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Regelwerk, Gefahrgut/Transport / See / MSC

MSC 1/Rundschreiben 1255
"Richtlinien für Eigner/Betreiber zur Erstellung von Notschleppverfahren"

Vom 27. Mai 2008
(VkBl. Nr. 22 vom 30.11.2009 S. 736)



Im Internationale Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) in der zuletzt geänderten Fassung werden nach Regel II-1, 3-4 Notschleppvorrichtungen oder Notschleppverfahren für alle Schiffstypen gefordert.

In der Verantwortung des Eigners oder des Betreibers müssen schiffsspezifische Notschleppverfahren erarbeitet und an Bord gegeben werden. Damit diese an Bord bekannt sind und ggf. den am Notfall zur Unterstützung Beteiligten zur Verfügung gestellt werden können. Ziel dieser Richtlinien ist die Unterstützung der Eigner und Betreiber bei der Erarbeitung der erforderlichen Unterlagen.

Der Wortlaut des Rundschreibens wird im folgenden veröffentlicht.

MSC.1/Rundschr.1255
Richtlinien für Eigner/Betreiber zur Erstellung von Notschleppverfahren

1 Der Schiffssicherheitsausschuss hat auf seiner vierundachtzigsten Tagung (7. bis 16. Mai 2008) auf der Grundlage einer Empfehlung des Unterausschusses Schiffsentwurf und Ausrüstung die in der Anlage aufgeführten Richtlinien für Eigner/Betreiber zur Erstellung von Notschleppverfahren angenommen, die darauf ausgerichtet sind, Eigner/Betreiber bei der Erstellung von schiffsspezifischen Notschleppverfahren für Schiffe zu unterstützen, die der SOLAS-Regel II-1/3-4 unterliegen.

2 Ziel der Richtlinien ist es, die Eigner/Betreiber bei den erforderlichen Schritten zur Erstellung von Notschleppverfahren zu unterstützen, Informationen über den Anwendungsbereich des Notschlepphandbuchs bereitzustellen und Orientierungshilfen für die Erarbeitung von Notschleppverfahren zu geben.

3 Die mittels dieser Richtlinien entwickelten Verfahren zielen darauf ab, die Besatzung bei der Ergreifung der sichersten und wirksamsten Maßnahmen bei einem Notfall zu unterstützen, der ein Schleppen erforderlich macht.

4 Die Mitgliedsregierungen werden aufgefordert, die in der Anlage aufgeführten Richtlinien im Hinblick auf ihre Anwendung in Verbindung mit SOLAS-Regel II-1/3-4 (Notschleppvorrichtungen und Notschleppverfahren) allen Beteiligten zur Kenntnis zu bringen.

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 Richtlinien für Eigner/Betreiber zur Erstellung von Notschleppverfahren Anlage

1 Zweck

Diese Richtlinien zielen darauf ab, die Eigner und Betreiber von Schiffen bei der Erstellung von schiffsspezifischen Notschleppverfahren für SOLAS-Regel II-1/3-4 unterliegende Schiffe zu unterstützen. Die Verfahren sind als Bestandteil der in Teil A Absatz 8 des Internationalen Code für die Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs (ISM) vorgeschriebenen Notfallvorsorge anzusehen.

2 Bemerkungen

2.1 Eigner, Betreiber und Besatzungen sollen berücksichtigen, dass ein Notfall keine Zeit für Beratungen lässt. Dementsprechend sollen die Verfahren bereits vorher geübt werden.

2.2 Die Notschleppverfahren sind zum sofortigen Gebrauch durch die Schiffsbesatzung bei der Vorbereitung ihres Schiffes für das Schleppen in einem Notfall an Bord aufzubewahren.

2.3 Die Besatzung soll über den Stauplatz und die Zugänglichkeit der Ausrüstung Bescheid wissen. Etwaige Verbesserungen bei der Stauung sind vorzunehmen.

2.4 In einem Notfall soll der Besatzung die Verfügbarkeit der erforderlichen Leistung für Winden und Geräte sowie für die Decksbeleuchtung (bei schlechter/geringer Sicht und bei Nacht) bekannt sein.

