umwelt-online: EG-Leitfaden der Guten Herstellungspraxis Anhang 12
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Ergänzende Leitlinie für die Herstellung von Arzneimitteln unter Verwendung ionisierender Strahlen Vom 28. Oktober 1992 (BAnz. Nr. 224 vom 28. November 1992) | Anhang 12 des EU-Leitfadens für die Gute Herstellungspraxis |
Hinweis:
Der Inhaber einer oder der Antragsteller für eine Zulassung eines Arzneimittels, das unter Verwendung ionisierender Strahlen hergestellt wird, sollte auch die Mitteilung des Ausschusses für Arzneispezialitäten der Europäischen Agentur (CPMP) "Ionising radiation in the ma-nufacture of medicinal products" beachten.
Einleitung
Ionisierende Strahlen können im Verlauf der Herstellung für verschiedene Zwecke eingesetzt werden, darunter zur Verminderung der Keimzahl und zur Sterilisation von Ausgangsstoffen, Verpackungsmaterialen oder Produkten sowie zur Behandlung von Blutprodukten. Es gibt zwei Arten von Strahlen für eine Strahlenbehandlung: Gammastrahlen, die von einer radioaktiven Quelle ausgestrahlt werden, und Hochenergie-Elektronenstrahlen (Betastrahlung), die mit einem Beschleuniger erzeugt werden. Gam-mastrahlung: hier können zwei verschiedene Verfahren angewandt werden:
Elektronenbestrahlung: Die Produkte werden an einem kontinuierlichen oder intermittenten Hochenergie-Elektronenstrahl (Betastrahlung) vorbeigeführt und von diesem in einer Hin- und Rückbewegung bestrahlt.
Verantwortlichkeiten
1. Die Strahlenbehandlung kann vom pharmazeutischen Unternehmer oder - im Lohnauftrag - vom Betreiber einer Bestrahlungseinrichtung (einem "Auftragnehmer") vorgenommen werden; beide müssen im Besitz einer entsprechenden Herstellungserlaubnis sein.
2. Der pharmazeutische Unternehmer trägt die Verantwortung für die Qualität des Produkts, einschließlich der Erreichung des Bestrahlungsziels. Der Auftragsbetreiber der Bestrahlungseinrichtung trägt die Verantwortung dafür, dass die vom Hersteller geforderte Strahlendosis tatsächlich an das Bestrahlungsbehältnis (d.h. das äußerste Behältnis, in dem die Produkte bestrahlt werden) gelangt.
3. Die erforderliche Dosis, einschließlich der begründeten Grenzwerte, werden im Zulassungsantrag für das Produkt genannt.
Dosimetrie
4. Dosimetrie wird definiert als Messung der absorbierten Dosis mit Hilfe von Dosimetern. Das Verständnis und die richtige Anwendung des Verfahrens sind für die Validierung, Abnahme und Kontrolle des Prozesses von essentieller Bedeutung.
5. Die Kalibrierung jeder Charge von Routinedosimetern sollte einem nationalen oder internationalen Standard entsprechen. Die Gültigkeitsdauer der Kalibrierung sollte angegeben, begründet und beachtet werden.
6. In der Regel sollte zur Erstellung der Kalibrierungskurve der Routinedosimeter und zur Messung der Veränderung ihrer Absorptionswerte nach der Bestrahlung ein und dasselbe Instrument verwendet werden. Wird ein anderes Instrument verwendet, sollte die absolute Absorption jedes Instruments ermittelt werden.
7. Je nach Art des verwendeten Dosimeters ist auf mögliche Ursachen einer Ungenauigkeit zu achten, z.B. Änderungen im Feuchtigkeitsgehalt, Temperaturänderungen, Zeitraum zwischen Strahlenbehandlung und Messung, Dosisrate.
8. Die Wellenlänge des Instruments zur Messung der Absorptionsänderungen bei Dosimetern und das zu deren Dickenmessung verwendete Instrument sollten regelmäßig kalibriert werden; die Abstände zwischen diesen Prüfungen sind aufgrund der Stabilität, des Verwendungszwecks und des Gebrauchs festzulegen.
Validierung des Prozesses
9. Mit der Validierung wird der Nachweis erbracht, dass durch den Prozeß, d.h. die Abgabe der vorgesehenen Dosis an das Produkt, die erwarteten Ergebnisse erzielt werden. Die Anforderungen an die Validierung werden ausführlicher in der Leitlinie "Einsatz ionisierender Strahlen bei der Herstellung von Arzneimitteln" beschrieben.
