Druck- und Lokalversion Regelwerk

Richtwerte für 2-Furaldehyd in der Innenraumluft

Fassung 2011
(Bundesgesundheitsbl. Nr. 4/2011 S. 510)



Mitteilung der Adhoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der Innenraumlufthygiene- Kommission des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden
- Bekannmachung des Umweltbundesamtes -

1 Stoffidentifikation

Rationeller Name: Oxacyclopentadienyl-2-methanal
Synonyme: 2-Furylmethanal, Furfural, 2-Furfuraldehyd, 2-Furylaldehyd, Fural, 2-Furancarboxaldehyd, Furan-2-carbaldehyd, 2-Formylfuran
CLP-Index-Nr. 605-010-00-4
EG-Nr. 202-627-7
CAS-Nr.: 98-01-1
Summenformel: C51-1402 Strukturformel:

1.1 Physikalisch-chemische Eigenschaften [1, 2]

Molekulargewicht: 96,08 g/mol
Schmelzpunkt: -36,5 - -39 °C
Siedepunkt: 162°C
Dichte: 1,16 g/ml bei 20 °C
Dampfdruck: 0,13-0,17 kPa bei 20°C
Wasserlöslichkeit: 83 g/l bei 20 °C
Log Kow: 0,41
Umrechnung: 1 ppm = 4,0 mg/m3
bei 101 kPa / 20 °C

1.2 Stoffeigenschaften, Vorkommen und Verwendung

2-Furaldehyd ist eine farblose, an der Luft sich dunkelbraun verfärbende Flüssigkeit mit einem stechenden, aromatischen, bittermandelartigen Geruch [2]. Er bildet sich beim Erhitzen von Kohlenhydraten und kommt deshalb in Lebensmitteln und Getränken wie zum Beispiel Kaffee, Whisky oder Rum vor, bei deren Herstellung ein thermischer Prozess eine Rolle spielt. Technisch wird 2-Furaldehyd durch thermische Zersetzung pentosehaltiger landwirtschaftlicher Rückstände oder aus Restholz gewonnen und kann damit den nachwachsenden Rohstoffen zugerechnet werden. 2-Furaldehyd ist auch in ätherischen Ölen zum Beispiel aus Kampfer, Zitronengras, Lavendel oder Limonen enthalten.

2-Furaldehyd dient als selektives Lösungsmittel für Harze und Schmieröle, als Extraktionsmittel sowie als Ausgangsstoff für andere Furan-Verbindungen. In üblichen im Innenraum eingesetzten Bauprodukten (zum Beispiel Acryl- und Silikondichtmassen, Holzwerkstoffe, Kunstharzfertigputze, Lacken, Wandfarben oder Klebstoffe) wurde 2-Furaldehyd nicht gefunden [3]. In Einzelfällen traten 2-Furaldehyd-Emissionen aus Korkparkettbelägen auf [4]. Weiterführende Untersuchungen ergaben, dass 2-Furaldehyd weder im

Ausgangsprodukt (Naturkork) enthalten ist noch einen Bestandteil des Korkbinders darstellt. Vielmehr bildet er sich erst bei der thermischen Behandlung des Korkprodukts [5].

2 Exposition

2.1 Innenraumluft

2-Furaldehyd lässt sich in der Luft der meisten Innenräume in Konzentrationen um 1 µg/m3 nachweisen 1. Tabelle 1 enthält Wochenmittelwerte für 2-Furaldehyd aus einer repräsentativen Untersuchung zum Vorkommen flüchtiger organischer Verbindungen in Wohninnenräumen, in denen sich Kinder in Deutschland bei üblicher Nutzung der Räume überwiegend aufhielten (in 96 % der Fälle handelte es sich um das Kinderzimmer) [6]. In der dritten Zeile der Tabelle sind überwiegend anlassbezogene Messungen auf 2-Furaldehyd, die zumeist in acht Stunden lang ungelüfteten Räumen stattfanden, in verschiedenen Innenräumen (Wohnungen, Büros, Schulen und andere) dargestellt [7]. Die statistischen Angaben in der Richtwerte für 2-Furaldehyd in der Innenraumluft. Mitteilung der Adhoc-Arbeitsgruppe linnenraumrichtwerte der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden

Tabelle 1 beziehen sich jeweils auf die Gesamtheit der untersuchten Proben.

