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BremPsychKG - Bremisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten
- Bremen -

Vom 13. Dezember 2022
(Brem.GBl. Nr. 150 vom 16.12.2022)



Archiv: 2000

Der Senat verkündet das nachstehende, von der Bürgerschaft (Landtag) beschlossene Gesetz:

Teil 1
Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt

  1. Hilfen für Personen, bei denen Anzeichen einer psychischen Erkrankung bestehen, die psychisch erkrankt sind oder bei denen die Folgen einer psychischen Erkrankung fortbestehen; zu den psychischen Erkrankungen im Sinne dieses Gesetzes zählen auch Suchterkrankungen,
  2. die Unterbringung psychisch erkrankter Personen, die aufgrund ihrer Erkrankung sich selbst oder andere erheblich gefährden (öffentlich-rechtliche Unterbringung) sowie
  3. den Vollzug von Maßregeln nach den §§ 63, 64 des Strafgesetzbuchs sowie des § 7 des Jugendgerichtsgesetzes (Maßregelvollzug).

§ 2 Grundsatz

Bei allen Hilfen und Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist auf die individuelle Situation und auf die besonderen Bedürfnisse der psychisch erkrankten Person oder der untergebrachten Person Rücksicht zu nehmen. Die Würde und die persönliche Integrität der Person sind zu achten und zu schützen. Ihre individuelle Autonomie einschließlich der Freiheit, Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen, ist zu respektieren.

Teil 2
Hilfen für psychisch erkrankte Personen

Abschnitt 1
Ziel und Art der Hilfen

§ 3 Ziel der Hilfen

(1) Hilfen nach diesem Gesetz sollen die psychisch erkrankten Personen befähigen, eigenverantwortlich und selbständig zu leben. Zu den Hilfen gehören insbesondere die Beratung, Betreuung, Hinführung zur ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung, die Vermittlung von Hilfen zur Selbsthilfe und von Angeboten der psychosozialen Unterstützung sowie von ehrenamtlichen Hilfen.

(2) Ziel der Hilfen ist es,

  1. die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten,
  2. die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern und zu fördern,
  3. die selbständige Lebensführung und die persönliche Freiheit beeinträchtigende Maßnahmen entbehrlich zu machen oder zu verkürzen und
  4. das Recht des Einzelnen auf psychische und seelische Gesundheit zu fördern.

(3) Art, Ausmaß und Dauer der Hilfen richten sich nach dem individuellen Hilfebedarf, der partizipativ mit den Betroffenen festgelegt wird und an dessen Wünschen ausgerichtet ist. Die Hilfen werden nach Möglichkeit so erbracht, dass die psychisch erkrankte Person ihren gewohnten Lebensbereich nicht aufgeben muss.

(4) Die Hilfen, insbesondere Beratungen und Informationen, werden auch den Personen angeboten, die mit der psychisch erkrankten Person in Beziehung stehen.

§ 4 Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften

Hilfen nach diesem Gesetz werden ergänzend zu den Leistungen erbracht, die die betroffene Person nach anderen Rechtsvorschriften in Anspruch nehmen kann.

§ 5 Aufgaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes

(1) Der Sozialpsychiatrische Dienst erbringt im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes gemeindebezogene Hilfen für Personen, bei denen Anzeichen einer psychischen Erkrankung bestehen, die psychisch erkrankt sind oder bei denen die Folgen einer psychischen Erkrankung fortbestehen.

(2) Zu den Hilfen gehören insbesondere:

  1. Abhalten von regelmäßigen Sprechstunden unter der Leitung einer Fachärztin oder eines Facharztes für Psychiatrie, einer Psychologischen Psychotherapeutin oder eines Psychologischen Psychotherapeuten, ausnahmsweise einer in der Psychiatrie erfahrenen Ärztin oder eines in der Psychiatrie erfahrenen Arztes,
  2. Information und Beratung von Personen nach Absatz 1 oder von ihnen nahestehenden Personen über vorsorgende, begleitende und nachgehende Hilfsangebote, gegebenenfalls Herstellung einer Verbindung zu den Anbietern dieser Leistungen,
  3. Hausbesuche bei psychisch erkrankten Personen oder ihnen nahestehenden Personen, um sie zu beraten, über Hilfsangebote zu informieren und sie gegebenenfalls in Verbindung mit Anbietern dieser Dienste zu bringen,
  4. Einsatz im Rahmen der Krisenintervention; dazu gehören die Beratung von Personen nach Absatz 1 in Krisensituationen, ein deseskalierendes fachliches Handeln sowie die Beratung von Angehörigen und anderen Beteiligten,
  5. Mitwirkung in den regionalen Versorgungsverbünden,
  6. Abgabe fachgutachterlicher Stellungnahmen gegenüber Dritten.

(3) Auf die Hilfen nach diesem Gesetz besteht ein Rechtsanspruch. Art, Ausmaß und Dauer der Hilfen richten sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls.

§ 6 Eingriffsbefugnisse des Sozialpsychiatrischen Dienstes

(1) Wenn gewichtige Anzeichen dafür vorhanden sind, dass eine Person aufgrund einer psychischen Erkrankung ihre Gesundheit, ihr Leben oder sonstige bedeutende eigene Rechtsgüter oder die Gesundheit, das Leben oder sonstige bedeutende Rechtsgüter anderer Personen zu gefährden droht, und Hilfsangebote nach § 5 von der Person nicht angenommen werden, hat der Sozialpsychiatrische Dienst

  1. zunächst die betroffene Person aufzufordern, sich beraten und bei einer Ärztin, einem Arzt, einer Psychologischen Psychotherapeutin oder einem Psychologischen Psychotherapeuten ihrer Wahl untersuchen zu lassen,
  2. wenn die betroffene Person dieser Aufforderung nicht folgt, einen Hausbesuch
    vorzunehmen und
  3. wenn angezeigt, eine ärztliche Untersuchung durchzuführen.

Im begründeten Ausnahmefall kann von der vorstehenden Reihenfolge abgewichen werden.

(2) Wenn gewichtige Anzeichen dafür vorhanden sind, dass von einer Person aufgrund einer psychischen Erkrankung eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die in Absatz 1 genannten Rechtsgüter ausgeht, sind Ärztinnen oder Ärzte des Sozialpsychiatrischen Dienstes befugt, die Wohnung zu betreten und die betreffende Person zu untersuchen, wenn dies zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist.

(3) Wird eine psychische Erkrankung festgestellt und ist zu befürchten, dass die betroffene Person die in Absatz 1 genannten Rechtgüter aufgrund dieser Erkrankung gefährdet, ist sie aufzufordern, sich in ambulante oder stationäre Behandlung zu begeben. Der Person oder Einrichtung, die die Behandlung durchführt, werden die Untersuchungsergebnisse mitgeteilt.

(4) Folgt die betroffene Person der Aufforderung nach Absatz 3 Satz 1 nicht und liegen hinreichende Tatsachen dafür vor, dass eine Unterbringung in Betracht kommen kann, ist die Ortspolizeibehörde zum Zweck der Einleitung eines Unterbringungsverfahrens zu unterrichten.

(5) Im Rahmen der Krisenintervention nach § 5 Absatz 2 Nummer 4 stimmen der Sozialpsychiatrische Dienst und der Polizeivollzugsdienst ihr Vorgehen nach den Erfordernissen des Einzelfalls aufeinander ab. Die Befugnisse des Polizeivollzugsdienstes nach dem Bremischen Polizeigesetz bleiben unberührt.

§ 7 Träger des Sozialpsychiatrischen Dienstes

(1) Die Aufgaben nach §§ 5 und 6 dieses Gesetzes erfüllen die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven als Auftragsangelegenheit. In der Stadtgemeinde Bremen bestimmt die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und in der Stadtgemeinde Bremerhaven bestimmt der Magistrat der Stadt Bremerhaven die zuständige Behörde oder Einrichtung.

(2) Die Aufgaben nach §§ 5 und 6 dieses Gesetzes können teilweise oder vollständig anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen übertragen werden. Durch Beleihung können die Aufgaben auch geeigneten juristischen Personen des Privatrechts mit deren Zustimmung übertragen werden. Eine Übertragung nach Satz 1 und 2 erfolgt durch die Stadtgemeinden im Benehmen mit der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Sie wird durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag vorgenommen und ist nur zulässig, wenn die Einrichtung die notwendige Fachkunde und Zuverlässigkeit nachweist. Das Nähere regelt der Rechtsakt, mit dem die Aufgaben übertragen werden.

(3) Die Erfüllung der Aufgaben nach §§ 5 und 6 unterliegen der Fachaufsicht der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.

Abschnitt 2
Hilfesystem, Planung und Beratung

§ 8 Zusammenarbeit im Hilfesystem

Alle an der Erbringung von vorsorgenden, begleitenden, und nachgehenden Hilfen Beteiligten arbeiten eng zusammen, um psychisch erkrankten Personen die für sie bestmögliche Hilfe anzubieten. Dies sind insbesondere

  1. der Sozialpsychiatrische Dienst,
  2. die psychiatrischen Krankenhäuser und Fachabteilungen an Krankenhäusern,
  3. die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie die Psychologischen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch,
  4. die vom Gericht bestellten Betreuerinnen und Betreuer,
  5. die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und die in ihnen organisierten Leistungserbringer sowie
  6. andere öffentliche, freigemeinnützige und private Stellen, Organisationen und Einrichtungen, soweit sie an psychiatrischen Hilfen mitwirken.

§ 9 Regionale Versorgungsverbünde

(1) Zur Sicherstellung einer einzelfallbezogenen, wohnortnahen und inklusiven Versorgung sind in den Versorgungsregionen regionale Verbünde zu bilden, in denen die aufsuchenden, ambulanten, teilstationären, stationären und rehabilitativen Leistungserbringer und Dienste zusammenarbeiten. Vertreter der Angehörigen sowie der Psychiatrie- und Suchthilfe-Erfahrenen wirken in den regionalen Verbünden mit.

(2) Die regionalen Versorgungsverbünde schließen Kooperationsvereinbarungen, um ein abgestimmtes Vorgehen der beteiligten Leistungserbringer und Dienste zu gewährleisten. Die Kooperationsvereinbarungen regeln verpflichtend das koordinierte und bei Bedarf auch kurzfristige Zusammenwirken der beteiligten Leistungserbringer und Dienste bei der Versorgung der psychisch erkrankten Menschen in der Region. Sie umfassen auch Behandlungs- und Qualitätsstandards sowie Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -entwicklung. In den Verbünden soll ein Fürsprache- und Beschwerdeangebot vorgehalten werden.

§ 10 Psychiatrie- und Suchthilfeplan

(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz erstellt einen Psychiatrieplan für das Land Bremen, der regelmäßig fortzuschreiben ist.

(2) Im Psychiatrieplan werden

  1. die Koordinierungsfunktionen,
  2. die Versorgungsregionen,
  3. verbindliche Qualitätsstandards der Entwicklungsplanung,
  4. die Versorgungsplanung

für die psychiatrische Versorgung einschließlich der Versorgung von Menschen mit Suchterkrankungen auf kommunaler Ebene festgelegt; für die Stadtgemeinde Bremerhaven geschieht dies im Einvernehmen mit dem Magistrat der Stadt Bremerhaven. Der Psychiatrieplan umfasst auch die Versorgung psychisch erkrankter Straf- und Untersuchungsgefangener. Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz kann unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen mit der Überprüfung der Qualitätsindikatoren und ihrer Evaluierung beauftragen.

(3) Bei der Aufstellung des Psychiatrieplans ist der Psychiatrieausschuss zu beteiligen.

§ 11 Psychiatrieausschuss

(1) Für das Land Bremen wird ein Psychiatrieausschuss eingerichtet. Der Psychiatrieausschuss hat die Aufgabe, die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz in grundsätzlichen Fragen zur Planung und Gewährleistung der Versorgung psychisch erkrankter Personen zu beraten und sich an der Aufstellung des Psychiatrieplans zu beteiligen.

(2) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zu regeln. In der Rechtsverordnung sind insbesondere Regelungen über

  1. die Aufgaben des Psychiatrieausschusses,
  2. die Voraussetzungen für sein Tätigwerden,
  3. die Zusammensetzung des Psychiatrieausschusses,
  4. die Anforderungen an die Sachkunde und die Pflichten der Mitglieder,
  5. das Verfahren,
  6. die Geschäftsführung,
  7. die Aufgaben der oder des Vorsitzenden und
  8. die Bekanntgabe der Beschlüsse zu treffen.

Teil 3
Öffentlichrechtliche Unterbringung

Abschnitt 1
Voraussetzungen, Einrichtungen

§ 12 Begriff und Voraussetzungen der Unterbringung

(1) Eine öffentlich-rechtliche Unterbringung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn eine psychisch erkrankte Person gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit in eine Einrichtung nach § 14 eingewiesen oder in der Einrichtung zurückgehalten wird.

(2) Eine psychisch erkrankte Person darf nur untergebracht werden, wenn und solange aufgrund ihres krankheitsbedingten Verhaltens eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für

  1. das eigene Leben oder die eigene Gesundheit oder
  2. das Leben, die Gesundheit oder sonstige bedeutende Rechtsgüter anderer Personen

besteht und diese Gefahr nur durch eine Unterbringung abgewendet werden kann. Kann die Gefahr bereits durch den Einsatz des Krisendienstes des Sozialpsychiatrischen Dienstes, eine ambulante Behandlung, auch im Rahmen einer Institutsambulanz, oder durch eine teilstationäre Behandlung beseitigt werden, so darf die Unterbringung nicht angeordnet werden oder sie ist zu beenden.