10. Teil des Validierungsverfahrens ist die Erstellung eines Strahlungsverteilungsplans ("dose mapping"), der die Verteilung der absorbierten Dosis innerhalb des Bestrahlungsbehältnisses bei Anordnung des Produkts in einer definierten Konfiguration zeigt.
11. Die Spezifikation einer Strahlenbehandlung sollte mindestens folgende Punkte enthaltend:
Wenn die Strahlenbehandlung im Auftrag vorgenommen wird, sollten mindestens die Teile (d) und (e) der Spezifikation der Strahlenbehandlung zu den Vertragsbedingungen gehören.
Abnahme der Anlage
Allgemeines
12. Bei der Abnahme geht es darum, den Nachweis zu erbringen und zu dokumentieren, dass die Bestrahlungsanlage bei Betreiben entsprechend der Prozeßspezifikation eine anhaltend gleiche Leistung innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte erbringt. Im Sinn des vorliegenden Anhangs sind die vorgegebenen Grenzwerte die Höchst- und die Mindestdosis, die vom Bestrahlungsbehältnis absorbiert werden sollen. Beim Betrieb der Anlage müssen Veränderungen ausgeschlossen sein, bei denen ohne Kenntnis des Betreibers eine außerhalb dieser Grenzwerte liegende Dosis an das Behältnis abgeben wird.
13. Die Abnahme sollte folgende Schritte umfassen:
Gammabestrahlungsanlagen
Konstruktion
14. Die von einem bestimmten Teil eines Bestrahlungsbehältnisses an einer beliebigen definierten Stelle innerhalb der Strahlungsquelle absorbierte Dosis hängt in erster Linie von folgenden Faktoren ab:
15. Die absorbierte Gesamtdosis hängt darüber hinaus vom Weg der Behältnisse durch die Strahlungsquelle (kontinuierlicher Betrieb) bzw. vom Beschickungsmuster (Chargenbetrieb) sowie auch von der Anzahl der Expositionszyklen ab.
16. Der wichtigste vom Betreiber zu kontrollierende Anlageparameter ist im kontinuierlichen Betrieb mit festem Weg oder im Chargenbetrieb mit festem Beschickungsmuster - bei einer vorgegebenen Intensität der Strahlungsquelle und einem bestimmten Produkttyp - die Fördergeschwindigkeit bzw. die Timereinstellung.
Erstellung des Strahlungsverteilungsplans ("Dose Mapping")
17. Zur Erstellung des Strahlungsverteilungsplans sollte die Bestrahlungsanlage mit Bestrahlungsbehältnissen beschickt werden, die Phantomprodukte oder ein repräsentatives Produkt einheitlicher Dichte enthalten. Dabei sollten Dosimeter in mindestens drei gefüllte Bestrahlungsbehältnisse eingebracht werden, die - umgeben von ähnlichen Behältnissen oder Phantompro-dukten - durch die Bestrahlungsanlage geführt werden. Wenn das Produkt nicht gleichmäßig angeordnet ist, sollten die Dosimeter in eine größere Anzahl von Behältnissen eingebracht werden.
18. Die Anordnung der Dosimeter hängt von der Größe des Bestrahlungsbehältnisses ab. Für Behältnisse bis zu 1 x 1 x 0,5 m kann z.B. ein dreidimensionales 20-cm-Gitter geeignet sein, das so über das Behältnis gelegt wird, dass die Außenflächen miterfaßt werden. Wenn die voraussichtlichen Stellen mit der Höchst- und der Mindestdosis aus einer frühren Leistungsbewertung der Bestrahlungsanlage bekannt sind, könnten einige Dosimeter aus den Bereichen mit durchschnittlicher Dosierung entfernt und so angenordet werden, dass sie in den Bereichen mit extremer Dosierung ein 10-cm Gitter bilden.
19. Die Ergebnisse dieses Verfahrens zeigen den Mindest- und den Höchstwert der absorbierten Dosis im Produkt und an der Behältnisoberfläche für eine vorgegebene Auswahl von Anlageparametern, Produktdichten und Beschickungsmustern.