2.2 Lebensmittel und Verbraucherprodukte

Zum Vorkommen von 2-Furaldehyd in Lebensmitteln oder Verbraucherprodukten liegen nur vereinzelte Angaben vor [1]. Aus dem Verzehr von Lebensmitteln wurde eine tägliche orale Aufnahme von 9 bis 136 μg 2-Furaldehyd pro kg Körpergewicht abgeschätzt, wobei dem oberen Wert eine Reihe ungünstiger, eher unwahrscheinlicher Annahmen zugrunde lag. Für die dermale Exposition gegenüber 2-Furaldehyd aus kosmetischen Produkten betrug die geschätzte tägliche Aufnahme 1 μg pro kg Körpergewicht.

3 Toxikokinetik

Zur Aufnahme, Verteilung, zum Metabolismus und zur Ausscheidung von 2-Furaldehyd liegen nur wenige Studien vor. Die Hauptstoffwechselprodukte sind identifiziert.

Humanstudien

In einer Expositionskammer wurden zwei bis vier männliche Probanden acht Stunden lang gegenüber 15, 20 oder 31 mg 2-Furaldehyd/m3 exponiert [8]. Die pulmonale Retention betrug 75 bis 82 % und hing weder von der Expositionshöhe noch von der Expositionsdauer ab. In einer ergänzenden Untersuchung ergab sich, dass die über die Haut aufgenommene 2-Furaldehyd-Menge etwa 30 % der über den Atemweg aufgenommenen Menge entsprach.

Urinproben der Probanden wurden auf mögliche Stoffwechselprodukte von 2-Furaldehyd untersucht [8]. 2-Furaldehyd wird überwiegend zur 2-Furansäure (2-Furylmethansäure) oxidiert und nach Konjugation mit Glycin als 2-Furoylglycin im Urin ausgeschieden. Ein kleiner Anteil der 2-Furansäure kondensiert mit Essigsäure zur 2 -Furylacrylsäure, die nach Konjugation mit Glycin als 2-Furylacrylursäure in geringen Mengen im Harn nachweisbar ist. Die Eliminationshalbwertzeit betrug 2 bis 2,5 Stunden, abgeschätzt auf Basis der Gesamtmenge an Furanverbindungen im Urin.

Richtwerte für 2-Furaldehyd in der Innenraumluft Mitteilung der Adhoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der Innenraumlufthygiene- Kommission des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden

Zusammenfassung

Zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung setzt die Adhoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden Richtwerte für die Innenraumluft fest. Für eine gesundheitliche Bewertung von 2-Furaldehyd in der Luft fehlen hinreichend aussagekräftige Humanstudien. In einer gut dokumentierten und als zuverlässig eingestuften subakuten Inhalationsstudie an Ratten wurden schuppige Metaplasien und atypische Hyperplasien des respiratorischen Übergangsepithels von Ratten beobachtet. Die Adhoc-Arbeitsgruppe sieht eine Konzentration von 20 mg 2-Furaldehyd/m3 als niedrigste nachteilige Wirkungskonzentration (LOAELsubakut) für den Endpunkt Irritation an und schätzt für eine kontinuierliche Exposition einen LAELchron von 1 mg 2-Furaldehyd/m3 ab. Die Adhoc-Arbeitsgruppe berücksichtigt die interindividuelle Variabilität der Reizwirkung mit einem Faktor von 5 und die unsichere Datenlage bei Kindern mit einem Faktor 2 und leitet einen Richtwert II (Gefahrenrichtwert) von 0,1 mg 2-Furaldehyd/m3 und einen Richtwert I (Vorsorgerichtwert) von 0,01 mg 2-Furaldehyd/m3 Raumluft ab.

