Druck- und Lokalversion Regelwerk, Immissionsschutz

Immissionsschutzrechtliche Anforderungen an Tierhaltungsanlagen und an Anlagen zur Lagerung von Gülle
- Schleswig-Holstein -

26. Juni 2014
(Amtsbl. Schl.-H. Nr. 29 vom 14.07.2014 S. 523; 12.06.2019 S. 642 19; 18.11.2024 Nr. 98 24)
Gl.-Nr.: 7820.25



Gültig bis zum 31.12.2028 19 24

Erlass des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume

V 64/V 62 - 570.220.200 -

Dieser Erlass regelt den Einsatz von Abluftreinigungsanlagen bei Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren (Tierhaltungsanlagen), die Abdeckung von Anlagen zur Lagerung von Gülle sowie den Umgang mit Bioaerosolen in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von Tierhaltungsanlagen. Des Weiteren werden Regelungen für Bestandsanlagen getroffen.

Vorbemerkung/Begriffsdefinitionen

Der Übersichtlichkeit halber werden im Erlass folgende Begriffsdefinitionen festgelegt und verwendet:

  1. Große Schweinehaltungsanlagen: Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen nach Nummer 7.1.7.1, 7.1.8.1 und 7.1.9.1 des Anhangs 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV), einschließlich der Anlagen mit gemischten Beständen nach Nummer 7.1.11.1 und 7.1.11.2, soweit es sich um Schweine handelt.
  2. Mittelgroße Schweinehaltungsanlagen: Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen nach Nummer 7.1.7.2, 7.1.8.2 und 7.1.9.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV, einschließlich der Anlagen mit gemischten Beständen nach Nummer 7.1.11.3, soweit es sich um Schweine handelt.
  3. Große Geflügelhaltungsanlagen: Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel nach Nummer 7.1.1.1, 7.1.2.1, 7.1.3.1 und 7.1.4.1 des Anhangs 1 der 4. BImSchV, einschließlich der Anlagen mit gemischten Beständen nach Nummer 7.1.11.1, soweit es sich um Geflügel handelt.
  4. Mittelgroße Geflügelhaltungsanlagen: Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel nach Nummer 7.1.1.2, 7.1.2.2, 7.1.3.2 und 7.1.4.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV, einschließlich der Anlagen mit gemischten Beständen nach Nummer 7.1.11.3, soweit es sich um Geflügel handelt.
  5. Tierhaltungsanlagen: Große und mittelgroße Schweinehaltungsanlagen sowie große und mittelgroße Geflügelhaltungsanlagen.

Kleinere Tierhaltungsanlagen, die nicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftig sind, werden von dem Erlass nicht erfasst. Hinweis: Für diese Anlagen richten sich die Betreiberpflichten nach § 22 BImSchG.

1 Einsatz von Abluftreinigungsanlagen bei Tierhaltungsanlagen

1.1 Stand der Technik

1.1.1 Allgemeines

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen.

Der Stand der Technik ist in § 3 Abs. 6 BImSchG definiert als der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt.

Näher konkretisiert wird diese Legaldefinition durch die Anlage (zu § 3 Abs. 6) des BImSchG. Darin enthalten sind Kriterien zur Bestimmung des Standes der Technik, die unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen sowie des Grundsatzes der Vorsorge und der Vorbeugung, jeweils bezogen auf Anlagen einer bestimmten Art, zu berücksichtigen sind. Zu diesen Kriterien gehören u.a. vergleichbare Verfahren, Vorrichtungen und Betriebsmethoden, die mit Erfolg im Betrieb erprobt wurden, Fortschritte in der Technologie und in den wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie Art, Auswirkungen und Menge der jeweiligen Emissionen.

Der Maßstab des Standes der Technik bestimmt maßgeblich die Betreiberpflicht zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Er stellt auf den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren und Betriebsweisen ab und wird in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24. Juli 2002 (TA Luft) konkretisiert. Bezogen auf die Vorsorge gegen schädliche Luftverunreinigungen bei Tierhaltungsanlagen finden sich entsprechende Vorgaben in Nummer 5.4.7.1 der TA Luft. Dort sind neben Regelungen zu Mindestabständen zur nächsten Wohnbebauung auch zahlreiche in der Regel einzuhaltende bauliche und betriebliche Maßnahmen festgelegt.

