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Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens
Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch Institut (RKI)
(Bundesgesundheitsbl. 2016)
Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
Die im nachfolgenden Dokument gegebenen Empfehlungen basieren auf den aktuellen Kategorien der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention aus dem Jahr 2010 [1]. Diese werden nachfolgend nochmals aufgeführt.
Kategorie IA:
Diese Empfehlung basiert auf gut konzipierten systematischen Reviews oder einzelnen hochwertigen randomisierten kontrollierten Studien.
Kategorie IB:
Diese Empfehlung basiert auf klinischen oder hochwertigen epidemiologischen Studien und strengen, plausiblen und nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen.
Kategorie II:
Diese Empfehlung basiert auf hinweisenden Studien/Untersuchungen und strengen, plausiblen und nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen.
Kategorie III:
Maßnahmen, über deren Wirksamkeit nur unzureichende oder widersprüchliche Hinweise vorliegen, deshalb ist eine Empfehlung nicht möglich.
Kategorie IV:
Anforderungen, Maßnahmen und Verfahrensweisen, die durch allgemein geltende Rechtsvorschriften zu beachten sind.
1 Einleitung
Im vorliegenden Dokument wird die Empfehlung der KRINKO zur Händehygiene aus dem Jahr 2000 aktualisiert und erweitert.
Medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Geburtshäuser/Entbindungseinrichtungen, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, vergleichbare Behandlungs- und Versorgungseinrichtungen sowie Dialyseeinrichtungen und Tageskliniken sind gemäß § 23 Absatz 5 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) zur Festlegung innerbetrieblicher Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in Hygieneplänen verpflichtet [2]. Im Hygieneplan der Einrichtung sind die Indikationen für die Maßnahmen der Händehygiene in Abhängigkeit von den Arbeitsaufgaben und den Besonderheiten der zu betreuenden Patienten einschließlich der Rahmenbedingungen, die Durchführung und die Maßnahmen zur Qualitätssicherung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Berufsgruppen (z.B. Pflegedienst, OP-Team, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Hebammen, Reinigungsteam) im Detail festzulegen und allen Mitarbeitern zugänglich zu machen. Es empfiehlt sich, an Händedesinfektionsplätzen (z.B. im Stationsdienstzimmer, in der OP-Funktionseinheit, in unreinen Arbeitsräumen) einen Händehygieneplan anzubringen, der aus dem Desinfektionsplan als separate Empfehlung herausgelöst werden kann, um auf die Anliegen der Händehygiene (erregerabhängige Desinfektion, Hautschutz, Hautpflege, Hygiene der Spender) zu fokussieren. Darin wird die Durchführung der jeweiligen Maßnahme (die sog. 5 W: wer, was, wann, womit, wie) festgelegt. Diese sind in wischdesinfizierbaren Schutzhüllen oder in laminierter Form anzubringen. Die einschlägigen Bestimmungen der gesetzlichen Unfallverhütungsvorschrift sind hier mit einzuarbeiten. Jeder Mitarbeiter ist aktenkundig in den Hygieneplan einzuweisen. Durch Piktogramme kann die Aufmerksamkeit auf dieses Thema fokussiert werden.
Es ist zu empfehlen, Patienten und Besucher in die Maßnahmen der Händehygiene einzubeziehen. Hierfür empfiehlt es sich, durch geeignete Formen der Aufklärung (z.B. Flyer, Plakat, Patientenbroschüre) das Interesse für dieses Präventionsanliegen zu wecken und dadurch ein zusätzliches Präventionspotential zu etablieren [3].
Die nachfolgenden Empfehlungen gelten für alle in stationären und ambulanten Gesundheitseinrichtungen sowie in der ambulanten Betreuung pflegebedürftiger Menschen und der pflegerischen Betreuung von Heimbewohnern tätigen Personen, sofern sie in direkten ärztlichen oder pflegerischen Kontakt mit Patienten oder Bewohnern einschließlich der patientennahen Umgebung treten, nach Tätigkeiten mit erhöhtem Kontaminationsrisiko (z.B. Abfallentsorgung, Wechsel der Bettwäsche) oder vor reinen Tätigkeiten (z.B. Bereitstellung von Arzneimitteln, Wäsche u. ä.).
Zusätzlich zu den nachfolgenden Empfehlungen sind die Vorgaben des Arbeitsschutzes, z.B. die TRBA 250 [4] und die Empfehlungen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zu beachten [5].
Im Folgenden werden
2 Bezug zu anderen
Empfehlungen der KRINKO sowie zum Arzneimittel- und Medizinprodukterecht sowie zur Listung von Desinfektionsmitteln
2.1 KRINKO-Empfehlungen
Die Händehygiene ist als wichtigste Maßnahme der Basishygiene integraler Bestandteil aller KRINKO-Empfehlungen, wobei spezifische Aufgabenstellungen der Händehygiene einschließlich der Bedeutung der Hände als Überträger von Krankheitserregern vor allem in den Empfehlungen zur Infektionsprävention in Pflege, Diagnostik und Therapie sowie zur Betriebsorganisation in speziellen Bereichen behandelt werden.
Bei der Erarbeitung fach- bzw. einrichtungsspezifischer Regelungen müssen daher zusätzlich auch diese entsprechenden Dokumente berücksichtigt werden.
2.2 Arzneimittelrecht
Gemäß deutschem Arzneimittelrecht sind HDM mit medizinischer Zweckbestimmung i. d. R. Arzneimittel 1 im Sinne des § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) [6] und bedürfen gemäß § 21 AMG einer Zulassung durch die zuständige Behörde. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens werden Wirksamkeit, Qualität, Sicherheit und Unbedenklichkeit geprüft.
Üblicherweise werden Desinfektionsmittelspender mit Einmalflaschen bestückt. Rechtlich ist ein Umfüllen nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. In § 4 Absatz 14 des AMG [7] ist das Umfüllen von Arzneimitteln aus größeren Gebinden in kleinere Behältnisse als Herstellen definiert, d. h. der Umfüllende wird zum Hersteller und benötigt gemäß § 13 Absatz 1 AMG eine Herstellungserlaubnis. Keiner Erlaubnis bedürfen gemäß § 13 Absatz 2 und 3 AMG Apotheken und Krankenhausapotheken im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs, d. h. im Rahmen ihres Versorgungsauftrags. Soweit das Umfüllen nicht im Rahmen des Versorgungsauftrags erfolgt, d. h. als Abgabe an Kunden der Apotheke, ist auch für die Apotheke eine Herstellungserlaubnis gemäß § 13 AMG erforderlich.
Das Umfüllen und Kennzeichnen von Desinfektionsmitteln in Arztpraxen und Krankenhäusern durch eigenes Personal für die Anwendung in der eigenen Einrichtung ist zwar als Herstellung gemäß § 4 Absatz 14 AMG anzusehen, unterliegt jedoch nicht dem Erfordernis einer Herstellungserlaubnis, da in diesen Fällen weder gewerbs- noch berufsmäßig hergestellt wird. Auch ein Inverkehrbringen findet in dieser Konstellation nicht statt, so dass die abgefüllten Arzneimittel nicht der Pflicht der Zulassung gemäß § 21 AMG unterliegen. Allerdings muss das Umfüllen nach § 67 Absatz 2 AMG der zuständigen Aufsichtsbehörde angezeigt werden und qualitätsgesichert erfolgen. Die Qualitätssicherung umfasst u. a. die Reinigung und Sterilisation der Desinfektionsmittel-Behälter vor der Neubefüllung, das Umfüllen unter aseptischen Bedingungen und die ordnungsgemäße Kennzeichnung mit Umfüll- und Verfalldatum [8]. Wegen des Aufwands und der Sicherheit ist Einmalgebinden der Vorzug zu geben. In jedem Fall haftet der Umfüllende für sein hergestelltes Produkt [8]. Anlass für ein Vermeiden des Umfüllens ist, dass Bakteriensporen in Alkohol basierten Desinfektionsmitteln überleben und auf diesem Weg z.B. in eine Wunde gelangen können (Risiko von Gasbrand und Tetanus) [10, 11]. Das tatsächliche Risiko ist jedoch minimal. So konnten in Alkohol basierten Händedesinfektionsmitteln nach längerem Stehen lassen der geöffneten Flasche in 18 % der Proben Bakteriensporen gefunden werden, jedoch weniger als eine Spore pro 10 ml Händedesinfektionsmittel. In keinem Fall wurden Sporen pathogener Bakterienspezies identifiziert [12]. Dagegen liegt über die inuse Kontamination Chlorhexidinbasierter Handwaschpräparate ein umfangreiches Schrifttum vor [13].
Im Fall einer Infektion kann das Umfüllen von HDM haftungsrechtlich relevant werden. So wurde in einer Einrichtung umgefüllt und die HDM erwiesen sich in zwei überprüften umgefüllten Flaschen als kontaminiert, was in Verbindung mit weiteren Hygienefehlern zu einem richterlichen Urteil geführt hat [14].
2.3 Listung von Desinfektionsmitteln (VAH- und RKI-Liste)
In die jährlich aktualisierte Desinfektionsmittelliste des VAH [15] werden auf Antrag des Herstellers und nach Bewertung durch die Desinfektionsmittelkommission des VAH Präparate aufgenommen, sofern sie die Prüfanforderungen des VAH erfüllen [16]. Diese berücksichtigen auch europäische Normen [17-21] oder für den Nachweis der Viruzidie die Anforderungen der DVV/RKI-Leitlinie [22]. Hierbei ist die Indikation auf die prophylaktische Anwendung beschränkt.
Die Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren [23] enthält nur Präparate zur hygienischen und nicht zur chirurgischen Händedesinfektion, weil die Liste für behördlich angeordnete Desinfektionsmaßnahmen gemäß § 18 IfSG vorgesehen ist [2]. Zugleich ist es sinnvoll, im Fall von massiver bzw. sichtbarer Kontamination nach deren mechanischer Entfernung eine zweimalige Händedesinfektion durchzuführen.
3 Die hygienische Händedesinfektion
Die Hände des Personals werden bei Maßnahmen am Patienten sowie bei Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung mit potentiell pathogenen Erregern kontaminiert [24-30] und sind die wichtigsten Überträger von Krankheitserregern. Die hygienische Händedesinfektion gilt weltweit als die wirksamste Einzelmaßnahme zur Unterbrechung von Infektionsketten in Gesundheitseinrichtungen ebenso wie in Pflegeeinrichtungen und damit zur Prophylaxe von nosokomialen Infektionen [31-36]. Keine andere Maßnahme der Krankenhaushygiene hat eine so hohe epidemiologische Evidenz für den präventiven Nutzen für den Patienten. Bei Nichteinhaltung der Händedesinfektion werden Erreger nosokomialer Infektionen über die Hände der Mitarbeiter übertragen, vor allem bei Katheterassoziierten Septikämien [37] und Pneumonien [38, 39]. Zusätzlich trägt die hygienische Händedesinfektion zum Eigenschutz bei [40]. Daher muss bei möglicher und tatsächlicher Kontamination eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden, um die Weiterverbreitung der Erreger zu verhindern. Momentan ist keine wissenschaftliche fundierte Einteilung von einzelnen Tätigkeiten im Rahmen der Patientenversorgung in ein Risikoprofil vorgenommen. Bereits der Kontakt mit intakter Haut sowie mit Oberflächen und Gegenständen aus der unmittelbaren Patientenumgebung führt zu einer relevanten Kontamination der Hände [41-43].
Im Fall des direkten Kontakts der Unterarme mit dem Patienten oder mit kontaminierten Oberflächen, sind diese in die Durchführung der Desinfektion einzubeziehen.
3.1 Mikrobizide Wirksamkeit und Verträglichkeit
Ziel der hygienischen Händedesinfektion ist die schnelle ausreichende Reduktion der transienten Flora (nicht zur eigenen Hautflora gehörend), so dass von den Händen nach bekannter oder vermuteter Kontamination kein Risiko der Weiterverbreitung von potentiell pathogenen Erregern ausgeht. Sofern die Alkohol basierten Rezepturen keinen remanent wirksamen antimikrobiellen Zusatz enthalten, ist die Wirkung der Alkohole nach deren Abdunstung beendet. Es gibt jedoch keinen Nachweis, dass durch Zusatz remanent wirkender Antiseptika (z.B. Chlorhexidin, Octenidin) zu Alkohol basierten Händedesinfektionsmitteln eine höhere präventive Wirksamkeit bei der hygienischen Händedesinfektion erreicht wird, weil allein die rasche Wirkung auf die transiente Flora zur Unterbrechung der Weiterverbreitung der oberflächlich anhaftenden Mikroorganismen entscheidend ist.
Das benötigte Wirkungsspektrum der HDM hängt von der angestrebten Verwendung ab, schließt aber in jedem Fall bakterielle Krankheitserreger und Hefen ein. Nach Versorgung von Patienten mit Viruserkrankungen bzw. nach Umgang mit virushaltigem Material ist in Abhängigkeit von der Art der zu erwartenden Viren 2 ein begrenzt viruzides (wirksam gegen behüllte Viren), begrenzt viruzid Plus wirksames (wirksam gegen Adeno-, Noro- und Rotaviren) [www.krankenhaushygiene.de/referate/d13b4982da4e67a8f40f1d-8c674171ed.pdf] oder viruzides (wirksam gegen behüllte und unbehüllte Viren) [22, 44] anzuwenden. Sobald unbehüllte Viren im Stationsbereich oder bei zu versorgenden Patienten auftreten, z.B. Noroviren, ist die Umstellung auf ein HDM mit entsprechendem Wirkungsbereich vorzunehmen [44, 45], [www.krankenhaushygiene.de/referate/d13b4982da4e67a8f40f-1d8c674171ed.pdf]. Bei der Pflege von Patienten mit offener Lungentuberkulose ist der Einsatz von Händedesinfektionsmitteln mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen Tuberkulose (Präparate mit Wirkungsbereich A aus der RKI-Desinfektionsmittelliste) zu empfehlen [23].
Innerhalb der Alkohole besteht zumindest in Bezug auf die residente Hautflora eine positive Korrelation zwischen der Konzentration und der bakteriziden Wirksamkeit [46]. Bei gleicher Konzentration ist Propan-1-ol am wirksamsten und Ethanol am wenigsten wirksam [47]. Als Voraussetzung für die Listung müssen alkoholische Händedesinfektionsmittel in der deklarierten Einwirkungszeit (> 30 s) die gleiche oder eine signifikant höhere Wirksamkeit besitzen wie das Referenzverfahren Propan-2-ol 60 % (v/v) bei 2 × 30 s Anwendung. Bei alkoholischen Gelen wird die Wirksamkeit des Referenzverfahrens innerhalb von 30 s erst ab einem Ethanolgehalt > 85 % (g/g) erreicht [48, 49] ansonsten wird 1 min Einwirkzeit benötigt [15]. Damit kann erklärt werden, warum bei Einführung eines alkoholischen Gels mit einem Ethanolgehalt von 54 % (g/g), dessen Wirksamkeit damit nur im Bereich flüssiger antiseptischer Handwaschpräparate lag, trotz häufigerer Nutzung kein Einfluss auf die Rate nosokomialer Infektionen nachweisbar war [50].