2.5 Es versteht sich, dass nicht alle Schiffe denselben Umfang an Bordausrüstung besitzen, so dass möglichen Notschleppverfahren Grenzen gesetzt sind. Nichtsdestotrotz geht es darum, vorher festzulegen, was möglich ist, und diese Informationen in einem gebrauchsfertigen Format (Handbuch, Zeichnungen, Plakat usw.) an die Besatzung weiterzugeben.

3 Beurteilung des Schiffes

3.1 Der Eigner/Betreiber muss sicherstellen, dass eine Überprüfung des Schiffes und eine Beurteilung seiner Eignung für ein Schleppen im Notfall vorgenommen werden. Dabei sind sowohl die Ausrüstung an Bord als auch die zur Verfügung stehenden Verfahren zu überprüfen. Die zu überprüfenden Gegenstände sind in den folgenden Absätzen aufgeführt.

3.2 Die Eignung des Schiffes, längsseits geschleppt zu werden, ist zu beurteilen, auch sind die folgenden Gegenstände einer Prüfung zu unterziehen:

  1. Handhabungen der Leinen (Zureichen und Annehmen von Hilfsleinen, Schlepptrossen, Vertäuungstauen); und
  2. Anordnung, bauliche Eignung und zulässige Belastung der Verbindungspunkte (Verholklampen, Winden, Betingen, Polier) usw.

3.3 Die an Bord vorhandenen Werkzeuge und Ausrüstungsgegenstände zum Zusammenbau des Schleppgeschirrs und ihr jeweiliger Aufbewahrungsort sind anzugeben. Dazu zählen unter anderem:

  1. Ketten,
  2. Kabel,
  3. Schekel,
  4. Stopper,
  5. Werkzeug und
  6. Leinenwurfgeräte.

3.4 Die Betriebsbereitschaft und die Merkmale der Funkeinrichtungen an Bord sind zu ermitteln, um eine Verständigung zwischen Decksbesatzung, Brücke und Schlepp- oder Bergungsschiff zu ermöglichen.

3.5 Insofern die zulässige Belastung der Verbindungspunkte nicht bekannt ist, ist die zulässige Belastung mit Hilfe einer ingenieurtechnischen Analyse zu ermitteln, die den Bordbedingungen des Schiffes Rechnung trägt. Das Rundschreiben über bordeigene Schlepp- und Festmacherausrüstung (MSC/Circ. 1175) kann hier als Leitfaden dienen.

3.6 Die Bewertung ist von Personen vorzunehmen, die mit Schleppvorrichtungen und Schleppverfahren vertraut sind.

4. Notschlepphandbuch

4.1 Das Notschlepphandbuch (ETB) soll schiffsspezifisch und in einem klaren, kurz gefassten und gebrauchsfertigen Format (Handbuch, Zeichnung, Plakat usw.) abgefasst sein.

4.2 Zu den schiffsspezifischen Daten zählen unter anderem:

  1. Schiffsname:
  2. Rufzeichen
  3. IMO-Nummer;
  4. nähere Angaben zum Schiffsanker (Schäkel, Verbindungsdetails, Gewicht, Typ usw.);
  5. nähere Angaben zu Kabel und Ketten (Längen, Verbindungsdetails, Prüflast usw.);
  6. Höhe des (der) Windendeck(s) über der Basislinie;
  7. Tiefgangsbereich; und
  8. Wasserverdrängungsbereich.

4.3 Alle in Übereinstimmung mit Abschnitt 5 entwickelten Verfahren sind in einem klaren und leicht verständlichen Format darzustellen, das ihre reibungslose und schnelle Anwendung in einer Notsituation erleichtert.

4.4 Es sollen detaillierte graphische Darstellungen und Abbildungen vorliegen, die folgendes beinhalten:

  1. graphische Darstellungen für Zusammenbau und Montage;
  2. Schleppausrüstung und Lage fester Punkte; und
  3. Leistungsvermögen der Ausrüstung und der festen Punkte sowie zulässige Belastung (SWLs).

