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Naphthalin/Naphthole und Human-Biomonitoring
- Stellungnahme der Kommission "Human-Biomonitoring" des Umweltamtes -
(Bundesgesundheitsbl. Nr. 10/2007 S. 1357)
Einführung
Naphthalin ist als Verbrennungsprodukt organischer Materialien (unter anderem als Bestandteil des Tabakrauches) ein ubiquitärer Bestandteil der menschlichen Umwelt. Lange Zeit galt Naphthalin im Unterschied zu anderen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) als nicht Krebs erregend. Aufgrund neuer Erkenntnisse aus Tierversuchen hat die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2001 eine Neubewertung vorgenommen und Naphthalin in die Kategorie 2 eingestuft als einen Stoff, der als Krebs erzeugend für den Menschen anzusehen ist [1]. Auch die EU kommt bei der Risikocharakterisierung zu dem Schluss, dass kanzerogene Effekte möglich sind, stuft Naphthalin aber in die Kategorie 3 ein, da sie die Datenlage für eine Einstufung in Kategorie 2 als nicht ausreichend ansieht [2].
Ob ein relevantes Gesundheitsrisiko durch Naphthalin für die Allgemeinbevölkerung besteht, ist derzeit noch unklar. Für die Abschätzung eines Risikos ist die Kenntnis der Exposition Voraussetzung.
Naphthalin (chemische Summenformel: C10 H8) besteht aus 2 kondensierten Benzolringen und ist damit der kleinste Vertreter der PAK. Seine farblosen Kristalle sind nur wenig in Wasser löslich (30 mg/l) und unterliegen bei Raumtemperatur einer langsamen Sublimation (Dampfdruck bei 25°C: 10,5 Pa). Der Schmelzpunkt liegt bei 80,2 °C, der Siedepunkt bei 218 °C [2, 3].
Naphthalin wird im menschlichen Körper unter anderem zu 1- und 2-Naphthol (1- und 2-Hydroxynaphthalin) verstoffwechselt, die konjugiert im Urin ausgeschieden werden. Diese Metabolite sind für ein Human-Biomonitoring geeignet. Da mittlerweile sensitive Untersuchungsverfahren für die quantitative Bestimmung der Naphthole im Urin zur Verfügung stehen, kann so die innere Belastung des Menschen ermittelt werden.
Referenzwerte können aufgrund der Datenlage bisher noch nicht abgeleitet werden. Die Kommission Human-Biomonitoring hat daher die vorliegenden Daten zusammengestellt, um eine orientierende Bewertung anlassbezogener Messergebnisse zu ermöglichen.
Verwendung und Verbreitung
PAK entstehen bei unvollständiger Verbrennung organischen Materials. Durch Pyrolyse wird dabei eine Vielzahl polyzyklischer Aromaten gebildet. Dies betrifft sowohl industrielle Vorgänge (z.B. Energieversorgung, Müllverbrennung, Petrochemie, Stahlerzeugung, Steinkohleverkokung) als auch den Verkehr, die Privathaushalte (z.B. Lebensmittelzubereitung, Heizung, Tabakrauch) und natürliche Prozesse wie z.B. Waldbrände [4, 5].
Bei den genannten Prozessen wird auch Naphthalin gebildet, es ist darüber hinaus Bestandteil von Diesel- und Flugzeugkraftstoffen [6, 7] und teerhaltigen Anstrichmitteln [3] wie Creosot - einem Kohlenteerdestillat, das als Holzschutzmittel für Eisenbahnschwellen und Holzmasten verwendet wird.
In einigen Pharmazeutika zur Behandlung von Hauterkrankungen befindet sich als Wirkstoff Steinkohlenteer, der Naphthalin enthält [2, 8]. Als Repellent gegen Kleidermotten wird Naphthalin in Deutschland nur noch vereinzelt eingesetzt, in den USA ist es noch stärker verbreitet [9].
Naphthalin wird industriell vorwiegend durch Destillation von Steinkohlenteer oder aus Erdöl hergestellt. Die jährliche Produktionsmenge in der EU beträgt ca. 200.000 Tonnen [2,10]. Es wird in der chemischen Industrie (neben o-Xylol) zur Synthese von Phthalsäureanhydrid eingesetzt, das weiter zu Phthalaten (z.B. DEHP oder Diisononylphthalat) umgesetzt wird [11]. Phthalate werden in großem Umfang als Weichmacher für Kunststofferzeugnisse aus PVC verwendet.
Außerdem wird Naphthalin als Ausgangsstoff zur Herstellung von Azofarben sowie von Naphthalinsulfonsäure benötigt, die zu Zuschlagstoffen für Zement und Gipskarton, zu Dispergiermitteln und zu Gerbstoffen weiterverarbeitet wird.