Schlüsselwörter

2-Furaldehyd Innenraumluft Irritation Richtwert

Tabelle 1: Vorkommen von 2-Furaldehyd in der Luft ausgewählter Innenräume in Deutschland

InnenraumNBG
(
μ g/m3)
N >BG
(% > BG)
Median
(
μ g/m3)
95. Percentil
(
μ g/m3)
Maximalwert
(
μ g/m3)
Kinderzi. 2003-2006, Wochenmittel [6]5860,2565 (96)1319
Büro, Wohnung, Schule, Kita u. a.2002-2006 [7]358197 (27)1310

Tierexperimentelle Studien Toxikokinetische Studien nach inhalativer Exposition gegenüber 2-Furaldehyd liegen nicht vor. Nach oraler Gabe an F344-Ratten wird 2-Furaldehyd schnell und fast vollständig resorbiert und verstoffwechselt [9]. Als Metaboliten im Harn fanden sich überwiegend 2-Furoylglycin und geringe Mengen an unkonjugierter 2-Furansäure und 2-Furylacrylsäure [10]. In einer weiteren oralen Studie an Ratten und Mäusen konnte auch 2-Furylacrylursäure im Harn nachgewiesen werden [11].

4 Gesundheitliche Wirkung

Zur gesundheitlichen Wirkung eingeatmeten 2-Furaldehyds liegen nur wenige Erfahrungen am Menschen und einige tierexperimentelle Ergebnisse vor. Irritationen an Auge und im Atemtrakt sind als Hauptwirkungen von 2-Furaldehyd in der Luft bei niedrigen Expositionskonzentrationen anzusehen.

4.1 Reizwirkung

Humanstudien

Bei Beschäftigten in der Herstellung von Schleifscheiben führten Konzentrationen von 12 bis 64 mg 2-Furaldehyd/m3 (Mittelwerte über 10 Minuten) in Anwesenheit weiterer Substanzen (Kreosote) vermehrt zu Augen-, Nasen- und Rachenreizungen [12]. In einer weiteren Arbeitsplatzstudie (Herstellung von Aluminiumgraphit-Produkten) wurden Augen- und Rachenreizungen sowie nicht näher spezifizierte Atemwegseffekte bei Beschäftigten bei 2-Furaldehyd-Konzentrationen von 1 bis 17 mg/m3 genannt [13]. Der damalige Arbeitsplatzgrenzwert von 2 ppm (8 mg/m3) wurde in elf von 15 Messungen überschritten. Neben 2-Furaldehyd waren die Beschäftigten auch gegenüber Phenol sowie Staub exponiert. Beide Studien lagen der Adhoc-Arbeitsgruppe nicht im Original vor und können deshalb nicht abschließend bewertet werden.

In einer Kurzmitteilung wurde über eine Untersuchung von Arbeitern berichtet, die mit der Extraktion von 2-Furaldehyd aus Holz beschäftigt waren [14]. An vier von 17 Messpunkten in der Anlage war der damalige Arbeitsplatzgrenzwert von 8 mg 2-Furaldehyd/m3 überschritten. In einem Fragebogen zum Auftreten von Reizwirkungen gaben drei der zwölf im Mittel 10,5 Jahre lang Beschäftigten Brennen und Rötung der Augen an.

Tierexperimentelle Studien

Die akute sensorische Reizwirkung eingeatmeten 2-Furaldehyds im Atemtrakt von Mäusen wurde in einer standardisierten Untersuchung (nur-Kopf-Exposition) an zwei Mäusestämmen (Swiss-Webster und B6C3F,) ermittelt. Ziel war die Bestimmung der Konzentration, die nach einer zehnminütigen Exposition zu einer 50 %gen Abnahme der Atemrate (respiratorische Dosis - RD50) führte. Für 2-Furaldehyd wurden RD50-Werte von 1130 beziehungsweise 920 mg/m3 ermittelt [15].

Reizungen des Atemtraktes und der Augen, Hyperplasie und Degeneration des olfaktorischen Epithels sowie Lungenentzündungen und Lungenödeme mit hoher Letalität traten nach subakuter Exposition von Ratten (0, 160, 400 oder 1200 mg 2-Furaldehyd/m3 für eine Stunde pro Tag, fünf Tage pro Woche über sechs Wochen) und von Kaninchen (200, 520 oder 1040 mg 2-Furaldehyd/m3 für vier Stunden pro Tag an fünf Tagen) jeweils in den beiden höchsten Dosisgruppen auf [16, 17, 18].