Allein aus der Zubereitungsform Lösung oder Gel und der Zusammensetzung der Produkte kann keine Wirksamkeit abgeleitet werden. Grundlage für die Auswahl ist die deklarierte Wirksamkeit auf Basis der festgelegten Prüfanforderungen [16-22].
Gegenüber Viren ist Ethanol wirksamer als die Propanole, wobei behüllte Viren konzentrationsabhängig von allen Alkoholen erfasst werden. Zur Inaktivierung unbehüllter Viren sind in der Regel eine hohe Ethanolkonzentration oder synergistische Kombinationen mit geringerem Gehalt alkoholischer Komponenten erforderlich [51-55].
Chlorhexidindigluconat, Octenidinhydrochlorid, Polihexanid, quaternäre Ammoniumverbindungen, Ampholyte, Phenolderivate und Triclosan bringen als Zusatz zu alkoholischen Desinfektionsmitteln keine weitere Verstärkung der Wirkung, erhöhen aber Wirkstoff abhängig das Risiko von Unverträglichkeiten bzw. einer Resistenzentwicklung [56-60]. Bei PVP-Iod-Präparaten wird die Anwendung durch die Iodresorption limitiert [61]. Wässrige Lösungen auf Basis von Chlorabspaltern, PVP-(Polyvinylpyrrolidon-) Iod oder Peroxiden sind auf Grund ihrer geringeren Wirksamkeit, schlechteren Hautverträglichkeit als Alkohol basierte Präparate [62-68], wegen ihres schlechteren Ausbreitungsverhaltens (Spreitens) auf der Haut sowie der längeren Verdampfungszeit keine Alternative zur Anwendung Alkohol basierter Händedesinfektionsmittel in Gesundheitseinrichtungen.
Alkoholische HDM sind deutlich besser hautverträglich als die Händewaschung, weil durch die oberflächenaktiven Handwaschpräparate der Wasser-Lipid-Mantel der Hautoberfläche, verbunden mit einem Verlust wasserlöslicher Feuchthalter, antimikrobieller Schutzfaktoren und Alteration interzellulärer Lipiddoppelschichten, beeinträchtigt wird. Durch die damit verbundene Austrocknung kann die Hornschicht aufbrechen. Es entstehen Entzündungszeichen in der Epidermis und Kutis mit Verhornungsstörungen, an deren Ende eine nicht mehr nur durch Hautpflege reversible Ekzematisation steht [67]. Alkohol basierte HDM verursachen keine signifikante Veränderung der Hautbarriereeigenschaften und besitzen selbst bei vorirritierter Haut keine erhöhte Irritationspotenz. Vielmehr führte die Ethanol basierte Händedesinfektion bei Pflegepersonal, das vorher ausschließlich antiseptische Handwaschpräparate anstelle Alkohol basierter HDM anwendete, zu einer Verbesserung des Hautzustands [64, 65, 68]. Gegebenenfalls kann eine noch bessere Hautverträglichkeit durch Zusatz von Rückfettungssystemen zur alkoholischen Grundlage erreicht werden [69-71]. Bei adäquater Anwendung von Hautschutz und Hautpflege ist die Anwendung von Alkoholen nicht mit dem Risiko einer Irritationsdermatose verbunden [70]. Alkohole besitzen keine sensibilisierende Potenz [72]. Sowohl Ethanol als auch die beiden Propanole werden nur im Spurenbereich resorbiert [73, 74], so dass sich keine Gefährdung
ableitet. Auch wenn bei Durchführung der praxisüblichen Händedesinfektion mit Ethanol basierten Händedesinfektionsmitteln am Tag der Durchführung und am Morgen nach der Anwendung in der Nachtschicht Ethylglucuronid als Abstinenzmarker im Urin gemessen werden kann [75], ist damit keine Gesundheitsgefährdung verbunden [76].
An isolierten Peritonealexplantaten bestehen Unterschiede in der Gewebeverträglichkeit zwischen den drei Alkoholen. So ist die Gewebeverträglichkeit von 80 % Ethanol signifikant besser als von 60 % Propan-2-ol [77], was bei Anwendung auf irritierter bzw. besonders empfindlicher Haut von Vorteil sein dürfte. Auch ist die inhalative Toxizität von Ethanol weitaus geringer als die der beiden Propanole [72], obwohl für keinen der Alkohole Intoxikationen durch Inhalation beschrieben sind [72]. Deshalb und auf Grund der besseren physiologischen Anpassung (Vorkommen und Abbau von Ethanol im Organismus) kann bei besonders empfindlichen Patienten (z.B. Neugeborene, Kleinkinder und Patienten mit Atemwegerkrankungen) überlegt werden, bevorzugt Ethanol basierte Präparate zur hygienischen Händedesinfektion anzuwenden.
Für alle Alkohole ist zu beachten, dass zurzeit keine sporizide Aktivität bei HDM mit tolerierbarer Hautverträglichkeit und praktikabler Einwirkungszeit erreichbar ist [78, 79]. Besteht die Notwendigkeit, Bakteriensporen von den Händen zu entfernen, kann derzeit nach der Händedesinfektion nur eine gründliche Händewaschung mit einem Handwaschpräparat und Wasser empfohlen werden [80]. Sofern im Patientenzimmer oder der zugehörigen Sanitärzelle keine Handwaschmöglichkeit vorhanden ist, muss die nächst gelegene Waschgelegenheit aufgesucht werden, wobei auf dem Weg dahin eine Kontamination der Umgebung, z.B. der Türklinke, vermieden werden muss. Bei unbeherrschbaren Ausbrüchen mit Sporenbildnern können kurzfristig Peressigsäurehaltige HDM eingesetzt werden
Im Deutschen Arzneibuch sind keine Anforderungen an HDM in Bezug auf die mikrobielle Reinheit des Fertigprodukts enthalten. Aus der fehlenden sporiziden Wirksamkeit der Alkohole ergibt sich als Anforderung, dass die Präparate keine Bakteriensporen enthalten sollen. Vegetative Mikroorganismen können auf Grund der Eigenwirkung der Alkohole nicht im Produkt überleben.
3.2 Prävention nosokomialer Infektionen
Die Bedeutung der Händehygiene als eine der grundlegenden Maßnahmen zur Prävention von Transmissionen und Infektionen im Rahmen der Patientenversorgung ist mit hoher Evidenz belegt. Die WHO hat in ihrer Richtlinie von 2009 einen umfassenden Literaturreview zur Effektivität der Händehygiene bei der Prävention von Behandlungsassoziierten Infektionen erarbeitet [33]. Bereits die erste Publikation durch Ignaz Philipp Semmelweis konnte die Effektivität der Händehygiene bei der Prävention von Behandlungsassoziierten Infektionen eindrucksvoll belegen [81, 82]. Seitdem haben viele Untersuchungen den infektionspräventiven Einfluss einer gesteigerten Händehygiene Compliance mit Alkohol basierten Desinfektionsmitteln in unterschiedlichen Settings nachgewiesen [34, 83-94]. Ebenso wurden durch die Eindämmung der Ausbreitung von MRE die Anzahl von mit MRSA, ESBL-Bildnern, Acinetobacter baumannii kolonisierten Patienten und von damit verbundenen Infektionen reduziert [95- 102]. Ebenso ist die Effizienz der Händedesinfektion bei der Beherrschung von Ausbrüchen nachgewiesen [103-106].
Auch wenn einige Studien eine gewisse Wirksamkeit antiseptischer Handwaschpräparate zeigen konnten [107-110], wird nicht die Wirksamkeit der Alkohole erreicht. Auf Grund der schlechteren Hautverträglichkeit und der längeren Einwirkungszeit sind antiseptische Handwaschpräparate daher keine Alternative für alkoholische Einreibepräparate.
3.3 Voraussetzungen
Die Voraussetzungen für eine effektive Händedesinfektion sind nur z. T. untersucht und leiten sich überwiegend aus der hygienischen Risikobewertung ab.
Klinik, Praxis, Pflegeeinrichtungen und andere medizinische Arbeitsbereiche sind mit sichtbar sauberen Händen und Fingernägeln zu betreten. Schmutzige Hände und Fingernägel (z.B. nach Gartenarbeit) sind bereits zuhause zu säubern. Kommt es während der Tätigkeit zur Verschmutzung der Hände, sind ein Handwaschpräparat und zur Schonung der Haut nur bei Notwendigkeit eine Nagelbürste zu benutzen.
Kurzgeschnittene, mit den Fingerkuppen abschließende Fingernägel gewährleisten die Reinigung der subungualen Spatien und minimieren die Gefahr der Handschuhperforation an den Fingerkuppen. Nagellack ist abzulehnen, weil er die Sichtbeurteilung der Nägel behindert und mit steigender Tragedauer die Kolonisation auf den Nägeln zunimmt. Obwohl dieser Einfluss bei frischem Nagellack nicht nachweisbar war, ist die Empfehlung, keinen Nagellack im Gesundheitswesen zu tragen, berechtigt, weil das Alter des Nagellacks und dessen Güte (Mikrorisse u. ä.) in praxi nicht beurteilbar sind [111]. Die Bakteriendichte ist auf künstlichen Nägeln höher als auf natürlichen. Zugleich beeinträchtigen künstliche Nägel den Erfolg der Händehygiene und erhöhen die Perforationsgefahr für Einmalhandschuhe [112-116]. Wiederholt konnten künstliche Nägel als Quelle für NI bei immunsupprimierten Patienten und für Ausbrüche postoperativer Wundinfektionen identifiziert werden [117- 123]. Im Fall dermatologisch begründbarer Nagelbehandlungen sind die hiermit verbundenen Risiken in Absprache zwischen Betriebsarzt bzw. Dermatologen und Krankenhaushygieniker abzuwägen.
Schmuckstücke an Händen und Unterarmen behindern die sachgerechte Händehygiene und können dadurch zu einem Erregerreservoir werden [124]. Bei Intensivpflegepersonal korrelierte die Anzahl von Gramnegativen Erregern und S. aureus mit der Anzahl getragener Ringe [124]. Beim Tragen von Ringen war auf den Händen für Enterobacteriaceae und Nonfermenter eine erhöhte Trägerrate, allerdings keine erhöhte Transmissionsrate nachweisbar [125, 126]. Aber auch wegen der Verletzungsgefahr ist das Tragen von Ringen nicht zulässig [4]. Schließlich führt das Tragen von Ringen zu erhöhter Perforationshäufigkeit von medizinischen Einmalhandschuhen (untersucht für OP-Handschuhe) [127].
Tab. 1 Vor- und Nachteile einzelner Händedesinfektionsmittel-Spendertypen (adaptiert nach WHO Guidelines on Hand Hygiene in Health Care [33]).
Spendertyp | Vorteile | Nachteile |
Wand- oder Bettmontierte Spender | Lokalisation bekannt, als "non-touch" Systeme verwendbar, für Personal, Patienten und Angehörige zugänglich | Nicht immer günstig lokalisiert, um unmittelbare Verfügbarkeit zu gewährleisten, können für Patienten und Angehörige zur Gefahrenquelle werden, Spritzer auf dem Fußboden können zu Schäden und Verfärbungen führen, aufwendige Aufbereitung der Pumpsysteme |
Mobile Spender mit Dosierpumpen | Unmittelbare Verfügbarkeit,
niedrigere Kosten, | Können leicht entfernt werden, können für Patienten und Angehörige zur Gefahrenquelle werden, falls keine Einmalpumpe, aufwendige Aufbereitung der Pumpsysteme, je nach Füllzustand und Standort kann die Standfestigkeit deutlich variieren |
Kitteltaschenflaschen | Permanente unmittelbare Verfügbarkeit für das Personal, erhöhen die wahrgenommene Kompetenz zur Durchführung der Händedesinfektion im erforderlichen Umfang, für Patienten und Angehörige nicht zugänglich, aber für bestimmte Patienten nach Unterweisung möglich | Wegen geringer Menge Logistik zum Nachschub notwendig, höhere Kosten, höhere Umweltbelastung durch Einmalverwendung, Kontaminationsrisiko bei falscher Handhabung, "Add ons" wie Clips sind häufig vom Zulieferer abhängig |
Automatische Wandspender | Bequeme Nutzung, zumindest unmittelbar nach Umstellung höhere Inanspruchnahme, ästhetisch ansprechend, "non-touch" System, für Personal, Patienten, Angehörige und Besucher zugänglich | Nicht verwendbar, wenn elektronisches System nicht funktioniert, hohe Wartungskosten, Abhängigkeit von Zulieferer, Bestückung bedarf ggf. spezieller Einweisung |
Bei Vorliegen von Hautläsionen an den Händen ist es als ausreichend anzusehen, diese bei nichtchirurgischer Tätigkeit erreger- und ggf. flüssigkeitsdicht abzudecken (flüssigkeitsdichtes Pflaster) und darüber einen medizinischen Einmalhandschuh anzulegen. Voraussetzung ist, dass nach dem Ablegen der Handschuhe eine Händedesinfektion toleriert wird. Andernfalls sind die Mitarbeiter für die Dauer der Hautläsion patientenfern einzusetzen.
Beim atopischem Ekzem ist das Risiko der Besiedlung mit S. aureus einschließlich MRSA erhöht [128, 129]. Deshalb empfiehlt es sich, bei Mitarbeitern mit atopischem Ekzem und ggf. anderen chronischen Hauterkrankungen eine Kolonisation mit MRSA und ggf. anderen potentiell pathogenen Erregern auszuschließen und im Fall des Nachweises die Möglichkeit der Behandlung bzw. Dekolonisation zu überprüfen. Für die Dauer der Erregerfreisetzung sind die Mitarbeiter patientenfern einzusetzen.
Eine hohe Compliance der Händedesinfektion ist nur mit optimaler Ausstattung mit Händedesinfektionsmitteln erreichbar [34, 130, 131]. Es muss gewährleistet sein, dass für die Mitarbeiter keine zusätzlichen Wege entstehen, um im Verlauf der Patientenversorgung Zugang zum Händedesinfektionsmittel zu erhalten. Da die weitaus überwiegen de Mehrheit der Indikationen zur Händedesinfektion direkt am Patienten entsteht, ist neben der durch die TRBA 250 vorgeschriebenen Ausstattung mit Händedesinfektionsmittelspendern die unmittelbare Verfügbarkeit direkt am Patienten zu gewährleisten [33]. Überall dort, wo eine Händedesinfektion durchgeführt werden muss, sind in unmittelbarer Nähe Desinfektionsmittel vorzuhalten. Für Patientenzimmer wird in Abhängigkeit von der Anzahl der Patientenbetten bettennah als Mindestausstattung ein Spender pro Patientenbett auf Intensiv- und Dialysestationen und auf Nicht-Intensivstationen ein Spender für zwei Patientenbetten sowie einer in der Sanitärzelle empfohlen. Die Art der eingesetzten Spender, d. h. fest an der Wand oder am Bett montierte Spender, mobile Spender mit Dosierpumpen oder Kittelflaschen, richtet sich nach den räumlichen Verhältnissen und den zu versorgenden Patienten (. Tab. 1). Z. B. kann es in der Geriatrie, Psychiatrie und Pädiatrie sowie ambulanten Diensten sinnvoll sein, auf Kittelflaschen sowie auf Spender am Visiten- oder Verbandwagen zurückzugreifen, um Gefährdungen der Patienten durch das Desinfektionsmittel auszuschließen. Ferner sind mobile oder montierte Spender an sauberen Arbeitsplätzen, am Visiten- oder Verbandwagen und in Schleusen vorzuhalten (. Tab. 1).