Als industrielle Zwischenprodukte werden 1- und z-Naphthol hergestellt. Schließlich wird unter anderem Carbaryl (i-Naphthyl-N-methylcarbamat) synthetisiert, ein Carbamat-Insektizid.
Eintrag in die Umwelt und Quellen für die Exposition des Menschen PAK sind ubiquitär in der Umwelt vorhanden. Grenz- und Richtwerte beziehen sich in der Regel auf Benzo [a]pyren, das oft als Leitkomponente der PAK-Gemische herangezogen wird.
Naphthalin wird hauptsächlich durch Verkehrsabgase in die Umwelt eingebracht [2]. Naphthalinkonzentrationen in der Luft sind in ländlichen Gebieten zumeist niedriger als in Städten und dicht besiedelten Regionen. Im Freien liegen die Konzentrationen in der Regel unter 1 µg/m3 [10, 12], an Verkehrsbrennpunkten sind jedoch auch höhere Werte möglich [13].
Der repräsentative Umwelt-Survey in Deutschland ergab Mitte der 198oer-Jahre in Innenräumen einen geometrischen Mittelwert von 2,0 ug/m3 (maximaler Wert: 14 ug/m3) bei Messungen in 479 Wohnräumen [14]. In neueren Untersuchungen wurden in den westlichen Bundesländern etwas niedrigere Konzentrationen in der Innenraumluft gefunden [3].
Die Verwendung naphthalinhaltiger Mottenschutzmittel und Tabakrauch erhöhen die Konzentrationen in der Innenraumluft. Im Nebenstromrauch wurden mit Werten bis 46 µg Naphthalin pro Zigarette größere Mengen als im Hauptstromrauch gemessen [15]. Naphthalin kann außerdem aus Feuchtigkeitssperren emittiert werden oder aus Leckagen von Mineralöltanks in Kellerräumen. Fugen im Parkettboden, der mit altem Teerkleber verlegt worden war, sind als Quelle ebenfalls vorstellbar [3,16].
Die US-Umweltbehörde EPA hat eine durchschnittliche Konzentration von 5,2 µg/m3 Luft abgeschätzt, der der Mensch ausgesetzt sei [17]. Dies ergibt nach ihren Angaben eine durchschnittliche tägliche Naphthalinaufnahme über die Atmung von 1,1 µg/kg Körpergewicht (KG) für Erwachsene und für Kinder 4,5 µg/kg. Außerdem wurde eine Reference Concentration (RfC) von 3 µg/m3 festgesetzt, die jedoch das kanzerogene Potenzial von Naphthalin nicht berücksichtigt [17]. Die RfC beschreibt die tägliche inhalative Exposition, bei der eine Gesundheitsgefährdung bei einer lebenslangen Einwirkung auf den Menschen als unwahrscheinlich gilt.
Lebensmittel sind insbesondere dann mit PAK belastet, wenn sie geräuchert wurden oder auf offenem Feuer (Grillen) zubereitet worden sind. Angaben für
Naphthalin liegen in einem Bereich von < 1 bis zu 176 µg/kg [10]. Die EPA schätzt die durchschnittliche tägliche Naphthalinaufnahme über die Nahrung auf 0,04-0,24 µg/kg KG (Kinder: 0,20-0,94 µg/kg) [17].
Die Konzentration von Naphthalin in Trinkwasser liegt im Allgemeinen deutlich unterhalb von 1 µg/l [2,10].
Zu den genannten Quellen kommt noch insbesondere bei Kleinkindern die Aufnahme über den Staub. Wegen der Flüchtigkeit des Naphthalins dürfte dieser Aufnahmeweg allerdings eine geringere Rolle spielen als bei PAK mit größerem Ringsystem. Die Abschätzung der EPA ergibt für Erwachsene diesbezüglich eine tägliche Aufnahme von 0,24 µg/kg KG und für Kinder 3,3 µg/kg KG [17].
Außerdem kann Naphthalin in Haushaltsprodukten und Bedarfsgegenständen enthalten sein. Beispielsweise wurde bei Untersuchungen im Auftrag der Zeitschrift Öko-Test (07/2003) Naphthalin in Konzentrationen von bis zu 129 mg/kg in Schwimmhilfen aus PVC gefunden. Es ist vorstellbar, dass auch in anderen PVC-Produkten Naphthalin als Verunreinigung der eingesetzten Phthalate enthalten ist. Systematische wissenschaftliche Arbeiten zu dieser Problematik liegen bisher nicht vor. Inwieweit derartige Rückstände bei der Verwendung dieser Produkte freigesetzt werden und einen relevanten Beitrag zur Naphthalin-Exposition der Allgemeinbevölkerung leisten, ist derzeit nicht bekannt.