Spezifische Emissions- oder Immissionswerte enthält die TA Luft indes nicht. Auch der verpflichtende Einbau und der Betrieb von Abluftreinigungsanlagen ist in der TA Luft bislang nicht vorgesehen.

Nach dem Urteil des BVerwG vom 21. Juni 2001, - 7 C 21.00 -, können aber strengere Vorsorgewerte festgelegt werden, wenn festgestellt wird, dass die Regelungen der TA Luft durch gesicherte Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt worden sind. Dies setzt einen Vergleich des Erkenntnisstandes bei dem Erlass der TA Luft im Jahr 2002 mit dem derzeitigen Stand der Technik voraus. In diesem Vergleich ist insbesondere auch der wirtschaftliche Aufwand angemessen einzubeziehen.

1.1.2 Stand der Technik bei Anlagen zur Haltung von Schweinen

Gegenüber dem sich aus den Festlegungen der TA Luft ergebenden Stand der Technik hat es zwischenzeitig bezogen auf große Schweinehaltungsanlagen signifikante Weiterentwicklungen gegeben.

Aufgrund der gewonnenen praktischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse stehen mittlerweile verschiedene Technologien zur Abluftreinigung zur Verfügung, die bereits seit mehreren Jahren bundesweit in über 1.000 Anlagen eingesetzt werden und sich im Betrieb bewährt haben. Für den Bereich der Schweinehaltung sind bereits verschiedene Abluftreinigungsanlagen mehrerer Hersteller nach den Kriterien des Leitfadens des Landkreises Cloppenburg zur Feststellung der Eignung von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung zur Anwendung in der Genehmigungspraxis und bei der Überwachung aus dem Jahr 2002 ("Cloppenburger Leitfaden") oder von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e.V. (DLG) zertifiziert worden. Diese Anlagen haben ein umfangreiches Prüfprogramm erfolgreich durchlaufen und ihre Eignung hinsichtlich der spezifizierten Parameter sowie ihre Langzeitfunktionsfähigkeit in der Praxis unter Beweis gestellt. Eine aktuelle Übersicht über die von der DLG zertifizierten Anlagen kann im Internet unter der Adresse http://www.dlg.org/gebaeude.html#Abluft eingesehen werden.

Durch den Einsatz von Abluftreinigungsanlagen in zwangsbelüfteten Schweinehaltungsanlagen können die Auswirkungen und die Mengen der Staub-, Ammoniak- und Geruchsemissionen erheblich reduziert werden, wodurch in Bezug auf diese Emissionen dem Vorsorgegrundsatz Rechnung getragen wird. Somit ist der Einsatz von Abluftreinigungsanlagen zur Minderung von Staub, Ammoniak und Gerüchen bei großen Anlagen zur Haltung von Schweinen als allgemeiner technischer Entwicklungsstand und damit als gegenwärtiger Stand der Technik anzusehen.

Bei großen Schweinehaltungsanlagen ist daher der Einbau von Abluftreinigungsanlagen zur Reduzierung von Staub-, Ammoniak- und Geruchsemissionen, deren Eignung und Langzeitfunktion nachgewiesen wurde, als Stand der Technik über die Regelungen der TA Luft hinaus zu fordern.

Eine nach dem Stand der Technik ausreichende Wirksamkeit einer Abluftreinigungsanlage ist gegeben, wenn

Der Fortschritt in der technologischen Entwicklung, die mittlerweile vorliegenden umfangreichen Praxiserfahrungen und der Wettbewerb unter mehreren Herstellern haben im Durchschnitt zu einer Senkung der Investitions- und Betriebskosten mit der Folge einer deutlich verbesserten Wirtschaftlichkeit der für Schweinehaltungsanlagen geeigneten Abluftreinigungstechnik geführt. Die Investitions- und Betriebskosten für eine Abluftreinigungsanlage in großen Schweinehaltungsanlagen, welche die Mastschweine-, Sauen- oder Ferkelplatzzahlen gemäß Nummer 7.1.7.1, 7.1.8.1 und 7.1.9.1 des Anhangs zur 4. BImSchV erreichen oder überschreiten, können aufgrund der Größe der fraglichen Betriebe auch als wirtschaftlich vertretbar und verhältnismäßig angesehen werden. So auch die Erlasse aus Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2013 und Niedersachsen vom 22. März 2013, Az.: 33-40501/20701, sowie der Beschluss der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 13./14. März 2013.