Die Wirkung von 2-Furaldehyd im Atemtrakt, insbesondere in der Nase, sollte detailliert in einer subakuten Expositionsstudie (noseonly gegenüber 0, 20, 40, 80, 160, 320, 640, 1280 mg/m3 an sechs Stunden pro Tag, fünf Tagen pro Woche über vier Wochen) an jeweils fünf Fischer 344-Ratten je Geschlecht untersucht werden [19]. Zusätzlich wurden weitere Expositionsgruppen gegenüber 320, 640, 1280 mg/m3 an drei Stunden pro Tag über dieselbe Gesamtdauer gebildet. Die Untersuchung der höchsten Dosisgruppe wurde nach einem Tag abgebrochen, da alle Tiere verstorben waren. Auch in der sechsstündigen 640 mg/m3-Dosisgruppe war die Mortalität mit zwei von fünf (m) beziehungsweise drei von fünf Tieren (w) innerhalb von acht Expositionstagen so hoch, dass diese Untersuchung ebenfalls aufgegeben wurde.

Histopathologisch fanden sich in allen exponierten Gruppen eine schuppige Metaplasie und eine atypische Hyperplasie des nasalen respiratorischen Übergangsepithels, die mit steigender Konzentration signifikant häufiger und in stärkerer Ausprägung auftrat (Tabelle 2). Das respiratorische Übergangsepithel im vorderen Teil der Nase war in allen Expositionsgruppen betroffen, ab 40 mg/m3 zeigten sich Veränderungen auch im hinteren Teil der Nase in höherer Inzidenz und Ausprägung. Veränderungen des nasalen olfaktorischen Epithels traten in den Dosisgruppen ab 80 mg/m3 auf. Klinisch nahm die Atemfrequenz ab 80 mg 2-Furaldehyd/m3 ab. Die histopathologischen Veränderungen in der Nase von Ratten, die nur drei Stunden pro Tag exponiert waren, waren geringer und weniger häufig als in der Gruppe, die bei gleicher Konzentration über sechs Stunden pro Tag exponiert war. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die aufgenommene Dosis die beobachtete Mortalität durch 2-Furaldehyd stärker beeinflusst als die Konzentration und die nasalen Veränderungen mehr von der Expositionsdauer als von der Expositionshöhe abhängen.

In einer subchronischen Inhalationsstudie wurden Gruppen von fünf Wochen alten syrischen Goldhamstern (jeweils zehn männliche und zehn weibliche Tiere) an sechs Stunden pro Tag, fünf Tagen pro Woche über 13 Wochen gegenüber 0, 80, 460 oder 2200 mg 2-Furaldehyd/m3 exponiert [20]. Dosisabhängige Atrophie und Hyperplasie des olfaktorischen Epithels waren die wesentlichen Veränderungen ab der mittleren Dosisgruppe und Reizungen des Atemtraktes, Hyperplasie und Degeneration des olfaktorischen Epithels sowie Lungenentzündungen, Lungenödeme und verzögertes Wachstum bei der höchsten Dosisgruppe.

Tabelle 2: Histopathologische Veränderungen im nasalen respiratorischen Übergangsepithel von Fischer 344-Ratten nach subakuter (28 Tage) inhalativer Exposition gegenüber 2-Furaldehyd [19]

Konzentration [mg/m3]GeschlechtGrad0204080160320
Anzahl Tiere je Geschlecht  555555
Schuppige MetaplasieMSehr leicht110000
Leicht034000
Mäßig011523
Schwer000032
WSehr leicht000000
Leicht051110
Mäßig003214
Schwer001231
Atypische HyperplasieMSehr leicht100000
Leicht040000
Mäßig014112
Schwer001443
WLeicht021001
Mäßig031132
Schwer003422

Männliche exponierte Tiergruppen: signifikant zur Vergleichsgruppe: p < 0,05; weibliche exponierte Tiergruppen: signifikant zur Vergleichsgruppe: p < 0,01

4.2 Kanzerogenität / Mutagenität

Inhalationslangzeitstudien mit 2-Furaldehyd an Ratten oder Mäusen wurden nicht gefunden. Eine Inhalationsstudie an Hamstern mit 1000 bis 1600 mg 2-Furaldehyd/m3 an sieben Stunden pro Tag, fünf Tagen pro Woche über 52 Wochen ergab keinen Hinweis auf ein Krebs erzeugendes Potential von 2-Furaldehyd [21]. Wegen der begrenzten Studiendauer (ein Jahr anstelle von üblicherweise zwei Jahren) kann diese Studie nicht abschließend bewertet werden.