An bestimmten Arbeitsplätzen, an denen mit PAK-haltigen Rohstoffen wie Teer oder Pech gearbeitet wird oder PAKs durch Pyrolyseprozesse freigesetzt werden, treten wesentlich höhere PAK-Konzentrationen auf als in der Umwelt. Industriezweige mit einer erheblichen Naphthalinbelastung stellen insbesondere dar: die Imprägnierung mit Creosot, die Herstellung von Mottenkugeln aus Naphthalin ebenso wie die Naphthalinherstellung generell sowie die Steinkohlenteerdestillation und die Verkokung. Bei erheblichen Schwankungen auch innerhalb derselben Branche können am Arbeitsplatz Naphthalinkonzentrationen von wenigen µg bis zu mehreren mg pro m3 erreicht werden [10]. In einer aktuellen Untersuchung an verschiedenen Arbeitsplätzen in Deutschland wurden maximal 0,7 mg/m3 gemessen [18].
Toxikologie
Im Tierversuch wurden im Wesentlichen die Zielgewebe Auge, blutbildendes System und Atemtrakt identifiziert [19, 20, 21]. Mäuse und Ratten reagierten hinsichtlich der Gewebe in Lunge und Nase unterschiedlich empfindlich [22]. Dieser Speziesunterschied wird auf unterschiedliche Stoffwechselraten in den Geweben der beiden Tierarten zurückgeführt. Beim Menschen wurden unter anderem Kataraktbildung und hämolytische Anämien beobachtet [4].
Eine Zwei-Jahres-Inhalationsstudie an Ratten, die Naphthalinkonzentrationen von 0, 50, 160 bzw. 320 mg/m3 ausgesetzt worden waren, ergab bei männlichen Ratten in allen Konzentrationsstufen und bei weiblichen ab 160 mg/m3 ein signifikant erhöhtes Auftreten von Adenomen des respiratorischen Epithels der Nase. Ebenfalls dosisabhängig erhöht war die Inzidenz an Neuroblastomen im olfaktorischen Epithel [4]. Außerdem traten chronische Entzündungen der Nasenschleimhaut auf. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse haben diverse wissenschaftliche Gremien Naphthalin als potenziell Krebs erregend für den Menschen bewertet [1, 2, 17, 23].
Aufnahme, Metabolismus und Kanzerogenität von Naphthalin
Naphthalin wird als leicht flüchtiger PAK vorwiegend inhalativ aufgenommen. Die Aufnahme in den Körper ist aber auch dermal und oral möglich [4, 24, 25]. Naphthalin wird in Versuchstieren zunächst in Analogie zu den übrigen PAK metabolisch aktiviert. Durch Cytochrom-P45o wird Naphthalin-1,2-epoxid (2 Stereoisomere) gebildet, dessen Halbwertszeit einige Minuten beträgt [22]. Das Epoxid kann teilweise in Glutathionkonjugate überführt werden, die letztlich als Naphthylmerkaptursäuren renal eliminiert werden [26, 27, 28].
Aus dem Epoxid werden auch 1- und 2-Naphthol sowie 1,2-Dihydro-1,2-dihydroxynaphthalin gebildet. Weitere Metaboliten sind 1,2- und 1,4-Dihydroxynaphthalin sowie 1,2- und 1,4-Naphthochinon. Insgesamt sind bisher 30 Naphthalinmetaboliten im Urin von Säugetieren identifiziert worden [4].
Zwischen Ratte, Maus und Mensch bestehen erhebliche Unterschiede in der Enzymausstattung und im Naphthalinmetabolismus im Gewebe [22]. Dies könnte erklären, warum nach inhalativer Aufnahme bei gleichen Naphthalinkonzentrationen in der Atemluft die Konzentration toxischer Metaboliten in den menschlichen Geweben geringer ist als bei Nagern. Für Details sei auf die Stellungnahme der Adhoc-Arbeitsgruppe "Innenraumrichtwerte" verwiesen [3].
Beim Menschen sind bisher r- und 2-Naphthol sowie 1,2- und 1,4-Dihydroxynaphthalin als Metaboliten im Urin beschrieben [29], außerdem 1,4-Naphthochinon [30]. Die Ausscheidung von i-Naphthol geschieht biphasisch mit Halbwertszeiten von 1-2 h und 14-46 h. Nach inhalativer Aufnahme wurden 6,3-8,5% des Naphthalins als i-Naphthol im 24-h-Urin ausgeschieden [31]. Bieniek [32] gibt eine Halbwertszeit von 4 h an. Metabolismuswege können auch durch PAK und Zigarettenrauch induziert werden [33, 34].