Benutzer von Kitteltaschenflaschen müssen darauf achten, dass die Flaschen sauber, ggf. mit Anbruchdatum beschriftet und das Etikett lesbar sind. Leere Kitteltaschenflaschen werden verworfen und sind nicht wieder zu befüllen. Nach ausreichender Benetzung beider Hände ist die Händedesinfektion erst nach dem Verschließen der Kittelflasche und ihrer Zurückführung in die Tasche durchzuführen, um eine Rekontamination der Hände von Seiten der Kittelflasche zu verhindern.
3.4 Indikationen
Indikationen zur Händedesinfektion sind Situationen, in denen eine Händedesinfektion die Übertragung von potentiell pathogenen Erregern auf Patienten, Personal sowie Gegenstände und Oberflächen unterbricht. Beobachtungsstudien zur Händehygiene-Compliance zeigen immer wieder, dass es für die Mitarbeiter bei hoher Arbeitsbelastung mit häufigen Unterbrechungen von Arbeitsabläufen schwierig ist, eindeutig die Indikationen zur Händedesinfektion zu erkennen [132].
Die WHO hat basierend auf den Erkenntnissen zur Erregertransmission über die Hände die sich daraus ableitenden Indikationen in 5 Indikationsgruppen ("five moments") als Grundlage für die Schulung und das Training der Händedesinfektion zusammengefasst. Dadurch soll zugleich das Wiedererkennen von Indikationen im Arbeitsablauf erleichtert werden. Darüber hinaus können Beobachtungen zur Compliance auf der Grundlage des Modells leichter standardisiert und verglichen werden [33]. Die fünf Indikationsgruppen beinhalten die Händedesinfektion unmittelbar vor Patientenkontakt, unmittelbar vor aseptischen Tätigkeiten, unmittelbar nach Kontakt mit potentiell infektiösen Materialien, nach Patientenkontakt und nach Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung (. Abb. 1). Diese Indikationen gelten in der stationären ebenso wie in der ambulanten Pflege. Grundsätzlich soll auch nach dem Ablegen steriler und unsteriler Schutzhandschuhe eine Händedesinfektion durchgeführt werden [33], weil eine Kontamination sowohl durch unbemerkte Perforation als auch beim Ablegen nicht auszuschließen ist.
Das WHO Modell definiert darüber hinaus eine unmittelbare und eine erweiterte Patientenumgebung. Die Indikationen zur Händedesinfektion ergeben sich aus der Abfolge der Tätigkeiten am Patienten sowie aus der Bewegung zwischen den definierten Bereichen.
Auf einer Dialysestation konnte durch Schulung und kritische Überprüfung von Arbeitsabläufen auf der Grundlage des Modells die Compliance der Händedesinfektion bei sinkender Anzahl von Indikationen um ca. 30 % verbessert werden [133].
Sofern man das Handlungsmodell der "five moments" auf den niedergelassenen Bereich überträgt, erscheint es adäquat, die Situation "vor und nach Patientenkontakt" auf die körperliche Untersuchung zu begrenzen [http://www.aktion-saubereha-ende.de/ash/module/ambulante-medi-zin/5-indikationen/]. Im Altenheim ist die Situation vergleichbar, d. h. eine Händedesinfektion ist vor und nach der Körperpflege oder beim Lagern eines Bewohners indiziert [http://www.aktion-saubereha-ende.de/ash/module/alten-undpflegeheime/5-indikationen/].
Abb. 1: Die 5 Indikationen der Händedesinfektion (adaptiert nach [134] und [33]). Mit freundlicher Genehmigung von Elsevier
Unmittelbare Patientenumgebung
Sie umfasst die unmittelbare Umgebung des Patienten, d. h. typischerweise alle Oberflächen, die entweder direkt mit dem Patienten in Kontakt kommen (Bettwäsche, Bettgestell) oder häufig vom Patienten selbst oder im Verlauf der Versorgung des Patienten vom Personal berührt werden (z.B. Bettgestell, Nachttisch, geschlossene Infusions- und Drainagesysteme, Monitore). Dazu gehören z.B. auch das Beatmungsgerät und für die Dauer der Dialyse das Dialysegerät. Patienten nahe Oberflächen und Strukturen werden im Verlauf der Patientenversorgung rasch und in hohem Maß mit der jeweiligen Patientenflora kontaminiert [135-140].
Innerhalb der unmittelbaren Patientenumgebung werden kritische Bereiche definiert, in denen aseptische Tätigkeiten oder Handkontakte oder Kontakte zu potentiell infektiösen Materialien stattfinden wie z.B. 5 mit natürlichen Körperöffnungen wie
Mund, Nase, Augen
Erweiterte Patientenumgebung
Sie beinhaltet alle darüber hinaus gehenden Bereiche, die seitens des Patienten kontaminiert werden können.
Die Indikationen der Händedesinfektion (. Tab. 2) ergeben sich aus verschiedenen Risiken seitens des Patienten und des Personals [134]. Entscheidend ist, dass durch die Händedesinfektion die Übertragung von Krankheitserregern verhindert wird.
Da sich die Händedesinfektion beim Personal als wirksamste Maßnahme zur Prävention nosokomialer Infektionen erwiesen hat und durch Händedesinfektion selbst in nichtmedizinischen Bereichen eine Herabsetzung gastrointestinaler und/ oder respiratorischer Infektionen bzw. Krankheitstage erreichbar war, ist davon auszugehen, dass auch Patienten davon profitieren, wenn sie selbst und ihre Angehörigen sich die Hände situationsabhängig desinfizieren. In Anlehnung an die WHO können die folgenden "Fünf Momente" für die Händedesinfektion des Patienten als relevant anzusehen [141]:
Ergänzend ist ein Hinweis auf die Vermeidung unnötiger Kontakte mit Oberflächen im Krankenhaus sinnvoll. Falls das unvermeidbar ist, wird die anschließende Durchführung einer Händedesinfektion empfohlen.
Technik
Zur effizienten Unterbrechung der Erregerübertragung ist die korrekte
Tab. 2 Typische Situationen mit Indikationen für die hygienische Händedesinfektion.
Indikation | Beispielsituationen | Erläuterung | Kommentar |
VOR direktem Patientenkontakt | Patient waschen, Puls und Blutdruck messen, auskultieren, palpieren, Physiotherapie usw. | Unmittelbar vor dem direkten Patientenkontakt | Direkter Patientenkontakt ist immer als Kontakt mit Haut, Schleimhäuten oder Wunden definiert |
VOR aseptischen Tätigkeiten | Vor jedem Kontakt mit nicht intakter Haut und Wunden, zwischen Entfernen des alten und Anlegen des neuen Verbands, Injektionen und Punktionen, Konnektion/ Diskonnektion geschlossener Systeme (Gefäßkatheter-, Drainage- oder Beatmungssysteme), Vorbereiten von Parenteralia, Kontakt mit Schleimhäuten z.B. Mund- und Zahnpflege, Zubereiten und Verabreichen von Sondennahrung | Vor jeder Manipulation an Devices, falls Handschuhe getragen werden, Desinfektion der behandschuhten Hand (Einschränkungen s. 6.1) Wechsel von besiedelten/unreinen zu nicht besiedelten/reinen Bereichen | Manipulation immer im Sinn von Diskonnektion bzw. Eröffnen geschlossener Systeme z.B. vom Urogenitalbereich zur Mundschleimhaut |
NACH Kontakt mit potentiell infektiösem Material (Körperflüssigkeiten usw.) | Nach Kontakt mit Schleimhäuten, Aspiration von und Umgang mit Blut und jeder Art von Sekreten, Wundversorgung, Entfernen von Verbänden, Anlage/Absaugen und Entfernen von endotrachealen Tuben usw. | Nach dem Ausziehen der Handschuhe, nach Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Schleimhäuten, nicht intakter Haut oder Wundverbänden, Wechsel von besiedelten zu nicht besiedelten Körperbereichen | Waschen in der Urogenitalregion oder Entsorgung kontaminierter Wäsche kann in diese Indikationsgruppe eingruppiert werden |
NACH direktem Patientenkontakt | Patienten waschen, Puls und Blutdruck messen, auskultieren, palpieren, Physiotherapie | Unmittelbar nach dem direktem Patientenkontakt | Haut-, Schleimhaut- oder Wundkontakt |
NACH Kontakt mit der direkten Patientenumgebung | Wechsel der Bettwäsche, Einstellen der Tropfgeschwindigkeit am Infusionssystem, Kontakt zu Monitoren, Rechnern und Medizingeräten, Kontakt zum Bett und Nachtschrank sowie mit persönlichen Gegenständen des Patienten | Kontakt mit Oberflächen und Gegenständen in der unmittelbaren Patientenumgebung | Dazu gehören auch das Beatmungsgerät und für die Dauer der Dialyse das Dialysegerät |
Durchführung der Händedesinfektion unerlässlich. Hierzu wird ein Volumen von etwa 3-5 ml bzw. der Menge, die in eine Hohlhand passt, so in beide Hände eingerieben, dass die gesamte Oberfläche der Hand, d. h. Fingerspitzen, Nagelfalze, Daumen, Fingerzwischenräume, Innen- und Außenflächen für die Dauer der vom Hersteller deklarierten Einwirkzeit (üblicherweise 30 s) mit dem Desinfektionsmittel benetzt sind. Werden < 2 ml appliziert, verringert sich die benetzte Fläche signifikant [142]. Das Desinfektionsmittel soll insbesondere an den Fingerspitzen, Nagelfalzen und Daumen eingerieben werden [143, 144]. Das wird allerdings oft nicht ausreichend berücksichtigt [145]. Beim Vergleich der in der DIN EN 1500 [17] vorgegebenen Bewegungsabfolge mit selbst gewählter Einreibetechnik mit dem Fokus der Benetzung der o. g. Handflächen konnte kein Vorteil zur Bewegungsabfolge der Prüfnorm nachgewiesen werden [143]. Allerdings ist eine standardisierte Bewegungsabfolge beim Erlernen der Technik sinnvoll.
4 Die Chirurgische Händedesinfektion
Die chirurgische Händedesinfektion ist Standard vor jedem operativen Eingriff [146], um präoperativ die transiente Flora der Hände zu eliminieren und die residente Flora der Hände für die Dauer der OP größtmöglich zu reduzieren. Zusätzlich wird das Kontaminationsrisiko durch das Tragen steriler OP-Handschuhe reduziert.
Für aseptisches Arbeiten an klinischen Reinraumplätzen z.B. in einer Hornhautbank, ist die chirurgische Händedesinfektion mit nachfolgendem Anlegen steriler Handschuhe zu empfehlen [147].
4.1 Mikrobizide Wirksamkeit und Verträglichkeit
Die Anforderungen an die Wirksamkeit unterscheiden sich gemäß DIN EN 12791 [18] nicht zwischen mikrobiziden Handwaschpräparaten und alkoholischen Einreibepräparaten; demzufolge war bei alternativer Anwendung je eines Vertreters beider Präparatetypen kein Unterschied auf die Rate postoperativer Wundinfektionen nachweisbar [148, 149]. Dennoch ist der Einsatz von Handwaschpräparaten keine Alternative für alkoholische Einreibepräparate zur chirurgischen Händedesinfektion, da die Hautverträglichkeit alkoholischer Einreibepräparate deutlich besser als von Handwaschpräparaten ist [150, 151]. Auch das Kontaminationsrisiko beim Waschvorgang durch die Emission der Siphonflora beim Abspülen der Hände spricht gegen den Einsatz von Handwaschpräparaten [152, 153].
Für Alkohol basierte Präparate mit Zusatz von Chlorhexidin steht der Nachweis der höheren Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention postoperativer Wundinfektionen aus. Auch wenn einige Studien zeigen, dass durch den Zusatz von Chlorhexidin die remanente Wirkung verbessert wird [154-156], ist bei der Ergebnisinterpretation zu berücksichtigen, dass keine Neutralisierung von Chlorhexidin in der Ausknetflüssigkeit durchgeführt wurde. Das führt ggf. zu einer Vermehrungshemmung noch verbliebener Bakterien, so dass falsch niedrige Koloniezahlen gemessen werden. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist daher eingeschränkt. Hinzu kommt als weiterer Aspekt für den Verzicht auf die Anwendung von Alkoholen mit remanentem Zusatz, dass sich durch den Zusatz toxische Risiken ergeben können. So sind durch Chlorhexidin wenn auch selten anaphylaktische [157-159] und allergische Reaktionen beschrieben [160]. In diesen Fällen darf der Wirkstoff nicht weiter angewendet werden. Zugleich erhöht sich die Irritationspotenz von Alkoholen durch den Zusatz von Chlorhexidin [161]. Gegen den Einsatz Chlorhexidin basierter Händedesinfektionsmittel spricht ferner das Risiko der Resistenzentwicklung einschließlich der Möglichkeit von Kreuzresistenzen zu Antibiotika [162-180]. Allergische Nebenwirkungen sind auch für Triclosan (Prävalenz bis 0,2 %) und Benzalkoniumchlorid (Prävalenz bis 7,2 %) beschrieben [59, 150, 151, 181-186]. Die Gefahr der Resorption toxisch wirkender Mengen von Benzalkoniumchlorid besteht bei Einwirkung auf vorgeschädigter Haut nach längerer Kontaktzeit [187]. Auf Grund der Resorptionstoxizität ist der Einsatz von PVP-Iod in Alkohol basierten Händedesinfektionsmitteln abzulehnen [61].
Derzeit gibt es keine Grundlage zur Empfehlung einer routinehaften erneuten Durchführung der chirurgischen Händedesinfektion während der Operation in Abhängigkeit von der OP-Dauer.
4.2 Prävention postoperativer Wundinfektionen
Es ist davon auszugehen, dass durch die chirurgische Händedesinfektion das Risiko postoperativer Wundinfektionen gesenkt wird. Diese Schlussfolgerung lässt sich aus folgendem Sachverhalt ableiten. OP-Handschuhe können in bis zu 40 % der Eingriffe bemerkt oder unbemerkt perforieren [147]. Experimentell wurde nachgewiesen, dass ausgehend von nicht desinfizierten Händen bei einer Handschuhperforation bis zu 103 - 104 Kolonie bildende Einheiten (KbE) die Wunde erreichen können [148]. Im Gegensatz dazu betrug die übertragene Menge bei zuvor desinfizierten Händen < 100 KbE [148, 149]. Damit wäre zu erklären, dass bei im Trageprozess perforierten OP-Handschuhen erst nach einer Tragedauer von > 90 min ein Bakterientransfer nachweisbar war [154, 155]. Ein Ausbruch postoperativer Wundinfektionen wurde dadurch verursacht, dass anstelle eines jodhaltigen Händedesinfektionsmittels eine nichtmedizinischen Seife verwendet wurde [188], d. h. auf Grund der bei längeren chirurgischen Operationen unvermeidbaren Handschuhperforation wurde auf Grund der fehlenden Händedesinfektion ein Ausbruch verursacht.