(3) Eine gegenwärtige Gefahr ist gegeben, wenn infolge des krankheitsbedingten Verhaltens

  1. die Rechtsgutverletzung bereits eingetreten ist und durch die Maßnahme deren Fortdauer oder Verschlimmerung unterbunden werden soll oder
  2. die Rechtsgutverletzung unmittelbar bevorsteht und durch die Maßnahme deren Eintritt verhindert werden soll.

(4) Die fehlende Bereitschaft, sich einer notwendigen ärztlichen Behandlung zu unterziehen, oder die regelmäßige Einnahme schädigender Substanzen im Zusammenhang mit einer Suchterkrankung rechtfertigen für sich allein keine Unterbringung.

(5) Eine öffentlich-rechtliche Unterbringung nach diesem Gesetz darf nur vollzogen werden, wenn Maßnahmen nach den §§ 126a und 453c der Strafprozessordnung, nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes oder nach den §§ 63, 64 und 66 des Strafgesetzbuches nicht getroffen sind. Ist eine Person auf Grund dieses Gesetzes öffentlich-rechtlich untergebracht und werden Maßnahmen auf Grund der in Satz 1 genannten Bestimmungen getroffen, ist die Unterbringungsanordnung nach diesem Gesetz außer Vollzug zu setzen. Sie kann aufgehoben werden, wenn nach den Umständen nicht zu erwarten ist, dass die Unterbringungsanordnung später wieder vollzogen werden muss.

§ 13 Zweck der Unterbringung

Zweck der Unterbringung ist es, durch Heilung, Besserung, Linderung oder Verhütung der Verschlimmerung der psychischen Erkrankung der betroffenen Person die in § 12 Absatz 2 genannten Gefahren abzuwenden.

§ 14 Einrichtungen

(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz bestimmt die an der öffentlich-rechtlichen Unterbringung beteiligten Einrichtungen. Die Einrichtungen unterliegen ihrer Fachaufsicht.

(2) Als Einrichtungen können psychiatrische Krankenhäuser, psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und psychiatrische Behandlungszentren, die stationäre psychiatrische Behandlungsformen vorhalten, bestimmt werden.

(3) Die Einrichtungen, in denen die Unterbringung durchgeführt wird, sind baulich so zu gestalten, organisatorisch so zu gliedern sowie sachlich und personell so auszustatten, dass eine auf die unterschiedlichen Anforderungen der untergebrachten Personen abgestimmte Behandlung ermöglicht und das Ziel der Teilhabe an der Gesellschaft gefördert wird. Barrierefreiheit im Sinne von § 5 des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetz ist zu gewährleisten.

(4) Die Einrichtungen haben eine Behandlung der untergebrachten Personen nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand der medizinischen, psychotherapeutischen, pflegerischen und heilpädagogischen Erkenntnisse zu gewährleisten. Sie müssen über die hierfür erforderlichen Fachkräfte verfügen und deren Fort- und Weiterbildung sicherstellen. Die Einrichtungen haben ein Konzept zur Zwangsvermeidung vorzulegen, das auch ein Schulungskonzept für die Mitarbeitenden beinhaltet und regelmäßig aktualisiert werden muss. Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz hat die Umsetzung dieses Konzepts im Rahmen der Fachaufsicht regelmäßig zu überprüfen.

(5) Die Einrichtungen müssen sowohl über die notwendigen Sicherungsvorkehrungen zur Durchsetzung der Unterbringung als auch die Möglichkeit einer offenen Unterbringung verfügen. Gesicherte Freiflächen sind in angemessener Größe und leicht zugänglich vorzuhalten und zur Freizeitgestaltung zur Verfügung zu stellen. Geschlechtergetrennte Unterbringung und Behandlung soll möglich sein.

§ 15 Beleihung

(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz kann einer geeigneten juristischen Person des Privatrechts als Trägerin einer Einrichtung nach § 14 mit deren Zustimmung die Befugnis verleihen, die öffentlich-rechtliche Unterbringung in eigenem Namen und in Handlungsformen des öffentlichen Rechts durchzuführen. Die Beleihung erfolgt widerruflich durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag. Die beliehene juristische Person unterliegt bei der Durchführung der Unterbringung der Fachaufsicht der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.

(2) Bei der Beleihung ist insbesondere sicherzustellen, dass

  1. die Einrichtung, in der Unterbringung erfolgt, die Anforderungen des § 14 Absatz 2 bis 5 erfüllt,
  2. die beliehene juristische Person bei der Besetzung der ärztlichen und pflegerischen Leitungen der Einrichtung sowie deren Stellvertretungen hinsichtlich des Auswahlverfahrens und der Einstellungsentscheidung Einvernehmen mit der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz herstellt,
  3. die Verantwortung für die Behandlung, die Betreuung und die gesetzmäßige Wahrnehmung der hoheitlichen Befugnisse, die mit der Beleihung übertragen wird, bei der ärztlichen Leitung der Einrichtung und im Vertretungsfall bei deren Stellvertretung liegt,
  4. die Beschäftigung von Personal in der Einrichtung von einem auf die persönliche und fachliche Eignung beschränkten Einwilligungsvorbehalt der ärztlichen Leitung der Einrichtung abhängig ist,
  5. die ärztliche Leitung ein direktes Weisungsrecht gegenüber allen in der Einrichtung Beschäftigten hat und
  6. die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz durch Einräumung geeigneter Aufsichts- und Weisungsbefugnisse die ihr obliegende Fachaufsicht umfassend und wirksam ausüben kann; dies schließt die Einräumung eines direkten Weisungsrechts gegenüber den in der Einrichtung Beschäftigten ein, wenn dies zur Durchsetzung der Fachaufsicht notwendig ist.

Das Nähere regelt der Rechtsakt, mit dem die Aufgabe übertragen wird.

Abschnitt 2
Unterbringungsverfahren

§ 16 Gerichtliches Verfahren

Im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung gelten für das gerichtliche Verfahren die §§ 312 bis 339 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der jeweils geltenden Fassung.

§ 17 Antrag auf Unterbringung

(1) Die Anordnung einer Unterbringung durch das zuständige Gericht erfolgt auf Antrag der Ortspolizeibehörde und unter den Voraussetzungen des § 12 Absatz 2.

(2) Der Antrag ist zu begründen, das Ermittlungsergebnis und ein Zeugnis einer Fachärztin oder eines Facharztes für Psychiatrie sind beizufügen. Ein entsprechendes Zeugnis kann auch von einer Ärztin oder einem Arzt erstellt werden, die oder der in einem psychiatrischen Fachdienst tätig ist. Aus dem Zeugnis muss hervorgehen, aus welchen Tatsachen und ärztlichen Beurteilungen sich ergibt, dass eine Unterbringung geboten ist.

(3) Vor der Anordnung einer Unterbringung gibt das Gericht neben den Stellen und Personen, deren Beteiligung in § 315 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt ist, Gelegenheit zur Stellungnahme

  1. dem Sozialpsychiatrischen Dienst und
  2. der behandelnden Ärztin, dem behandelnden Arzt, der behandelnden Psychologischen Psychotherapeutin oder dem behandelnden Psychologischen Psychotherapeuten der Einrichtung, sofern eine sofortige Unterbringung vorgenommen worden ist (§ 19) oder die Person sich schon in stationärer ärztlicher Behandlung befindet (§ 20).

§ 18 Vollzug der Unterbringung

(1) Die vom Gericht angeordnete Unterbringung soll möglichst wohnortnah erfolgen. Sie wird auf Veranlassung der Ortspolizeibehörde vom Polizeivollzugsdienst vollzogen. Die Verfahrenspflegerin oder der Verfahrenspfleger, der Sozialpsychiatrische Dienst und die rechtliche Vertretung der betroffenen Person, wenn eine solche bestellt ist, sind zu unterrichten. Der Vollzug, der insbesondere auch den Transport in die zuständige Einrichtung umfasst, endet mit der Aufnahme in der Einrichtung. Der weitere Vollzug erfolgt durch die Einrichtung.

(2) Bei einer Abholung aus der Wohnung soll der betroffenen Person Gelegenheit gegeben werden, für die Zeit der Abwesenheit Vorsorge zu treffen. Ist sie hierzu nicht in der Lage und können auch Angehörige oder sonstige Vertrauenspersonen die erforderlichen Vorkehrungen nicht treffen, hat der Polizeivollzugsdienst die erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu veranlassen. Zur Prüfung der Erforderlichkeit etwaiger Maßnahmen und zu deren Umsetzung darf die Wohnung der betreffenden Person betreten werden. Die Maßnahmen sind mit der psychisch erkrankten Person zu erörtern, soweit ihr Gesundheitszustand das zulässt.

§ 19 Sofortige Unterbringung

(1) Eine Unterbringung ohne vorherige gerichtliche Entscheidung (sofortige Unterbringung) kann von der Ortspolizeibehörde angeordnet werden, wenn

  1. eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann und
  2. dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 12 vorliegen und eine sofortige Unterbringung das einzige Mittel ist, um die von der Person ausgehende gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwenden.

(2) Kann im Falle des Absatzes 1 eine Entscheidung der Ortspolizeibehörde nicht rechtzeitig ergehen, kann der Polizeivollzugsdienst die sofortige Unterbringung anordnen. Die Ortspolizeibehörde ist unverzüglich von der Maßnahme zu unterrichten.

(3) Die dringenden Gründe für die Annahme einer psychischen Erkrankung und die Notwendigkeit einer sofortigen Unterbringung müssen, bevor eine Anordnung der sofortigen Unterbringung nach den Absätzen 1 oder 2 erfolgt, durch ein schriftliches ärztliches Zeugnis belegt sein, das auf einer frühestens am Vortag durchgeführten Untersuchung beruht. Das Zeugnis muss von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie oder einer Ärztin oder einem Arzt, die oder der in einem psychiatrischen Fachdienst tätig ist, erstellt sein.

(4) Ist die vorherige Einholung eines ärztlichen Zeugnisses nicht ohne wesentlichen Aufschub möglich und besteht hierdurch eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der betreffenden Person oder hätte dies eine unnötig lange Ingewahrsamnahme der betreffenden Person zur Folge, ist die Anordnung der sofortigen Unterbringung ausnahmsweise ohne Vorliegen eines solchen Zeugnisses zulässig und kann die betroffene Person in die Einrichtung verbracht werden, sofern der Einsatz des Krisendienstes des Sozialpsychiatrischen Dienstes nicht rechtzeitig erfolgen oder die Gefahr nicht beseitigen konnte. Die Person ist in der Einrichtung unverzüglich ärztlich zu untersuchen. Ergibt die ärztliche Untersuchung, dass die Voraussetzungen nach Absatz 3 gegeben sind, bleibt die sofortige Unterbringung aufrechterhalten; über das Ergebnis der Untersuchung ist ein ärztliches Zeugnis auszustellen. Andernfalls ist die Person zu entlassen; im Falle einer Entlassung gilt § 23 Absatz 3 entsprechend. Der Ortspolizeibehörde oder im Falle des Absatz 2 dem Polizeivollzugsdienst ist unverzüglich entweder das ärztliche Zeugnis zu übermitteln oder die Entlassung mitzuteilen.

(5) Die Ortspolizeibehörde oder im Fall des Absatzes 2 der Polizeivollzugsdienst haben unverzüglich bei Gericht einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Unterbringung zu stellen. Dem Antrag sind das Ermittlungsergebnis und das ärztliche Zeugnis nach Absatz 3 oder 4 beizufügen. Hat der Polizeivollzugsdienst den Antrag gestellt, so übernimmt die Ortspolizeibehörde das weitere gerichtliche Verfahren, sobald sie hierzu in der Lage ist.

(6) Der betroffenen Person sind die Gründe der sofortigen Unterbringung bekannt zu geben; sie ist über das weitere Verfahren aufzuklären. Ihr ist außerdem unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Angehörige oder einen Angehörigen oder eine sonstige Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen. Ist die betroffene Person dazu nicht in der Lage und widerspricht die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht, so haben die Ortspolizeibehörde oder der Polizeivollzugsdienst zu gewährleisten, dass eine Benachrichtigung erfolgt. Bei Minderjährigen sind ein Personensorgeberechtigter zu unterrichten. Die Betreuerin oder der Betreuer ist zu unterrichten, soweit die Ortspolizeibehörde oder der Polizeivollzugsdienst von der Betreuung Kenntnis hat. § 18 Absatz 2 gilt entsprechend.

(7) Lehnt das Gericht die Unterbringung ab oder liegt bis zum Ablauf des Tages, der auf den Beginn der Unterbringung folgt, keine gerichtliche Entscheidung vor, ist die betroffene Person durch die ärztliche Leitung der Einrichtung zu entlassen, es sei denn, sie verbleibt aufgrund ihrer rechtswirksamen Einwilligung in der Einrichtung.

(8) Wird eine sofortige Unterbringung ohne Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung beendet, ist die betroffene Person bei der Entlassung von der Einrichtung auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Maßnahme nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Hinweis ist zu dokumentieren. Über den Antrag entscheidet das für die Anordnung der Unterbringung zuständige Gericht; verfahrensbeteiligt in diesem Verfahren ist die Ortspolizeibehörde.