Im Unterschied zu den PAK mit mehr Ringen im Molekül ist nach gegenwärtigem Stand davon auszugehen, dass nicht das Epoxid oder ein Diolepoxid die eigentlichen Krebs erzeugenden Agentien darstellen, sondern v. a. die Naphthochinone [35, 36].
Derzeit existieren im Wesentlichen 2 Hypothesen zum Mechanismus der kanzerogenen Wirkung des Naphthalins: Zum einen könnten die Naphthochinone über einen Redoxzyklus die Konzentration reaktiver Sauerstoffspezies erhöhen, die die DNA oxidativ schädigen [37]. Andererseits bilden Naphthochinone kovalente Bindungen mit nucleophilen funktionellen Gruppen. Proteinaddukte sind bei naphthalinexponierten Arbeitern nachgewiesen [38] und lassen vermuten, dass auch DNA-Addukte gebildet werden können.
Von der Adhoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden (Adhoc-AG IRK/AOLG) sind für Naphthalin Richtwerte für die Innenraumluft anhand des toxikologischen Endpunktes "Entzündung der Nasenschleimhaut" abgeleitet worden. Im Tierversuch traten nach lang andauerndem Einatmen von Naphthalin chronische Entzündungen der Nasen- und Lungenschleimhaut auf, darüber hinaus in denselben Organen auch Hyperplasien, Neuroblastome und Adenome. Dagegen wurden Entzündungen und Krebs durch Naphthalin beim Menschen bisher nicht festgestellt. Wesentliche Gründe dafür könnten in der anderen Anatomie und Physiologie des Nasen- und Rachenraumes bei den Versuchstieren im Vergleich zum Menschen zu sehen sein. Ratten und Mäuse sind obligatorische Nasenatmer. Weitere mögliche Gründe sind das relativ zur Körpermasse geringere Atemvolumen sowie eine geringere Empfindlichkeit des Menschen gegenüber Naphthalin auf Grund von Stoffwechselunterschieden. Nach Auffassung der Adhoc-Arbeitsgruppe ist ein ausreichender Schutz vor einer Krebs erzeugenden Wirkung des Naphthalins anzunehmen, wenn das Auftreten von Entzündungszeichen vermieden wird. Unter diesen Voraussetzungen wurde ein Richtwert II (Gefahrenwert) von 20 µg Naphthalin/m3 und ein Richtwert 1 von 2 µg Naphthalin/m3 abgeleitet [3]. In der gleichen Größenordnung liegen die Richtwerte der US-EPA und der ATSDR (Agency for Toxic Substances and Disease Registry) als RfC von 3 µg/m3 bzw. als Minimal Risk Level (MRL) von 4 pg/rn3 [39]
Analytische Bestimmung von Naphtholen im Urin
Die Parameter 1- und 2-Naphthol im Urin haben sich in zahlreichen arbeitsmedizinischen und umweltmedizinischen Studien bewährt [10]. In den publizierten analytischen Verfahren werden in der Regel zunächst die Konjugate enzymatisch gespalten. Für die Hydrolyse der Sulfate und Glucuronide wurde früher in einigen Studien allerdings Salzsäure verwendet. Diese kann jedoch zu analytischen Problemen durch unerwünschte Nebenreaktionen führen. Hill et al. [40] berichteten, dass durch Säure der eingesetzte interne Standard 13 C6-1-Naphthol abgebaut wurde. Yang et al. [41] stellten eine geringere Naphtholausbeute im Vergleich zur Konjugatspaltung durch enzymatische Hydrolyse fest. Diese analytischen Probleme mit der Säurehydrolyse wurden durch aktuelle Vergleichsuntersuchungen [42] bestätigt. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, wird daher die einheitliche Anwendung der schonenderen enzymatischen Hydrolyse mit beta-Glucuronidase/Arylsulfatase empfohlen.
Die Quantifizierung von 1- und 2-Naphthol kann anschließend mittels Hochdruck-Flüssigkeitschromatographie (HPLC) mit Fluoreszenzdetektion oder alternativ mittels Kopplung Kapillargaschromatographie-Massenspektrometrie durchgeführt werden. Eine Übersicht über die Analysenverfahren gibt Tabelle 1. Für die Routineanalytik sollte ein Verfahren gewählt werden, mit dem 1- und 2-Naphthol parallel bestimmt werden können mit einer Bestimmungsgrenze von maximal je 5 µg/l. Damit ist es möglich, erhöhte Konzentrationen nur eines Naphthols zu erkennen. Dies ist von Bedeutung, da neben einer Naphthalinbelastung auch folgende Quellen zur Ausscheidung nur eines Naphtholisomers beitragen können.