20. Im Idealfall sollten für die Erstellung des Strahlungsverteilungsplans Referenzdosimeter verwendet werden, da diese eine höhere Genauigkeit haben. Routinedosimeter sind zulässig, doch wird empfohlen, zusätzlich an den voraussichtlichen Stellen der Mindest- und Höchstdosis und an der Stelle für die Routinekontrolle in jedem der verwendeten Bestrahlungsbehältnisse Referenzdosimeter anzubringen. Die gemessenen Dosiswerte beinhalten eine Zufallsbedingte Messunsicherheit, die sich aus den Abweichungen bei den Wiederholungsmessungen abschätzen lässt.
21. Die mit den Routinedosimetern gemessene Mindestdosis, mit der sichergestellt werden soll, dass alle Bestrahlungsbehältnisse die erforderliche Mindestdosis erhalten, wird in Kenntnis der Zufallsbedingten Messschwankungen der verwendeten Routinedosimeter eingestellt.
22. Die Parameter der Strahlungsquelle sollten während der Erstellung des Strahlungsverteilungs-plans konstant gehalten, überwacht und aufgezeichnet werden. Die Aufzeichnungen sollten zusammen mit den Ergebnissen der Dosismessungen und allen anderen aufgezeichneten Werten aufbewahrt werden.
Elektronenbestrahlungsanlagen
Konstruktion
23. Die von einem bestimmten Teil eines bestrahlten Produkts aufgenommene Dosis hängt vor allem von folgenden Faktoren ab:
24. Die wichtigsten vom Betreiber zu kontrollierenden Parameter sind die technischen Daten des Strahls und die Fördergeschwindigkeit.
Erstellung des Strahlungsverteilungsplans ("Dose Mapping")
25. Zur Erstellung des Strahlungsverteilungsplans sollten die Dosimeter zwischen Schichten von homogenen Absorptionslagen eines Phantomprodukts oder zwischen Schichten von repräsentativen Produkten einheitlicher Dichte so angebracht werden, dass innerhalb der maximalen Reichweite der Elektronen mindestens zehn Messungen vorgenommen werden können. In diesem Zusammenhang sollten auch die Abschnitte 18 bis 21 beachtet werden.
26. Die Parameter der Strahlungsquelle sollten während der Erstellung des Strahlungsverteilungs-plans konstant gehalten, überwacht und aufgezeichnet werden. Die Aufzeichnungen sollten zusammen mit den Ergebnissen der Dosismessungen und allen anderen aufgezeichneten Werten aufbewahrt werden.
Erneute Abnahmeprüfung
27. Die Abnahmeprüfung sollte wiederholt werden, wenn der Prozess oder die Strahlungsquelle so verändert wird, dass die Dosisverteilung am Bestrahlungsbehältnis beeinträchtigt werden könnte (z.B. bei Veränderung der Strahlenbündel). Der Umfang der erneuten Abnahmeprüfung hängt vom Ausmaß der Veränderungen der Strahlungsquelle oder von der vorgenommenen Beschickung ab. Im Zweifelsfall ist eine erneute Abnahmeprüfung vorzunehmen.
Räumlichkeiten
28. Die Räumlichkeiten sollten so ausgelegt sein und betrieben werden, dass bestrahlte und unbe-strahlte Behältnisse getrennt gelagert werden, um eine Kreuzkontamination zu vermeiden. Wenn mit Materialien in geschlossenen Bestrahlungsbehältnissen umgegangen wird, ist eine Trennung zwischen pharmazeutischen und nicht-pharmazeutischen Materialien nicht unbedingt erforderlich, solange nicht die Gefahr einer Kontamination der ersteren durch die letzteren besteht. Jede Möglichkeit einer Kontamination der Produkte durch Radionuklide aus der Strahlungsquelle ist auszuschließen.
Behandlung
29. Die Bestrahlungsbehältnisse sind entsprechend dem (der) bei der Validierung festgelegten spezifizierten Beschickungsmuster anzuordnen.
30. Im Verlauf der Behandlung ist die an die Bestrahlungsbehältnisse abgegebene Strahlendosis unter Verwendung validierter Messverfahren laufend zu kontrollieren. Das Verhältnis zwischen dieser Dosis und der vom Produkt im Behältnis absorbierten Dosis muss bei der Vali-dierung des Vorgangs und der Abnahme der Anlage bestimmt worden sein.
31. Zur besseren Unterscheidung zwischen bestrahlten und unbestrahlten Behältnissen sollten Bestrahlungsindikatoren verwendet werden. Diese sollten jedoch weder die einzige Unterscheidungshilfe sein noch Indikator für eine erfolgreiche Sterilisation sein.