4.3 Voraussetzungen
Der OP-Bereich ist mit sichtbar sauberen Händen und Fingernägeln zu betreten. Schmutzige Hände und Fingernägel (z.B. nach Gartenarbeit) sind bereits zuhause, spätestens aber im unreinen Teil der Personalschleuse vor dem Anlegen der Bereichskleidung zu säubern. Kommt es während der Tätigkeit zur Verschmutzung der Hände, sind ein Handwaschpräparat und zur der Schonung der Haut nur im Bedarfsfall eine Nagelbürste zu benutzen.
Bezüglich Fingernägeln und Schmuckstücken an Händen und Unterarmen gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die hygienische Händedesinfektion (s. 3.3) Hände und Unterarme sind wegen des Risikos der Wegbereitung von Hautirritationen und der damit verbundenen höheren Erregerabgabe nicht mit einer Bürste zu behandeln [189, 190].
Vor operativen Eingriffen sollen keine Nagelbettverletzung oder entzündliche Prozesse an der Hand vorliegen [190]. Bei Psoriasis mit Kolonisation durch S. marcescens und bei schwerer Onycholyse und Onychomykose eines Fingernagels mit gleichzeitigem subungualem Nachweis von P. aeruginosa wurde ein Ausbruch postoperativer Wundinfektionen trotz Tragens von OP-Handschuhen verursacht [114, 191]. Unter sorgfältiger Risikoabwägung erscheint es bei nichtentzündlichen Veränderungen bzw. kleinen Verletzungen im Bereich der Hand jedoch vertretbar, die Operation mit zwei übereinander gezogenen Paar Handschuhen, ggf. nach vorheriger Applikation eines Wundantiseptikums mit remanenter Wirksamkeit (z.B. auf Basis von Octenidin) im Wundbereich durchzuführen [190]. Alternativ könnten antimikrobiell imprägnierte OP-Handschuhe die Schutzwirkung verbessern [192]. Gegebenenfalls ist eine Vorstellung beim Betriebsarzt bzw. Facharzt für Dermatologie anzuraten.
Ringdosimeter können bei sachgerechter Anwendung aus Personalschutzgründen unter dem Aspekt der Risikoabwägung toleriert werden. Getragene Ringdosimeter sind unter Berücksichtigung der Herstellerangaben aufzubereiten, z.B. durch Einlegen in ein alkoholisches HDM für die Dauer von 10 min. Danach kann der Ring ohne Klarspülen mit Wasser nach Lufttrocknung erneut auf die desinfizierte Hand angelegt werden [193].
4.4 Indikationen
Die chirurgische Händedesinfektion ist vor dem direktem Kontakt zum OP-Feld und zu sterilen MP oder Materialien sowie vor sonstigen Eingriffen mit gleichen Anforderungen an die Asepsis wie bei einer Operation durchzuführen. Im Unterschied zur hygienischen Händedesinfektion gibt es bei der Akzeptanz der Notwendigkeit einer chirurgischen Händedesinfektion vor Anlegen der sterilen Handschuhe kein Complianceproblem; letzteres kann nur die Durchführung und die Einhaltung der Zeitdauer betreffen.
4.5 Technik
Um die Sporenlast an den Händen zu reduzieren, wird empfohlen, die Hände vor der am OP-Tag erstmalig durchgeführten chirurgischen Händedesinfektion möglichst mit einem Abstand von 10 min vor der chirurgischen Händedesinfektion zu waschen und sorgfältig abzutrocknen [194]. Bei kürzerem Abstand wird die Wirksamkeit der Alkohole durch den Verdünnungseffekt der Restfeuchte tendenziell oder signifikant reduziert [195-199]. Eine Wiederholung der Händewaschung ist im weiteren Tagesablauf nur bei sichtbarer Verschmutzung erforderlich. Zur Waschung werden Hände und Unterarme bis zum Ellenbogen mit nach oben gerichteten Fingerspitzen und tief liegendem Ellenbogen während etwa 30-60 s mit einem Handwaschpräparat gewaschen. Länger dauernde Händewaschungen sind wegen potenzieller Hautschädigung abzulehnen, zumal dadurch keine weitere Verminderung der residenten Flora erreicht wird [200-202]. Zur Desinfektion werden die Hände und Unterarme für die Dauer der deklarierten Einwirkungszeit durch eine eingeübte Einreibetechnik benetzt. Bei der Händedesinfektion werden zunächst die Hautareale der Hand, dann des Unterarms bis zum Ellenbogen und nachfolgend wieder die Hände benetzt. In dieser Händedesinfektionsphase soll das Hauptaugenmerk beim Einreiben auf die Fingerkuppen, Nagelfalze und Fingerzwischenräume gelegt und eine lückenlose Benetzung erreicht werden. Für die Einwirkungszeit von 1,5 min [203] erwies sich folgendes Vorgehen als effektiv: Zunächst werden beide Hände (10 s) und im 2. Schritt beide Unterarme benetzt (10 s). Dem schließt sich die Händedesinfektionsphase (70 s) mittels Einreiben an [204]. Dabei hat die Anzahl der applizierten Portionen keinen Einfluss, solange die Hände über die Dauer der Einwirkungszeit mit dem Präparat benetzt gehalten werden [205]. Es ist zu beachten, dass dieses Vorgehen nur für Produkte mit einer deklarierten Einwirkzeit von 1,5 min untersucht wurde.
Die Hände sollen trocken sein, bevor die OP-Handschuhe angelegt werden, weil dadurch die Perforationsgefahr verringert [206], das Irritationsrisiko reduziert [207] und Wirksamkeit der alkoholischen Händedesinfektion bei 1 min Lufttrocknung signifikant verbessert werden [208, 209].
5 Die Händewaschung
5.1 Ausstattung medizinischer Handwaschplätze
Ein hygienischer Handwaschplatz muss mit Zulauf für warmes und kaltes Wasser ausgestattet sein [4]. Bei einer Neueinrichtung oder wesentlichen Umgestaltung eines Handwaschplatzes ist auf ein ausreichend groß dimensioniertes, tief ausgeformtes Handwaschbecken ohne Überlauf zu achten. Der Verzicht auf einen Überlauf im Waschbecken erscheint nicht nur hygienisch plausibel, sondern der kolonisierte Überlauf konnte als Ursache einer Häufung von Serratia liquefaciens Infektionen identifiziert werden [210]. Falls saubere Arbeitsflächen an den Waschplatz angrenzen, sind diese durch einen Spritzschutz so abzuschirmen, dass es (insbesondere in Bereichen der Zubereitung von Medikamenten) nicht zu einer Kontamination der Umgebung kommen kann [211-213]. Der Handwaschplatz muss abhängig von den räumlichen Bedingungen mit wandmontierten Spendern für Händedesinfektionsmittel und Handwaschpräparat und mit Einmalhandtüchern ausgestattet sein [4]. Der Wasserstrahl darf nicht direkt auf den Abfluss gerichtet sein, um die Entstehung des erregerhaltigen Aerosols aus dem Siphon zu minimieren [194].
Hautpflegemittel können in Spendern oder in herkömmlicher Form als Tuben bereitgestellt werden. Ersteres hat den Vorteil der Herabsetzung des Kontaminationsrisikos des Hautpflegemittels, sofern Einmalgebinde eingesetzt werden. Zugleich wird die Nutzung erleichtert. Es ist als ausreichend anzusehen, wenn Hautpflegemittel z.B. im Stationsdienstzimmer, in Umkleiden und in Pausenräumen verfügbar sind.
Handwaschplätze müssen in Räumen oder in der Nähe von Räumen vorhanden sein, in denen diagnostische oder invasive Maßnahmen stattfinden, in Räumen, die der Vorbereitung solcher Maßnahmen dienen, sowie in unreinen Arbeitsbereichen bzw. in deren Nähe, aber z.B. nicht im Arztdienstzimmer. Für jedes Patientenzimmer sollte eine für die Beschäftigten leicht erreichbare Waschgelegenheit möglichst in der Sanitärzelle verfügbar sein, die analog wie der Handwaschplatz ausgestattet sein soll, damit sie im Bedarfsfall vom Personal genutzt werden kann. Das betrifft z.B. die Händewaschung nach Ablegen der Handschuhe nach der Versorgung von Patienten mit C. difficile assoziierter Diarrhoe oder nach unerwarteter massiver Verunreinigung/ Kontamination der Hände im Rahmen der Patientenversorgung.
Waschbecken, die von Beschäftigten mit direktem Patientenkontakt genutzt werden oder sich in kritischen Bereichen befinden, müssen eine handkontaktlose Bedienung mittels verlängerter Hebelarmatur ermöglichen oder mittels Fuß oder Knieauslösung das Wasser freigeben, um eine Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu verhindern. Sensorarmaturen bergen ein hygienisches Risiko, weil sich z.B. Gramnegative Nonfermenter ansiedeln können, was Ursache von Ausbrüchen war [214-220].
Spender für Einmalhandtücher müssen eine einfache Entnahme ermöglichen, ohne dass die nachfolgenden Handtücher und die Entnahmeöffnung kontaminiert werden. Für gebrauchte Handtücher ist ein Sammelbehälter (Papierkorb bzw. Plastiksack) vorzusehen und für dessen regelmäßige Entleerung Sorge zu tragen, um von Seiten der Patienten einer Entsorgung in die Toilette mit ggf. nachfolgender Verstopfung der Abwasserrohrsysteme vorzubeugen. Alternativ kommen Retraktivspender mit automatischem Vorschub des Textilhandtuchs in Betracht, das von einer Rolle abgespult und nach der Benutzung auf einer zweiten Rolle ohne Kontakt zur unbenutzten Handtuchrolle aufgerollt wird. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Stoffhandtücher auf Rollen häufig nicht einwandfrei funktionieren und im Gebrauch störanfällig sind.
Konventionelle Heißlufttrockner sind für Gesundheitseinrichtungen ungeeignet, weil die Trocknungswirkung im Vergleich zum Handtuch geringer ist [221- 223]. Nur "jet air" Händetrockner mit Infrarot erwiesen sich bei 10 s Anwendung dem Papierhandtuch in der Trocknungswirkung gleichwertig [224]. Da nach Händewaschung durch sorgfältige Händetrocknung die Translokation von Bakterien von den Händen auf Kontaktflächen signifikant herabgesetzt wird [221, 225], ist auch unter diesem Gesichtspunkt die Händetrocknung wichtig [226, 227]. Allerdings war nach vorher durchgeführter Händedesinfektion keine erhöhte Translokation durch Heißlufttrockner nachweisbar [228, 229]. Nach Händewaschung wird durch Papier- oder Textilhandtuch signifikant mehr Restflora als durch Heißlufttrockner entfernt [230-232]. Schließlich ist bei der Auswahl des Trocknungssystems zu berücksichtigen, dass Nutzer bezüglich Komfort und Nutzerfreundlichkeit Einmalhandtücher gegenüber Heißlufttrocknern bevorzugen [226] und die Lärmbelastung bei "jet air" Trocknern in 0,5 m Entfernung 94 dB erreicht [224]. Für einen "air blade" Trockner wurde ermittelt, dass die Anzahl freigesetzter Tröpfchen beim Trocknungsvorgang höher war und weiter reichte als bei Benutzung eines Papierhandtuchs. Die Autoren schließen nicht aus, dass bei Vorhandensein von Pathogenen auf den Händen die Umgebung mit ihnen kontaminiert werden könnte [233]. Ein Review kommt zu analoger Schlussfolgerung, dass durch "jet air" und Warmlufttrockner die Ausbreitung kontaminierter Aerosole begünstigt wird, so dass diese Trockner in medizinischen Einrichtungen und speziell in Baderäumen ungeeignet sein könnten [234].
Der Waschbeckenablauf ist ein offenes Erregerreservoir der Fäkal- und Oralflora des Patienten [235]. Beim Einlaufen von Wasser werden Bakterien bis zu 1,85 m im Umkreis aus dem im Siphon stehenden Abwasser emittiert [236]. Da die Ausbreitung von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, sollte man aus Sicherheitsgründen von 2 m ausgehen. Bei Siphonkontamination > 105 KbE/ml ist die Übertragung von Bakterien auf die Hände des Pflegepersonals bei der Händewaschung nachgewiesen [153]. Mit P. aeruginosa kolonisierte Siphons konnten als Risikofaktor für die Kolonisation von Patienten identifiziert werden [237, 238]. Beschrieben sind vom Siphon ausgehend Ausbrüche durch E. cloacae, P. aeruginosa, A. baumannii und Serratia spp. [238-241]. Nach 3mal täglicher Siphonreinigung und Veränderung des Siphons konnte ein sich über 5 Jahre erstreckender Ausbruch beendet werden [241]. Bei einem Multispeziesausbruch mit Enterobakterien konnten die Erreger u. a. auch im Siphon nachgewiesen werden, wenn auch die sekundäre Kontamination von Lebensmitteln offenbar der entscheidende Verbreitungsweg war [238]. Wenn Siphonstöpsel gewünscht sind, sollten sie leicht der desinfizierenden Reinigung zu unterziehen sein, also nicht aus Gummi oder Kunststoff sein. Günstig ist ein weit über die Siphonöffnung übergreifender Verschluss zur Abschirmung des durch das einlaufende Wasser entstehenden Aerosols. Automatische Siphon-Desinfektionsanlagen können in speziellen Einheiten, z.B. bei Mukoviszidosepatienten, zur Prophylaxe von Pseudomonas-Infektionen indiziert sein [242]. Silikonstöpsel sollen wegen der Kontaminationsgefahr nicht auf dem Waschbecken gelagert werden.
5.2 Eigenschaften und Auswahl von Handwaschpräparaten
Für in medizinischen Einrichtungen verwendete Handwaschpräparate gelten die Anforderungen an Kosmetika, d. h. < 103 KbE/ml und kein Nachweis von P. aeruginosa, S. aureus und C. albicans in 0,1 ml [243]. Es werden sowohl konservierte Produkte als auch Präparate mit nicht näher definierter antimikrobieller Wirksamkeit eingesetzt. Die Verwendung von Produkten mit antimikrobiellen Zusätzen wird in keinem Regelwerk gefordert, ist nicht mit einer besseren Wirksamkeit gegenüber der normalen Seifenwaschung belegt und ist immer dann kritisch zu beurteilen, wenn als antimikrobieller Zusatz ein Wirkstoff eingesetzt wird, für den das Risiko einer mikrobiellen Resistenzentwicklung oder einer Sensibilisierung gegeben ist.
Für die hygienische Händewaschung sind in der VAH-Liste [15] Produkte zertifiziert, die vor allem für den Lebensmittelbereich gedacht sind. Sie sind signifikant wirksamer als normale Handwaschpräparate, erreichen aber nicht die Wirksamkeit von HDM. Daher ist ihre Anwendung keine Alternative zur hygienischen Händedesinfektion.