Die Exposition gegenüber Carbaryl verursacht eine erhöhte Ausscheidung von 1-Naphthol [43]. Das Insektizid ist in Deutschland für die landwirtschaftliche Anwendung nicht zugelassen. Importiertes Obst kann jedoch Carbaryl enthalten. Beispielsweise wurden in Birnen aus Argentinien und Chile Rückstände bis zu 1,9 mg/kg gefunden [44].
Ein weiterer möglicher Störfaktor für die Erfassung einer Naphthalinbelastung über die quantitative Bestimmung der Naphthole im Urin ist eine mögliche Belastung mit den Naphtholen. Zum Beispiel wird in diversen chemischen Haarfarben 1-Naphthol eingesetzt. Außerdem ist ein Kontakt mit Rückständen von 2-Naphthol vorstellbar, das als chemisches Zwischenprodukt für Azo-Farbstoffe, Gerbstoffe und als Konservierungsmittel für Leim, Holz, Leder Verwendung findet. Es wird vom Menschen im Harn sowohl unverändert als auch konjugiert ausgeschieden [45]. Welche Bedeutung die Exposition gegenüber Naphtholen im Vergleich zu einer Naphthalinexposition für die Allgemeinbevölkerung besitzt, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.
Tabelle 1: Analytische Verfahren für die Bestimmung von 1- und 2-Naphthol im Urin
Autoren [Literatur] | Hydrolyse | Analyten | Int. Standard | Methode | Derivatisierung | NWG / BG |
Preuss, Angerer [57] | Enzym | 1-N und 2-N | ohne | HPLC-FD | 1,5 µg/l 0,5 µg/l | |
Kuusimäki et al. [58] | Enzym | 2-N | ohne | HPLC-FD | 1 µg/l BG | |
Andreoli et al. [59] | ohne | 1-N 1-N-glucuronid und 2-N-sulfat | ohne | LC-MS | 0,1 mg/l | |
Elovaara et al. [60] | Enzym | 1-N und 2-N | ohne | HPLC-FD | 4 µg/l BG 1,5 µg/l BG | |
Hansen et al. [61] | Enzym | 1-N | ohne | HPLC-FD | 5,5 µg/l | |
Kim et al. [62] | Enzym | 2-N | ohne | HPLC-FD | 0,13 µg/l BG | |
Heikkiläetal.[31] | HCI | 1-N | ohne | GC-ECD | Pentafluorbenzylbromid | 10 µg/l |
Bieniek [63] | HCI | 1-N und 2-N | ohne | GC-FID | ohne | 100 µg/l |
Bouchard et al. [64] | Enzym | 1-N und 2-N | ohne | GC-MS-SIM | Essigsäureanhydrid/K2 CO3 | 0,1 µg/l |
Hill et al. [40] | Enzym | 1-N und 2-N | 13C6-IN 1306-2-N | GC-MS-MS | Chloriodpropan | 1 µg/l |
Jansen et al. [65] | Enzym und Säure | 1-N und 2-N | 2H7-1 N | GC-MS-SIM | Benzoylchlorid | 0,7 µg/l |
Keimig, Morgan [66] | HCI | 1-N und 2-N | ohne | GC-ECD | Pentafluorbenzylbromid/K2 CO3 | 10 µg/l |
Serdar et al. [7] | Enzym | 1-N und 2-N | 2H7-1 N | GC-MS-SIM | Silylierung | 0,3 µg/l |
Smith et al. [67] | Enzym | 1-N und 2-N | 7306-1 N | GC-HRMS nach | Silylierung | 0,016 µg/l 0,011 µg/l |
Petropoulou et al. [68] | Enzym | 1-N und 2-N und Carbaryl | N-ethyl-p-methyl-3- carboxamid | SPME GC-MS/MS | Trifluoressig- säureanhydrid/ Triethylamin | 0,2 µg/l BG |
Hardt et al. [50] | Enzym | 1-N und 2-N | 2H7-1 N | GC-MS-SIM | Essigsäureanhydrid/ K2CO3 | 0,5 µg/l BG |
Yang et al. [41] | Enzym > HCI | 1-N und 2-N | 2H10-Anthracen | GC-MS-SIM | Pentafluorbenzylbromid/ K2CO3 | 0,27 µg/l |
1-N: 1-Naphthol, 2-N: 2-Naphthol BG: Bestimmungsgrenze, ECD: Elektroneneinfangdetektor, FD: Fluoreszenzdetektor, FID: Flammenionisationsdetektor, GC: Gaschromatographie, (HP)LC: (Hochdruck-) Flüssigkeitschromatographie, HR: Hochauflösung, MS: Massenspektrometrie, NWG: Nachweisgrenze, SIM: selected ion monitoring, SPME: Festphasenmikroextraktion.