§ 20 Zurückhalten bei Gefahr im Verzug

(1) Befindet sich die betroffene Person in einer Einrichtung im Sinne von § 14 Absatz 2, ohne aufgrund dieses Gesetzes untergebracht zu sein, so kann bei Gefahr im Verzug die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter den Voraussetzungen des § 19 Absatz 1 Nummer 1 und 2 entscheiden, die Person gegen ihren Willen zurückzuhalten. Die Gründe hierfür sind zu dokumentieren.

(2) Unter Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses ist sofort die Ortspolizeibehörde oder unter den Voraussetzungen des § 19 Absatz 2 der Polizeivollzugsdienst zu benachrichtigen. Für das weitere Verfahren gilt § 19 Absatz 5 bis 8 entsprechend.

Abschnitt 3
Behandlung

§ 21 Entscheidungsbefugnisse

Für die Behandlung, die Betreuung und die Wahrnehmung der hoheitlichen Befugnisse während der Unterbringung ist die ärztliche Leitung der Einrichtung und im Vertretungsfall deren Stellvertretung verantwortlich. Sie kann Entscheidungsbefugnisse auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen, sofern dieses Gesetz die Ausübung von Entscheidungsbefugnissen nicht ausdrücklich der ärztlichen Leitung, der behandelnden Ärztin, dem behandelnden Arzt, der behandelnden Psychologischen Psychotherapeutin oder dem behandelnden Psychologischen Psychotherapeuten vorbehält.

§ 22 Rechtsstellung der untergebrachten Person

Die in einer Einrichtung untergebrachte Person ist in ihrer Würde und in ihrer persönlichen Integrität zu achten und zu schützen. Sie unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit nur, soweit sich diese zwingend aus den Zwecken der Unterbringung, den Erfordernissen der Sicherheit der Einrichtung oder den Anforderungen an ein geordnetes Zusammenleben in der Einrichtung ergeben. Alle notwendigen Beschränkungen sind mit dem geringstmöglichen Eingriff in die persönliche Freiheit und die körperliche Unversehrtheit vorzunehmen.

§ 23 Eingangsuntersuchung

(1) Nach der Aufnahme in die Einrichtung ist die eingewiesene Person unverzüglich ärztlich zu untersuchen. Unterlagen, die Angaben über den bisherigen Krankheitsverlauf, Behandlungsmaßnahmen und darauf bezogene Willensäußerungen der eingewiesenen Person (z.B. in einem Krisenpass) enthalten, sind zu berücksichtigen.

(2) Ergibt die ärztliche Untersuchung, dass die Unterbringungsvoraussetzungen nach § 12 nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Einrichtung die Ortspolizeibehörde sowie das Gericht unverzüglich zu unterrichten. Die betroffene Person ist sofort zu beurlauben oder auf ihren Wunsch freiwillig zu behandeln.

(3) Im Falle der Beurlaubung ist zu prüfen, ob Unterstützungs- und Behandlungsbedarf besteht. Die betreffende Person ist in dieser Hinsicht aufzuklären und zu beraten. Im Bedarfsfall sind ihr unter Einbeziehung des Sozialpsychiatrischen Dienstes Hilfsangebote zu unterbreiten.

§ 24 Aufklärung

(1) Im Rahmen der Aufnahme ist die psychisch erkrankte Person unverzüglich in einer ihr verständlichen Weise über ihre Rechte und Pflichten, die Rechtsfolgen der Unterbringung, die Möglichkeiten einer Beschwerde nach § 84 und den gerichtlichen Rechtsschutz nach § 85 aufzuklären. Erlaubt der Gesundheitszustand der betreffenden Person diese Aufklärung nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufnahme, so ist sie nachzuholen, sobald dies möglich ist.

(2) Die Aufklärung nach Absatz 1 ist zu dokumentieren.

§ 25 Behandlung, Behandlungsplan

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf eine dem aktuellen wissenschaftlichen Stand der medizinischen, psychotherapeutischen, pflegerischen, und heilpädagogischen Erkenntnisse entsprechenden Behandlung der Erkrankung, die zu ihrer Unterbringung geführt hat (Anlasserkrankung). Dazu gehören auch die notwendigen ergotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen. Die Behandlung schließt die erforderlichen Untersuchungen ein.

(2) Die diagnostischen Erkenntnisse und die vorgesehene Behandlung sind der untergebrachten Person und gegebenenfalls ihrer rechtlichen Vertretung zu erläutern. Das Aufklärungsgespräch soll in einer Weise geführt werden, dass die untergebrachte Person Grund, Bedeutung und Tragweite ihrer Erkrankung und die vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen erfassen und verstehen kann.

(3) Die Behandlung erfolgt nach einem Behandlungsplan, der unverzüglich nach der Aufnahme zu erstellen ist. Der Behandlungsplan soll mit der untergebrachten Person und ihrer rechtlichen Vertretung, wenn eine solche bestellt ist, gemeinsam entwickelt werden. Er ist wöchentlich zu überprüfen und fortzuschreiben.

(4) Der Behandlungsplan hat die Persönlichkeit, das Alter, den Entwicklungsstand und die Lebensverhältnisse der untergebrachten Person zu berücksichtigen. Er enthält Angaben über Art, Umfang und Zeitpunkt der Behandlungsmaßnahmen nach Absatz 1 und soll Möglichkeiten der Einbeziehung von nahestehenden Personen in die Behandlung aufzeigen. Er umfasst auch die erforderlichen Maßnahmen, die der untergebrachten Person nach der Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gesellschaft ermöglichen sollen.

(5) Kann eine Krankheit der untergebrachten Person in einer Einrichtung nach § 14 nicht untersucht oder behandelt werden, ist die Person in ein anderes Krankenhaus einzuweisen oder zu verlegen, das über entsprechende Erkenntnis- und Behandlungsmöglichkeiten verfügt. Im Rahmen des Aufenthalts sind die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu gewährleisten.

§ 26 Ärztliche Maßnahmen zur Behandlung der Anlasserkrankung

(1) Ärztliche Maßnahmen zur Behandlung der Anlasserkrankung bedürfen der Einwilligung der untergebrachten Person. Die Einwilligung ist ausdrücklich zu erklären und ebenso wie das vorangegangene Aufklärungsgespräch nach § 25 Absatz 2 zu dokumentieren. Dabei muss die untergebrachte Person in der Lage sein, die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung zu beurteilen (Einwilligungsfähigkeit).

(2) Fehlt der untergebrachten Person die Einwilligungsfähigkeit, ist die Einwilligung der rechtlichen Vertretung erforderlich. Ist eine solche nicht vorhanden, kann die Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers angeregt werden. Bei Minderjährigen ist die Einwilligung der Personensorgeberechtigten in die ärztliche Behandlung erforderlich.

(3) Eine Behandlung gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person (Zwangsbehandlung) ist nur ausnahmsweise und als letztes Mittel mit dem Ziel zulässig, die Fähigkeit der untergebrachten Person zur Selbstbestimmung wiederherzustellen. Die Behandlung hat folgende Voraussetzungen:

  1. Der untergebrachten Person fehlt aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Einsicht in die Art und Schwere der Erkrankung und die Notwendigkeit einer Behandlung oder ihr fehlt die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln,
  2. die Behandlung wird mit dem in Satz 1 genannten Ziel vorgenommen,
  3. die Behandlung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg,
  4. nach Art oder Dauer weniger eingreifende Maßnahmen sind aussichtslos,
  5. der zu erwartende Nutzen der Behandlung überwiegt den möglichen Schaden einer Nichtbehandlung und die zu erwartenden Beeinträchtigungen durch die Behandlung deutlich,
  6. ihr ist eine den Verständnismöglichkeiten der untergebrachten Person entsprechende Aufklärung über die beabsichtigte Behandlung und ihre Wirkungen vorausgegangen und
  7. vor Beginn der Behandlung ist ernsthaft versucht worden, eine auf Vertrauen gegründete, freiwillige Zustimmung der untergebrachten Person zu erreichen.

(4) Eine Behandlung nach Absatz 3 darf nur die ärztliche Leitung der Einrichtung und im Vertretungsfall ihre Stellvertretung anordnen. Die Anordnung muss schriftlich erfolgen und Angaben zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit der Behandlung und zu den beabsichtigten Behandlungsmaßnahmen enthalten. Die Behandlung bedarf vor ihrer Ausführung der Genehmigung des zuständigen Gerichts. Die Behandlung muss unter ärztlicher Überwachung erfolgen. Eine Nachbesprechung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt muss erfolgen, sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt. Die maßgeblichen Gründe für die Anordnung, Art, Beginn und Ende der Behandlung, deren Überwachung sowie die Nachbesprechung sind zu dokumentieren.

(5) Die in einer wirksamen Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der Behandlung ist zu beachten. Schließt die Patientenverfügung eine Behandlung nach Absatz 3 aus, geht der in der Patientenverfügung geäußerte Wille vor.

(6) Eine Behandlung, die die Persönlichkeit oder die Gesundheit der psychisch kranken Person tiefgreifend und auf Dauer schädigen könnte, ist unzulässig. Ebenfalls unzulässig ist eine Behandlung, die der Erprobung von Arzneimitteln oder Verfahren dient.

(7) Eine Ernährung gegen den Willen der untergebrachten Person ist nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr im Sinne von § 12 Absatz 2 für das Leben dieser Person abzuwenden.

§ 27 Ärztliche Maßnahmen bei Gefahr im Verzug

(1) Bei Gefahr im Verzug ist eine Behandlung gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person (Zwangsbehandlung) ausnahmsweise und als letztes Mittel ohne vorherige Genehmigung des zuständigen Gerichts zulässig (Notfallbehandlung). Die Behandlung nach Satz 1 hat folgende Voraussetzungen:

  1. Sie ist zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten Person oder anderer Personen zwingend erforderlich,
  2. der untergebrachten Person fehlt aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Einsicht in die Art und Schwere der Erkrankung und die Notwendigkeit einer sofortigen Behandlung oder die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln,
  3. eine vorherige gerichtliche Entscheidung kann nicht rechtzeitig eingeholt werden, ohne den Zweck der Abwehr der gegenwärtigen erheblichen Gefahr zu gefährden und
  4. die Voraussetzungen nach § 26 Absatz 3 Nummer 3 bis 5 sind gegeben.

(2) Die Behandlung nach Absatz 1 darf nur aufgrund schriftlicher Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes der Einrichtung nach eigener Untersuchung und unter ärztlicher Überwachung durchgeführt werden. Eine rechtliche Vertretung ist unverzüglich zu unterrichten. Die maßgeblichen Gründe für die Anordnung, Art, Beginn und Ende der Behandlung sowie deren Überwachung sind zu dokumentieren.

(3) Die gerichtliche Genehmigung ist unverzüglich nachträglich einzuholen. Eine Beendigung der Notfallbehandlung ist dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(4) Sobald ihr Gesundheitszustand es zulässt, hat durch die behandelnde Ärztin oder dem behandelnden Arzt eine Nachbesprechung mit der untergebrachten Person zu erfolgen. Die untergebrachte Person ist, wenn die Notfallbehandlung vor Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung beendet wurde, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchführten Behandlung nachträglich durch das zuständige Gericht überprüfen zu lassen. Die Nachbesprechung sowie der Hinweis nach Satz 1 sind zu dokumentieren.

(5) Die in einer wirksamen Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der Behandlung ist zu beachten. Schließt die Patientenverfügung eine Behandlung nach Absatz 1 aus, geht der in der Patientenverfügung geäußerte Wille vor. Von dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen darf nur abgewichen werden, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit oder das Leben anderer Personen auf andere Weise nicht abgewehrt werden kann.

(6) Soll im Anschluss an die Notfallbehandlung eine Behandlung nach § 26 erfolgen, gelten die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen.

§ 28 Ausgang, Beurlaubung

(1) Ausgang ist das stundenweise rechtmäßige Fernbleiben von der Einrichtung mit oder ohne Aufsicht. Die ärztliche Leitung kann der untergebrachten Person Ausgang gewähren, wenn ihr Gesundheitszustand dies zulässt.

(2) Eine Beurlaubung ist das rechtmäßige Fernbleiben von der Einrichtung insbesondere auch über Nacht. Die ärztliche Leitung kann die untergebrachte Person bis zu 14 Tagen beurlauben, wenn der Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse der untergebrachten Person dies zulassen.

(3) Die Beurlaubung kann mit Auflagen und Weisungen, insbesondere der Verpflichtung zur Weiterführung der ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung, verbunden werden. Sie kann jederzeit widerrufen werden, insbesondere, wenn Auflagen nicht erfüllt werden.

(4) Die ärztliche Leitung kann die Entscheidungsbefugnisse nach den Absätzen 1 bis 3 der behandelnden Ärztin, dem behandelnden Arzt, der behandelnden Psychologischen Psychotherapeutin oder dem behandelnden Psychologischen Psychotherapeuten übertragen.

(5) Vor Beginn der ersten Beurlaubung sind das zuständige Gericht, der Sozialpsychiatrische Dienst und die rechtliche Vertretung der untergebrachten Person, wenn eine solche bestellt ist, rechtzeitig zu benachrichtigen. Sie sind ebenfalls über den Widerruf einer Beurlaubung zu unterrichten.

