umwelt-online: BayVwV zur 92/43/EWG (FFH-RL) und 79/409/EWG (Vogelschutz-RL) (2)
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6 Ausnahmen von der Unzulässigkeit erheblicher Beeinträchtigungen
Projekte oder Pläne, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind grundsätzlich unzulässig. Sie dürfen nach einer Ausnahmeprüfung zugelassen oder durchgeführt werden, wenn keine zumutbare Alternative vorhanden ist und das Projekt oder der Plan aus zwingenden Gründen des öffentlichen Wohls notwendig ist. Hinsichtlich der gemeldeten, aber noch nicht ausgewiesenen Vogelschutzgebiete wird auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Dezember 2000 - C-374/98, DVB1 2001 S.359 f., hingewiesen, wonach für diese Gebiete weiterhin Artikel 4 Abs. 4 Satz 1 VogelschutzRL maßgeblich ist. Danach darf ein derartiges Gebiet flächenmäßig nur verkleinert werden, wenn dafür außerordentliche Gründe des Gemeinwohls vorliegen (EuGH, Urteil vom 28. Februar 1991 - Rs C-57/89, Natur und Recht 1991 S.249).
6.1 Alternativenprüfung
Im Rahmen des § 19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG ist zunächst das Bestehen einer zumutbaren Alternative zu prüfen. In Betracht kommen sowohl die Wahl eines anderen Standortes als auch eine andere Art der Ausführung. Durch die Alternative müssen die mit dem Projekt angestrebten Ziele im Großen und Ganzen in vergleichbarer Weise verwirklicht werden können (Identität des Projektes). Die Pflicht zur Alternativenprüfung ist einer Abwägung nicht zugänglich.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Alternativen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
6.2 Abwägung
Gibt es keine zumutbare Alternative oder reicht eine solche nicht aus, um erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, muss das Projekt nach § 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG aus ≫zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher wirtschaftlicher und sozialer Art, notwendig≪ sein. Als öffentliches Interesse kommen danach alle Belange in Betracht, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Private, nicht zugleich öffentlichen Interessen dienende Projekte kommen damit als Rechtfertigung für die Zulassung von Ausnahmen von vornherein nicht in Betracht. Zu den öffentlichen Interessen können auch solche wirtschaftlicher oder sozialer Art gehören.
Allerdings genügt nicht jedes öffentliche Interesse, um ein Projekt zu rechtfertigen. Vielmehr muss das öffentliche Interesse, das mit dem Projekt verfolgt wird, im einzelnen Fall gewichtiger sein als die im konkreten Fall betroffenen und mit der FFH- und Vogelschutzrichtlinie geschützten Interessen (überwiegendes öffentliches Interesse). Es muss ≫zwingend≪ sein. Eine Legaldefinition zu diesem Ausnahmetatbestand gibt es nicht. Nach der bisher vorliegenden Rechtsprechung ist es geboten, einen strengen Maßstab anzulegen (BVerwG, Urteil v. 27. Januar 2000, 4 C 2.99).
6.3 Verfahren bei prioritären Biotopen/Arten
Das Verfahren zur Zulassung von Ausnahmen aufgrund § 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ist durch Absatz 4 modifiziert, wenn sich in dem von dem Projekt betroffenen Gebiet prioritäre Arten oder Lebensräume befinden. Maßgeblich ist dabei nicht, ob sich irgendwo im betroffenen Natura 2000-Gebiet prioritäre Arten oder Lebensräume befinden, sondern ob von dem Projekt solche unmittelbar oder mittelbar betroffen werden können. Es wird darauf hingewiesen, dass in der Vogelschutzrichtlinie keine prioritären Arten festgelegt wurden; auch eine Analogie ist insoweit nicht möglich. Bei Vogelschutzgebieten ist somit keine Stellungnahme der Europäischen Kommission einzuholen.