Die parallele Bestimmung von i- und 2-Naphthol stellt jedoch die Spezifität dieser Parameter für die Naphthalinexposition sicher, da die beiden Metaboliten gut korrelieren [9]. Nach beruflicher Exposition (n = 277) betrug die Konzentration von 1-Naphthol ungefähr das 1,2-Fache der 2-Naphtholwerte [18]. Serdar et al. [46] fanden bei Naphthalinexponierten Arbeitern ebenfalls etwas höhere 1- als 2-Naphtholwerte, bei Kontrollpersonen ein Konzentrationsverhältnis von ungefähr eins. Nach Yang et al. [41] beeinflusst Tabakrauch das Verhältnis von 1- zu 2-Naphthol: der Quotient betrug bei Rauchern ca. 1,2 und bei Nichtrauchern1,5. Die angegebenen Konzentrationsverhältnisse wurden anhand der Untersuchungskollektive abgeleitet, auf individueller Basis sind Abweichungen möglich [9, 47]
Der Vollständigkeit halber soll noch darauf hingewiesen werden, dass außer den Naphtholen im Urin noch andere Metabolite für ein Human-Biomonitoring des Naphthalins prinzipiell in Frage kommen. Beispielsweise sind 1,2- und 1,4-Dihydroxynaphthalin im Urin bei beruflich exponierten Personen bestimmt worden. Die gemessenen Konzentrationen korrelierten mit denen der Naphthole [29]. Unmetabolisiertes Naphthalin wurde ebenfalls schon im Urin von PAH-belasteten Arbeitern gemessen [48].
Nur 3- und 2-Naphthol sind jedoch bisher in größerem Umfang bestimmt worden und haben sich auch für umweltmedizinische Fragestellungen als geeignet erwiesen.
Innere Exposition der Allgemeinbevölkerung
Die Konzentrationen an i- und 2-Naphthol im Urin von Personen, die keiner beruflichen Naphthalinbelastung ausgesetzt waren, zeigt Tabelle 2. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass die zusammengestellten Werte mit Ausnahme derjenigen aus den USA, die nicht von repräsentativen Kollektiven stammen.
Tabelle 2: Naphthol-Konzentrationen im Urin der Allgemeinbevölkerung
Rauchstatus + Land | Alter | N | 1-Naphthol im Urin | 2-Naphthol im Urin | Autoren [Literatur] |
NR a Deutschland | ab 10J | 63 MU | Md 5,0 µg/l (< 1,5-29,4 µg/l) P95 19,7 µg/l | Md 3,6 µg/l (< 0,5-23,6 µg/l) P95 17,1 µg/L | Preuss et al. [49] |
NR a Deutschland | 2,5-6,51 | 35 MU | Md 3,0 µg/l ≪ 1,5-12,0 µg/l) P95 10,7 µg/l | Md 2,6 µg/l (< 0,5-35,4 µg/l) P95 9,8 µg/l | Preuss et al. [49] |
NR b Deutschland | 25-51 J w | 67 MU | Md 3,6 µg/l (< 1,5-82,4 µg/l) P95 29,9 µg/l | Md 2,1 µg/l (< 0,5-22,9 µg/l) P95 16,9 µg/l | Hölzer und Wilhelm [47] |
NR b Deutschland | 5-7 J | 94 MU | Md 2,4 µg/l (< 1,5- 82,6 µg/l) P95 20,9 µg/l | Md 1,5 µg/l (< 0,5-68,3 µg/l) P95 6,5 µg/l | Hölzer und Wilhelm [47] |
NR c Deutschland | 25-51 J w | 48 MU | Md 2,6 µg/l (< 1,5-68,4 µg/l) P95 24,0 µg/l | Md 2,0 µg/l (< 0,5-62,4 µg/l) P95 21,9 µg/l | Hölzer und Wilhelm [47] |
NRc Deutschland | 5-7 J | 91 MU | Md 2,7 µg/l (< 1,5-252 µg/l) P95 12,6 µg/l | Md 2,4 µg/l (< 0,5-93,2 µg/l) P95 12,8 µg/l | Hölzer und Wilhelm [47] |
NR ed Deutschland | ab 18 J | 50 MU | Md 1,0 µg/l (< 0,5-18,3 µg/l) | Md 1,0 µ/l (< 0,5-28,4 µg/l) | Hardt et al. [50] |
NR Finland | 20 | GM 1,9 µg/gK (< 0,9-4,5 µg/gK) | GM 2,2 µg/gK (< 0,9-5,4 µg/gK) | Väänänen [69] | |
NR Finland (Winter) | 46 | - | Md 1,7 µg/gK | Kuusimäki et al. [58) | |
NR Finland (Sommer) | 38 | - | Md 2,9 µg/gK | Kuusimäki et al. [58] | |
NR Canada | 26 MU | Md 1,3 µg/gK P95 8,7 µg/gK | Md 1,2 µg/gK P95 6,4 µg/gK | Bouchard et al. [64] | |
NR e Canada | 30 MU | Md 3,4 µg/gK P95 10,7 µg/gK | Md 2,6 µg/gK P95 6,3 µg/gK | Bouchard et al. [64] | |
NR Japan | 56 MU | GM 3,0 µg/l | GM 1,1 µg/l | Yang et al. [41] | |
