderlich werden, wenn künftige Entwurfsänderungen bei einem Schiff vorgeschlagen werden oder das Schiff unter der Flagge eines anderen Staates fährt, auch sind darin Einzelheiten und Angaben enthalten, die für eine Verwendung in künftigen Entwürfen angepasst werden können. Es sollen folgende Informationen zur Genehmigung der alternativen Ausführung oder Anordnung bereitgestellt werden:
7.2 Die Dokumentation der Genehmigung durch die Verwaltung und die folgenden Informationen sind an Bord des Schiffes aufzubewahren:
7.3 Berichts- und Genehmigungsformulare
7.3.1 Wenn die Verwaltung alternative Ausführungen und Anordnungen im Rahmen dieser Richtlinien genehmigt, sollen die einschlägigen technischen Angaben zur Genehmigung im Berichtsformular, das in den Anhängen 1 oder 2 wiedergegeben ist, zusammengefasst und der Organisation zwecks Notifizierung an die Mitgliedstaaten übermittelt werden.
7.3.2 Wenn die Verwaltung alternative Ausführungen und Anordnungen im Rahmen dieser Richtlinien genehmigt, sind die Unterlagen entsprechend den Bestimmungen der Anhänge 3 oder 4 bereitzustellen. Die Unterlagen sollen in der Sprache beziehungsweise in den Sprachen verfasst sein, die von der Verwaltung gefordert wird beziehungsweise werden. Ist die benutzte Sprache nicht Englisch, Französisch oder Spanisch, so ist eine Übersetzung in eine dieser Sprachen beizufügen.
Bericht über die Genehmigung alternativer Ausführungen und Anordnungen für Maschinen und elektrische Anlagen | Anhang 1 |
Die Regierung von ...................... hat am ...................... eine alternative Ausführung und Anordnung
gemäß den Vorschriften von Kapitel II-1, Regel 55 des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS), in seiner jeweils geltenden Fassung genehmigt, wie im Folgenden beschrieben wird:
Name des Schiffes | .................................................................................................................................... |
Heimathafen | .................................................................................................................................... |
Schiffstyp | .................................................................................................................................... |
IMO-Nummer | .................................................................................................................................... |
Bericht über die Genehmigung alternativer Ausführungen und Anordnungen für Rettungsmittel und Rettungsvorrichtungen | Anhang 2 |
Die Regierung von ...................... hat am ...................... eine alternative Ausführung und Anordnung
gemäß den Vorschriften von Kapitel III, Regel 38 des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS), in seiner jeweils geltenden Fassung genehmigt, wie im Folgenden beschrieben wird:
Name des Schiffes | .................................................................................................................................... |
Heimathafen | .................................................................................................................................... |
Schiffstyp | .................................................................................................................................... |
IMO-Nummer | .................................................................................................................................... |
Bericht über die Genehmigung alternativer Ausführungen und Anordnungen für Maschinen und elektrische Anlagen | Anhang 3 |
Ausgestellt gemäß Kapitel II-1, Regel 55.4 des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS), in seiner jeweils geltenden Fassung im Namen der Regierung von ............................................ (Name des Staates) durch ............................................ (ermächtigte Person oder Stelle)
Name des Schiffes | .................................................................................................................................... |
Heimathafen | .................................................................................................................................... |
Schiffstyp | .................................................................................................................................... |
IMO-Nummer | .................................................................................................................................... |
hiermit wird bescheinigt, dass die folgenden alternativen Ausführungen und Anordnungen für das oben genannte Schiff gemäß SOLAS Kapitel II-1, Regel 55 genehmigt wurden:
Ausgestellt in ............................................. am .............................................
......................................................................................................................................................
(Unterschrift des ermächtigten Bediensteten, der das Zeugnis ausstellt)
(Siegel bzw. Stempel der ausstellenden Behörde)
Bescheinigung über die Genehmigung alternativer Ausführungen und Anordnungen für Rettungsmittel und -Vorrichtungen | Anhang 4 |
Ausgestellt gemäß Kapitel HI, Regel 38 des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS), in seiner jeweils geltenden Fassung, im Namen der Regierung von durch ............................................ (Name des Staates) durch ............................................ (ermächtigte Person oder Stelle)
Name des Schiffes | .................................................................................................................................... |
Heimathafen | .................................................................................................................................... |
Schiffstyp | .................................................................................................................................... |
IMO-Nummer | .................................................................................................................................... |
hiermit wird bescheinigt, dass die folgenden alternativen Ausführungen und Anordnungen für das oben genannte Schiff gemäß SOLAS Kapitel III, Regel 38 genehmigt wurden:
Ausgestellt in ............................................. am .............................................
......................................................................................................................................................
(Unterschrift des ermächtigten Bediensteten, der das Zeugnis ausstellt)
(Siegel bzw. Stempel der ausstellenden Behörde)
*) Siehe auch MSC/Rundschreiben 1002 und MSC/Rundschreiben 1023 in ihrer zuletzt geänderten Fassung.
ENDE |