1.1.3 Stand der Technik bei Anlagen zur Haltung von Geflügel

Für zwangsbelüftete mittelgroße oder große Geflügelhaltungsanlagen steht dagegen derzeit nur eine von der DLG zertifizierte Abluftreinigungsanlage für die Geflügelhaltung zur Verfügung, die ihre Eignung und Langzeitfunktionsfähigkeit für die Reduzierung von Staub- und Ammoniakemissionen nachgewiesen hat. Weitere Anlagentypen befinden sich im Zertifizierungsverfahren. Das Umweltbundesamt beabsichtigt, im Rahmen eines Forschungsvorhabens die Frage nach dem Stand der Technik dieser Anlagen zu klären. Im Unterschied zu Abluftreinigungsanlagen für die Schweinehaltungsanlagen kann die Vertretbarkeit der Forderung nach einer Abluftreinigungsanlage bei zwangsbelüfteten Anlagen für die Geflügelhaltung gegenwärtig noch nicht allgemein vorausgesetzt werden.

1.2 Regelungen für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Haltung von Schweinen

1.2.1 Genehmigungsverfahren für große Schweinehaltungsanlagen

Als Vorsorgemaßnahme ist bei großen zwangsbelüfteten Schweinehaltungsanlagen im Rahmen der jeweiligen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren (Neugenehmigungen nach § 4 BImSchG sowie Änderungsgenehmigungen nach § 16 BImSchG) der Einbau und Betrieb einer geeigneten Abluftreinigungsanlage zur Reduzierung von Staub-, Ammoniak- und Geruchsemissionen zu fordern. Dies ist im Genehmigungsbescheid festzulegen.

Eine Abluftreinigungsanlage ist bei Änderungen zu fordern, durch die erhebliche nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und somit ein Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 Abs. 1 BImSchG notwendig wird. Dies ist z.B. regelmäßig dann der Fall, wenn die Änderung mit einer Kapazitätserweiterung verbunden ist oder auf eine Haltungsform oder Tierart mit höheren Emissionen umgestellt wird. Dies gilt auch, wenn die Anlage durch die Änderung erstmalig die Schwellenwerte für große Schweinehaltungsanlagen erreicht.

Eine Abluftreinigungsanlage kann dann als geeignet angesehen werden, wenn sie von der DLG oder durch einen Sachverständigen mindestens nach den Kriterien des "Cloppenburger Leitfadens" zertifiziert wurde. Im Rahmen der Zertifizierung ist die Eignung und Langzeitfunktion unter Bezugnahme auf Messungen, die von einer nach § 26 BImSchG anerkannten Messstelle durchgeführt wurden, belastbar nachzuweisen.

1.2.2 Genehmigungsverfahren für mittelgroße Schweinehaltungsanlagen

Im Rahmen immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren (Neu- und/oder Änderungsgenehmigungen) für zwangsbelüftete mittelgroße Schweinehaltungsanlagen entscheiden die Genehmigungsbehörden auf der Basis der konkreten Verhältnisse vor Ort, insbesondere der Immissionssituation, im Einzelfall, ob der Einbau einer Abluftreinigungsanlage zu fordern ist.

Eine solche Forderung kommt in Betracht, wenn die zulässigen Geruchsimmissionswerte der Geruchsimmissions-Richtlinie für Schleswig-Holstein (GIRL SH) und einer Beurteilung nach Nummer 5 GIRL SH nicht eingehalten werden können. Ferner ist der Einbau einer Abluftreinigungsanlage angezeigt, wenn eine Sonderfall- bzw. Einzelfallprüfung nach Nummer 4.8 der TA Luft ergibt, dass eine Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme, z.B. durch die Einwirkung von Ammoniak oder wegen Stickstoffdeposition, nicht ausgeschlossen werden kann. Die Forderung kann sich auf die geeignete Abluftreinigungsanlage beziehen, die für das entsprechende einzelne Kriterium eine Zertifizierung nach dem "Cloppenburger Leitfaden" aufweist.

In solchen Fällen ist im Rahmen der Beratung des Antragstellers nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) darauf hinzuweisen, dass die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens gegebenenfalls (nur) durch den Einsatz einer Abluftreinigungsanlage erreicht werden kann. Hinsichtlich der Stickstoffeinträge in FFH-Gebiete besteht die Möglichkeit zur Planung eines integrierten Projektes (z.B. Extensivierung von Flächen, Nachrüstung des Altbestandes mit Abluftreinigung etc.).