NR Korea | 12 +/-1 1 | 137 MU | Md 2,8 (0,3-74,6) µg/gK | Kang et al. [70] | |
NR Korea | 62 | - | Md 1,6 (0,4-11,3) µg/gK P95 7,0 µg/gK | Kim et al. [71] | |
NR Korea | 87 | GM 2,0 µg/gK | Nan et al. [72] | ||
NR China | 19 | GM 3,2 µg/l | GM 3,3 µg/l | Serdar et al. [46] | |
R a Deutschland | ab 101 | 9 MU | Md 20,61 µg/l (3,6-56,3 µg/l) | Md 19,5 µg/l (2,2-48,3 µg/l) | Preuss et al. [49] |
R f Deutschland | 26-44 J, w | 35 MU | Md 13 µg/l (2-36 µg/l) P95 32,9 µg/l | Md 17 µg/l (1-92 µg/l) P95 52,01 µg/l | Hölzer und Wilhelm [47] |
R Japan | 63 MU | GM 8,3 µg/l | GM 7,8 mg/l | Yang et al. [41] | |
R Korea | 67 | Md 5,1 µg/gK (0,9-16,4 µg/gK) P95 11,2 µg/gK | Kim et al. [71] | ||
R Korea | 41 | - | GM 5,0 µg/gK | Nan et al. [72] | |
R, NR USA | 983 | Md 4,4 µg/l ≪ 1-2500 µg/l) P95 43 µg/l | Md 3,4 mg/l(< 1-88 µg/l) P95 30 µg/l | Hill et al. [43] | |
R, NR USA | ab 20,1 | 1626 | Md 1,9 µg/l P95 23 µg/l | Md 2,4 µg/l P95 28 µg/l | CDC [51] |
(R), NR USA | 6-11 J | 387 | Md 1,2 µg/l P95 12 µg/l | Md 1,7 mg/l P95 7,7 µg/l | CDC [51] |
R, NR Dänemark | 119 | Md 2,5 µg/gK | - | Hansen et al. [73] | |
28 R, 8 NR Polen | 36 | P95 12,1 µg/gK GM 9,9 µg/gK | GM 5,8 µg/gK | Bienik [30] | |
(Bereich), GM: Geometrisches Mittel, J: Jahre, Md: Median, MU: Morgenurin, N: Anzahl der untersuchten Proben, NR: Nichtraucher, P95: 95. Perzentil, R: Raucher, µg/gK: µg/g Kreatinin, w: weiblich a) beinhaltet betriebsinternes Kontrollkollektiv in einem Bitumen verarbeitenden Betrieb, b) unbelastetes Kontrollkollektiv, c)Anwohner einer Kokerei, die sich hinsichtlich 1-Naphtholwerten nicht vom unbelasteten Kontrollkollektiv unterschieden, d) Patienten einer Umweltambulanz, e) Bewohner in der Umgebung einer Creosot-Im prägnieranlage, f) Anwohner einer Kokerei und unbelastetes Kontrollkollektiv, die sich hinsichtlich Naphtholwerten nicht unterschieden. |
Tabelle 3: Kurzübersicht
Untersuchungsmedium | Parameter | Methode | Bestimmungsgrenzen | ||
Urin | 1-Naphthol 2-Naphthol (Naphthalinmetabolite) | HPLC-Fluoreszenz bzw. GC-MS | < 5 Ng/l | ||
Referenzwerte: derzeit nicht ableitbar | |||||
Orientierungswerte für Nichtraucher: 1-Naphthol < 30 µg/l 2-Naphthol < 20 µg/l | |||||
Quellen | Ausscheidung | Wirkungen bei hoher Exposition | |||
Tabakrauch, geräucherte und über offenem Feuer gegrillte Speisen, Dieselkraftstoff, Kleinfeuerungsanlagen, Verkehr, naphthalinhaltiger Mottenschutz, kontaminierte Bedarfsgegenstände | Elimination im Urin mit 2 unterschiedlichen Halbwertszeiten (ca. 1-2 bzw. 14-46 h) | Hämolytische Anämie, Atemwegserkrankungen, Krebsrisiko | |||
Maßnahmen Zunächst Wiederholungsmessung, wobei die Kreatininkonzentration der Probe im Bereich von 0,5 bis 2,5 µ/l liegen sollte. Ggf.1-Hydroxypyren im Urin bestimmen, anhand von Referenzwerten bewerten. Bei erneut erhöhten Naphthol-Werten: Suche nach Quellen einleiten (s. o.) |
Raucher zeigen erwartungsgemäß höhere Werte als Nichtraucher. Die Medianwerte waren in den deutschen Studien für Raucher etwa 5-mal so hoch wie für Nichtraucher [47, 49]
Der Raucherstatus ist die dominierende Einflussgröße in der beruflich nicht belasteten Allgemeinbevölkerung. Eine sinnvolle Interpretation der Naphtholkonzentrationen im Urin ist daher nur für Nichtraucher möglich. Aus den zusammengestellten Daten folgt, dass im Allgemeinen folgende Konzentrationen bei beruflich nicht belasteten und nicht rauchenden Erwachsenen gemessen werden:
1-Naphthol im Urin unterhalb von 30 µg/l, 2-Naphthol im Urin unterhalb von 20 µg/l.