§ 19c Abs. 4 Satz 1 BNatSchG benennt besondere öffentliche Interessen, die ein relativ hohes Gewicht besitzen können. Dabei handelt es sich um solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder um Projekte, die maßgeblich günstige Auswirkungen auf die Umwelt haben. Auch hier bedarf es aber einer Gewichtung im Einzelfall und einer Abwägung. Hierbei ist die hohe Bedeutung der Natura 2000-Gebiete zu beachten. Das Gewicht der Naturschutzbelange erhöht sich in dem Maße, in dem ein Kohärenzausgleich nicht möglich ist.
Sofern andere als die in § 19c Abs. 4 BNatSchG genannten Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für eine Beeinträchtigung des Schutzgebietes angeführt werden sollen, ist zuvor eine Stellungnahme der Europäischen Kommission einzuholen (vgl. 11.1.5).
Die Stellungnahme der Europäischen Kommission ist in der Abwägung über die Zulassung oder Durchführung des Projekts zu berücksichtigen. Die Behörde hat sich also mit der Kommissionsauffassung inhaltlich auseinander zu setzen; sie kann nur in begründeten Fällen davon abweichen.
6.4 Kohärenzausgleich
Wird ein Projekt nach § 19c Abs. 3 oder Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 BNatSchG zugelassen oder durchgeführt, sind alle zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes ≫Natura 2000≪ notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (§ 19c Abs. 5 BNatSchG). Im Verhältnis zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach der Eingriffsregelung sind diese Maßnahmen grundsätzlich eigenständig zu ermitteln. Im Ergebnis können bestimmte tatsächliche Maßnahmen geeignet sein, sowohl die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das Europäische Netz ≫Natura 2000≪ als auch der Eingriffsregelung zu erfüllen. Solche Maßnahmen sollten vorrangig ergriffen werden.
Die Maßnahmen zur Wahrung des Netzzusammenhanges müssen erreichen, dass die von dem Projekt beeinträchtigten Funktionen im Europäischen Netz ≫Natura 2000≪ möglichst zeitlich lückenlos wiederhergestellt werden. In Betracht kommen nach Lage des Einzelfalles insbesondere Verbesserungen im Gebiet selbst, Flächenausdehnung abseits des betroffenen Teilbereiches oder - bei schwerer Beeinträchtigung - die Aufnahme eines ganz anderen, bislang nicht gemeldeten Gebietes, das dieselben Funktionen im Europäischen Netz erfüllen kann.
Es sind innerhalb oder im Zusammenhang mit anderen Gebieten Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorzusehen, durch die der Erhaltungszustand gesichert wird.
Art und Umfang der Maßnahmen zur Wahrung des Netzzusammenhanges sind einer Abwägung nicht zugänglich.
Die Maßnahmen zur Wahrung des Netzzusammenhanges sind soweit wie möglich dem Vorhabenträger aufzuerlegen. Soweit die Maßnahmen nicht in dem betroffenen Schutzgebiet durchgeführt werden sollen, sondern außerhalb, können ergänzend hoheitliche Maßnahmen zur Unterschutzstellung erforderlich sein. Wenn hoheitliche Maßnahmen erforderlich sind, kann sich ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen Projektträger und der Naturschutzbehörde, die tätig werden soll, anbieten.
Die Verpflichtungen des Projektträgers sind durch die Zulassungsentscheidung festzulegen. Zur Sicherung der Verpflichtungen kommt ergänzend die Anordnung einer Sicherheitsleistung als Nebenbestimmung in Betracht.
7 Verträglichkeitsprüfung von Plänen
7.1 Pläne
Pläne im Sinne der Vorschriften von § 19d BNatSchG in Verbindung mit § 19a Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG sind z.B.
Die Verpflichtung zur Durchführung der Verträglichkeitsprüfung für Raumordnungspläne sowie Bauleitpläne und Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ergibt sich unmittelbar aus den für diese Planungen geltenden besonderen gesetzlichen Bestimmungen (siehe § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG, § 1 A Abs. 2 Nr. 4, § 34 Abs. 4 BauGB). Ansonsten gelten für die Verträglichkeitsprüfung Nummern 5 und 6 entsprechend.