In oralen Langzeitstudien an B6C3F,- Mäusen mit täglichen Dosen (an fünf Tagen pro Woche über 103 Wochen) von 0, 50,100 oder 175 mg 2-Furaldehyd/kg Körpergewicht beziehungsweise an F344/N-Ratten mit 0, 30, oder 60 mg/kg Körpergewicht dominierten nichtneoplastische Veränderungen der Leber, insbesondere eine multifokale chronische Entzündung und eine granuläre Pigmentation [22]. In einer vorangegangenen subchronischen Studie an Mäusen waren leichte Infiltrate mononukleärer Entzündungszellen ab 75 mg 2-Furaldehyd/kg Köpergewicht und eine zentrilobuläre Nekrose von Leberzellen ab 150 mg/kg aufgefallen. In der chronischen Studie an Mäusen nahm die Inzidenz von Leberadenomen dosisabhängig sowohl bei den männlichen (9/50; 13/50; 11/ 49; 19/50) als auch bei den weiblichen Tieren (1/50; 3/50; 5/50; 8/49) zu. Bei den männlichen Mäusen zeigten sich auch vermehrt Leberkarzinome (7/50; 12/50; 6/49; 21/50). Die Zunahme von hepatozellulären Adenomen oder Karzinomen war in der höchsten Dosisgruppe signifikant.

Bei männlichen Ratten zeigten sich erste zentrilobuläre Veränderungen (Vakuolisation) in einer subchronischen oralen Studie bereits bei ii mg 2-Furaldehyd/ kg Körpergewicht. In der Langzeitstudie trat bei den männlichen Ratten vermehrt eine zentrilobuläre Lebernekrose geringer Ausprägung auf (3/50; 9/50;12/50). In der höchsten Dosisgruppe fand sich bei zwei männlichen Ratten eine fibrosierende Gallengangsdysplasie und bei zwei anderen männlichen Ratten ein Gallengangssarkom.

2-Furaldehyd induziert in vitro in mehreren relevanten Säugetierzellsystemen chromosomale Aberrationen, Genmutationen und Schwester-Chromatid Austausche [1]. In vitro-UDS-Tests an menschlichen Leberschnitten ergaben mit 2-Furaldehyd negative Ergebnisse [23]. Bei Untersuchungen in vivo zeigte sich bis auf eine Studie, die jedoch unzureichend dokumentiert ist, kein gentoxisches Potential [1].

4.3 Reproduktionstoxizität

Reproduktionstoxische oder entwicklungstoxische Studien nach inhalativer Exposition gegenüber 2-Furaldehyd liegen nicht vor. In den beiden im vorangegangenen Abschnitt dargestellten chronischen Fütterungsstudien zeigten sich keine Auswirkungen von 2-Furaldehyd auf die Reproduktionsorgane. Eine Studie zur Entwicklungstoxizität an Sprague-Dawley-Ratten ergab bis zur Dosis von 100 mg 2-Furaldehyd/kg Körpergewicht an den Trächtigkeitstagen sechs bis 15 keinen Hinweis auf entwicklungstoxische Effekte [24]. Höhere Dosen waren mit einer hohen Mortalität verknüpft.

4.4 Geruchswahrnehmung

Die niedrigsten Angaben zur Geruchswahrnehmungsschwelle von 2-Furaldehyd betragen 0,024 mg/m3 [25] und 0,3 mg/m3 [26].

5 Gesundheitliche Bewertung

Der Kenntnisstand zur gesundheitlichen Wirkung von 2-Furaldehyd in der Luft beruht auf wenigen, unzureichend dokumentierten Beobachtungen an einer geringen Anzahl 2-Furaldehydexponierter Beschäftigter und einigen subakuten sowie einer subchronischen tierexperimentellen Studie. Aus den begrenzten Beobachtungen am Arbeitsplatz und insbesondere aus den tierexperimentellen Ergebnissen lässt sich eine irritative Wirkung von 2-Furaldehyd auf die Schleimhäute des Atemtrakts und des Auges als Hauptwirkung im unteren Expositionsbereich aufzeigen.