Diese Werte sind aufgrund der kleinen deutschen Kollektive mit erheblichen Unsicherheiten behaftet [47, 49]. Die genannten Konzentrationen geben den aktuellen Kenntnisstand wieder und dienen der vorläufigen Orientierung. Untersuchungen bei Patienten einer Umweltambulanz in Süddeutschland [50] ergaben niedrigere Medianwerte als die anderen beiden genannten deutschen Studien.
Die Daten aus den USA [51] weisen darauf hin, dass die auf das Urinvolumen bezogenen Konzentrationen bei Kindern (untersuchtes Kollektiv: 6-n Jahre) etwas niedriger liegen könnten. Die aktuell vorliegenden Daten aus Deutschland lassen diesbezüglich keine valide Aussage zu.
Maßnahmen bei auffälligen Messwerten
In den Fällen, in denen die genannten Orientierungswerte überschritten sind und ggf. Tabakrauch als Quelle ausgeschlossen werden kann, sind Kontrollmessungen angezeigt. Um das Ergebnis einer Kontrollmessung besser beurteilen zu können, ist darauf zu achten, dass die Kreatininkonzentration der Urinprobe im Bereich von 0,5 bis 2,5 g/l liegt [52].
Sofern mehrfache, zuverlässige Messungen eine erhöhte Naphtholausscheidung bestätigt haben, sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Ursachen dieser Belastung zu ermitteln. Mögliche Quellen sind neben dem Tabakrauch unter anderem Belastungen der Innenraumluft durch Baumaterialien, naphthalinhaltige Mottenschutzmittel und offene Kamine sowie der Verzehr gegrillter und geräucherter Lebensmittel und der Kontakt mit Bedarfsgegenständen, die mit Naphthalinbelastet sind. Letztere sind z.B. Produkte aus PVC mit Phthalatweichmachern, die mit Naphthalin verunreinigt sein können. Leckagen in Dieseltanks und die Anwendung teerhaltiger Anstrichmittel sind als mögliche Quellen ebenfalls in Betracht zu ziehen.
Die therapeutische äußerliche Anwendung teerhaltiger Salben bei bestimmten Hauterkrankungen kann zu hohen Naphtholkonzentrationen im Urin führen [53] und muss im Einzelfall einer individuellen Risikoabwägung unterzogen werden.
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass anhand der genannten Orientierungswerte a priori keine toxikologische Beurteilung möglich ist.
Sofern der Verdacht auf eine zusätzliche Belastung mit weiteren PAK besteht, ist die Bestimmung des Parameters i-Hydroxypyren im Urin zu erwägen und anhand des publizierten Referenzwertes zu bewerten [54. 55].
Naphthalin wird zu 1- und 2-Naphthol verstoffwechselt, die üblicherweise in vergleichbaren Mengen ausgeschieden werden. Dagegen führen Carbarylrückstände auf Lebensmitteln zu einer isolierten Erhöhung der Ausscheidung von i-Naphthol [56]. Dies ist ebenfalls für den Gebrauch bestimmter Haarfärbemittel zu erwarten, die i-Naphthol enthalten. In
Fällen, in denen die Konzentration des i-Naphthol die des 2-Naphthol eklatant übertrifft (z.B. um den Faktor 4-5), können auffällige Werte in der Regel nicht auf eine Naphthalinexposition zurückgeführt werden. Dies gilt analog für die umgekehrte Konstellation mit einer isoliert erhöhten 2-Naphtholausscheidung, deren Ursachen noch unklar sind.
Literatur
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