Für die o. g. Linienbestimmungen von Bundesbehörden gilt § 19c BNatSchG entsprechend (§ 19d Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 3 BNatSchG).
7.2 Plangewährleistung
Keine Anpassungspflicht für Pläne besteht in den Fällen, in denen über die Behördenverbindlichkeit hinaus Rechte für Dritte begründet worden sind, deren Entzug den Tatbestand einer Enteignung oder einer entschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums darstellen würde. Dies kommt insbesondere bei einem Bebauungsplan und einer Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB in Betracht (§ 42 BauGB).
Zum zeitlichen Anwendungsbereich gilt, dass die Neufassung des BauGB (gültig ab 1. Januar 1998) in § 1a Abs. 2 Nr. 4 ausdrücklich vorschreibt, in welcher Weise die Erhaltungsziele oder der Schutzzweck der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und der Europäischen Vogelschutzgebiete bei der Aufstellung eines Bauleitplans zu beachten sind. Im Übrigen gilt 5.3 entsprechend.
7.3 Überprüfung bestehender raumordnerischer Ziele
Im Meldeverfahren ist eine Abwägung zwischen einer naturschutzfachlich erforderlichen Gebietsmeldung und entgegenstehenden anderweitigen Belangen unzulässig. Insofern ist es möglich, dass von der Landesregierung auch Gebiete gemeldet werden, für die andere, dem Naturschutz entgegenstehende raumordnerische Ziele festgelegt sind. Diese zum Zeitpunkt der Gebietsmeldung bestehenden Ziele der Raumordnung bleiben nur unberührt,
Beispiele für Pläne mit Anpassungspflicht sind Raumordnungs- und Flächennutzungspläne. Bestehende raumordnerische Ziele der Landes- und Regionalplanung, die noch nicht durch Bebauungspläne, Zulassungen oder rechtmäßige Durchführung von Maßnahmen umgesetzt worden sind, bedürfen nach der Bekanntmachung der Gebiete im Bundesanzeiger (§ 19a Abs. 4 BNatSchG) im Hinblick auf erkennbare Konflikte mit den Zielen der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie einer Überprüfung und ggf. einer Änderung. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Verschlechterungsverbot (vgl. Nummer 3) zu beachten.
Solange die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und die Europäischen Vogelschutzgebiete noch nicht in den Raumordnungsplänen dargestellt sind, haben die nachgeordneten Planungsträger beim zuständigen Regionalverband bzw. beim Verband Region Stuttgart anzufragen, ob für Plandarstellungen, die im Konflikt zu den Zielen der FFH- oder Vogelschutz-Richtlinie stehen könnten, bereits auf der Ebene der Regionalplanung eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist.
Die Verträglichkeitsprüfung ist entsprechend der jeweiligen Planungsebene durchzuführen. Planungen betroffener Ebenen haben die Prüfergebnisse der höheren Ebene zu berücksichtigen und im erforderlichen Umfange zu präzisieren.
8 Belastung durch Emissionen
Die Vorschrift des § 19e BNatSchG regelt als Sonderfall die Verträglichkeitsprüfung für genehmigungsbedürftige Anlagen nach dem BImSchG. Sie tritt hinsichtlich der Emissionen an die Stelle des § 19c BNatSchG. Sofern sich die bauliche Herstellung der Anlage auf ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein Europäisches Vogelschutzgebiet auswirken kann, ist diese im Rahmen der Genehmigung nach § 19c BNatSchG zu beurteilen. Inhaltliche Abweichungen für die Durchführung der Verträglichkeitsprüfung bestehen nicht, so dass die unter Nummer 5 und 6 genannten Grundsätze herangezogen werden können.