Die Wirksamkeit der Händewaschung auf die transiente Flora korreliert mit der Dauer des Händewaschens und der Technik [244]. Da die Waschdauer im Krankenhaus zwischen 8 und 20 s beträgt [145, 245], dürfte die mittlere Reduktion deutlich unter einer Log-Stufe liegen. Obwohl bereits durch Händewaschung die Rate von NI herabgesetzt werden kann [246- 250], ist abhängig vom Ausmaß der Kontamination die Wirksamkeit nicht ausreichend [81], so dass die Händewaschung keine Alternative für die hygienische Händedesinfektion ist.
Die bessere Hautverträglichkeit alkoholischer Einreibepräparate im Vergleich zu Handwaschpräparaten ist durch klinische und durch Anwendungsstudien belegt [67, 251]. Werden beruflich beanspruchte Hände viermal innerhalb 1 h gewaschen, ist die Zeitspanne zur Normalisierung der Hautparameter nicht mehr ausreichend [252]. Wegen der mit wiederholter Händewaschung verbundenen Hautschädigung [67] soll die Händewaschung ausschließlich der Entfernung von Schmutz bzw. gegen Alkohol unempfindlichen Erregern vorbehalten bleiben.
Auswahlkriterien für die Art des Handwaschpräparats sind das Kontaminationsrisiko des Produkts und die Hautverträglichkeit [253]. Unter Anwendungsbedingungen wurde wiederholt eine Kontamination fester Handwaschpräparate nachgewiesen [254-256]. Feste Handwaschpräparate waren sowohl mit Grampositiven als auch mit Gramnegativen Bakterien häufiger und höher als flüssige Handwaschpräparate kontaminiert [257]. In einer Querschnittsstudie waren auf 70 % fester Handwaschpräparate insgesamt 44 Spezies mit Überwiegen von P. aeruginosa, E. coli und A. baumanii nachweisbar. Bei flüssigen Handwaschpräparaten waren 16 % mit 7 Spezies kontaminiert, davon überwiegend mit Pseudomonas spp. Die Rate von NI fiel nach Einführung eines flüssigen Handwaschpräparats im Verlauf eines Jahres von 4,2 % auf 2,2 % [258]. Im Ergebnis einer experimentellen Studie wurde allerdings das Übertragungsrisiko durch ein mit E. coli und P. aeruginosa (4,4 × 105 KbE/ Seifenstück) kontaminiertes festes Handwaschprodukt als nicht relevant eingeschätzt, weil nach dem Waschen und Abspülen der Hände in keinem Fall Erreger auf den Händen nachweisbar waren [259]. Da feste Handwaschprodukte seit Jahren nicht mehr im medizinischen Bereich eingesetzt werden, sind in der jüngeren Literatur nur flüssige Handwaschpräparate als Kontaminationsquelle aufgeführt. Im Rahmen eines Ausbruchs mit S. liquefaciens war ein flüssiges antibakterielles Handwaschpräparat im Spender mit dem Erreger kontaminiert, weil der nicht vollständig entleerte Spender ohne Aufbereitung nachgefüllt wurde [260]. Bei ebenfalls nachgefüllten Flaschen waren 1/5 bis 1/4 aller flüssigen Handwaschpräparate in öffentlichen Toiletten mit 15 verschiedenen Spezies bis 107 KbE/ml kontaminiert [261, 262]. Das Nachfüllen wird auch in weiteren Studien als Kontaminationsursache verbunden mit Ausbrüchen angesehen [260, 263-266]. Auch nosokomiale S. marcescens Infektionen waren mit der Kontamination eines flüssigen Handwaschpräparats assoziiert [25, 267]. Experimentell wurde nachgewiesen, dass durch
Waschen mit einem kontaminierten flüssigen Handwaschpräparat die Anzahl Gramnegativer Erreger auf den Händen ansteigt und eine Weiterverbreitung auch in Gemeinschaftseinrichtungen möglich erscheint [263]. Selbst wenn die Spender mit Einwegflaschen bestückt werden, ist bei nicht ordnungsgemäßer vollflächiger Reinigung und Desinfektion der Spender einschließlich des Steigrohrs eine Kontamination des Handwaschpräparats möglich [260, 268, 269]. Als Fazit ist die Anwendung von Handwaschprodukten in Stückform in medizinischen und pflegerischen Bereichen obsolet.
5.3 Indikationen
Zweck der Händewaschung ist die Reinigung der Hände zur Entfernung von Schmutz und Verunreinigungen sowie zur Entfernung lose adhärierter Krankheitserreger, sofern diese nicht durch Händedesinfektion abgetötet werden können (z.B. bei Kontamination mit Bakteriensporen, Helminthen, Kryptosporidien, Oozysten und Protozoen). Bei starker Belastung der Hände mit Schweiß (z.B. nach langer OP) empfiehlt es sich, die Hände vor der Händedesinfektion mit einem Papierhandtuch zu trocknen. Gegebenenfalls sollten abschließend eine Händewaschung und die Anwendung einer hautpflegenden Lotion erfolgen [270]. Nach Toilettenbenutzung ist das Standardverfahren die Händewaschung. Bei Diarrhoe oder Rhinitis kann eine Händedesinfektion sinnvoll sein.
5.4 Technik
Bei der Händewaschung sind besonders die subungualen Räume zu berücksichtigen, da sie den größten Teil der Handflora enthalten [271]. Stellt sich der Wasserlauf nicht automatisch ab, wird er mit dem gebrauchten Handtuch oder dem Ellenbogen geschlossen [272].
Ist zusätzlich zur hygienischen Händedesinfektion eine Reinigung erforderlich, soll diese bis auf folgende Ausnahmen erst nach der Desinfektion durchgeführt werden [47]:
6 Maßnahmen zum Schutz vor Kontamination und vor Chemikalien
6.1 Medizinische Einmalhandschuhe und Schutzhandschuhe
Bei Handschuhen ist zwischen MP und PSA zu unterscheiden. Erstere dienen dem Infektionsschutz des Patienten und nur nachgeordnet auch des Trägers, während PSA ausschließlich dem Schutz des Trägers vor chemischen und physikalischen Risiken sowie vor Biostoffen dienen. MP unterliegen der Richtlinie 93/42/ EWG. PSA unterliegt der Richtlinie 89/656/EWG. Seit 2010 erlaubt die Neufassung der EU-Richtlinie 2007/47/EG die duale Kennzeichnung von Produkten für einen doppelten Verwendungszweck als MP und als PSA sowie deren entsprechende doppelte CE-Kennzeichnung. Der Einsatz von Einmalhandschuhen, die kein MP oder keine PSA sind und daher nicht den Qualitätskriterien der Normenserie EN 455 und EN 374 entsprechen, ist im Umfeld von Patienten abzulehnen.
Handschuhe werden in Gesundheitseinrichtungen mit folgenden Indikationen eingesetzt [Broschüre "Haut- und Infektionsschutz im Gesundheitswesen" http:// lgaarchiv.landbw.de/www.gesundheitsamtbw.de/sitecollectiondocuments/30_ gesundheitsth_arbmed/hautschutz_gesundheitswesen.pdf]:
Pathogenfreier medizinischer Einmalhandschuh
Die häufig verwendete Bezeichnung keimarmer Handschuh sagt nichts über die mikrobielle Unbedenklichkeit aus, weil die Qualität "keimarm" bisher nicht geregelt ist. Für Einmalhandschuhe ist im Unterschied zu sterilen medizinischen OP-Handschuhen lediglich die Qualität gemäß EN 420 [273] bzw. ISO 111931 [274] und 2 [275] und gemäß EN 455 Teil 1-4 [276-279] definiert; es gibt aber für den direkt aus der Originalverpackung entnommenen Einmalhandschuh keine Anforderung bezüglich des Freiseins von potentiell pathogenen Mikroorganismen oder bezüglich einer höchstzulässigen mikrobiellen Gesamtbelastung. Auch im Englischen oder Französischen erlaubt die Bezeichnung "clean singleuse gloves" bzw."gants d"examen" (Untersuchungshandschuhe) keinen Rückschluss auf die mikrobielle Unbedenklichkeit. Gleiches trifft für die von Hughes et al. [280] verwendete Bezeichnung "nicht steril" zu. Eine stichprobenartige Überprüfung nicht steriler medizinischer Einmalhandschuhe aus der Originalverpackung vor der Auslieferung an den Verbraucher ergab eine Gesamtkoloniezahl aerober Bakterien < 100 KbE/100 ml Sammelflüssigkeit, die damit deutlich unter dem zulässigen Grenzwert für Trinkwasser lag [281]. Bei aseptischer Entnahme von Handschuhen aus Boxen auf einer orthopädischen Station differierte die Gesamtbelastung zwischen 0 und 9,6 × 103 KbE/Handschuh. Neben Bacillus spp. und Koagulasenegativen Staphylokokken wurden E. faecalis, K. pneumoniae, Pseudomonas spp. oder S. aureus in 13 % der Proben nachgewiesen [280]. Da Einmalhandschuhe zur Anwendung in nicht sterilen Bereichen nicht nur mit intakter Haut, sondern auch mit Schleimhäuten in Kontakt kommen, z.B. zur Mundhöhlenpflege bei beatmeten Patienten oder zur vaginalen oder rektalen
Untersuchung, sollten sie frei von potentiell pathogenen Mikroorganismen sein. Dabei können sich die quantitativen Anforderungen an Trinkwassergrenzwerten sowie an die Anforderungen für nicht sterile arzneiliche Zubereitungen zur Anwendung in der Mundhöhle, in der Nase und am Ohr orientieren. Für letztere sind 102 KbE pro g bzw. ml als Gesamtheit aerober Mikroorganismen sowie 101 KbE pro g bzw. ml als Gesamtwert an Hefen und Schimmelpilzen zulässig. S. aureus und P. aeruginosa dürfen in 1 g bzw. 1 ml nicht nachweisbar sein [282]. Für Trinkwasser in medizinischen Einrichtungen sind die Anforderungen im Hinblick auf P. aeruginosa höher, d. h. kein Nachweis in 100 ml [283], weil im Unterschied zum frisch entnommenen Leitungswasser in arzneilichen Zubereitungen das Risiko der weiteren Vermehrung gegeben ist. Unter Berücksichtigung der Anforderungen an nicht sterile arzneiliche Zubereitungen bzw. der Anforderungen an Trinkwasser ist von einer Unbedenklichkeit von medizinischen Einmalhandschuhen in Hinblick auf den Patientenschutz auszugehen, wenn in 100 ml Sammelflüssigkeit keine potentiell pathogenen Erreger nachweisbar sind. Für die Deklarierung der Eigenschaft pathogenfrei ("keimarm") wird in Hinblick auf künftige Normungsarbeiten die Beschränkung auf je eine Indikatorspezies vorgeschlagen mit S. aureus als typischem Vertreter der Hautflora und E. coli als typischem Vertreter der Darmflora [284].
Pathogenfreie medizinische Einmalhandschuhe dienen in erster Linie der Unterbrechung von Infektionsketten [136, 285, 286]. Sie sind bei vorhersehbarer Verunreinigung mit Körperausscheidungen, Sekreten und Exkreten anzulegen wie z.B. bei der Blutentnahme, der Pflege inkontinenter Patienten, vor intensivem Kontakt mit MRE, z.B. vor der antiseptischen Waschung von mit MRE kolonisierten oder infizierten Patienten, beim Umgang mit Beatmungsschläuchen, bei Entleerung von Wasserfallen, beim endotrachealen Absaugen, bei der Tracheostomapflege, bei Entsorgung von Sekreten, Exkreten und Erbrochenem sowie bei der Entfernung von Drainagen, Verbänden oder kontaminierten Materialien. Sie sind insbesondere indiziert, wenn die erwarte ten Erreger unempfindlich gegen Alkohol basierte Händedesinfektionsmittel sind, z.B. C. difficile, oder besonders gefährlich sind, z.B. Erreger des viralen hämorrhagischen Fiebers. Die Notwendigkeit von Schutzhandschuhen bei erwarteter hoher Kontamination lässt sich daraus ableiten, dass nach artifizieller Kontamination der Hände mit E. coli trotz Händedesinfektion ca. 2 Zehnerpotenzen auf den Händen verbleiben [287]. Analoge Daten liegen für MRSA bei hoher Kontamination der Hände mit 2-3 Zehnerpotenzen verbleibender Restkontamination nach Händedesinfektion vor [288].
Medizinische Einmalhandschuhe sind nach Beendigung der jeweiligen Tätigkeit abzulegen. Ihr Wechsel korreliert mit den Indikationen der Händedesinfektion, z.B. beim Wechsel von unreinen zu reinen Tätigkeiten wie Sekretabsaugung und anschließende Arbeit am Infusionssystem [42, 286, 289]. Nach dem Ausziehen der Handschuhe ist in jedem Fall eine Händedesinfektion durchzuführen, da Handschuhe auf Grund unerkannter Perforationen und dem Risiko der Kontamination beim fehlerhaften Ausziehen der Handschuhe keinen lückenlosen Schutz vor der Kontamination der Hände gewähren [284, 286, 290].
Medizinische Einmalhandschuhe sind wegen des Risikos der Hautschädigung und erhöhter Perforationsgefahr [206] nur auf sauberen, vollständig trockenen Händen [291] anzulegen.
Soll eine Schutzfunktion gegen Chemikalien erreicht werden, sind Handschuhe für hohe Risiken (Kategorie III der RL 686, erkennbar an der CE Kennzeichnung, gefolgt von einer vierstelligen Nummer) zu empfehlen [292]. Diese Qualität ist für alle Handschuhe, die im Gesundheitsbereich verwendet werden, anzuraten. Dabei ist nicht nur die zu erwartende Schutzleistung, sondern die reproduzierte Qualität (AQL) entscheidend für den zu erwartenden Schutz.
Behandschuhte Hände sollten nur in speziellen Fällen desinfiziert werden, z.B. in Situationen, in denen ein häufiger Handschuhwechsel erforderlich, aber erfahrungsgemäß schwierig realisierbar ist bzw. der Wechsel zu einer Unterbrechung des Arbeitsflusses führt.
Für die Desinfektion des Handschuhes sind folgende Voraussetzungen zu berücksichtigen [293]:
Da die Perforationsrate mit zunehmender Tragedauer bzw. nach belastender Tätigkeit ansteigt, ist auch bei Gewährleistung der genannten Forderungen im Intensivbereich nach spätestens 15 min sowie nach jeder Patientenwaschung ein Handschuhwechsel zu empfehlen [295].
Allerdings ordnet die WHO [33] die Desinfektion der behandschuhten Hände trotz nachgewiesener Effektivität als ungelöste Frage ein, solange die Konsequenzen für die Materialintegrität unbekannt sind.
Werden Handschuhe nicht mit einem automatischen Handschuhspender bereitgestellt oder aus einer Box entnommen, die bei Entnahme des ersten Handschuhs den nachfolgenden soweit freigibt, das die Entnahme ohne Berührung der Box und weiterer Handschuhe möglich ist, sondern aus üblichen Pappboxen entnommen, ist vor der Entnahme eine Händedesinfektion durchzuführen. Angebrochene Boxen sollen vor Kontamination durch Staub, Spritzwasser, Tröpfchen geschützt werden. Eine Bevorratung einzelner Handschuhe in der Kitteltasche ist nicht zulässig.