Während die Qualität der Studien aus den 70er und 80er Jahren und deren Ergebnisse nur mit Einschränkungen zu betrachten sind, liegt mit der systematischen Studie von Arts et al. (2004) [19] eine detaillierte, gut dokumentierte und als zuverlässig einzustufende Studie insbesondere zur Wirkung von 2-Furaldehyd in der Nase von Fischer 344-Ratten vor. Verglichen mit anderen Tierarten scheinen insbesondere weibliche Fischer 344-Ratten empfindlich auf 2-Furaldehyd zu reagieren. Im respiratorischen Epithel zeigten sich leichte bis mäßige schuppige Metaplasien und atypische Hyperplasien bereits bei der niedrigsten untersuchten sechsstündigen Exposition gegenüber 20 mg 2-Furaldehyd/m3, mäßige bis schwere Metaplasien und Hyperplasien ab 40 mg/m3. Besonders hervorgehoben wird im europäischen Risikoabschätzungsbericht [1] zu 2-Furaldehyd die sehr steile Expositions-Mortalitäts-Beziehung in dieser Studie, die Abhängigkeit der Mortalität von der aufgenommenen Dosis anstatt der Konzentration und dass die lokalen nasalen Effekte stärker von der Expositionsdauer als von der Expositionshöhe abhängen. Nach Auffassung der Autoren des europäischen Risikoabschätzungsberichts liegt der NOAEL unter 20 mg 2-Furaldehyd/m3.

Bewertbare chronische Inhalationsstudien mit 2-Furaldehyd liegen nicht vor. Langzeitfütterung von B6C3 F1-Mäusen oder F344/N-Ratten mit 2-Furaldehyd führte zu chronischen Entzündungen und Nekrosen im Lebergewebe. Neoplastische Veränderungen umfassten Leberadenome und -karzinome bei Mäusen und Cholangiosarkome bei Ratten. Nach Ansicht des europäischen Wissenschaftlichen Ausschusses für Human- und Umweltrisiken schließen die überwiegend negativen in-vivo-Studien Gentoxizität im Zielorgan Leber eher aus [27]. Der Ausschuss nimmt an, dass sich die beobachteten Tumoren als Folge der chronischen Entzündung und Zytotoxizität durch 2-Furaldehyd gebildet haben. Hierfür spricht, dass zytotoxische Veränderungen bei den männlichen Ratten bereits bei der niedrigsten Dosis (30 mg/kg KG) auftraten, Tumore erst bei 60 mg/kg. In einer vorangegangenen subchronischen Studie an Ratten hatten sich erste zentrilobuläre Veränderungen (Vakuolisation) bei den männlichen Tieren bereits bei 11 mg 2-Furaldehyd/kg Körpergewicht gezeigt. Darüber hinaus ist bekannt, dass regenerative Prozesse in der Rattenleber infolge Zytotoxizität und Nekrose bevorzugt in der Nähe der Gallengänge ablaufen, also an der Stelle, an der Gallengangsdysplasien und Gallengangssarkome beobachtet wurden [1]. Allerdings hält der europäische Wissenschaftliche Ausschuss weitere Untersuchungen zur Aufklärung des Wirkungsmechanismus für erforderlich [27].

B6C3 F1-Mäuse entwickeln relativ leicht Lebertumoren nach chronischer Leberentzündung. Das zeigte sich auch an der Kontrollgruppe, bei der 18 % der nichtexponierten männlichen Mäuse Leberadenome aufwiesen.

5.1 Einstufungen / Regelungen

Nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-GHS-VO) ist 2-Furaldehyd im Anhang VI Teil 1 Tabelle 3.1 als krebserzeugend in der Gefahrenkategorie Carc. 2 (Gefahrenhinweis: Kann vermutlich Krebs erzeugen) eingestuft [28]. Nach Auffassung der Internationalen Krebsforschungsbehörde liegen für 2-Furaldehyd unzureichende Hinweise auf eine krebserzeugende Wirkung beim Menschen und begrenzte Hinweise auf eine krebserzeugende Wirkung beim Tier vor [29]. 2-Furaldehyd ist weder als erbgutschädigend noch als reproduktionstoxisch eingestuft.