9 Gewässerbenutzungen
Die Verträglichkeitsprüfung für die Erlaubnis und Bewilligung von Gewässerbenutzungen richtet sich nach der Sondervorschrift des § 6 Abs. 2 WHG. Sie tritt an die Stelle des § 19c BNatSchG und enthält insoweit eine abschließende Regelung für die wasserrechtliche Zulassung von Gewässerbenutzungen im Hinblick auf ihre Verträglichkeit mit den Zielen der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie. Auch hier muss aber für die Auswirkungen etwaiger Baumaßnahmen an Ort und Stelle ergänzend die Prüfung nach § 19c BNatSchG stattfinden.
In richtlinienkonformer Auslegung sollte auch im Rahmen des § 6 Abs. 2 WHG eine Beeinträchtigung von Konzertierungsgebieten unterbleiben (§ 19b Abs. 5 Satz 2 BNatSchG).
10 Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften
10.1 Baurecht
10.1.1 Die Verträglichkeitsprüfung gemäß § 19c BNatSchG wird auf Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 BauGB nicht angewendet, weil eine entsprechende Prüfung nach § 1a Abs. 2 Nr. 4 BauGB schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans gegebenenfalls durchzuführen ist und § 19c Abs. 1 Satz 1 BNatSchG nicht für Bauleitpläne gilt. Hinsichtlich der Emissionen, die das Vorhaben verursacht, bleibt § 19e BNatSchG allerdings unberührt. Für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB und die Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB gilt dasselbe.
Eine Verträglichkeitsprüfung ist ferner nicht für Vorhaben erforderlich, die nach § 33 BauGB während der Aufstellung des Bebauungsplans zugelassen werden, da auch hier die Anforderungen zur Verträglichkeitsprüfung bei der Aufstellung des Bebauungsplans abgearbeitet werden. Planreife setzt insoweit voraus, dass die Verträglichkeitsprüfung im Rahmen des Bauleitplanverfahrens bereits abgeschlossen ist.
Ergibt die Ermittlung der Umweltauswirkungen im Bauleitplanverfahren, dass die Planung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele oder des Schutzzweckes eines Natura 2000-Gebietes führen kann, ist der Plan unzulässig (§ 19c Abs. 2 BNatSchG), soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 19c Abs. 3 bis 5 BNatSchG vorliegen (§ 19d Satz 2 BNatSchG). Das Ergebnis der Prüfung nach § 19c Abs. 2 bis 5 BNatSchG unterliegt nicht der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB. Soweit daneben eine naturschutzrechtliche Befreiung erforderlich ist, weil es sich um einen besonders geschützten Teil von Natur und Landschaft handelt, muss diese zumindest in Aussicht gestellt sein.
10.1.2 Vorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB, Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB sowie die eine Planfeststellung ersetzenden Bebauungspläne erfordern eine Verträglichkeitsprüfung nach § 19c BNatSchG (§ 19f Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) nur dann, wenn sie ein Projekt (vgl. 5.1) darstellen.
10.2 Naturschutzrecht
Bei § 19f Abs. 2 und 3 BNatSchG handelt es sich um Klarstellungen:
Die Verträglichkeitsprüfung nach §§ 19c ff. BNatSchG ersetzt nicht die Befreiungen oder Erlaubnisse nach den Schutzgebietsverordnungen oder die Anwendung der Eingriffsregelung nach den §§ 10 bis 12 NatSchG und nach den Vorschriften über die Integration der Eingriffsregelung in die Bauleitplanung gemäß § 8a BNatSchG. Auch die Vorschrift des § 9 BNatSchG (Beteiligung von Behörden des Bundes) ist weiterhin anzuwenden.