Schutzhandschuhe (PSA) gegen Chemikalien und Mikroorganismen
Sie müssen sowohl die allgemeinen Anforderungen der EN 420 [273] insbesondere Unschädlichkeit, Ergonomie und Widerstand gegen Wasserdurchdringung erfüllen, als auch die speziellen Anforderungen bezogen auf den Einsatzzweck, d. h. Schutz vor Chemikalien und Mikroorganismen gemäß EN 374 Teil 1,2,4 und 5 [294, 296-298] sowie mechanische Festigkeit. Die ASTM F1671 gibt Auskunft über den Widerstand gegen Krankheitserreger, die über Blut übertragen werden, z.B. Viren [299]. Die Prüfung der Barrierefunktion für Zytostatika ist derzeit ebenfalls nur durch die ASTM D6978-05 geregelt [300].
Für die Auswahl ist zu beachten, dass in Abhängigkeit von der Durchbruchzeit 6 Klassen [294] unterschieden werden. Sofern die Handschuhe für die Unterhaltsreinigung eingesetzt werden, ist auf die adäquate Auswahl (z.B. lange Stulpen) zu achten. Überschreitet die Tragedauer z.B. 2 Stunden, ist Klasse 4 auszuwählen, sofern der Hersteller des Flächendesinfektionsmittels keine andere Angabe macht. Sofern die Schutzhandschuhe tätigkeits- bzw. bereichsübergreifend getragen werden, ist eine Weiterverbreitung von Erregern möglich, sofern nicht folgende Maßnahmen eingehalten werden:
Feuchtigkeitsabsorbierende textile Unterziehhandschuhe
Hierbei handelt es sich um dünne, mehrfach verwendbare in Desinfektions-Waschverfahren aufbereitbare Baumwollhandschuhe, deren Einsatz in der TRBA 250 [4] bei längerem Tragen von luftundurchlässigen Schutzhandschuhen zur Reduktion des Handschweißes für sinnvoll erachtet wird. Sie werden zusammen mit dem Schutzhandschuh gewechselt. Ihr Einsatz hat sich für medizinische Tätigkeiten als durchführbar erwiesen, wobei subjektiv durch Absorption der Feuchtigkeit ein günstiger Einfluss auf den Hautzustand ausgeübt wird, sodass ein Routineeinsatz in der Patientenpflege von Pflegekräften und Physiotherapeuten überwiegend bejaht wurde [301].
6.2 Sterile Einmalhandschuhe
Sterile Einmalhandschuhe sind MP. Gemäß europäischem Arzneibuch müssen Sterilität und Freisein von Pyrogenen gewährleistet sein; ferner werden Dichtheit, Reißfestigkeit sowie Abrieb- und Schnittfestigkeit geprüft [302].
Das Anlegen steriler Handschuhe vor operativen Eingriffen und invasiven pflegerischen Maßnahmen soll die Übertragung von Krankheitserregern auf sterile/ nicht kolonisierte Bereiche des Patienten bzw. die Kontamination steriler Materialien verhindern. Die Notwendigkeit zum Tragen von OP-Handschuhen lässt sich daraus ableiten, dass bei perforier ten OP-Handschuhen die postoperative Wundinfektionsrate signifikant höher war als bei nicht perforierten [196, 197]. Beim Anlegen der Handschuhe ist zu beachten, dass diese am Ärmelbündchen des Kittels dicht abschließen.
Im OP-Bereich empfiehlt sich grundsätzlich der Einsatz latexallergenarmer OP-Handschuhe, da bisher von keinem anderen Material gleichwertige Eigenschaften hinsichtlich Tragekomfort, Passgenauigkeit, Griffigkeit und mechanischer Belastbarkeit wie für Naturlatex erreicht werden. Der Proteingehalt muss < 30 µg/g Handschuhmaterial betragen [274]. Gepuderte Latexhandschuhe sind wegen des Allergisierungsrisikos untersagt [291]. Bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Latexallergie wird die naturlatexfreie Versorgung empfohlen. Das betrifft Patienten, die von Geburt an an Spina bifida, urogenitalen Fehlbildungen, Ösophagusatresie und weiteren Missbildungen leiden und die wiederholt operiert werden [303-309]. Durch latexfreie OP-Handschuhe, latexfreie Anästhesie und Latexallergenvermeidung im Alltag konnte die Latexsensibilisierungsprävalenz signifikant gesenkt werden [310, 311]. Talkum und Ersatzprodukte bergen die Gefahr der Granulombildung im OP-Gebiet und sind nicht zu empfehlen [312-316]. Für eine Emulsion mit Maisstärke ist das nicht untersucht; da aber kein Einfluss auf die Schweißmenge nachweisbar war [317], ist sie entbehrlich.
Bei chirurgischen Eingriffen mit erhöhtem Perforationsrisiko und/oder chirurgischen Eingriffen an Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko wird für das OP-Team das Tragen von zwei Paar übereinander gezogenen OP-Handschuhen (sog. double gloving) möglichst mit Indikatorsystem empfohlen [127, 318]. Da bekannt ist, dass die Perforationsrate mit zunehmender Dauer der OP steigt, wird bei längeren OPs diskutiert, ob bzw. wann ein routinemäßiger Handschuhwechsel sinnvoll und begründet ist. Die Vorschläge reichen von 30 bis 180 min [319]. Insgesamt sind die Daten jedoch unzureichend, um eine allgemeine Empfehlung geben zu können [26, 320].
Bei Tragen von nur einem Paar Handschuhen haben sich in der Viszeralchirurgie über die OP-Dauer ansteigende Perforationsraten für Operateur und 1. Assistenten gezeigt, woraus ein Wechsel nach spätestens 90 min, für den 2. Assistenten und die OP-Pflegekräfte nach 150 min abgeleitet wurde [319, 321]. Für andere chirurgische Fachdisziplinen kann sich das Wechselintervall in Abhängigkeit vom Perforationsrisiko unterscheiden. Folgende Beispiele verdeutlichen die Situation. Für totale Hüftendoprothesen wurde vorgeschlagen, den Außenhandschuh nach der Prothesenreduktion bzw. bei Perforation zu wechseln. Typische Situationen einer Perforation waren bei der Inzision bzw. beim Zementieren des Hüftkopfs im Femur. Durch diese gezielten Wechsel der Außenhandschuhe konnte die Rate von OP-Handschuhen, die intraoperativ an der Außenseite steril sind, um 80 % erhöht werden [320]. Der Wechsel des äußeren Handschuhpaars 1 h nach Beginn der OP hatte zur Folge, dass die Kontaminationsrate des äußeren Handschuhs am OP-Ende 13 % anstatt 23 % betrug. Deshalb empfehlen die Autoren, vor dem Einsetzen von Implantaten die äußeren Handschuhe zu wechseln [322].
Bei sichtbarer intraoperativer Handschuhbeschädigung müssen frische sterile OP-Handschuhe angelegt werden. Hat sich die Perforation zu OP-Ende ereignet, kann es ausreichend sein, einen frischen sterilen Handschuh über den perforierten Handschuh zu ziehen. Ob vor dem Anlegen des frischen OP-Handschuhs eine Händedesinfektion erforderlich ist, ist eine ungeklärte Frage. Zweifellos findet während der OP eine Rekolonisation der Haut im Handschuh statt [323, 324]. Andererseits wäre der Handschuh ohne Perforation nicht gewechselt worden. Da nur im OP-Gebiet gearbeitet wurde, erscheint die Händedesinfektion entbehrlich, zumal es bei der Händedesinfektion zu einer Kontamination des sterilen Schutzkittels mit der Hautflora kommen kann.
Auch Handschuhe mit antibakterieller Barriere bzw. antibakterieller Imprägnierung können den Erregertransfer durch Perforationen [325] bzw. die Erregermenge auf der Hand [326] verringern, bergen jedoch in Abhängigkeit vom verwendeten Wirkstoff (z.B. Chlorhexidin) eine Allergiegefahr.
Durch unter dem OP-Handschuh angelegte sterile Baumwollhandschuhe kann dem Feuchtigkeitsstau entgegengewirkt werden.
Unmittelbar nach dem Ablegen der OP-Handschuhe sollte eine Händedesinfektion erfolgen, da Perforationen nicht auszuschließen sind.
6.3 Vermeidung einer Kontamination
Der Umfang erforderlicher Händedesinfektionen kann durch konsequente Planung von pflegerischen und ärztlichen medizinischen Maßnahmen mit dem Ziel der konsequenten Trennung rein/unrein bzw. nicht kontaminiert/kontaminiert sowie durch Realisierung der Nontouch-Technik z.B. im Umgang mit Devices und beim Verbandwechsel reduziert werden.
Für den Verzicht auf begrüßendes Händeschütteln gibt es bei Einhaltung der Indikationen zur Händedesinfektion weder eine epidemiologische Evidenz, noch eine stichhaltige theoretische Rationale. Wenn die von der WHO empfohlenen 5 Indikationsgruppen zur Händedesinfektion konsequent eingehalten werden, ist der Verzicht nicht begründbar. In Anbetracht der Schwierigkeit der Erreichbarkeit einer indikationsumfassenden Compliance der Händedesinfektion kann zumindest in Risikobereichen auf das begrüßende Händeschütteln verzichtet werden, wodurch zugleich die Notwendigkeit der Händedesinfektion in den Fokus gerückt wird.
7 Anforderungen an Spender für Händedesinfektionsmittel und Handwaschpräparate
Im Gesundheitswesen sollen für HDM vorzugsweise als MP deklarierte Spender eingesetzt werden. Daraus ergibt sich die Verpflichtung für den Hersteller, in der Packungsbeilage Angaben zur sachgerechten Aufbereitung zu machen. Alternativ können auch HDM-Spender zum Einsatz kommen, die keine MP sind, wenn der Hersteller eine sachgerechte Aufbereitungsvorschrift zur Verfügung stellt.
Das Anbruch- oder das Ablaufdatum muss auf dem Desinfektionsmittelbehältnis [327] oder separat dokumentiert sein. In Bereichen mit hohem Verbrauch an HDM kann es ausreichend sein, die Einhaltung der Verbrauchsfrist über die Verbrauchsstatistik nachzuweisen. Da Spender für Handwaschpräparate kein MP sind, muss die Aufbereitung durch den Anwender selbst festgelegt werden.
Für Handwaschpräparate entfällt die Verpflichtung der Anbruchdokumentation. Trotzdem ist diese zu empfehlen, sofern dazu Herstellerangaben vorhanden sind. Dies lässt sich ableiten aus der höheren Kontaminationsanfälligkeit von Handwaschpräparatespendern im Vergleich zu Desinfektionsmittelspendern.
Grundsätzlich dürfen beide Spenderarten nicht zu einer Weiterverbreitung von Krankheitserregern führen. Automatisch bedienbaren Spendersystemen ist nicht nur wegen der geringeren Kontaminations- und Übertragungswahrscheinlichkeit, sondern auch wegen des höheren Bedienkomforts und des positiven Einflusses auf die Compliance der Vorzug zu geben [328].
Unabhängig vom Hersteller und von der Bauart sollten Spender für Händedesinfektionsmittel und für Handwaschpräparate folgende Anforderungen erfüllen [329]: Es soll eine Bestückung mit nicht wieder befüllbaren Gebinden (Einmalcontainer), die Möglichkeit der Verwendung von Gebinden unterschiedlicher Hersteller sowie die Vermeidung der mikrobiellen Kontamination des Pumpkopfs während der Nutzung möglich sein. Der Eurospender ist in der Größe genormt, und es können Gebinde unterschiedlicher Hersteller fixiert werden. Die im Spender verwendeten HDM oder Handwaschpräparate einschließlich wichtiger Herstellerhinweise und der Füllstand müssen ohne Manipulation identifizierbar sein. Aufgrund der einfacheren Handhabung empfiehlt sich sowohl für Händedesinfektionsmittel als auch für Handwaschpräparate die Verwendung von Einmalgebinden.
Im Hinblick auf das Risiko der mikrobiellen Besiedelung sind Spender für Handwaschpräparate kritischer einzuschätzen als mit alkoholischen HDM befüllte Spender [263, 264]. Hinzu kommt, dass nach einem Handkontakt mit dem Auslass des Spenders, anders als beim Desinfektionsmittelspender, die Hände nicht zwangsläufig desinfiziert, wohl aber abgespült werden. Günstig ist da-
her bei Spendern für Handwaschpräparate die Verwendung von Einmalpumpen am Gebinde, die mit dem leeren Gebinde verworfen werden. Sofern aufbereitbare Spendersysteme eingesetzt werden, ist bei der Auswahl darauf zu achten, dass der Hersteller eine Vorschrift zur Aufbereitung bereitstellt. Die manuelle Aufbereitung beinhaltet konstruktionsabhängig folgende Schritte: Abwischen des Steigrohrs mit Einmaltuch, Reinigung der Dosierpumpe unter fließendem heißen Wasser, Trocknen, Reinigung des Spendergehäuses unter fließendem heißen Wasser, Trocknen, Wischdesinfizieren von Spendergehäuse, Rückwand und Dosierpumpe, Zusammensetzen des Spenders und wiederholtes Durchpumpen eines Desinfektionsmittels.
Es existieren nur wenige Daten zur Kontamination von Handwaschpräparaten. Gleich et al. zeigten [330], dass Waschlotionen nur zu 10 % mit max. 2 KbE von Vertretern der Umweltflora (Koagulasenegative Staphylokokken, Mikrokokken oder aerobe Sporenbildner) kontaminiert waren. Selbst am Auslass war trotz sichtbarer Verschmutzung zu 25 % keine Kontamination nachweisbar. Bei Ausbrüchen mit Handwaschpräparaten waren offene Flaschen bzw. nachfüllbare offene Spendersysteme für Handwaschpräparate, nicht aber geschlossene Systeme ursächlich [331-333].
Bei beiden Spenderarten müssen die fixen Außen- und Innenteile aufbereitbar sein. Das ist auch maschinell möglich [269]. Für das Aufbereitungsintervall gibt es keine Evidenz. Sichtbare Verunreinigungen des äußeren Gehäuses und aller ohne weitere Manipulation zugänglichen Teile sowie Tropfnasen am Auslass sind durch Wischdesinfektion zu beseitigen. Für Bedienhebel empfiehlt sich eine tägliche Wischdesinfektion durch den Reinigungsdienst. Umfang und Frequenz der Kontrollen und der Innenaufbereitung von Spendern sollten im hauseigenen Hygieneplan festgelegt werden, z.B. halbjährig.