§ 29 Offene Unterbringung

(1) Die Unterbringung soll, sobald ihr Zweck es zulässt, aufgelockert und in weitgehend freien Formen durchgeführt werden. Die Entscheidung über eine offene Unterbringung trifft die ärztliche Leitung der Einrichtung, die auch deren nähere Ausgestaltung festlegt. § 28 Absatz 4 gilt entsprechend. Gegen den Willen der untergebrachten Person ist ihre Behandlung in offener Form nicht zulässig.

(2) Der Beginn einer offenen Unterbringung ist dem zuständigen Gericht, dem Sozialpsychiatrischen Dienst und der rechtlichen Vertretung der untergebrachten Person, wenn eine solche bestellt ist, rechtzeitig mitzuteilen. Sie sind ebenfalls zu unterrichten, wenn die Entscheidung über eine offene Unterbringung rückgängig gemacht wird.

§ 30 Gestaltung der Unterbringung

(1) Die Unterbringung ist unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Ein täglicher Aufenthalt von mindestens einer Stunde im Freien soll ermöglicht werden. Der Schutz der Privatsphäre muss gewährleistet sein. Die Bereitschaft der untergebrachten Person, an der Erreichung des Zwecks ihrer Unterbringung mitzuwirken, soll geweckt, ihr Verantwortungsbewusstsein für ein geordnetes Zusammenleben in der Einrichtung soll gefördert werden.

(2) Kinder und Jugendliche sollen je nach der Eigenart und Schwere ihrer Krankheit und nach ihrem Entwicklungsstand untergebracht werden.

§ 31 Begleitende Hilfe

Der Sozialpsychiatrische Dienst leistet der untergebrachten Person und im Bedarfsfall deren Angehörigen während der Unterbringung begleitende Hilfe.

Abschnitt 4
Leben und Ordnung in der Einrichtung

§ 32 Hausordnung

(1) Jede Einrichtung erlässt eine Hausordnung, die der Zustimmung der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz bedarf.

(2) Die Hausordnung kann insbesondere Regelungen enthalten über die Einbringung von Gegenständen, die Ausgestaltung der Räume, die Einkaufsmöglichkeiten, ein Rauch-, Alkohol- oder Drogenverbot, die Besuchszeiten, die Nutzung von Telekommunikations- oder Unterhaltungsmedien, die Freizeitgestaltung sowie den regelmäßigen Aufenthalt im Freien. Den in der Einrichtung Beschäftigten sowie den Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern hat die Einrichtung bei der Erstellung der Hausordnung und bei jeder Überarbeitung Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben. Die Hausordnung ist durch ständigen Aushang in der Einrichtung allgemein bekannt zu machen.

(3) Durch die Hausordnung dürfen die Rechte der untergebrachten Person nicht weiter als nach diesem Gesetz zulässig eingeschränkt werden.

§ 33 Persönlicher Besitz

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, persönliche Gegenstände zu erwerben, zu benutzen und in ihrem Wohn- und Schlafbereich aufzubewahren.

(2) Dieses Recht darf durch die Hausordnung sowie durch Anordnung der ärztlichen Leitung im Einzelfall nur eingeschränkt werden, wenn und soweit für die untergebrachten Personen gesundheitliche Nachteile zu befürchten sind oder die Gegenstände geeignet sind, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung zu gefährden.

§ 34 Schriftwechsel, Pakete

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, Schreiben unbeschränkt und ungeöffnet abzusenden und zu empfangen.

(2) Schriftliche Mitteilungen der untergebrachten Person oder an die untergebrachte Person dürfen im Einzelfall nach Anordnung durch die ärztliche Leitung oder deren Stellvertretung von der behandelnden Ärztin, dem behandelnden Arzt, der behandelnden Psychologischen Psychotherapeutin oder dem behandelnden Psychologischen Psychotherapeuten geöffnet, eingesehen und gegebenenfalls zurückgehalten werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Weiterleitung der untergebrachten Person erhebliche gesundheitliche Nachteile zufügen oder die Sicherheit der Einrichtung gefährden könnte. Zurückgehaltene Schreiben sind an die Absenderin oder den Absender zurückzugeben.

(3) Absatz 2 gilt nicht für Schriftwechsel der untergebrachten Person mit

  1. ihrer rechtlichen oder anwaltlichen Vertretung,
  2. dem oder der für die Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zuständigen Seelsorger oder Seelsorgerin,
  3. Gerichten, Behörden und Staatsanwaltschaften,
  4. der Besuchskommission,
  5. der Patientenfürsprecherin oder dem Patientenfürsprecher,
  6. den in den Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven in den Versorgungsregionen eingerichteten Fürsprache- und Beschwerdestellen,
  7. der oder dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit der Freien Hansestadt Bremen,
  8. einer Volksvertretung des Bundes oder eines Landes sowie deren Mitgliedern,
  9. dem Europäischen Parlament und dessen Mitgliedern,
  10. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
  11. dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Strafe,
  12. dem Ausschuss nach Artikel 34 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und
  13. den diplomatischen oder konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes, wenn die untergebrachte Person eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Pakete entsprechend. Pakete dürfen in Abweichung von Absatz 2 auch durch von der ärztlichen Leitung hierfür beauftragte Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geöffnet und eingesehen werden. Die Einsichtnahme soll in Anwesenheit der untergebrachten Person erfolgen.

(5) Kenntnisse, die bei der Überwachung und Beschränkung des Postverkehrs gewonnen werden, sind vertraulich zu behandeln.

§ 35 Telefongespräche, digitale Kommunikation und Mediennutzung

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, auf eigene Kosten und mit eigenen Geräten Telefongespräche zu führen sowie an der digitalen Kommunikation und Mediennutzung teilzunehmen.

(2) Dieses Recht darf durch Anordnung der ärztlichen Leitung im Einzelfall eingeschränkt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kommunikation der untergebrachten Person erhebliche gesundheitliche Nachteile zufügen oder die Sicherheit der Einrichtung gefährden könnte.

(3) Werden Einschränkungen nach Absatz 2 vorgenommen, muss jedenfalls gewährleistet sein, dass die untergebrachte Person über die Telefonanlage der Einrichtung auf ihre Kosten Telefongespräche mit Personen außerhalb der Einrichtung führen kann.

§ 36 Besuche

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, im Rahmen der allgemeinen Besuchsregelung der Einrichtung Besuch zu empfangen.

(2) Ein Besuch darf nur untersagt oder beschränkt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Besuch der untergebrachten Person gesundheitliche Nachteile zufügen oder die Sicherheit der Einrichtung gefährden könnte. Die Untersagung bedarf der Anordnung durch einen Arzt, eine Ärztin, einen Psychologischen Psychotherapeuten oder eine Psychologische Psychotherapeutin der Einrichtung.

(3) Besuche der rechtlichen oder anwaltlichen Vertretung in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache dürfen nicht untersagt oder beschränkt werden.

§ 37 Schriftform der Anordnungen

Anordnungen nach den §§ 33 bis 36 sind schriftlich zu erlassen, zu begründen und der betroffenen Person auszuhändigen. Eine Kopie der Anordnung ist zur Patientenakte zu nehmen.

§ 38 Religionsausübung

(1) Die untergebrachte Person ist berechtigt, ihren Glauben nach den Regeln ihrer Religionsgemeinschaft auszuüben, soweit andere Menschen dadurch nicht beeinträchtigt werden. Sie hat das Recht, innerhalb der Einrichtung an Gottesdiensten und anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen, sofern diese angeboten werden.

(2) Auf ihren Wunsch ist die untergebrachte Person durch die Einrichtung zu unterstützen, wenn sie Kontakt mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger aufnehmen will.

(3) Die untergebrachte Person kann von der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn durch die Teilnahme die Behandlung oder die Sicherheit der Einrichtung erheblich gefährdet werden würde. Die Anordnung und die Festlegung der Dauer des Ausschlusses trifft eine Ärztin, ein Arzt, eine Psychologische Psychotherapeutin oder ein Psychologischer Psychotherapeut der Einrichtung. Die oder der für die Religionsgemeinschaft der untergebrachten Person zuständige Seelsorgerin oder Seelsorger soll vorher gehört werden.

(4) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

Abschnitt 5
Sicherungsmaßnahmen

§ 39 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Besondere Sicherheitsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn und solange von der untergebrachten Person eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von gewalttätigen Handlungen gegen Personen oder Sachen, der Selbstverletzung oder der Selbsttötung ausgeht und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig

  1. die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  2. die Absonderung von anderen untergebrachten Personen und
  3. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum.

(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur von einem Arzt oder einer Ärztin der Einrichtung aufgrund eigener Untersuchung befristet angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug dürfen sie auch von anderen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen der Einrichtung angeordnet werden; die ärztliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Maßnahme ist unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind.

(3) Bei der Maßnahme nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 ist eine ständige Überwachung durch pflegerisches Fachpersonal und das erforderliche Maß an ärztlicher Kontrolle zu gewährleisten. Eine optischelektronische Beobachtung oder die Überwachung durch sonstige technische Mittel ist verboten.

(4) Art, Beginn und Ende einer besonderen Sicherungsmaßnahme sowie die Gründe für ihre Anordnung sind zu dokumentieren.

§ 40 Fixierung

(1) Eine Fixierung liegt vor, wenn die tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit der untergebrachten Person gegen ihren natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen nach jeder Richtung hin weitgehend oder vollständig aufgehoben wird.

(2) Eine Fixierung ist zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten Person oder anderer Personen nur zulässig, wenn eine nach Art und Dauer weniger eingreifende Maßnahme nicht in Betracht kommt oder aussichtslos ist und diese Gefahr anders nicht abgewendet werden kann.

(3) Eine Fixierung darf nur von einer Ärztin oder einem Arzt der Einrichtung aufgrund eigener Untersuchung befristet angeordnet werden. Die Anordnung muss schriftlich erfolgen und Angaben zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit der Fixierung und deren voraussichtlicher Dauer enthalten.

(4) Die Anordnung der Fixierung bedarf der Genehmigung des zuständigen Gerichts, es sei denn, die Fixierung unterschreitet absehbar die Dauer von

30 Minuten. Kann eine vorherige richterliche Genehmigung nicht eingeholt werden, ohne den Zweck der Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr im Sinne des Absatz 2 Satz 1 zu gefährden, ist diese unverzüglich nachzuholen, es sei denn, dass bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass die richterliche Entscheidung erst nach Beendigung der Fixierung ergehen wird und eine erneute Anordnung nicht zu erwarten ist.

(5) Während der Dauer der Fixierung ist eine ständige Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal der Einrichtung sicherzustellen. In kurzfristigen Abständen ist von einer Ärztin oder einem Arzt der Einrichtung zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Fixierung weiterhin vorliegen. Die Fixierung ist unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind.

(6) Die Anordnung und Dauer einer Fixierung, die maßgeblichen Gründe für ihre Anordnung, ihre Durchsetzung sowie die Art und Häufigkeit ihrer Überwachung sind zu dokumentieren. Wird gemäß Absatz 4 Satz 2 eine nachträgliche Genehmigung nicht eingeholt, sind die Gründe für die Annahme zu dokumentieren, dass die richterliche Entscheidung erst nach Beendigung der Fixierung ergehen würde und eine erneute Anordnung nicht zu erwarten ist.

(7) Nach Beendigung der Fixierung ist die untergebrachte Person auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Hinweis ist zu dokumentieren.

§ 41 Durchsuchung

Die untergebrachte Person, ihre Sachen sowie ihr Wohn- und Schlafbereich dürfen nur durchsucht werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Person im Besitz von Gegenständen ist, die ihr erhebliche gesundheitliche Nachteile zufügen könnten oder die Sicherheit der Einrichtung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährden könnten. Die Durchsuchung ist mit Anlass und Ergebnis zu protokollieren; der untergebrachten Person ist ein Protokoll der Durchsuchung auszuhändigen. Eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung der untergebrachten Person ist unzulässig.

§ 42 Unmittelbarer Zwang

(1) Bedienstete der Einrichtung dürfen zur Durchsetzung der in diesem Gesetz vorgesehenen Einschränkungen der Rechte der untergebrachten Person unmittelbaren Zwang anwenden.

(2) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen und unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat zu verhindern oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr im Sinne von § 12 Absatz 2 abzuwenden.

(3) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(4) Eine Nachbesprechung der Anwendung unmittelbaren Zwangs soll abhängig vom Gesundheitszustand der untergebrachten Person zeitnah erfolgen.

(5) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs und die Nachbesprechung sind zu dokumentieren.

(6) Für Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes sind die Vorschriften des Bremischen Polizeigesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwangs anzuwenden.

Abschnitt 6
Beendigung der Unterbringung

§ 43 Aussetzung der Unterbringung

(1) Die Einrichtung unterrichtet unverzüglich das zuständige Gericht, wenn der Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse der untergebrachten Person es rechtfertigen, die Vollziehung der Unterbringung nach § 328 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auszusetzen. Sie teilt dem Gericht mit, ob und gegebenenfalls welche Auflagen aus ihrer Sicht erforderlich sind, um den bisherigen Behandlungserfolg nicht zu gefährden und die weitere Genesung zu fördern.

(2) Ist die Aussetzung der Vollziehung vom Gericht mit Auflagen über eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung und psychosoziale Beratung verbunden, gehört es zu den Aufgaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes, auf die Einhaltung der Auflagen hinzuwirken und die betreffende Person über die Folgen einer Unterbrechung der notwendigen ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung zu informieren.