11 Verfahren zur Durchführung der Verträglichkeitsprüfung 1
11.1 Verfahren bei Projekten
11.1.1 Die überschlägige Betrachtung, ob ein Projekt vorliegt, die Verträglichkeit des Projektes sowie die Voraussetzungen einer Ausnahme werden von der Behörde vorgenommen oder geprüft, die nach anderen Rechtsvorschriften für die behördliche Gestattung oder die Entgegennahme einer Anzeige zuständig ist. Sie trifft ihre Entscheidung, soweit nicht eine weitergehende Beteiligung gesetzlich vorgeschrieben ist, im Benehmen mit der Naturschutzbehörde ihrer Verwaltungsebene. Die fachliche Beurteilung der vorgelegten Unterlagen wird von der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege oder, sofern die untere Naturschutzbehörde zuständig ist, von dem Naturschutzbeauftragten vorgenommen. Ist eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen, ist die Bezirksstelle zu unterrichten; ist über eine Ausnahme nach § 19c Abs. 3 bis 5 BNatSchG zu entscheiden, ist eine Stellungnahme der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege einzuholen. Sofern Belange der Land-, Forst- oder Fischereiwirtschaft betroffen sind, sind die jeweiligen Fachverwaltungen von der verfahrensführenden Behörde zu beteiligen. Bestehende Einvernehmensregelungen bleiben unberührt.
Soweit Vorhaben, Maßnahmen und Eingriffe nach § 19a Abs. 1 Nr. 8a) oder b) BNatSchG, die von einer Behörde durchgeführt werden, keiner anderen behördlichen Entscheidung oder Anzeige bedürfen, prüft gemäß § 56 Satz 1 NatSchG die untere Naturschutzbehörde, ob ein Projekt vorliegt und gegebenenfalls dessen Verträglichkeit. Die Notwendigkeit einer Anhörung der Öffentlichkeit richtet sich nach den Vorschriften, die für die Zulassung des jeweiligen Projektes maßgebend sind.
11.1.2 Wenn für die Zulassung oder Durchführung des Projekts eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattfindet, sind die für die Verträglichkeitsprüfung nach § 19c Abs. 1 und § 19e BNatSchG erforderlichen Unterlagen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zu erbringen (§ 6 Abs. 2 bis 4 UVPG bzw. § 6 Abs. 2 bis 4 LUVPG). Die unterschiedlichen Rechtsfolgen von Umweltverträglichkeitsprüfung und Verträglichkeitsprüfung nach § 19c BNatSchG sind zu beachten; daher ist eine gesonderte Darstellung erforderlich. Mit einer Prüfung nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung soll die Verträglichkeitsprüfung soweit wie möglich verbunden oder auf deren Ergebnisse zurückgegriffen werden.
Auf eine bereits durchgeführte Umweltverträglichkeitsstudie kann nur abgestellt werden, wenn darin bereits das Datenmaterial und die Grundlagen für eine Bewertung der Verträglichkeit gemäß § 19c Abs. 2 BNatSchG enthalten sind.
11.1.3 Bei Projekten, die ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein Europäisches Vogelschutzgebiet einzeln oder im Zusammenhang mit anderen Projekten und Plänen erheblich beeinträchtigen können, hat der Projektträger in den nach anderen Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Gestattungs- und Anzeigeverfahren alle Angaben zu machen, die zur Beurteilung der Verträglichkeit des Projekts erforderlich sind.
Zur Verfahrensvorbereitung sind bei UVP-pflichtigen Projekten gemäß § 5 UVPG oder § 5 LUVPG und bei Vorhaben im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung gemäß § 71c Abs. 2 VwVfG Erörterungen über Gegenstand, Umfang und Methoden der behördlichen Prüfungen vorgesehen. In solche Erörterungen ist die durchzuführende FFH-Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen. Eine solche Besprechung mit dem Projektträger kann auch außerhalb der gesetzlichen Verpflichtung zweckmäßig sein. Eine frühzeitige Unterrichtung des Projektträgers wird regelmäßig vor allem über die Notwendigkeit einer Verträglichkeitsprüfung aufgrund des Ergebnisses der überschlägigen Betrachtung (5.1.4) geboten sein.
Dem Vorhabenträger sind Informationen insbesondere über die Beschreibung der Gebiete des Europäischen Netzes ≫Natura 2000≪ hinsichtlich ihrer für das Europäische Netz relevanten Eigenschaften, die festgelegten Erhaltungsziele und den Inhalt etwaiger Ausweisungen als geschützte Teile von Natur und Landschaft von der Naturschutzverwaltung zur Verfügung zu stellen.