In der EU existiert kein Grenzwert für 2-Furaldehyd am Arbeitsplatz. In der Schweiz [30] und in den USA [31] gilt ein Arbeitsplatzgrenzwert von 8 mg 2-Furaldehyd/m3 (2 ppm).

5.2 Ableitung von Richtwerten für 2-Furaldehyd in der Innenraumluft

Zur Ableitung von Richtwerten für 2-Furaldehyd in der Innenraumluft zieht die Adhoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte die subakute Inhalationstudie von Arts et al. (2004) [19] an Ratten heran.

Ratten scheinen auf 2-Furaldehyd empfindlicher zu reagieren als Hamster oder Kaninchen. Nach einer Exposition gegenüber 20 mg 2-Furaldehyd/m3 an sechs Stunden pro Tag, fünf Tagen pro Woche über vier Wochen traten signifikant mehr schuppige Metaplasien und atypische Hyperplasien des respiratorischen Übergangsepithels bei Ratten beiden Geschlechts auf. Die Adhoc-Arbeitsgruppe sieht diese Konzentration als niedrigste nachteilige Wirkungskonzentration (lowest observed adverse effect level - OAEL) für den Endpunkt Irritation bei subakuter Exposition an.

Zur Extrapolation auf eine kontinuierliche Exposition verwendet die Adhoc-Arbeitsgruppe einen Faktor von 24/6x7/5= 5,6 und in Übereinstimmung mit dem Ausschuss für Gefahrstoffe [32] einen Faktor von 6 zur Extrapolation von einer subakuten auf eine chronische Exposition. Daraus ergibt sich ein LAELchron von (gerundet) 1 mg 2-Furaldehyd/m3.

Bei Berücksichtigung der interindividuellen Variabilität der Reizwirkung mit einem Faktor 5 [33] sowie der unsicheren Datenlage bei Kindern (Faktor 2) ergibt sich ein Richtwert II von 0,1 mg 2-Furaldehyd/m3.

Nach dem Basisschema [34] wird der Richtwert I aus dem Richtwert II konventionsgemäß durch Teilen mit einem Faktor to gebildet. Angesichts der dargestellten steilen Dosis-Wirkungsbeziehung und der kleinen Dosierungsschritte (Faktor 2) der Arts et al.-Studie (2004) erscheint im Fall des 2-Furaldehyds auch ein geringerer Abstand des Richtwertes I zum Richtwert II vertretbar. Beispielsweise wird im europäischen Risikoabschätzungsbericht zu 2-Furaldehyd ein Faktor von 3 zur Extrapolation vom LOAEL auf den NOAEL verwendet [1]. Aus Gründen der Systematik hält die Adhoc-Arbeitsgruppe am bisherigen Verfahren fest und legt einen Richtwert I von 0,01 mg 2-Furaldehyd/m3 fest.

Anmerkungen

Diese Mitteilung wurde federführend von Dr. Helmut Sagunski mit Beiträgen von Dr. Birger Heinzow erstellt und im November 2010 von der Adhoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte verabschiedet. Die Literaturrecherche wurde im August 2010 abgeschlossen.

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28. EU (2008) Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen und zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006. Amtsbl. Europ. Union L 353/1-1355 vom 31.12.2008

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30. SUVA (2009) Arbeitplatzgrenzwerte. Schweizer Unfallversicherungsanstalt, Luzern

31. ACGIH (2001) Acetone, formaldehyde, furfural and sulphur dioxide. Documentation of the threshold limit values and biological exposure indices. Am Conf Governm Indust Hyg, Cincinnati, Ohio.

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33. Adhoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der IRK/AOLG (2009) Richtwerte für gesättigte azyklische aliphatische C4- bis C11-Aldehyde in der Innenraumluft. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 52:650-659

34. Adhoc-Arbeitsgruppe IRK/AOLG (1996) Richtwerte für die Innenraumluft: Basisschema. Bundesgesundheitsbl 39:422-426

1) Der Nachweis von 2-Furaldehyd erfolgt entweder gaschromatographisch als VOC oder nach der DNPH-Methode. Die DNPHMethode scheint hinsichtlich 2-Furaldehyd störanfälliger zu sein.

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