(3) Die Ärztin oder der Arzt, die niedergelassene Psychotherapeutin oder der niedergelassene Psychotherapeut, die die untergebrachte Person aufgrund einer Auflage nach Absatz 2 behandeln, haben das zuständige Gericht unverzüglich zu unterrichten, wenn die ärztlichen oder psychotherapeutischen Anordnungen von der betroffenen Person nicht eingehalten werden oder eine weitere Behandlung nicht mehr erforderlich ist.

§ 44 Entlassung

(1) Die Einrichtung unterrichtet unverzüglich das zuständige Gericht, wenn nach ihrer fachlichen Einschätzung die Voraussetzungen einer Unterbringung nicht mehr vorliegen. Die untergebrachte Person kann bis zur Entscheidung des Gerichts beurlaubt werden.

(2) Die untergebrachte Person ist nach Aufhebung der Unterbringung durch das Gericht zu entlassen.

(3) Die untergebrachte Person ist nach Ablauf der vom Gericht bestimmten Dauer für die Unterbringungsmaßnahme zu entlassen, wenn nicht zum gleichen Zeitpunkt eine weitere Unterbringungsanordnung wirksam wird oder die betreffende Person aufgrund ihrer rechtswirksamen Einwilligung in der Einrichtung verbleibt.

(4) Die Einrichtung hat im Rahmen der Entlassungsvorbereitung rechtzeitig zu prüfen, ob zum Entlassungszeitpunkt weiterer Unterstützungs- und Behandlungsbedarf besteht. Die untergebrachte Person ist in dieser Hinsicht aufzuklären und zu beraten. Die Einrichtung arbeitet im Bedarfsfall mit den für die Vermittlung von Arbeit und Wohnraum zuständigen Stellen zusammen und wirkt unter Hinzuziehung des Sozialpsychiatrischen Dienstes darauf hin, dass verbindliche Absprachen mit den Leistungserbringern nach § 9 getroffen werden.

(5) Die Behörde, auf deren Antrag die Unterbringung gerichtlich angeordnet wurde, wird von der Einrichtung über die Entlassung unterrichtet. Soweit der Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch den Polizeivollzugsdienst gestellt wurde, ist zusätzlich die Ortspolizeibehörde zu unterrichten.

§ 45 Nachgehende Hilfen

Der Sozialpsychiatrische Dienst hat im Zusammenwirken mit den regionalen Versorgungsverbünden nach § 9 nachgehende Hilfen zu erbringen. Aufgabe der nachgehenden Hilfe ist es, Personen, die aus der Unterbringung oder einer sonstigen stationären psychiatrischen Behandlung entlassen worden sind, durch individuelle medizinische und psychosoziale Beratung und Betreuung den Übergang in das Leben außerhalb des Krankenhauses und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erleichtern.

Teil 4
Maßregelvollzug

Abschnitt 1
Grundlagen, Ziele, Einrichtungen

§ 46 Regelungsgegenstand, Ziele

(1) Der Maßregelvollzug betrifft Personen, die nach den §§ 63, 64 Strafgesetzbuch oder § 7 Jugendgerichtsgesetz aufgrund gerichtlicher Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Suchtklinik untergebracht sind.

(2) Die untergebrachten Personen sollen durch Behandlung und Betreuung (Therapie) befähigt werden, verantwortungsbewusst am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die Sicherheit und der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten soll gewährleistet werden.

(3) Die Therapie während des Vollzugs hat medizinischtherapeutischen und pädagogischen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Sie schließt beschäftigungs- und arbeitstherapeutische Angebote, Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung sowie die Gelegenheit zur Arbeit ein. Soweit wie möglich soll der Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden und die untergebrachte Person auf eine selbständige Lebensführung vorbereiten.

(4) Für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozessordnung, der Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens nach § 81 der Strafprozessordnung sowie einer Sicherungsmaßnahme nach § 463 der Strafprozessordnung in Verbindung mit § 453c der Strafprozessordnung gilt Teil 4 dieses Gesetzes entsprechend, soweit die Vorschriften der Strafprozessordnung nicht entgegenstehen.

§ 47 Einrichtungen

(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz bestimmt im Einvernehmen mit der Senatorin für Justiz und Verfassung die an dem Maßregelvollzug beteiligten Einrichtungen. Die Einrichtungen unterliegen der Fachaufsicht der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.

(2) Der Maßregelvollzug wird insbesondere in psychiatrischen Krankenhäusern und Allgemeinkrankenhäusern mit einer psychiatrischen Abteilung durchgeführt. Er kann darüber hinaus in Einrichtungen kommunaler oder freier Träger durchgeführt werden, die der psychiatrischen, psychotherapeutischen oder soziotherapeutischen Behandlung, Betreuung oder Rehabilitation dienen.

(3) Die Einrichtungen, in denen die Unterbringung erfolgt, sind baulich so zu gestalten, organisatorisch so zu gliedern sowie sachlich und personell so auszustatten, dass sie eine den individuellen Erfordernissen entsprechende Therapie sicherstellen können und der Schutz der Allgemeinheit gewährleistet ist. Im Übrigen gilt § 14 Absatz 3 bis 5 entsprechend.

(4) Mit anderen Ländern können Vollzugsgemeinschaften zur Durchführung des Maßregelvollzugs gegründet werden. Die Unterbringung kann aufgrund besonderer Vereinbarungen auch in Einrichtungen außerhalb des Landes Bremen vollzogen werden.

(5) Sofern für Transportfahrten im Rahmen des Maßregelvollzugs der Fahrdienst der Einrichtung nicht zur Verfügung steht, ist der Polizeivollzugsdienst für den Transport zuständig. Muss ein Transport aus medizinischen Gründen mit einem besonderen Fahrzeug zur Krankenbeförderung erfolgen, ist dies dem Polizeivollzugsdienst mit einem diesbezüglichen ärztlichen Attest mitzuteilen.

§ 48 Beleihung

(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz kann einer geeigneten juristischen Person des Privatrechts, an der das Land Bremen oder die Stadtgemeinden Bremen oder Bremerhaven mit mindestens satzungsändernder Mehrheit beteiligt sind, als Trägerin einer Einrichtung nach § 47 mit deren Zustimmung die Befugnis verleihen, den Maßregelvollzug im eigenen Namen und in Handlungsformen des öffentlichen Rechts durchzuführen. Die Beleihung erfolgt widerruflich durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag. Die Einrichtung unterliegt der Fachaufsicht der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.

(2) Im Übrigen gilt § 15 Absatz 2 entsprechend.

§ 49 Vollstreckungsplan

(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und die Senatorin für Justiz und Verfassung regeln einvernehmlich die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Einrichtungen des Maßregelvollzugs in einem Vollstreckungsplan.

(2) Abweichungen vom Vollstreckungsplan sind zulässig, wenn

  1. die Behandlung der untergebrachten Person oder ihre Eingliederung gefördert werden oder
  2. Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe die Abweichung rechtfertigen.

§ 50 Verlegung

(1) Die untergebrachte Person darf mit ihrer Zustimmung abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug von Maßregeln der Besserung und Sicherung zuständige Einrichtung verlegt werden, wenn dies mit dem Zweck des Maßregelvollzugs in Einklang steht.

(2) Ohne Zustimmung der untergebrachten Person darf ein Wechsel der Einrichtung nur angeordnet werden, wenn dieser

  1. für eine Behandlung der untergebrachten Person oder ihre Eingliederung nach der Entlassung notwendig ist,
  2. aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus Sicherheitsgründen unerlässlich ist.

§ 51 Gerichtliches Verfahren

Im Rahmen des Maßregelvollzugs gelten für das gerichtliche Verfahren und die gerichtliche Zuständigkeit die §§ 109 bis 121b des Strafvollzugsgesetzes des Bundes.

Abschnitt 2
Aufnahme und Behandlung

§ 52 Entscheidungsbefugnisse

§ 21 gilt entsprechend.

§ 53 Rechtsstellung der untergebrachten Person

§ 22 gilt entsprechend.

§ 54 Aufnahme

(1) Die untergebrachte Person ist bei der Aufnahme über ihre Rechte und Pflichten während des Maßregelvollzugs aufzuklären. § 24 gilt entsprechend.

(2) Die untergebrachte Person ist unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme, ärztlich zu untersuchen. Unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes und der von der untergebrachten Person im Einzelfall ausgehenden Gefahr ist das Maß der zur Sicherung der untergebrachten Person erforderlichen Freiheitsbeschränkungen festzulegen.

§ 55 Behandlung, Behandlungsplan

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf eine dem aktuellen wissenschaftlichen Stand der medizinischen, psychotherapeutischen, pflegerischen, und heilpädagogischen Erkenntnisse entsprechenden Behandlung der Erkrankung, die zu ihrer Unterbringung geführt hat (Anlasserkrankung). Dazu gehören auch die notwendigen ergotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen. Die Behandlung schließt die erforderlichen Untersuchungen ein.

(2) Unverzüglich nach der Aufnahme ist ein vorläufiger Behandlungsplan für die untergebrachte Person aufzustellen. Innerhalb von sechs Wochen nach der Aufnahme ist ein weitergehender Behandlungsplan aufzustellen, der die Persönlichkeit, das Alter, den Entwicklungsstand und die Lebensverhältnisse der untergebrachten Person sowie die von ihr ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit berücksichtigt. Der Behandlungsplan ist in Abständen von in der Regel vier Monaten zu überprüfen und der Entwicklung der untergebrachten Person anzupassen.

(3) Der Behandlungsplan ist mit der untergebrachten Person und gegebenenfalls ihrer rechtlichen Vertretung zu erörtern. Er soll mit der untergebrachten Person und gegebenenfalls ihrer rechtlichen Vertretung nach Möglichkeit gemeinsam entwickelt werden. Bei einer im einwilligungsfähigen Zustand zum Ausdruck gebrachten Ablehnung der Behandlung ist diese zu unterlassen. In diesem Fall ist die untergebrachte Person auf die medizinischen und möglichen rechtlichen Folgen der Ablehnung einer indizierten und angebotenen Behandlung hinzuweisen.

(4) Der Behandlungsplan hat insbesondere Angaben zu enthalten über

  1. die ärztliche, psychotherapeutische, sozialtherapeutische oder heilpädagogische Behandlung,
  2. die Art der Unterbringung,
  3. die Teilnahme an Unterrichtsveranstaltungen und an Maßnahmen der beruflichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung,
  4. Möglichkeiten der Freizeitgestaltung,
  5. die Einbeziehung von der untergebrachten Person nahestehenden Personen in die Behandlungsmaßnahmen, sofern die untergebrachte Person einwilligt,
  6. Vollzugslockerungen, Beurlaubungen und
  7. Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung und zur Teilhabe an der Gesellschaft.

§ 56 Ärztliche Maßnahmen

§ 26 gilt entsprechend.

§ 57 Ärztliche Maßnahmen bei Gefahr im Verzug

§ 27 gilt entsprechend.

§ 58 Andere Erkrankungen

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf Krankenhilfe, Vorsorgeleistungen und sonstige medizinische Leistungen entsprechend den Grundsätzen und Maßstäben der gesetzlichen Krankenversicherung.

(2) Kann eine Erkrankung in der Einrichtung des Maßregelvollzugs nicht geklärt oder behandelt werden, so ist die untergebrachte Person in einer für sie geeigneten Krankenabteilung einer anderen Einrichtung des Maßregelvollzugs oder in einem Krankenhaus außerhalb des Vollzugs unterzubringen.

§ 59 Gestaltung der Unterbringung

§ 30 gilt entsprechend.

§ 60 Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung

(1) Die untergebrachte Person erhält im Rahmen des Behandlungsplans beschäftigungs- und arbeitstherapeutische Angebote. Arbeitstherapeutische Angebote dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. Darüber hinaus soll die untergebrachte Person Gelegenheit zur Arbeit erhalten.

(2) Der untergebrachten Person soll im Rahmen des Maßregelvollzugs Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung, Umschulung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden. Ihr kann auch gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung oder Umschulung außerhalb der Einrichtung nachzugehen oder an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen teilzunehmen.

(3) Untergebrachte Personen, die die Berufsbildungsreife nicht erreicht haben, soll Unterricht in den zum Berufsbildungsabschluss führenden Fächern erteilt oder Gelegenheit gegeben werden, an einem der Art und Schwere der Beeinträchtigung entsprechenden Unterricht teilzunehmen. Bei der beruflichen Ausbildung oder Umschulung ist berufsbildender Unterricht zu ermöglichen. Absatz 2 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.

Abschnitt 3
Leben und Ordnung in der Einrichtung

§ 61 Hausordnung

§ 32 gilt entsprechend.

§ 62 Persönlicher Besitz

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, ihre persönliche Kleidung zu tragen sowie persönliche Gegenstände zu erwerben, zu benutzen und auf ihrem Zimmer aufzubewahren.

(2) Dieses Recht kann durch die Hausordnung sowie durch Anordnung der ärztlichen Leitung im Einzelfall eingeschränkt werden, wenn und soweit gesundheitliche Nachteile zu befürchten sind, die Sicherheit in der Einrichtung gefährdet ist oder die Einschränkung erforderlich ist, um das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung sicherzustellen. Unter diesen Voraussetzungen dürfen insbesondere bereits vorhandene oder neu erworbene Gegenstände kontrolliert, ihr Besitz eingeschränkt oder verboten oder eine Wegnahme angeordnet werden.