1.2.3 Regelungen für bestehende große Schweinehaltungsanlagen

Für bereits bestehende große zwangsbelüftete Schweinehaltungsanlagen ist bis zum 30. Juni 2016 zu prüfen,

  1. ob die zulässigen Geruchsimmissionswerte der Geruchs-Immissionsrichtlinie Schleswig-Holstein für die verschiedenen Nutzungsgebiete eingehalten werden,
  2. ob die in der TA Luft zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen aufgeführten oder nach vergleichbaren Maßstäben abgeleiteten Immissionswerte eingehalten werden und
  3. ob eine Schädigung empfindlicher Pflanzen- und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak oder wegen Stickstoffdeposition ausgeschlossen werden kann.

Ist die Einhaltung mindestens einer dieser Kriterien nicht erfüllt, ist die Installation und der Betrieb einer Abluftreinigungsanlage, die nach den Kriterien des Cloppenburger-Leitfadens zertifiziert wurde, bis zum 31. Dezember 2016 nachträglich anzuordnen, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände im Einzelfall davon abgesehen werden kann. Derartige Umstände, die im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bewertet werden, können etwa die bauliche Ausstattung, das nur geringfügige Überschreiten eines Immissionswertes, der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung oder die geplante Restnutzungsdauer darstellen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann auch eine Abluftreinigungsanlage gefordert werden, die nur für einzelne Kriterien eine Zertifizierung nach dem "Cloppenburger Leitfaden" aufweist. Den Betrieben ist eine angemessene Umsetzungsfrist von bis zu fünf Jahren zu gewähren. Bei konkreten Gesundheitsgefahren ist eine kürzere Frist geboten.

Wenn ein Betreiber einer großen Schweinehaltungsanlage gegenüber der zuständigen Genehmigungs- und Überwachungsbehörde bis spätestens zum 31. Dezember 2016 rechtsverbindlich erklärt, dass er die Schweinehaltungsanlage innerhalb von fünf Jahren stilllegt oder die Anlagenkapazität so reduziert, dass die Anlage die o.g. Schwellenwerte des Anhangs der 4. BImSchV nicht mehr erreicht, und dann auf die erteilte Genehmigung insoweit rechtsverbindlich verzichtet, ist von einer nachträglichen Anordnung zur Installation und zum Betrieb einer Abluftreinigungsanlage abzusehen.

Sollten nach der o.g. Überprüfung schädliche Umwelteinwirkungen festgestellt werden, ist nach Nummer 1.4 zu verfahren.

Die Nummer 6.2.1 der TA Luft ist entsprechend anzuwenden.

1.3 Regelungen für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für mittelgroße und große Geflügelhaltungsanlagen

In immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist für mittelgroße und große Geflügelhaltungsanlagen im Einzelfall im Hinblick auf die konkreten örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden, ob die Installation einer Abluftreinigungsanlage ein geeignetes, erforderliches und wirtschaftlich vertretbares Mittel zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen ist.

Über die Festlegung einer allgemeinen Verpflichtung zur Installation von Abluftreinigungsanlagen wird nach Vorlage der Ergebnisse des Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes entschieden. Bei großen Geflügelhaltungsanlagen ist im Genehmigungsverfahren darauf hinzuweisen, dass Abluftreinigungen für Geflügelhaltungsanlagen zukünftig als Stand der Technik erklärt werden könnten und daher die Voraussetzungen geschaffen werden sollten, um den nachträglichen Einbau einer Abluftreinigungsanlage zu ermöglichen.

1.4 Regelungen zu nachträglichen Anordnungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen

Werden durch den Betrieb einer mittelgroßen oder großen Schweinehaltungsanlage oder mittelgroßen oder großen Geflügelhaltungsanlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen, z.B. durch

ist der Einbau einer Abluftreinigungsanlage gemäß § 17 Abs. 1 BImSchG nachträglich anzuordnen. Dies gilt auch, wenn bei einer Überschreitung der Geruchsimmissionswerte der GIRL SH und Beurteilung des Einzelfalles nach Nummer 5 der GIRL SH eine nachträgliche Anordnung in Betracht kommen würde. In der nachträglichen Anordnung ist dem Betreiber eine Umsetzungsfrist von zwei Jahren aufzugeben. Wegen besonderer Umstände im Einzelfall kann von der nachträglichen Anordnung abgesehen oder eine längere Umsetzungsfrist festgelegt werden. Die nachträgliche Anordnung kann sich auch auf die Installation und den Betrieb einer Abluftreinigungsanlage beziehen, die für das entsprechende einzelne Kriterium eine Zertifizierung nach dem "Cloppenburger Leitfaden" aufweist.