In den Antragsunterlagen sind insbesondere folgende Angaben zu machen:
Zur Prüfung der Verträglichkeit (§ 19c Abs. 1 BNatSchG)
Zur Prüfung von Ausnahmen (§ 19c Abs. 3 bis 5 BNatSchG) im Falle einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebietes:
11.1.4 Soweit die verfahrensführende Behörde für die Durchführung der Verträglichkeitsprüfung und die Ausnahmeerteilung zuständig ist, stellt sie mit der Naturschutzbehörde ihrer Verwaltungsebene - soweit keine weitergehende Beteiligung vorgegeben ist (s.o. 11.1.1 Abs. 2) - das Benehmen her. Dazu übersendet sie der Naturschutzbehörde die Antragsunterlagen einschließlich der vom Projektträger nach 11.1.3 gemachten Angaben.
Die Naturschutzbehörde hat sich hinsichtlich der Verträglichkeit des Projektes insbesondere zu folgenden Punkten zu äußern:
Im Rahmen der Aufnahmeprüfung gibt die Naturschutzbehörde insbesondere zu folgenden Punkten eine Stellungnahme ab:
Zur Verfahrensvereinfachung sollen sich soweit erforderlich die beteiligten Behörden frühzeitig mit dem Projektträger wegen eines möglicherweise erforderlichen Gutachtens, das die nach dem Naturschutzrecht erforderlichen Bestandsaufnahmen, fachlichen Bewertungen und Planungen erarbeitet (Eingriffsregelung, § 24a NatSchG, Schutzgebiets-Verordnung), abstimmen.
11.1.5 Werden von dem Projekt prioritäre Biotope oder prioritäre Arten unmittelbar oder mittelbar betroffen, so ist in den Fällen des § 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG vor der Entscheidung über das Projekt eine Stellungnahme der Europäischen Kommission einzuholen (vgl. 6.3).
Die verfahrensführende Behörde übersendet zu diesem Zweck dem zuständigen Ministerium die zur Beurteilung durch die Europäische Kommission notwendigen Unterlagen 2. Das zuständige Ministerium beteiligt das Ministerium Ländlicher Raum.
Die Unterlagen umfassen die nach 11.1.3 vom Projektträger im Zulassungsantrag gemachten Angaben, ergänzt um die nach 11.1.4 von der beteiligten Naturschutzbehörde abgegebene Stellungnahme und die von der verfahrensführenden Behörde danach vorgesehene Entscheidung.
11.1.6 Die verfahrensführende Behörde bezieht die Stellungnahme der Naturschutzbehörde in ihre Entscheidung über die Zulassung oder Durchführung des Projektes ein. Das Gleiche gilt für die ggf. eingeholte Stellungnahme der Europäischen Kommission.
In der Entscheidung werden, soweit erforderlich, die zur Erhaltung der Kohärenz des Europäischen Netzes ≫Natura 2000≪ notwendigen Maßnahmen festgesetzt, soweit sie vom Projektträger durchzuführen sind.
Die Europäische Kommission ist von der verfahrensführenden Behörde über das zuständige Ministerium unter Beteiligung des Ministeriums Ländlicher Raum und über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit über die getroffenen Maßnahmen zu unterrichten (§ 19c Abs. 5 Satz 2 BNatSchG)
11.1.7 Wenn Projekte über den Rahmen, der durch nach § 19d BNatSchG geprüfte Pläne gesetzt wird, hinausgehen, ist für diesen Teil des Projektes erforderlichenfalls eine Verträglichkeits- oder Aufnahmeprüfung durchzuführen.