4.5 Die Eigner/Betreiber sollen eine Ausfertigung zur Hand haben, um die möglichst frühzeitige Weitergabe von Informationen an das Schleppunternehmen in einem Notfall zu erleichtern. Eine Ausfertigung ist auch in einem üblichen Dateiformat vorzuhalten, um so eine raschere Verteilung an die Beteiligten zu ermöglichen.

4.6 Mindestens drei Ausfertigungen sollen an Bord aufbewahrt werden:

  1. auf der Brücke;
  2. in der Back; und
  3. im Büro des Schiffes oder im Ladungskontrollraum.

5 Vorgehensweise

5.1 Bei der Bewertung des Schiffes sind schiffsspezifische Verfahren festzulegen und entsprechend in das Notschlepphandbuch aufzunehmen. Die Verfahren sollen mindestens folgende Schritte umfassen:

  1. eine übersichtliche Entscheidungsmatrix, in der die Optionen bei verschiedenen Notfallszenarien zusammengefasst sind, wie zum Beispiel Wetterverhältnisse (gut, schlecht), Energieversorgung an Bord (Antrieb, Energieversorgung an Deck), unmittelbare Gefahr des Aufgrundlaufens usw.;
  2. Organisation der Decksbesatzung (Einteilung der Besatzungsmitglieder, Verteilung der Ausrüstung, einschließlich Funkgeräte, Sicherheitsausrüstung usw.);
  3. Zuweisung von Aufgaben (was muss gemacht werden, wie muss es gemacht werden, was wird für jede Aufgabe benötigt usw.);
  4. graphische Darstellungen des Zusammenbaus und des Klarmachens der Aufhängevorrichtungen, der Schlepptrossen usw., mit möglichen Notschleppvorrichtungen für das vordere und hintere Ende des Schiffes. Die verzurrten Leinen sind so zu führen, dass scharfe Kanten, Ecken und andere Stellen, an denen es zu einer Spannungskonzentration kommt, vermieden werden.
  5. Energieausfälle und Totalausfall des Schiffes, die insbesondere für das überhieven von schweren Schlepptrossen berücksichtigt werden müssen;
  6. ein Verständigungsplan für die Kontaktaufnahme mit dem Bergungs-/Schleppschiff. In diesem Plan sollten alle Informationen aufgeführt sein, die der Kapitän des Schiffes an das Bergungs-/Schleppschiff weitergeben muss. Dazu zählen unter anderem:
    1. Schaden oder Seetüchtigkeit;
    2. Zustand der Schiffssteuerung
    3. Antriebsanlage;
    4. Kraftantriebssysteme an Deck;
    5. Schleppausrüstung an Deck;
    6. vorhandenes Schnellabschaltungssystem im Notfall;
    7. Lage der Befestigungspunkte vorne und hinten;
    8. Ausrüstung, Verbindungspunkte, Stützpunkte sowie zulässige Belastung (SWL);
    9. Abmessungen und Leistungsvermögen der Schleppausrüstung; und
    10. Angaben zum Schiff;
  7. Bewertung der vorhandenen Ausrüstung, Gerätschaften und Vorrichtungen an Bord des Schiffes, die für das Klarmachen eines Beiholers und die Sicherung einer Schlepptrosse eingesetzt werden können;
  8. Benennung kleinerer Werkzeuge oder Ausrüstungsgegenstände, die zu einer wesentlichen Verbesserung der "Schleppfähigkeit" des Schiffes beitragen;
  9. Verzeichnis und räumliche Anordnung der Ausrüstung an Bord, die in einer Notschleppsituation eingesetzt werden kann;
  10. sonstige Vorbereitungen (Sicherung von Ruder und Propellerschaft, Ballast und Trimm usw.); und
  11. sonstige einschlägige Angaben (Grenzseegang, Schleppgeschwindigkeiten usw.).

 

UWS Umweltmanagement GmbHENDE


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