Sofern mehrere Verursacher, unabhängig von der Anlagengröße, zu der Überschreitung von Immissionswerten beitragen, ist auch die nachträgliche Anordnung gegenüber mehreren Betreibern zu prüfen.

1.5 Regelungen zur Durchführung von Überwachungsmaßnahmen/Messungen

Bei Tierhaltungsanlagen sind in die Genehmigung bzw. die nachträgliche Anordnung Regelungen zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Abluftreinigungsanlage aufzunehmen. Die Einhaltung der Anforderungen an die Wirksamkeit der Abluftreinigungsanlagen hinsichtlich der Komponenten Staub, Ammoniak und Geruch sind durch erstmalige und jährlich wiederkehrende Messungen (vergleiche Nummer 5.3.2.1 TA Luft) durch eine nach § 26 BImSchG bekannt gegebene Stelle oder durch einen bzw. eine Ingenieur/Ingenieurin oder Gutachter/Gutachterin, der bzw. die die entsprechende Fachkunde besitzt, nachzuweisen. Die Messungen sollen dabei jeweils im Zeitraum der höchsten Emissionen der Anlage durchgeführt werden. Der ordnungsgemäße Betrieb der Abluftreinigungsanlage ist ferner über ein Betriebstagebuch zu dokumentieren, in dem die für den Betrieb wesentlichen Daten festzuhalten sind. Der Genehmigungsbehörde ist der Abschluss eines Wartungsvertrages nachzuweisen.

Auf wiederkehrende Messungen kann nach mehreren positiven Wiederholungsmessungen gegebenenfalls verzichtet werden, wenn sich der Betrieb im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems einer jährlich wiederkehrenden Überprüfung durch eine anerkannte sachverständige Stelle unterzieht. Dies ist im Genehmigungsbescheid oder in der nachträglichen Anordnung festzulegen.

2 Anlagen zur Lagerung von Gülle

Bei Anlagen zur Lagerung von Flüssigmist außerhalb des Stalles (Nummer 8.13 und 9.36 der 4. BImSchV oder kleinere im Zusammenhang mit einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlage betriebene Anlage) ist bei Neu- und Änderungsgenehmigungen eine Lagerung in geschlossenen Behältern oder in Behältern mit Zeltdach als Stand der Technik zur Minderung der Emissionen von Gerüchen und Ammoniak vorzusehen. Bei bestehenden Anlagen, die noch keine geschlossenen Lagerbehälter haben oder über keine Abdeckung der Lagerbehälter mit einem Zeltdach, mit Schwimmfolie, Schwimmkörpern oder Leichtmaterialschüttungen, wie z.B. Blähtonkugeln, verfügen, ist eine Nachrüstung mit einer der vorgenannten Maßnahmen nachträglich anzuordnen. Im Einzelfall können auch alternative Abdeckungen zugelassen werden, wenn deren Wirkung nachweislich vergleichbar mit den vorgenannten Abdeckungen ist. Den Betreibern soll eine Umsetzungsfrist von einem Jahr gewährt werden. Im Einzelfall kann die Frist verlängert werden.

Güllebehälter einschließlich der sogenannten Güllelagunen, die selbst nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind und auch nicht im Zusammenhang mit einer solchen Anlage betrieben werden, sind regelmäßig mit einer Abdeckung mittels Schwimmfolie auszuführen, mindestens ist aber eine künstliche Schwimmschicht aus Strohhäckseln oder vergleichbar wirkendem Material vorzusehen. Die künstliche Schwimmschicht aus Strohhäckseln muss jederzeit den Anforderungen der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1, genügen und ist vor allem nach Aufrühren oder Ausbringungsarbeiten unverzüglich wiederherzustellen. Auf Verlangen der zuständigen Behörde ist dieser unverzüglich nachzuweisen, dass die Anforderungen der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1, erfüllt sind. Die künstliche Schwimmschicht könnte auch durch Leichtmaterialschüttungen, wie z.B. aus Blähtonkugeln, hergestellt werden.