32. Eine gleichzeitige Behandlung von Behältnissen mit unterschiedlichen Produkten in der Bestrahlungskammer sollte nur dann erfolgen, wenn aufgrund von Abnahmeprüfungen oder anderen Nachweisen bekannt ist, dass die von den einzelnen Behältnissen absorbierte Dosis innerhalb der spezifizierten Grenzen liegt.
33. Wird die erforderliche Strahlendosis anlagebedingt im Verlauf von mehr als einer Exposition oder mehr als einem Durchlauf abgegeben, sollte dafür die Zustimmung des Zulassungsinhabers vorliegen; die Abgabe sollte innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums erfolgen. Unvorhergesehene Unterbrechungen der Strahlenbehandlung sollten dem Inhaber der Zulassung mitgeteilt werden, wenn dadurch der Bestrahlungsvorgang über einen vorher vereinbarten Zeitraum hinaus ausgedehnt wird.
34. Unbestrahlte Produkte sind zu jeder Zeit von bestrahlten Produkten zu trennen. Zu den dafür verwendeten Methoden zählt die Verwendung von Strahlungsindikatoren (31.) und die entsprechende Auslegung der Betriebsräume (28.).
Gammabestrahlungsanlagen
35. Bei kontinuierlichem Betrieb sollten die Dosimeter so angebracht werden, dass mindestens zwei davon jederzeit der Bestrahlung ausgesetzt sind.
36. Bei Chargenbetrieb sollten mindestens zwei Dosimeter so angebracht werden, dass sie im Bereich der Mindestdosis liegen.
37. Bei kontinuierlichem Betrieb sollte eine Bestätigung für die richtige Anordnung der Strahlungsquelle gegeben sein und eine Kopplung zwischen der Position der Strahlungsquelle und der Förderbewegung bestehen. Die Fördergeschwindigkeit sollte kontinuierlich überwacht und aufgezeichnet werden.
38. Bei Chargenbetrieb sollten die Bewegung der Strahlungsquelle und die Expositionszeiten für jede einzelne Charge laufend kontrolliert und aufgezeichnet werden.
39. Um eine bestimmte gewünschte Dosis zu erreichen, muss die Timereinstellung oder die Fördergeschwindigkeit je nach dem Abfall bzw. der Zunahme der Intensität der Strahlungsquelle korrigiert werden. Die Gültigkeitsdauer der Einstellung der Zeit oder der Geschwindigkeit sollte aufgezeichnet und beachtet werden.
Elektronenbestrahlungsanlagen
40. An jedem Behältnis sollte ein Dosimeter angebracht werden.
41. Kontinuierliche Aufzeichnungen sind erforderlich für die mittlere Strahlungsintensität, die Elektronenenergie, die Breite des Strahlenbündels und die Fördergeschwindigkeit. Außer der Fördergeschwindigkeit müssen diese Parameter innerhalb bestimmter, im Verlauf der Abnahmeprüfung festgelegter Zeiträume kontrolliert werden, da hier plötzliche Veränderungen möglich sind.
Dokumentation
42. Die Anzahl der angelieferten, bestrahlten und ausgelieferten Behältnisse sollte untereinander und mit der entsprechenden Dokumentation verglichen werden. Jede Abweichung sollte gemeldet und geklärt werden.
43. Der Betreiber der Bestrahlungsanlage sollte den von allen bestrahlten Behältnissen einer Charge oder einer Lieferung erhaltenen Dosisbereich schriftlich zertifizieren.
44. Die Unterlagen für die Strahlenbehandlung und die Kontrollen sollten für jede einzelne Bestrahlungscharge von einer benannten verantwortlichen Person geprüft und unterzeichnet und dann aufbewahrt werden. Verfahren und Ort der Aufbewahrung sollten vom Betreiber der Anlage und dem Zulassungsinhaber gemeinsam festgelegt werden.
45. Die Dokumentation über die Validierung und die Abnahme der Anlage sollte mindestens ein Jahr nach Ablauf des Verfalldatums bzw. mindestens fünf Jahre nach der Freigabe des letzten in der Anlage behandelten Produkts aufbewahrt werden; gewählt werden sollte der jeweils längere Zeitraum.
Mikrobiologische Kontrolle
46. Die mikrobiologische Kontrolle fällt in die Zuständigkeit des pharmazeutischen Unternehmers. Dazu kann entsprechend der Festlegung in den Zulassungsunterlagen eine Überwachung der Umgebungsbedingungen bei der Herstellung des Produktes und eine laufende Kontrolle des Produkts vor der Bestrahlung gehören.
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