(3) Weggenommene Sachen sind für die untergebrachte Person aufzubewahren. Das Nähere regelt die Hausordnung.

§ 63 Schriftwechsel, Pakete

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, Schreiben unbeschränkt und ungeöffnet abzusenden und zu empfangen.

(2) Schriftliche Mitteilungen der untergebrachten Person oder an die untergebrachte Person dürfen durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt geöffnet und eingesehen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Weiterleitung der untergebrachten Person erhebliche gesundheitliche Nachteile zufügen oder die Sicherheit der Einrichtung gefährden könnte, insbesondere wenn Anhaltspunkte für das Einbringen von Suchtstoffen oder gefährlichen Gegenständen oder für die Verabredung von Straftaten bestehen.

(3) Ergibt die Einsichtnahme, dass eine schriftliche Mitteilung der untergebrachten Person geeignet ist, ihr Nachteile im Sinne von Absatz 2 zuzufügen oder Gefahren im Sinne von Absatz 2 hervorzurufen, kann sie der untergebrachten Person zurückgegeben werden. Ist eine rechtliche Vertretung vorhanden, erfolgt die Rückgabe an diese; die untergebrachte Person ist hiervon zu unterrichten.

(4) Ergibt die Einsichtnahme, dass eine an die untergebrachte Person gerichtete schriftliche Mitteilung geeignet ist, ihr Nachteile im Sinne von Absatz 2 zuzufügen oder Gefahren im Sinne von Absatz 2 hervorzurufen, kann sie zurückgehalten werden; in diesem Fall ist der Absender zu verständigen oder die schriftliche Mitteilung zurückzusenden, wobei der Grund anzugeben ist, weshalb sie der untergebrachten Person nicht ausgehändigt worden ist.

(5) Im Übrigen gilt § 34 Absatz 3 und 4 entsprechend.

§ 64 Telefongespräche, digitale Kommunikation und Mediennutzung

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, auf eigene Kosten Telefongespräche zu führen sowie an der digitalen Kommunikation und Mediennutzung teilzunehmen.

(2) Das Recht nach Absatz 1 darf durch die Hausordnung und durch Anordnung der ärztlichen Leitung im Einzelfall eingeschränkt werden, wenn und soweit durch die Kommunikation erhebliche gesundheitliche Nachteile für die untergebrachten Personen zu befürchten sind, die Sicherheit der Einrichtung gefährdet wird oder die Einschränkung erforderlich ist, um das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung sicherzustellen. Unter diesen Voraussetzungen darf auch die Nutzung von eigenen Anlagen, Geräten, Datenträgern und Medien verboten werden. Die Maßnahmen können sich auf den Inhalt der ein- und ausgehenden Kommunikation und Information sowie auf die gegebenenfalls hierzu erforderlichen Anlagen, Geräte, Datenträger und Medien beziehen.

(3) Werden Einschränkungen nach Absatz 2 vorgenommen, muss jedenfalls gewährleistet sein, dass die untergebrachte Person über die Telefonanlage der Einrichtung auf ihre Kosten Telefongespräche mit Personen außerhalb der Einrichtung führen kann.

§ 65 Besuche

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, im Rahmen der allgemeinen Besuchsregelung der Einrichtung Besuch zu empfangen.

(2) Ein Besuch darf nur untersagt oder beschränkt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Besuch der untergebrachten Person gesundheitliche Nachteile zufügen könnte oder die Sicherheit der Einrichtung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährden könnte.

(3) Aus Gründen der Sicherheit der Einrichtung kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich der Besucher oder die Besucherin durchsuchen lässt. Ein Besuch kann überwacht und abgebrochen oder die Übergabe von Gegenständen untersagt werden, wenn andernfalls gesundheitliche Nachteile für die untergebrachte Person zu befürchten oder die Sicherheit der Einrichtung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährdet wären.

(4) Besuche der rechtlichen oder anwaltlichen Vertretung in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache dürfen nicht untersagt werden. Absatz 3 Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass eine inhaltliche Überprüfung der von der Vertretung mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen unzulässig ist; die Übergabe dieser Schriftstücke oder Unterlagen an die untergebrachte Person darf nicht untersagt werden. Für Besuche von Verteidigern bleiben die §§ 148 und 148a der Strafprozessordnung unberührt.

(5) Die Anordnung über die Untersagung, Beschränkung oder Überwachung eines Besuchs sowie der Durchsuchung des Besuchs trifft der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin.

§ 66 Schriftform der Anordnungen

Anordnungen nach den §§ 62 bis 65 sind schriftlich zu erlassen, zu begründen und der betreffenden Person auszuhändigen. Eine Kopie der Anordnung ist zur Patientenakte zu nehmen.

§ 67 Vertraulichkeit

Kenntnisse, die bei Eingriffen in die Rechte nach den §§ 62 bis 65 erlangt werden, sind vertraulich zu behandeln. Sie dürfen nur zur Abwehr der Gefahren, die den Eingriff veranlasst haben, verwendet werden. Sie dürfen außerdem Behörden, die für die Verfolgung von Straftaten zuständig sind, mitgeteilt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine der in den §§ 138 Absatz 1 und 2 oder 181b des Strafgesetzbuches aufgeführten Straftaten, eine gefährliche oder schwere Körperverletzung, eine Entziehung Minderjähriger, eine Freiheitsberaubung, ein Diebstahl in den Fällen der §§ 244 und 244a des Strafgesetzbuches, ein besonders schwerer Fall des Diebstahls, eine Erpressung, eine gemeinschädliche Sachbeschädigung oder eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz begangen werden soll. Die gemäß Satz 1 erlangten Daten sind als solche zu bezeichnen. Nach der Übermittlung gemäß Satz 2 ist die Kennzeichnung bei der weiteren Datennutzung aufrecht zu erhalten.

§ 68 Religionsausübung

§ 38 gilt entsprechend.

Abschnitt 4
Sicherungsmaßnahmen

§ 69 Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Zur Sicherung des Vollzugs der Maßregel werden auf Ersuchen der Einrichtung vom Polizeivollzugsdienstes erkennungsdienstliche Unterlagen von der untergebrachten Person angefertigt. Zu diesem Zweck können Lichtbilder aufgenommen, äußerliche körperliche Merkmale festgestellt und Messungen vorgenommen werden.

(2) Die erkennungsdienstlichen Unterlagen sind, soweit sie nicht zugleich für die Behandlung erforderlich sind, getrennt von den Krankenunterlagen aufzubewahren.

(3) Die Verarbeitung der nach Absatz 1 erhobenen Daten für andere als die in Absatz 1 genannten Zwecke ist zulässig, soweit dies erforderlich ist

  1. für Zwecke der Fahndung und Festnahme einer entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung aufhaltenden Person oder
  2. zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten oder zur Verhinderung oder
    Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährdet werden.

(4) Die nach Absatz 1 erhobenen Daten sind nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug unverzüglich zu löschen.

§ 70 Durchsuchung und Untersuchung

(1) Die untergebrachte Person, ihre Sachen sowie ihr Wohn- und Schlafbereich dürfen nur durchsucht werden, wenn und soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Durchsuchung erforderlich ist, um Gegenstände aufzufinden und sicherzustellen, die der betreffenden Person oder anderen untergebrachten Personen erhebliche gesundheitliche Nachteile zufügen könnten oder die Sicherheit der Einrichtung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährden könnten.

(2) Eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung ist nur bei begründetem Verdacht zulässig, dass die untergebrachte Person Waffen, andere gefährliche Gegenstände oder Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, am Körper führt. Die Durchsuchung ist im Wege der Halbentkleidung durchzuführen und muss in einem geschlossenen Raum erfolgen; andere untergebrachte Personen dürfen nicht anwesend sein. Frauen dürfen nur durch weibliches Personal, Männer nur durch männliches Personal durchsucht werden. Bei berechtigtem Interesse soll dem Wunsch der untergebrachten Person, die Durchsuchung einer Person bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. Die Durchsuchung hat in Anwesenheit mindestens einer weiteren Mitarbeiterin oder eines weiteren Mitarbeiters gleichen Geschlechts zu erfolgen; auf Verlangen der untergebrachten Person soll die Anwesenheit einer Person ihres Vertrauens zugelassen werden.

(3) Bei begründetem Verdacht, dass eine untergebrachte Person Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, im Körper oder in Körperhöhlen bei sich führt, kann eine körperliche Untersuchung der betreffenden Person angeordnet werden. Die Untersuchung darf nur die ärztliche Leitung der Einrichtung und im Vertretungsfall ihre Stellvertretung anordnen. Sie bedarf vor ihrer Ausführung der Genehmigung des zuständigen Gerichts und ist von einer Ärztin oder einem Arzt vorzunehmen.

(4) Sind in den Fällen des Absatzes 2 und 3 Waffen, andere gefährliche Gegenstände oder Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, aufgefunden worden, kann die ärztliche Leitung befristet anordnen, dass die betreffende Person nach jedem Besuch und nach jeder Abwesenheit zu durchsuchen oder zu untersuchen ist.

(5) Bei suchtgefährdeten untergebrachten Personen können die Untersuchungen durchgeführt werden, die zum Nachweis von im Körper befindlichen Stoffen notwendig sind. Die Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(6) Die Durchsuchung oder Untersuchung, ihr Anlass und das Ergebnis sind zu protokollieren. Das Protokoll ist der untergebrachten Person zur Kenntnis zu geben, eine Kopie ist zur Patientenakte zu nehmen.

§ 71 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn und solange von der untergebrachten Person eine gegenwärtige Gefahr von gewalttätigen Handlungen gegen Personen und Sachen, der Selbstverletzung, der Selbsttötung oder der Flucht ausgeht und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig

  1. die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  2. die Absonderung von anderen untergebrachten Personen,
  3. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum und
  4. die Fesselung bei Ausführungen, Vorführungen oder Transporten.

(2) Im Übrigen gilt § 39 Absatz 2 bis 4 entsprechend.

§ 72 Fixierung

§ 40 gilt entsprechend.

§ 73 Unmittelbarer Zwang

§ 42 gilt entsprechend.

§ 74 Festnahmerecht

Hält sich die untergebrachte Person ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung auf, so kann sie durch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Einrichtung festgenommen und zurückgebracht werden. Zur Durchsetzung der Maßnahme ist unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Fesselung der Person zulässig.

§ 75 Optischelektronische Überwachung

(1) Eine Videobeobachtung und Videoaufzeichnung (Videoüberwachung) im Eingangsbereich der Einrichtung, an den Außenseiten und an den Grenzen der Einrichtung ist mittels offen angebrachter optischelektronischer Anlagen auf Anordnung der ärztlichen Leitung zulässig, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Durchführung des Maßregelvollzugs sowie aus Gründen der Sicherheit in der Einrichtung notwendig ist, insbesondere um das unbefugte Betreten und Verlassen der Einrichtung zu unterbinden.

(2) In Schlaf-, Aufenthalts-, Wohn- und Kriseninterventionsräumen sowie in Bädern und Toiletten ist die Videoüberwachung nicht zulässig.

(3) Auf den Umstand der Videoüberwachung ist durch geeignete Maßnahmen hinzuweisen.

(4) Die nach Absatz 1 mittels optischelektronischer Anlagen erhobenen Daten dürfen für einen Zeitraum von bis zu 48 Stunden gespeichert werden. Eine Speicherung über diesen Zeitraum ist nur zulässig, soweit und solange dies zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erforderlich ist. Im Übrigen sind die Daten zu löschen.

Abschnitt 5
Finanzielle Regelungen

§ 76 Taschengeld, Verfügung über andere Gelder

(1) Die untergebrachte Person darf über Bargeld bis zur Höhe des jeweils aktuell gültigen Taschengeldsatzes in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch frei verfügen, soweit dies im Einklang mit dem Behandlungsplan steht.

(2) Über sonstige Geldbeträge und sonstiges Vermögen darf die untergebrachte Person nur mit Genehmigung der Einrichtung verfügen, es sei denn, dass sich die Verfügungen nicht auf das Leben in der Einrichtung auswirken.

(3) Geldbeträge, die von der untergebrachten Person in die Vollzugseinrichtung eingebracht werden oder die sie während der Unterbringung dort erhält, sind, soweit sie nicht von der rechtlichen Vertretung der untergebrachten Person verwaltet werden, oder als Beitrag für das Überbrückungsgeld nach § 78 oder zu den Kosten der Unterbringung nach § 103 in Anspruch genommen werden, von der Einrichtung für die untergebrachte Person zu verwahren.

§ 77 Anerkennungsbetrag, Arbeitsentgelt

(1) Für die Teilnahme der untergebrachten Person an arbeitstherapeutischen Maßnahmen, an heilpädagogischer Förderung und Unterricht, an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung oder Umschulung kann ein Anerkennungsbetrag gewährt werden.

(2) Sofern wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen erbracht werden, ist hierfür ein angemessenes Entgelt zu gewähren.

(3) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz regelt im Einvernehmen mit der Senatorin für Justiz und Verfassung die Höhe des Anerkennungsbetrags und des Arbeitsentgelts.

§ 78 Überbrückungsgeld

(1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen ist ein Überbrückungsgeld zu bilden. Die Höhe des Überbrückungsgeldes bestimmt sich nach dem Betrag, den die untergebrachte Person sowie deren Unterhaltsberechtigte für die ersten zwei Monate nach der Entlassung als notwendigen Lebensunterhalt entsprechend den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch benötigen.