Bei der Lagerung von Rinderflüssigmist ist keine zusätzliche Abdeckung erforderlich, wenn sich eine natürliche Schwimmdecke bildet. Bildet sich bei Rinderflüssigmist keine jederzeit vollständig geschlossene und ausreichend dicke natürliche Schwimmschicht, ist entsprechend der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1, mit Strohhäckseln bis auf mindestens 10 cm Dicke nachzurüsten.

3 Bioaerosole

Die von Tierhaltungsanlagen emittierten luftgetragenen Partikel wie Pilzsporen, Bakterien, Viren, Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte, können grundsätzlich geeignet sein, nachteilig auf die Gesundheit der benachbarten Anwohner einer Anlage einzuwirken.

In der TA Luft sind Immissionswerte zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen hinsichtlich Bioaerosole nicht festgelegt.

Im Hinblick auf Vorsorgeanforderungen bei der Errichtung von Tierhaltungsanlagen wird in Nummer 5.4.7.1 der TA Luft ausgeführt: "Die Möglichkeiten, die Emissionen an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern, sind zu prüfen."

Nach derzeitigem Kenntnisstand kann daher eine Risikobewertung und die Festlegung möglicherweise erforderlicher Maßnahmen bezüglich Bioaerosolemissionen aus immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlagen nur auf der Basis der Umstände des konkreten Einzelfalls im Rahmen einer Sonderfallprüfung nach Nummer 4.8 TA Luft erfolgen.

Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Haltung von Schweinen und Geflügel ist in Bezug auf Bioaerosole wie folgt vorzugehen:

Zunächst ist festzustellen, ob hinreichende Anhaltspunkte für eine mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung durch Bioaerosole vorliegen. Hinweise für das Erfordernis einer Prüfung potenzieller Bioaerosolbelastungen können z.B. sein:

Ergeben sich anhand der oben genannten Kriterien Anhaltspunkte, ist durch eine Ausbreitungsrechnung der Gesamtstaubanteil als PM 10 zu bestimmen und der Irrelevanzwert der TA Luft (1,2 ¼g/m³) als Bewertungsmaßstab heranzuziehen.

Sollte dieser Wert überschritten werden, fordert die Genehmigungsbehörde ein Gutachten zur weiteren Feststellung, ob die in Tabelle 1 genannten Orientierungswerte eingehalten sind. Ergibt dieses Gutachten eine Überschreitung der Orientierungswerte, ist eine vertiefende Prüfung im Genehmigungsverfahren in Form eines umwelttoxikologischen Gutachtens erforderlich.

Auf die Forderung eines Sachverständigengutachtens im Genehmigungsverfahren kann verzichtet werden, wenn der Antragsteller für die Tierhaltungsanlage den Einbau einer Abluftreinigungsanlage zur Minderung von Staubemissionen vorgesehen hat und diese verbindlich in der Genehmigung festgeschrieben wird. Die Fachwelt geht davon aus, dass Anlagen zur Verminderung von Staubemissionen, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist, auch zur Minderung von Bioaerosolen geeignet sind.

Tabelle 1: Bioaerosole: Leitparameter und Orientierungswerte (Jahresmittel)

BakterienBestimmungsgrenze *FaktorOrientierungswert
Staphylococcus aureus80 KBE/m³3240 KBE/m³
Staphylokokken80 KBE/m³3240 KBE/m³
Enterokokken80 KBE/m³3240 KBE/m³
Enterobacteriaceen80 KBE/m³3240 KBE/m³

4 Schlussbestimmungen 19

Die Genehmigungsanforderungen des Erlasses sind in den laufenden Genehmigungsverfahren anzuwenden, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Erlasses noch kein vollständiger Genehmigungsantrag im Sinne des § 7 der 9. BImSchV vorgelegen hat. Sollte bereits ein vollständiger Genehmigungsantrag vorliegen, gelten für diese Anlagen die Regelungen für bestehende Anlagen. Die Betreiber sollten im Genehmigungsverfahren auf die Regelungen für den Bestand hingewiesen werden.

Dieser Erlass tritt nach dem Tag seiner Veröffentlichung in Kraft; er tritt nach fünf Jahren außer Kraft.

ENDE