8 Qualitätssicherung der Händehygiene
Bei den im Rahmen der nationalen Händedesinfektionskampagne im Jahr 2014 in 109 Krankenhäusern erhobenen Daten zur Compliance wurde deutlich, dass trotz einer Compliance von durchschnittlich 73 % (10. Percentile 55 %, 90. Percentile 89 %) [334] noch Verbesserungspotential besteht, insbesondere, wenn davon ausgegangen wird, dass sich durch direkte Beobachtung die Rate der Händedesinfektionen deutlich erhöht (Hawthorne-Effekt) bzw. bei einer Compliance von 51 % in der Größenordnung von 180 % bewegen kann [335, 336]. Auf Grund des Stellenwerts der Händehygiene müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, eine maximale Compliance in ihrer Durchführung zu erreichen. Dazu gehören die Etablierung von Messverfahren zur Compliance sowie die Analyse und Optimierung von Routinearbeitsabläufen. Neben der Verbesserung der Compliance der Händedesinfektion ist auch die korrekte Durchführung ein weiterer wichtiger Aspekt [337].
Um einen Effekt der Händedesinfektion auf die Raten von NI und MRE zu erzielen, muss eine hohe Compliance der Händedesinfektion durch das Personal erreicht werden [338]. Die Compliance der hygienischen Händedesinfektion sowie die Faktoren für Nicht-Compliance sind in den letzten Jahren gut untersucht worden [337, 339, 340]. In Bereichen, in denen keine Interventionen zur Händedesinfektion durchgeführt worden sind, ergaben sich z. T. erhebliche Defizite mit Complianceraten zwischen 5-81 %, der Mittelwert bei etwa 40 % [34, 338, 339, 341]. Bei ausreichender Anzahl von Spendern und Schulungen konnte dieser Wert bis auf 70 % gesteigert werden [342]. In Deutschland wurde je nach Berufsgruppe, Fachrichtung oder Art der Tätigkeit eine durchschnittliche Compliance zwischen 41 % und 55 % mit hoher Variationsbreite ermittelt [343-345]. Nach Pittet et al. [34] differiert die Compliance zwischen 16- 81 %. Im Rahmen des multimodalen Interventionsprogramms konnte die Compliance von 48 % auf 66 % erhöht werden. Eine Beobachtungsstudie auf einer neonatologischen Intensivstation verzeichnete nach Einführung effektiver Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance wie Weiterbildungsprogramme, Performance-Feedback, Motivation des Pflegepersonals, alkoholische Händedesinfektion als Standardverfahren und leichtere Zugangsmöglichkeit zu Desinfektionsmitteln einen signifikanten Anstieg der Compliance-Rate von 39 % auf 59 % (nach Patientenkontakt), verbunden mit einer Senkung von NI von 11,3 auf 6,3 pro 1000 Patiententage [83]. In der Intensivpflege war die Compliance bei Manipulationen am Beatmungssystemzubehör am höchsten, gefolgt von Manipulationen am Harnwegkatheter und an Wundverbänden. Bei Manipulationen an zentralen oder peripheren Gefäßzugängen war die Compliance am geringsten. Die vergleichsweise höchste Compliance bei Manipulationen am Zubehör des Beatmungssystems hat ihre Ursache offenbar im angestrebten Eigenschutz des Pflegepersonals [343]. Dazu steht in Übereinstimmung, dass auch das Tragen medizinischer Einmalhandschuhe zur Unterlassung der Händedesinfektion verleitet [346]. Die Beobachtungsergebnisse eröffnen die Möglichkeit, eine Verbesserung der Compliance gerade bei den Indikationen zu trainieren, für die sich entweder in Studien [342, 347, 348] oder durch eigene Beobachtungen Defizite ergaben.
Die im Rahmen der nationalen Händehygienekampagne 2014 aus 109 Krankenhäusern und 576 Stationen gewonnenen Complianceraten lagen je nach Berufsgruppe zwischen 64 % und 77 % und je nach Fachrichtung zwischen 64 % und 83 % [334]. Von > 700 Krankenhäusern, die an der AKTION Saubere Hände teilnahmen, haben sich 180 an Beobachtungsstudien beteiligt. Die in 163 Krankenhäusern ermittelte Baseline von 60,9 % konnte in den beobachteten Bereichen auf 72,3 % verbessert werden [349]. So wurde im Ergebnis einer Studie mit direkter Beobachtung gemäß Protokoll der AKTION Saubere Hände 2008 eine Ausgangscompliance bei Ärzten und Pflegekräften von 53 % bzw. 57 % ermittelt. 2011 war die Compliance bei den Ärzten auf 64 % angestiegen, aber 2013 auf 48 % abgefallen. Bei den Pflegekräften wurde die Compliance auf 71 % erhöht mit einem nachfolgenden Abfall auf 56 %, d. h. auf den Ausgangswert [350].
Bei Pädiatern wurde durch multimodale Intervention die Compliance von 46 % auf 90 % [351] bzw. von 68 % auf über 95 % gesteigert, letzteres für einen Zeitraum von 6 Monaten [352]. Auf einer neonatologischen Station konnte die Compliance während des 9 monatigen Follow up dagegen nur von 42 % auf 55 % verbessert werden [353, 354].
Das Problem der Compliance liegt in der Art des Vorgangs. Anders als beim Waschen der Hände, bei dem Schmutz weggewaschen wird, was uns seit der frühesten Kindheit als hygienisches Ritual vor Mahlzeiten oder nach Toilettenbesuchen anerzogen wird, ist bei der Desinfektion der Effekt nicht sichtbar. Insofern ist die Motivation einer der Schlüsselpunkte zur Verbesserung der Compliance. Das Herausbilden einer Motivation setzt Interventionen vor allem in den Bereichen Risikowahrnehmung, Handlungs-Ergebnis-Erwartung und Selbstwirksamkeitserwartung (also die Überzeugung in die eigene Kompetenz, ein Verhalten mittels eigener Ressourcen ausführen zu können) voraus. So zeigte eine Studie auf Intensivstationen, dass insgesamt drei Viertel der Ärzte und des Pflegepersonals hoch motiviert waren und dieser Anteil bei einer starken Überzeugung, durch die eigene Händedesinfektion Erregertransmissionen vermeiden zu können, sogar bei über 90 % lag [355]. Die Motivation allein führt allerdings nur in einem kleinen Prozentsatz auch zum Handeln. Um diese sog. Intentions-Verhaltens-Lücke zu schließen, sollten entsprechende psychosoziale Faktoren wie die Verhaltensplanung und -kontrolle sowie die Zusammenarbeit im Stationsteam gefördert werden [356]. Inwieweit das Händewaschen mit einer besseren Compliance durchgeführt wird, ist unklar. In den Beobachtungsdaten macht das Waschen der Hände deutlich < 3 % aller Händehygieneaktionen aus (unveröffentlichte Daten AKTION Saubere Hände).
Ferner wurde abgeleitet, dass vor allem der Parameter Zeit korrelierend zu den Faktoren Personalmangel, Überbelegung und den daraus resultierenden Arbeitsbelastungen einer der Hauptgründe für mangelnde Compliance darstellt [357]. Wenn Voss und Widmer [358] anhand des Zeitbedarfs in einer Schicht für die Händedesinfektion ableiteten, dass eine 100 %ige Compliance erreichbar ist, kann sich die Situation 20 Jahre nach der Veröffentlichung geändert haben. Scheithauer et al. [347] ermittelten 162 Indikationen für die Händedesinfektion pro Patiententag auf einer internistischen ITS. Betreut ein Pflegender 2 Patienten, nimmt das etwa 50 min in Anspruch. Da nach der Händedesinfektion nicht selten ein Ortswechsel erfolgt, während dessen die Einwirkungszeit andauert, kann sich der tatsächliche Zeitbedarf verkürzen. Trotzdem ergibt sich aus dieser Kalkulation ein nicht zu vernachlässigender Zeitbedarf für die Händedesinfektion, der bei gleichzeitigem Personalmangel durchaus ein Problem darstellen kann.
Um die Einhaltung der Indikationen für die Händedesinfektion im Interesse der Patientensicherheit zu erreichen, sind alle Anstrengungen zu bündeln und fortlaufend zu evaluieren, wobei die praktische Umsetzung durch Festlegung von Zwischenschritten oder Etappenzielen gefördert werden kann.
8.1 Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance
Um die Compliance zu erhöhen, ist es wichtig, sich einrichtungsbezogen mit den Gründen für die Non-Compliance auseinanderzusetzen. Die in Untersuchungen am häufigsten genannten Gründe für Non-Compliance sind Personalmangel, Nichtvorhandensein eines institutionellen Bewusstseins für die Patientensicherheit (Sicherheitskultur), Unsicherheiten, wann eine Händedesinfektion notwendig ist, Angst vor Hautschäden bzw. Hautunverträglichkeit sowie eine schlechte Verfügbarkeit von Händedesinfektionsmitteln. Darüber hinaus werden genannt: keine positiven Vorbilder durch Kollegen oder Vorgesetzte, andere Tätigkeiten am Patienten haben Vorrang, Händedesinfektion kann die Beziehung zum Patienten stören, Handschuhe machen eine Händedesinfektion unnötig, Vergesslichkeit, Zweifel an der Wertigkeit der Händehygiene, keine individuelle Übereinstimmung bzw. Akzeptanz der Richtlinien sowie Zweifel an der Evidenz, dass Händedesinfektion die Zahl der NI verhindern kann [33, 346, 359-361]. Weitere Untersuchungen weisen auf die Organisationskultur [362] sowie die explizite und implizite Einstellung der Mitarbeiter [363, 364] als Einflussfaktoren für die Compliance hin.
Eine Intervention zur Verbesserung der Händehygiene-Compliance hat im mer auch eine individuelle Verhaltensänderung zum Ziel. Um diese zu erreichen, sind Interventionen auf verschiedenen Ebenen notwendig, wobei die Überprüfung des Wissens in einem Online Testprogramm mit Teilnahmebestätigung die Bemühungen unterstützen kann [365]. Die Einstellungen und Haltungen der Mitarbeiter gegenüber dem Thema Händehygiene sind uneinheitlich und komplex. Viele Faktoren beeinflussen das letztendliche Verhalten [366, 367].
In den letzten Jahren hat eine Vielzahl von Studien die Effizienz sogenannter multimodaler Interventionsmodelle zur Verbesserung der Compliance gezeigt [34, 88, 92, 368-371]. Die WHO hat im Rahmen ihrer weltweiten "Clean Care is Safer Care" Kampagne ein multimodales Interventionsprogramm entwickelt und in 58 Pilothäusern weltweit erfolgreich getestet [33]. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse sollte ein multimodales Interventionsprogramm folgende grundlegende Maßnahmen beinhalten: regelmäßige Personalfortbildungen, Messungen mit Ergebnisrückmeldung, Verbesserung der Verfügbarkeit von HDM, Nutzung von Erinnerungs- und Werbematerialien, sichtbare Unterstützung durch die administrativen Ebenen. Zusätzlich haben sich Zielvereinbarungen, Anreizsysteme (incentives) und Strategien zur Förderung der Übernahme von Verantwortung (accountability) als effektiv erwiesen [372]. Im Rahmen eines solchen Interventionsprogramms haben Fortbildungen insbesondere in standardisierter Form [373] und Training [374] eine Schlüsselfunktion, jedoch als alleinige Interventionsmaßnahme nur einen geringen, kurz anhaltenden Effekt [132, 370, 371, 375].
Neben Faktoren, die für Überwindung der Intentions-Verhaltens-Lücke relevant sind, hat auch die Beteiligung von Patienten z.B. durch ihre institutionelle Einladung, Hygienethemen anzusprechen (empowerment), im Hinblick auf nachhaltige Effekte ein großes Potenzial [141, 376, 377].
Zur nachhaltigen Verbesserung der Compliance nimmt die Prozessoptimierung eine Schlüsselfunktion ein, indem durch optimalen Workflow die Anzahl der Indikationen zur Händedesinfektion reduziert werden kann. Selbst in Bereichen, die bereits jahrelang geschult wurden und Teilnehmer von Interventionskampagnen sind, können so ohne Mehrarbeit erhebliche Effekte erzielt werden [133, 378, 379]. Daher sollten Routinemaßnahmen kritisch in ihrem Ablauf überprüft und standardisiert werden mit dem Ziel, Händedesinfektionen zu sparen [133, 342].
Tab. 3 Vor- und Nachteile verschiedener Methoden zur Beobachtung der Compliance.
Direkte Beobachtung |
Elektronische Systeme |
Verbrauchsmessung | |
Kosten | Hohe Personalkosten | Herstellerabhängig | Gering |
Frequenz des Feedbacks | Gering (aus Kostengründen) | Hoch - individuell mit Mobilgerät und kollektiv durch Statistik | Gering (z.B. monatlich) |
Qualität und Präzision der Information | Individuell/punktuell sehr hoch, Generalisierbarkeit für Stationen und längere Zeiträume fraglich, Beeinflussung durch den HAWTHORNE-Effekt, Vorteil der Beurteilung der Performance und des korrekten Timings | Abhängig von System und Systemnutzung, meist werden nur die WHO Indikationen 1, 4 und 5 erfasst | Nicht individuell, aber Übersicht über 24 h täglich und 365 Tage im Jahr |
Zugleich sollten Interventionsprogramme auch auf den Zeitdruck und die hohe Arbeitsbelastung des Personals zugeschnitten werden. Dazu gehört auch die großzügige Ausstattung mit HDM, um zusätzliche Wege für das Personal zu vermeiden. Die kritische Überprüfung der Spenderausstattung unter Berücksichtigung der Arbeitsabläufe vor allem am Patienten sowie ggf. die Verbesserung der Ausstattung können bereits zu einer Verbesserung der Compliance führen [34, 380-382]. Die WHO empfiehlt die Verfügbarkeit von HDM "at point of care", d. h. dort, wo die Indikationen zur Händedesinfektion entstehen: vor allem am Patienten bzw. am Patientenbett, an sauberen Arbeitsplätzen, an Behandlungsplätzen usw. [33]. In Abhängigkeit von den räumlichen Gegebenheiten sowie von der Art der versorgten Patienten können fest montierte oder mobile Spendersysteme verwendet werden.
Die 2008 in Deutschland gestartete nationale Aktion Saubere Hände ist ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der von der WHO 2005 ins Leben gerufenen Kampagne "Clean Care is Safer Care". Seit Juni 2011 können Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken, seit August 2015 auch Einrichtungen der Ambulanten Medizin ein Zertifikat über die Teilnahme an der Aktion Saubere Hände erwerben [http:// www.aktionsauberehaende.de/ash/module/krankenhaeuser/zertifizierung/]. Auch durch die Teilnahme am Internationalen Tag der Händehygiene wird der Stellenwert der Händehygiene unterstrichen. Nach dem Erreichen des Goldzertifikats der Aktion Saubere Hände ist es möglich, sich am Wettbewerb "European Hand Hygiene Excellence Award" zu beteiligen und damit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit der erreichten Compliance zu leisten.
Als Basismaßnahme zur Gewährleistung der Compliance der Händehygiene ist mindestens jährlich und zusätzlich zeitnah bei Hinweisen auf Probleme in diesem Bereich eine Schulung aller Mitarbeiter zu den Indikationen der Händedesinfektion in Verbindung mit einem Training und der Evaluation der Einreibetechnik z.B. mit fluoreszierendem Farbstoff im HDM [383] zu gewährleisten. Im Rahmen dieser Schulungen ist es zu empfehlen, dass die Verbrauchsdaten für HDM innerhalb der Organisationseinheiten bewertet werden. Das setzt die Übermittlung von auf die Organisationseinheiten aufgeschlüsselten Verbrauchsdaten pro Patiententag (3 ml = eine Händedesinfektionseinheit) voraus. Die Verbräuche sollten zusätzlich jährlich der ärztlichen und der pflegerischen Leitung mitgeteilt und in der Hygienekommission bewertet werden. Hier kommt es vor allem darauf an, die Situation in Organisationseinheiten mit sehr niedrigem Verbrauch pro Patiententag kritisch zu hinterfragen und ggf. dort gezielt zu intervenieren.