(2) Das Überbrückungsgeld soll bei der Entlassung ausgezahlt werden.

Abschnitt 6
Vollzugslockerungen, Forensischpsychiatrische Ambulanz

§ 79 Maß des Freiheitsentzugs

(1) Das Maß des Freiheitsentzugs richtet sich nach dem Krankheitsbild und dem Erfolg der Therapie. Daneben sind Gefährdungen zu berücksichtigen, die von der untergebrachten Person ausgehen können. Der Vollzug der Maßregel soll gelockert werden, sobald

  1. zu erwarten ist, dass dadurch die Ziele des Maßregelvollzugs gefördert werden, und
  2. nach allen aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Lockerungen nicht missbrauchen, insbesondere die Allgemeinheit nicht durch rechtswidrige Taten gefährden wird.

Vollzugslockerungen sind bei der Fortschreibung des Behandlungsplans zu überprüfen und anzupassen.

(2) Lockerungen des Vollzugs umfassen insbesondere

  1. den Ausgang für eine bestimmte Zeit innerhalb eines Tages mit Aufsicht,
  2. das Ausüben einer regelmäßigen Beschäftigung außerhalb der Einrichtung unter Aufsicht,
  3. den Ausgang für eine bestimmte Zeit innerhalb eines Tages ohne Aufsicht,
  4. die Beurlaubung (maximal 120 Kalendertagen im Kalenderjahr),
  5. die Verlegung in eine nicht geschlossene Vollzugseinrichtung,
  6. das Ausüben einer regelmäßigen Beschäftigung außerhalb der Einrichtung ohne Aufsicht,
  7. die weitere Teilnahme an den therapeutischen Maßnahmen der Einrichtung, wenn die untergebrachte Person außerhalb der Einrichtung wohnt.

(3) Ausgang mit oder ohne Aufsicht kann auch zur Erledigung persönlicher, familiärer, rechtlicher oder geschäftlicher Angelegenheiten, zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen oder aus sonstigen wichtigen Gründen bewilligt werden.

§ 80 Weisungen, Widerruf von Vollzugslockerungen

(1) Vollzugslockerungen können mit Auflagen und Weisungen verbunden werden, insbesondere

  1. die ärztliche Behandlung weiterzuführen,
  2. Anordnungen über den Aufenthalt oder ein bestimmtes Verhalten außerhalb der Einrichtung zu befolgen,
  3. sich an festgelegten Orten und zu festgelegten Zeiten persönlich zu melden,
  4. in bestimmten zeitlichen Abständen in die Vollzugseinrichtung zurückzukehren.

(2) Vollzugslockerungen können widerrufen werden, wenn

  1. nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung gerechtfertigt hätten,
  2. die untergebrachte Person die Vollzugslockerungen missbraucht oder
  3. die untergebrachte Person Auflagen und Weisungen nicht nachkommt.

§ 81 Entscheidung über Vollzugslockerungen

(1) Über Vollzugslockerungen sowie deren Widerruf entscheidet die ärztliche Leitung der Einrichtung. Die Ablehnung von Vollzugslockerungen sowie deren Widerruf ergeht schriftlich und ist zu begründen; eine Kopie der Entscheidung ist zur Patientenakte zu nehmen.

(2) Vollzugslockerungen nach § 79 Absatz 2 Nummer 3 bis 7 werden der Vollstreckungsbehörde rechtzeitig von der Einrichtung mitgeteilt. Näheres zur Beteiligung der Vollstreckungsbehörde kann die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit der Senatorin für Justiz und Verfassung regeln.

§ 82 Anregung einer Aussetzung zur Bewährung

Die Einrichtung unterrichtet die Vollstreckungsbehörde und die Strafvollstreckungskammer, sobald sie es für geboten hält, die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen.

§ 83 Forensisch-psychiatrische Ambulanz

(1) Die Einrichtung ist verpflichtet, eine forensisch-psychiatrische Ambulanz zu betreiben, die die betroffene Person ärztlich sowie psycho- und sozialtherapeutisch betreut, wenn

  1. die Vollzugslockerungen nach § 79 dieses Gesetzes so weit vorangeschritten sind, dass keine stationäre Unterbringung mehr erforderlich ist oder
  2. die betroffene Person entweder im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung oder nach Erledigung der Unterbringung der Führungsaufsicht nach § 68 StGB unterliegt.

(2) Die forensischpsychiatrische Ambulanz hat die Aufgabe, die Wiedereingliederung und gesellschaftliche Teilhabe der betroffenen Person fachlich zu unterstützen. Sie arbeitet im Rahmen der Führungsaufsicht mit der Führungsaufsichtsstelle und der Bewährungshilfe zusammen.

Teil 5
Beschwerde, Rechtsschutz, externe Überprüfung

§ 84 Beschwerde

Die untergebrachte Person hat das Recht, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden an die ärztliche Leitung der Einrichtung, die Fachaufsichtsbehörde, die Patientenfürsprecherin oder den Patientenfürsprecher oder die Besuchskommission zu wenden. Die Einrichtungen organisieren die zur Wahrnehmung dieses Rechts erforderlichen Verfahrensabläufe.

§ 85 Rechtsschutz

(1) Maßnahmen der Einrichtung zur Regelung einzelner Vollzugsangelegenheiten sind, sofern dieses Gesetz nicht bereits ausdrücklich eine schriftliche Anordnung und Begründung vorsieht, auf Antrag der betroffenen Person schriftlich zu begründen.

(2) Die Beschwerdemöglichkeiten nach diesem Gesetz lassen das Recht der untergebrachten Person unberührt, gegen Maßnahmen zur Regelung einzelner Vollzugsangelegenheiten eine Entscheidung des Gerichts zu beantragen.

§ 86 Meldepflichten

Die Einrichtungen melden der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz vierteljährlich in anonymisierter Form

  1. die Anzahl und Dauer der sofortigen Unterbringungen und Zurückhaltungen nach §§ 19, 20 sowie der gerichtlich angeordneten Unterbringungen nach Teil 3,
  2. die Anzahl und Dauer der Unterbringungen nach Teil 4,
  3. die Art, Zahl und Dauer von besonderen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 39, 40 und §§ 69, 70 und
  4. die Anzahl der ärztlichen Zwangsbehandlungen nach §§ 26, 27 sowie §§ 56, 57.

Die Meldepflichten nach Satz 1 lassen die Melde- und Informationspflichten im Rahmen der Fachaufsicht unberührt.

§ 87 Patientenfürsprecherin und Patientenfürsprecher

In jeder Einrichtung nach §§ 14, 15 und §§ 47, 48 wird für die dort untergebrachten Personen eine Patientenfürsprecherin oder ein Patientenfürsprecher berufen. Für das Berufungsverfahren, die Berichtspflicht der zuständigen Behörde sowie die Aufgaben und die Rechtsstellung der Patientenfürsprecherin oder des Patientenfürsprechers gilt § 30 Absatz 1 bis 3 des Bremischen Krankenhausgesetzes entsprechend. Bei der Patientenfürsprecherin oder dem Patientenfürsprecher soll es sich nach Möglichkeit um eine psychiatrieerfahrene Person handeln.

§ 88 Besuchskommission

(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz beruft eine Besuchskommission, die in der Regel ohne Anmeldung jährlich mindestens einmal die Einrichtungen nach §§ 14, 15 und nach §§ 47, 48 besucht und überprüft, ob die mit der Unterbringung, Behandlung und Betreuung nach Teil 3 und Teil 4 verbundenen Aufgaben erfüllt und die Rechte der untergebrachten Personen gewahrt werden. Dabei ist den untergebrachten Personen Gelegenheit zu geben, Wünsche und Beschwerden vorzutragen.

(2) Der Besuchskommission ist ungehinderter Zugang zu den Einrichtungen und den Patienten zu gewähren. Die Einsicht in die über die untergebrachte Person vorhandenen Unterlagen ist mit Einverständnis der untergebrachten Person oder der gesetzlichen Vertretung zu ermöglichen. Der untergebrachten Person oder der rechtlichen Vertretung ist bei der Aufnahme Gelegenheit zu geben, der Besuchskommission die Einwilligung in die Einsichtnahme der Krankenunterlagen schriftlich zu erteilen.

(3) Die Besuchskommission soll sich darüber hinaus in anderen Einrichtungen, in denen psychisch Kranke behandelt und betreut werden, einen Eindruck über die Versorgung psychisch Kranker verschaffen.

(4) Innerhalb von zwei Monaten nach jedem Besuch einer Einrichtung fertigt die Besuchskommission einen Bericht an, der auch die Wünsche und Beschwerden der Betroffenen enthält und zu ihnen Stellung nimmt. Akute Mängel oder Probleme soll die Besuchskommission direkt im Anschluss an den Besuch mit der ärztlichen Leitung der Einrichtung besprechen. Die Fachaufsichtsbehörde ist verantwortlich für die Weiterverfolgung von Mängeln, die die Besuchskommission feststellt. Hierzu gehören eine Mängelbeschreibung, ein Maßnahmenplan und eine Fristsetzung zur Behebung von Mängeln. Eine Zusammenfassung der Berichte der Besuchskommission übersendet der Senat der Bremischen Bürgerschaft mindestens alle zwei Jahre.

(5) Über Berichte und Stellungnahmen zu Besuchen von Delegationen nach § 89 in Unterbringungseinrichtungen im Land Bremen hat die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz unverzüglich die Mitglieder der Besuchskommission zu unterrichten.

(6) Der Besuchskommission gehören an

  1. eine Vertreterin oder ein Vertreter der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz,
  2. eine Fachärztin oder ein Facharzt für Psychiatrie,
  3. eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut,
  4. eine Vertreterin oder ein Vertreter aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie,
  5. eine Richterin oder ein Richter,
  6. eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Trägers der Hilfen nach Teil 2 aus Bremen bei Besuchen in der Stadtgemeinde Bremen und eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Trägers der Hilfen nach Teil 2 aus Bremerhaven bei Besuchen in der Stadtgemeinde Bremerhaven,
  7. eine Vertreterin oder ein Vertreter des Landesverbandes der Psychiatrieerfahrenen,
  8. eine Vertreterin oder ein Vertreter des Landesverbandes der Angehörigen psychisch kranker Menschen,
  9. eine Vertreterin oder ein Vertreter der oder des Landesbehindertenbeauftragten der Freien Hansastadt Bremen.

Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz beruft die Mitglieder der Besuchskommission auf Vorschlag der zuständigen Deputation und benennt ein Mitglied, das Ansprechpartner für psychisch Kranke und deren Angehörige ist und deren Interessen vertritt. Für jedes Mitglied ist mindestens eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu berufen. Die zuständige Deputation kann der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz als Stellvertretungen auch andere geeignete Personen, auch für Besuche in einer bestimmten Stadtgemeinde, vorschlagen.

(7) Die Mitglieder und ihre Stellvertreterinnen oder Stellvertreter werden für zwei Jahre berufen. Eine erneute Berufung ist zulässig. Die bisherigen Mitglieder und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter bleiben jeweils bis zur Neubestellung im Amt.

(8) Die Mitglieder der Besuchskommission sind nicht an Weisungen gebunden. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ihre Entschädigung richtet sich nach den Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

(9) Die Besuchskommission gibt sich eine Geschäftsordnung.

§ 89 Befugnisse von Delegationen auf völkerrechtlicher oder staatsvertraglicher Grundlage

Die Mitglieder einer Delegation des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Unterausschusses zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter erhalten während des Besuchs in einer Unterbringungseinrichtung Einsicht in die vorhandenen Akten der untergebrachten Person, mit Ausnahme der Therapiegespräche, soweit dies zur Wahrnehmung der Aufgabe des Ausschusses oder der Stelle erforderlich ist.

Teil 6
Datenschutz

§ 90 Verhältnis zu anderen datenschutzrechtlichen Vorschriften

Die datenschutzrechtlichen Vorschriften dieses Gesetzes ergänzen die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (EU-Datenschutz-Grundverordnung) sowie die Vorschriften des Bremischen Ausführungsgesetzes zur EU-Datenschutz-Grundverordnung.

§ 91 Grundlagen der Verarbeitung personenbezogener Daten

(1) Die für die Durchführung von Aufgaben nach diesem Gesetz zuständigen Stellen sowie die nach diesem Gesetz tätigen Personen, Krankenhäuser oder sonstige Einrichtungen (Verantwortliche) dürfen unter Beachtung der Regelungen in den §§ 92 bis 99 personenbezogene Daten der psychisch erkrankten oder der untergebrachten Personen verarbeiten, soweit

  1. die Verarbeitung zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist,
  2. die Verarbeitung nach anderen Rechtsvorschriften erlaubt ist oder
  3. die psychisch erkrankte Person oder die untergebrachte Person in die Verarbeitung ausdrücklich eingewilligt hat.

(2) Die Bedingungen der Einwilligung regelt Artikel 7 der EU-Datenschutz-Grundverordnung. Die Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten der psychisch erkrankten oder untergebrachten Person muss schriftlich erfolgen. Wird eine Einwilligung eingeholt, ist die betroffene Person auf den Zweck der Verarbeitung sowie auf die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit hinzuweisen. Soweit besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet werden, muss sich die Einwilligung ausdrücklich auf diese Daten beziehen.