11.2 Verfahren bei Plänen
Die Verträglichkeit eines Plans wird in dem für seine Aufstellung oder Änderung vorgeschriebenen Verfahren geprüft. Bei mehrstufigen Planungen ist die Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Regelungsbefugnis der einzelnen Pläne und entsprechend ihrem jeweiligen Konkretisierungsgrad durchzuführen. Dies bedeutet auch, dass die Prüfung der Zulässigkeit (einschließlich Alternativenprüfung und Ausnahmegrund) und die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen zur Währung des Netzzusammenhangs unter Umständen - aufeinander aufbauend - in verschiedenen Plan- oder Genehmigungsverfahren stattfindet. Im Übrigen gelten 11.1.1 bis 11.1.6 sinngemäß.
1) D.h. Verträglichkeits- und Aufnahmeprüfung; vgl. das Ablaufschema in der Anlage
2) Ist für die Zulassung oder Durchführung des Projektes eine Bundeshörde zuständig, sollte diese die oberste Naturschutzbehörde des Landes unterrichten. Dieses kann aber nur der Bund verfügen.
Prüfung von Projekten und Plänen gemäß § 19c und 19d BNatSchG | Anlage |
Verträglichkeitsprüfung | |
1. Liegt ein Projekt/Plan im Sinne des § 19a Abs. 2 Nr. 8 und 9 BNatSchG vor? | |
↓ | ↓ |
Ja | nein => keine Verträglichkeitsprüfung erforderlich |
↓ | |
2. Überprüfung des Projektes/Planes vor seiner Zulassung oder Durchführung auf Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung oder Europäischen Vogelschutzgebietes (§ 19c Abs. 1 Satz 1 BNatSchG). Bei Schutzgebieten im Sinne des § 12 Abs. 1 BNatSchG ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften (§ 19c Abs. 1 Satz 2 BNatSchG) sowie den Standard-Datenbögen. Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt/der Plan zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann (§ 19c Abs. 2 BNatSchG)? | |
↓ | ↓ |
Ja | nein => FFH nicht relevant |
↓ | |
Ausnahmeprüfung | |
3. Gibt es eine zumutbare Alternative, den mit dem Projekt/Plan verfolgten Zweck (auch) anderer Stelle ohne Beeinträchtigungen zu erreichen (§ 19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG)? | |
↓ | ↓ |
Nein | ja => Ablehnung des Projektes/Planes in der ursprünglichen Form und ggf. Zustimmung zu der Alternativlösung |
↓ | ↓ |
4. Gibt es eine zumutbare Alternative, den mit dem Projekt/Plan verfolgten Zweck (auch) anderer Stelle mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen (§ 19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG)? | |
↓ | ↓ |
nein | ja => Ablehnung des Projektes/Planes in der ursprünglichen Form und bei Alternative weiter mit 5. |
↓ | ↓ |
5. Werden öffentliche Interessen für die Durchführung des Projektes/Planes geltend gemacht? | |
↓ | ↓ |
ja | nein => Unzulässigkeit des Projektes/Planes |
↓ | |
6. Schließt das betreffende Gebiet prioritäre Biotope oder prioritäre Arten i.S.d. § 19a Abs. 2 Nr. 5 u. 6 BNatSchG ein? | |
↓ | ↓ |
ja | nein - (weiter bei Nr. 9) |
↓ | ↓ |
7. Sprechen Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit der Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder maßgeblich günstige Auswirkungen auf die Umwelt für das Projekt/den Plan (§ 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG)? | |
↓ | ↓ |
nein | ja - (weiter bei Nr. 9) |
↓ | |
8. Einholung einer Stellungnahme der Europäischen Kommission (§ 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG), die bei der innerstaatlichen Abwägung zu berücksichtigen ist. | |
↓ | |
9. Innerstaatliche Abwägung (§ 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG): Ist das Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wissenschaftlicher Art notwendig? | |
↓ | ↓ |
ja | nein |
↓ | ↓ |
10. Gestaltung des Projektes/Planes und Festlegung der erforderlichen Maßnahmen zum Kohaerenz- Ausgleich sowie Unterrichtung der EU-Kommission gemäß § 19c Abs. 5 BNatSchG | Ablehnung des Projektes |
ENDE |