8.2 Ermittlung der Compliance
Um Defizite in der Händedesinfektions-Compliance bzw. deren Veränderungen sichtbar zu machen, ist die Etablierung von Messsystemen unerlässlich [33, 34, 384]. Als Messinstrument für die Händedesinfektion stehen die direkte Beobachtung der Mitarbeiter zur Bestimmung der Compliance, elektronische Systeme und als Surrogatparameter die Bestimmung des Verbrauchs an HDM zur Verfügung (. Tab. 3).
Die Erhebung von Daten zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Rahmen einer Intervention oder auch zur Langzeiterfassung ist ein wichtiges Instrument, um qualitative und quantitative Aussagen zu Ausgangssituationen sowie zu Veränderungen treffen zu können. Die drei Methoden haben ihre Vor- und Nachteile und sollten idealerweise kombiniert angewandt werden [385, 386]. Die Messung des Verbrauchs an HDM ist eine weniger ressourcenintensive Möglichkeit der Datenerhebung und als Langzeitmesssystem geeignet, Veränderungen im Händedesinfektionsverhalten abzubilden. Es ist zu beachten, dass der Verbrauch nicht mit der Compliance gleichzusetzen ist. Verbrauchszahlen geben einen Anhalt über die Menge durchgeführter Händedesinfektionen, die durchschnittlich an einem Patienten in 24 h (also an einem Patiententag) in einer Organisationseinheit (z.B. pro Station, pro Klinik, pro Einrichtung) durchgeführt worden sind. Die Qualität der Daten hängt entscheidend davon ab, inwieweit die Verbrauchszahlen der Organisationseinheit sicher zugeordnet werden können. Sinnvoll ist der Vergleich nur mit Verbrauchszahlen aus vergleichbaren Organisationseinheiten, da im Gegensatz zur Compliance bisher keine verlässlichen Sollwerte zur Verfügung stehen. Verbrauchsdaten lassen keine linearen Rückschlüsse hinsichtlich Compliance (fehlende Nennerdaten, indikationsgerechte Händedesinfektion, Technik der Händedesinfektion und Sicherheit im Erkennen der Indikationen zur Händedesinfektion im klinischen Alltag) zu [347]. Da die Unterschiede in den einzelnen Fachbereichen und zwischen Intensiv- und Nicht-Intensivstationen erheblich sein können, ist eine stations- bzw. bereichsbezogene Erfassung sinnvoll [371]. Es wird empfohlen, die Verbrauchsdaten auf Organisationseinheiten aufgeschlüsselt in die Qualitätsberichte der Krankenhäuser aufzunehmen.
Die Bestimmung der Compliance für die Händedesinfektion durch direkte Beobachtung ist der Goldstandard [33]. Allerdings sind Beobachtungsdaten aus der Literatur für bestimmte Bereiche oft nicht einfach auf individuelle Settings übertragbar, da es große Unterschiede in der Methode der Beobachtung sowie in der Definition der Indikationen zur Händedesinfektion gibt. Die WHO hat mit dem Modell der 5 Indikationen die Grundlage für vergleichbare Beobachtungen geschaffen [134]. Voraussetzung dafür ist eine intensive Schulung mit regelmäßiger Validierung der Beobachter. Die Beobachtung ist eine punktuelle Messung. Sie ermöglicht die Einschätzung, in wieweit Mitarbeiter die Indikationen erkennen und welche Maßnahmen für eine verbesserte Compliance notwendig sind. Sie sollte als Fehleranalyse auch als Grundlage für Interventionen genutzt werden [387]. Da die Compliance einzelner Mitarbeiter große Unterschiede aufweisen kann, sollten möglichst viele Mitarbeiter in eine Beobachtung eingeschlossen werden, um eine Aussage über die generelle Compliance eines Bereichs treffen zu können [33, 34].
Der Verbrauch an HDM kann durch elektronische Erfassungsmöglichkeiten im zeitlichen Verlauf am Ort des Verbrauchs erfasst werden, wodurch zeitnah Einfluss auf die Compliance und damit auf die NI-Rate genommen werden kann [388-391]. Einem krankenhausweiten Einsatz können allerdings die Systemkosten entgegenstehen. Neuere elektronische Systeme erfassen Händedesinfektionen zusätzlich auf individueller Ebene, etwa mit mobilen "badges" oder Erfassungsgeräten, ermöglichen ein individuelles Feedback zur Händehygiene oder können an fällige Desinfektionen erinnern [376], z.B. durch Überwachung bestimmter Zonen, deren Betreten häufig mit der Indikation für eine Händedesinfektion verbunden ist. Heutige Systeme erlauben noch keine präzise Erinnerung der Mitarbeiter an alle Indikationen zur Händehygiene. Auch wenn sie das verfügbare Instrumentarium zur Steigerung der Compliance erweitern, konnte bisher nur ein geringer Einfluss auf die Verbesserung der Compliance nachgewiesen werden [392]. Evaluation und Feed back sind wichtige Komponenten einer Umsetzungsstrategie zur Steigerung der Compliance [33, 132]. Aspekte des Datenschutzes, der Akzeptanz und der notwendigen Eigenmotivation der Beschäftigten sind als Randbedingungen zu beachten.
Aufklärung, Trainingsprogramme mit regelmäßigen Schulungen (mindestens jährlich) und die Auswahl der HDM in Desinfektionsplänen dienen in Verbindung mit der Festlegung des Vorgehens in einrichtungsverbindlichen SOPs und mit gezielten Kontrollmaßnahmen der Qualitätssicherung der Händehygiene. Mikrobiologische Untersuchungen, z.B. durch Abdruckkulturen von den Händen, können bei speziellen epidemiologischen Fragestellungen durchgeführt werden, eignen sich aber nicht für eine routinemäßige Überprüfung der Wirksamkeit einer Händedesinfektion.
9 Hautschutz und Hautpflege
Berufsbedingte Hauterkrankungen stehen seit vielen Jahren an der Spitze der Berufskrankheiten [393]. Das liegt zum einen an falschen Methoden der Händehygiene, d. h. die Hände werden zu viel gewaschen, anstatt alkoholische HDM zu benutzen, zum anderen am ungenügenden Einsatz von Hautschutz- und Hautpflegemitteln [394, 395].
Hautschutz und Hautpflege dienen vorrangig dem Arbeitsschutz, sind aber zugleich Voraussetzung für eine effektive Händedesinfektion [252], da bereits kleinste Risse bzw. Mikrotraumen zu Eintrittspforten für Krankheitserreger und zum Erregerreservoir werden können [395, 396]. Beim Einsatz von Hautschutz- und -pflegemitteln ist das Risiko der mikrobiellen Kontamination zu beachten [397, 398], d. h. keine Entnahme aus Salbentöpfchen und bei Verwendung von Tuben Vermeiden eines Rücksogs des ausgedrückten Salbenstrangs.
Hautschutzpräparate schützen vor Irritation [399-407] und werden vor und während der Arbeit und ggf. zusätzlich in Arbeitspausen aufgetragen [402, 408]. Hautpflegepräparate unterstützen die Regeneration der Haut [409]. Ihre Anwendung wird am Dienstende empfohlen [291]. Zusätzlich können sie während der Arbeit bei individuellem Bedürfnis angewendet werden. Bei sichtbarer Verschmutzung der Hände sollte vor dem Auftragen von Hautschutz- oder -pflegepräparaten die Haut gereinigt werden, um dem Eindringen von auf der Haut verbliebenen Substanzen mit hautreizenden Eigenschaften entgegen zu wirken [410]. In Ergänzung dazu empfiehlt es sich, auch im Freizeitbereich Hautschutz und Hautpflege zu beachten.
Sowohl bei Pflegepersonal als auch bei Ärzten ergaben sich große Wissensdefizite in Bezug auf Hautschutz und Hautpflege [411-413]. Deshalb ist die Wissensvermittlung in Verbindung mit der Etablierung eines Hautschutzplans wichtig und leistet einen Beitrag zur Verbesserung beruflich irritierter Haut [414-416].
Bei Gefährdung der Haut durch Arbeiten im feuchten Milieu - dazu gehört auch das Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe - hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob solche Belastungen reduziert werden können. Insbesondere sollen Handschuhe nur so lange wie nötig getragen werden. Der Arbeitgeber hat geeignete Hautschutz- und Pflegemittel bereitzustellen, einen Hautschutzplan zur Auswahl von Präparaten für die Hautreinigung, den Hautschutz und -pflege zu erstellen und die Mitarbeiter in deren regelmäßige und richtige Anwendung zu unterweisen [4]. Für hautbelastende Tätigkeiten (z.B. Nass- und Feuchtreinigung, Desinfektion von Flächen und Gegenständen) muss der Arbeitgeber PSA bereitstellen, in einer Betriebsanweisung die Schutz- und Verhaltensregeln festlegen und die arbeitsmedizinische Vorsorge und Überwachung gewährleisten [417]. Bei beginnenden Hautschäden sind unverzüglich der betriebsärztliche Dienst oder ein Hautarzt zu konsultieren.
Für die Auswahl von Hautschutz- und Hautpflegepräparaten sind der Wirksamkeitsnachweis (vorzugsweise durch in vivo Verfahren) gemäß Leitlinie berufliche Hautmittel [393] bzw. Ergebnisse von Studien [418] sowie die Sicherheitsbewertung [393] Voraussetzung. Wegen des Risikos der Sensibilisierung sollten Produkte ohne Duft- und ohne Konservierungszusatz ausgewählt werden [393, 419]. Bei Hautschutzpräparaten sind wegen der Penetrationsförderung Präparate ohne Harnstoff zur bevorzugen [408].
Ob ein zeitlicher Abstand zwischen der Anwendung von Hautschutz- und Hautpflegepräparaten zur Händedesinfektion eingehalten werden muss, ist nicht ausreichend untersucht. In praxisfremden Modellen wurde eine Wirkungsverminderung z.B. für alkoholische HDM durch Pflegeprodukte [420], für kationische Antiseptika wie Chlorhexidin durch anionische Emulgatoren, Feuchthaltesubstanzen und Surfactants in Pflegeprodukten [421, 422] sowie für chirurgische Handwaschpräparate durch Hautschutzprodukte nachgewiesen [401]. Deshalb empfiehlt die Association for Professionals in Infection Control die Kompatibilität von Pflegeprodukt und HDM bereits bei der Produktauswahl zu berücksichtigen, gibt jedoch keine Hinweise zu einem Verfahren der Kompatibilitätsprüfung [423]. Nach Anwendung von Hautschutz und Hautpflege (je 3x/d) bei einem chirurgischen Team wurde der Hautzustand signifikant verbessert, ohne dass die Wirksamkeit der Händedesinfektion beeinträchtigt wurde [413]. Da es Hinweise gibt, dass einige Hautpflegemittel die Wirkung alkoholischer HDM beeinträchtigen können, ist deren Anwendung - sofern ihr Einfluss auf die Wirksamkeit der Händedesinfektion nicht untersucht ist - am günstigsten in Arbeitspausen und zusätzlich nach Arbeitsschluss vorzunehmen.
10 Rechtliche Aspekte
Zur Unterlassung der Händedesinfektion existieren zahlreiche Gerichtsentscheidungen. So wurde in sieben Fällen das Unterlassen der hygienischen Händedesinfektion als grober Behandlungsfehler angesehen. Auch das Unterlassen der chirurgischen Händedesinfektion oder die fehlende Benutzung steriler Handschuhe waren als grobe Behandlungsfehler Gegenstand von Entscheidungen im Arzthaftungsrecht [14]. Aufgrund der Tatsache, dass die Durchführung der Händedesinfektion und das Tragen von Handschuhen den Kategorien IA bzw. IB entsprechen, sind diese Maßnahmen unbedingt einzuhalten.
11 Empfehlungen
11.1 Hygienische Händedesinfektion
Voraussetzungen
Indikationen, Auswahl und Durchführung
Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance und zur Qualitätssicherung
11.2 Chirurgische Händedesinfektion
Indikationen und Voraussetzungen
Durchführung
11.3 Medizinische Einmalhandschuhe und Schutzhandschuhe
11.4 Sterile OP-Handschuhe
11.5 Händewaschung
11.6 Hautschutz und Hautpflege
Die Empfehlungen wurden ehrenamtlich und ohne Einflussnahme kommerzieller Interessengruppen im Auftrag der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention bearbeitet von Herrn Prof. Dr. Axel Kramer (Leiter der Arbeitsgruppe), Frau Heike Briesch, Frau Dr. Bärbel Christiansen, Herr Prof. Dr. Harald Löffler, Frau Dr. Christin Perlitz, Frau Dr. Christiane Reichardt.
AMG | Arzneimittelgesetz |
AQL | Accetable Quality Limit (statistischer Messwert für ein einheitliches Qualitätsniveau bei der Herstellung z.B. von medizinischen Einmalhandschuhen) |
ASTM | American Society for Testing and Materials |
BfArM | Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte |
DVV | Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten |
ESBL | extendedspectrum betalactamase |
h | Stunde |
HDM | Händedesinfektionsmittel |
IfSG | Infektionsschutzgesetz |
KbE | Kolonie bildende Einheiten |
min | Minute |
MP | Medizinprodukt |
MRE | multiresistente Erreger |
MRSA | Methicillin resistenter Staphylococcus aureus |
NI | nosokomiale Infektionen |
OP | Operation |
PSA | Persönliche Schutzausrüstung |
RKI | Robert Koch-Institut |
TRBA | Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe |
VAH | Verbund für Angewandte Hygiene |
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1) Die Europäische Union hat in dem Durchführungsbeschluss 2016/904 der Kommission vom 8. Juni 2016 festgelegt, dass 2-Propanolhaltige HDM als Biozidprodukte eingeordnet werden.
Derzeit wird diese Einordnung aus fachlichen Gründen kontrovers diskutiert.
Es ist daher unklar, ob sich diese Auffassung europäisch durchsetzen wird [9].
2) Testviren für die Einstufung begrenzt viruzid: Vacciniavirus Stamm Elstree bzw. Modified Vacciniavirus Ankara und bovine Viral Diarrhea Virus Stamm NADL; Testviren für die Einstufung begrenzt viruzid Plus: Adenovirus Typ 5 Stamm Adenoid 75, murines Norovirus; Testviren viruzid: murines Norovirus Stamm S99, Polio-Impfstamm Typ I, Stamm LSc-2ab, Polyomavirus (SV40) Stamm 77 und Adenovirus Typ 5 Stamm Adenoid 75 [22, 44, www.krankenhaushygiene.de/referate/d13b4982da4e67a8f40f1d-8c674171ed.pdf].
ENDE |