§ 92 Besonderer Schutz von Gesundheitsdaten

Sofern im Rahmen der Aufgabenerfüllung Gesundheitsdaten oder andere besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet werden, sind die Anforderungen des Artikel 9 der EU-Datenschutz-Grundverordnung sowie des § 11 des Bremischen Ausführungsgesetzes zur EU-Datenschutz-Grundverordnung zu beachten. Eine Weitergabe von Gesundheitsdaten ist nur zulässig, wenn und soweit dies nach diesem Gesetz ausdrücklich erlaubt und zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz unerlässlich ist.

§ 93 Verschwiegenheit

Personenbezogene Daten, die bei der Durchführung dieses Gesetzes erhoben werden, unterliegen der Schweigepflicht. Sie dürfen von denjenigen, die in Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz von ihnen Kenntnis erlangt haben, an Dritte nur weitergegeben werden, wenn und soweit dies nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften ausdrücklich erlaubt ist.

§ 94 Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Sozialpsychiatrischen Dienst

(1) Personenbezogene Daten, die vom Sozialpsychiatrischen Dienst zur Erfüllung von Aufgaben nach diesem Gesetz erhoben und gespeichert worden sind, insbesondere Untersuchungsergebnisse, ärztliche Zeugnisse und der Aufenthalt einer nach diesem Gesetz untergebrachten Person, dürfen für andere Zwecke als jene, zu denen sie erhoben oder erstmalig gespeichert worden sind, nur verarbeitet werden, wenn die betroffene Person eingewilligt hat oder eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben der betreffenden Person oder anderer Personen nicht anders abgewendet werden kann.

(2) Personenbezogene Daten dürfen Bezugspersonen der psychisch erkrankten Person auch ohne deren Einwilligung mitgeteilt werden, wenn nur so Hilfen nach Teil 2 dieses Gesetzes geleistet werden können. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Mitteilung und deren Inhalt sind zu dokumentieren.

(3) Ist anzunehmen, dass eine Person aufgrund ihrer psychischen Erkrankung das eigene Leben oder die eigene Gesundheit oder Leben, Gesundheit oder andere, in der Bedeutung vergleichbare Rechtsgüter einer anderen Person gefährdet, so kann der Sozialpsychiatrische Dienst die für die Abwehr der Gefahr jeweils zuständige Behörde über die Gefahrenlage unterrichten. Ist anzunehmen, dass von der erkrankten Person eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person ausgeht oder dass sie Zugang zu erlaubnispflichtigen Schusswaffen hat, darf eine Unterrichtung nach Satz 1 nur im begründeten Ausnahmefall unterbleiben; diese Entscheidung und ihre Gründe sind zu dokumentieren.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend im Falle einer Aufgabenübertragung nach § 7 Absatz 2.

§ 95 Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Ortspolizeibehörde und den Polizeivollzugsdienst

Ist anzunehmen, dass eine Person aufgrund ihrer psychischen Erkrankung Leben, Gesundheit oder andere, in der Bedeutung vergleichbare Rechtsgüter einer anderen Person gefährdet, so können die Ortspolizeibehörde oder der Polizeivollzugsdienst die für die Abwehr der Gefahr jeweils zuständige Behörde über die Gefahrenlage unterrichten. Darüber hinaus dürfen personenbezogene Daten der betroffenen Person, die der Ortspolizeibehörde oder dem Polizeivollzugsdienst im Rahmen des Unterbringungsverfahrens nach Teil 3 bekannt werden, nur zur Durchführung dieses Gesetzes oder zur Verfolgung von Straftaten verwendet werden.

§ 96 Zusammenwirken von Berufsgeheimnisträgern

Die in oder außerhalb von Unterbringungseinrichtungen nach Teil 3 oder Teil 4 tätigen und mit der Unterbringung, Beratung, Behandlung, Wiedereingliederung oder Sicherung von untergebrachten Personen beauftragten Berufsgeheimnisträger sind im Hinblick auf den Austausch personenbezogener Daten untereinander zur Beachtung des Schutzes personenbezogener Daten verpflichtet. Sie unterliegen im Verhältnis zueinander, soweit sie gleichzeitig oder nacheinander dieselbe Person behandeln, nicht der Schweigepflicht und sind zur umfassenden Information und Auskunft in dem Umfang verpflichtet, als

  1. dies zum Zwecke einer zielgerichteten gemeinsamen und kontinuierlichen Behandlung erforderlich ist,
  2. eine wirksame Einwilligung der betroffenen Person vorliegt oder
  3. eine gegenseitige Offenbarung von Gesetzes wegen vorgesehen ist.

§ 97 Datenerhebung im Maßregelvollzug

(1) Im Rahmen der Unterbringung nach Teil 4 sind Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Psychologinnen und Psychologen, Gerichte und Behörden befugt, der Einrichtung Strafurteile, staatsanwaltliche Ermittlungssachverhalte, psychiatrische und psychologische Gutachten aus gerichtlichen oder staatsanwaltlichen Verfahren, den Lebenslauf und Angaben über bisherige Entwicklung sowie Angaben über Krankheiten, Körperschäden und Verhaltensauffälligkeiten der untergebrachten Person zu übermitteln, es sei denn, dass Rechtsvorschriften außerhalb der allgemeinen Regelungen über die Berufs- und Amtsverschwiegenheit dies untersagen.

(2) Die Einrichtung darf im Rahmen des Maßregelvollzugs listenmäßig erfassen und speichern, welche Personen zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Zweck die Einrichtung betreten oder verlassen haben.

§ 98 Datenübermittlung durch die Einrichtung an Dritte

(1) Einrichtungen nach Teil 3 und Teil 4 dieses Gesetzes dürfen außer mit Einwilligung der untergebrachten Person personenbezogene Daten an Personen und Stellen außerhalb der Einrichtung nur übermitteln, wenn und solange dies erforderlich ist

  1. zur Weiterbehandlung der untergebrachten Person in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung, wenn die Person dorthin verlegt worden ist oder verlegt werden soll,
  2. zur Vorbereitung und Sicherstellung der erforderlichen nachgehenden Hilfen nach §§ 44, 45 und zur Erfüllung der Aufgaben der forensischpsychiatrischen Ambulanz nach § 83,
  3. zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder persönliche Freiheit anderer Personen oder für sonstige bedeutende Rechtsgüter an die jeweils zur Abwehr der Gefahr zuständigen Behörde, wenn deren Abwendung ohne die Weitergabe der Daten nicht möglich ist,
  4. zur Abwehr erheblicher Nachteile für untergebrachte Personen, sofern diese Nachteile die Geheimhaltungsinteressen überwiegen und die Abwehr der Nachteile anders als durch die Weitergabe der Daten nicht möglich ist,
  5. im Rahmen eines Verfahrens über die Bestellung einer rechtlichen Vertretung für die untergebrachte Person,
  6. zur Durchsetzung von Ansprüchen der Einrichtung, zur Abwehr von behaupteten Ansprüchen Dritter oder zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die gegen die Einrichtung gerichtet sind,
  7. im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung von Gerichten, des Sozialpsychiatrischen Dienstes, der Vollstreckungsbehörde, der Bewährungshilfe, der Führungsaufsicht oder der rechtlichen Vertretung der betroffenen Person,
  8. für die Erstellung von Gutachten durch externe Sachverständige, die von der Einrichtung beauftragt worden sind,
  9. zur Ausübung der Fachaufsicht nach diesem Gesetz oder
  10. zur Rechnungslegung und -prüfung oder zur Durchführung von Organisationsuntersuchungen, soweit diese Aufgaben nicht auf andere Weise, insbesondere mit anonymisierten Daten, erfüllt werden können.

(2) Die Übermittlung von Daten

  1. zur Durchführung einer Maßnahme der Schul- oder Berufsausbildung, der Umschulung oder der Berufsförderung oder zur Berufsausübung außerhalb der Einrichtung oder
  2. zur Unterrichtung der Besuchskommission

darf nur erfolgen, wenn die untergebrachte Person eingewilligt hat.

(3) Die empfangende Stelle oder Person darf die ihr übermittelten personenbezogenen Daten nur für die Zwecke verwenden, für die sie übermittelt worden sind.

§ 99 Datenverarbeitung für wissenschaftliche Zwecke

Für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu Forschungszwecken gilt § 39 des Bremischen Krankenhausgesetzes entsprechend.

§ 100 Datenlöschung

(1) Die zur Erfüllung der Aufgaben nach Teil 2 unter dem Namen einer psychisch erkrankten Person gespeicherten personenbezogenen Daten sind zu löschen

  1. von der für die Gewährung von Hilfen zuständigen Behörde spätestens 10 Jahre nach der Beendigung der Gewährung von Hilfen,
  2. von der für Maßnahmen nach § 6 zuständigen Behörde spätestens 10 Jahre nach Beendigung der Maßnahmen.

(2) Die zur Erfüllung der Aufgaben nach Teil 3 unter dem Namen einer psychisch erkrankten Person gespeicherten personenbezogenen Daten sind zu löschen

  1. von der für die Beantragung einer Unterbringung und die Anordnung einer sofortigen Unterbringung zuständigen Behörde spätestens drei Jahre nach Beendigung des Unterbringungsverfahrens,
  2. von der Einrichtung, in der die betreffende Person untergebracht worden ist, spätestens zehn Jahre nach Beendigung der Unterbringung.

(3) Die zur Erfüllung der Aufgaben nach Teil 4 unter dem Namen der untergebrachten Person gespeicherten personenbezogenen Daten sind von der Vollzugseinrichtung spätestens 10 Jahre nach Beendigung der Unterbringung zu löschen.

(4) Soweit zu den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Zeitpunkten ein Rechtsstreit anhängig ist, sind die für diesen Rechtsstreit benötigten Daten drei Jahre nach Beendigung des Rechtsstreits zu löschen.

§ 101 Auskunft und Einsichtsrecht in Akten und Dateien

(1) Ergänzend zum Auskunftsrecht nach Artikel 15 der EU-Datenschutz-Grundverordnung, ist der betroffenen Person auf Verlangen nach dieser Vorschrift Einsicht in die sie betreffenden Akten und Dateien der für die Aufgaben nach diesem Gesetz zuständigen Stellen sowie in die sie betreffenden Akten und Dateien der Einrichtungen nach Teil 3 und 4 zu gewähren.

(2) Die Gewährung von Auskunft und Einsicht nach Absatz 1 kann unterbleiben, soweit und solange ihr erhebliche therapeutische Gründe entgegenstehen; sie ist zu versagen, soweit ihr schutzwürdige Interessen anderer Personen entgegenstehen.

(3) Die Ablehnung von Auskunft und Einsichtnahme ist schriftlich zu begründen; eine Kopie der Entscheidung ist zur Patientenakte zu nehmen. In der schriftlichen Begründung ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs sowie bei Ablehnung einer Auskunft auf das Recht auf Beschwerde bei der oder dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit hinzuweisen.

Teil 7
Kosten

§ 102 Kosten der Hilfen und sonstiger Maßnahmen des Sozialpsychiatrischen Dienstes

Die Kosten der Hilfen nach den §§ 5, 31 und 45 sowie der Untersuchungen nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 2 tragen die in § 7 Absatz 1 bestimmten Träger der Hilfen und Maßnahmen.

§ 103 Kosten der öffentlich-rechtlichen Unterbringung

(1) Die untergebrachte Person trägt die Kosten der Behandlung und der Unterbringung in einer Einrichtung nach § 14 selbst, soweit nicht ein Sozialleistungsträger oder sonstiger Dritter vorrangig verpflichtet ist.

(2) Die Kosten einer sofortigen Unterbringung sind vom Land zu tragen, wenn der Antrag auf Anordnung einer Unterbringung abgelehnt oder zurückgenommen wird oder aus anderen Gründen seine Erledigung findet und die Voraussetzungen für eine Unterbringung von Anfang an nicht vorgelegen haben.

§ 104 Kosten des Maßregelvollzugs

Die Kosten des Maßregelvollzugs werden durch das Land getragen, soweit nicht ein Sozialleistungsträger oder die untergebrachte Person zu den Kosten beizutragen hat. Wegen des Kostenbeitrags der untergebrachten Person gilt § 62 des Bremischen Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

Teil 8
Übergangs- und Schlussbestimmungen

§ 105 Versorgung psychisch erkrankter Straf- und Untersuchungsgefangener

Über die stationäre Behandlung und Versorgung psychisch erkrankter Straf- und Untersuchungsgefangener, soweit deren Behandlung und Versorgung nicht in der Anstalt, erforderlichenfalls in einer hierfür besser geeigneten Anstalt oder in einem Vollzugskrankenhaus möglich ist, schließen die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und die Senatorin für Justiz und Verfassung eine Vereinbarung.

§ 106 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Rechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes), auf körperliche Unversehrtheit und auf Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes), auf freie Ausübung der Religion (Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes), auf ungehinderte Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen (Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes), auf Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes), auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) und auf freie Verfügbarkeit über das Eigentum (Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 107 Überleitung anhängiger Verfahren

Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bei einem Gericht anhängigen Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes weiterzuführen.

§ 108 Inkrafttreten, Außerkrafttreten und Evaluation

(1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten vom 19. Dezember 2000 (Brem.GBl. S. 471 - 2120-a-2), das zuletzt durch das Gesetz vom 17. Mai 2022 (Brem.GBl. S. 279) geändert worden ist, außer Kraft.

(2) Die Erfahrungen mit diesem Gesetz sind bis zum 31. Dezember 2024 zu evaluieren und der zuständigen Deputation zu berichten.

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