Druck- und LokalversionFür einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die
Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an.
Regelwerk
Frame öffnen

Schutz des Europäischen Netzes "Natura 2000"
- Bayern -

Vom 4. August 2000
(AllMBl. 2000 S. 544; 31.05.2016 S. 1555)
791-U


Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit sowie für Landesentwicklung und Umweltfragen - Nr. 62-8645.4-2000121

An die Kreisverwaltungsbehörden
die unteren Bauaufsichtsbehörden
die Regierungen
die Direktionen für ländliche Entwicklung
die Forstämter
die Forstdirektionen

nachrichtlich an.

die Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften
die Landkreise
die Bezirke

Die Bekanntmachung dient der zweckmäßigen und einheitlichen Umsetzung der FFH-Richtlinie im Freistaat Bayern.

1. Ziel der FFH-Richtlinie

Die EG-Richtlinie 92/43/EWG des Rates vorn. 21. Mai 1992 (ABl. EG Nr. L 206, S. 7) zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) verfolgt das Ziel, ein kohärentes europäisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung "Natura 2000" zu errichten und zu erhalten. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie umfassen ("Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung" / FFH-Gebiete). Der Fortbestand eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet muss gewährleistet sein. Den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten wird Rechnung getragen.

Das Europäische Netz "Natura 2000" umfasst auch die aufgrund der Richtlinie 79/409/EWG (Vogelschutz-Richtlinie) ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete ("Europäische Vogelschutz-Gebiete").

2 Rechtsgrundlagen

Durch die §§ 19a bis 19f Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) wurde die FFH-Richtlinie in deutsches Recht auf Bundesebene umgesetzt.

Folgende Vorschriften aus dem BNatSchG gelten gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG unmittelbar:

Soweit Behörden des Bundes Entscheidungen über Projekte im Sinn des § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG treffen, gilt nach § 4 Satz 4 BNatSchG abweichend von Satz 3 auch § 19c BNatSchG unmittelbar.

§ 19a Abs. 2 BNatSchG enthält die grundlegenden Begriffsdefinitionen.

Durch die Vorschriften des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG)

wurden die bundesrechtlichen Rahmenvorschriften landesrechtlich umgesetzt.

Die sich aus dem BNatSchG ergebenden unmittelbaren Pflichten des Freistaates Bayern (z.B. § 19b Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3, § 19c Abs. 5) sind im BayNatSchG nicht wiederholt.

Für die Umsetzung der FFH-Richtlinie sind noch folgende, in anderen Gesetzen enthaltene Vorschriften maßgebend:

Die in der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie enthaltenen besonderen artenschutzrechtlichen~ Bestimmungen, die nicht unmittelbar dem Aufbau und dem Schutz des Europäischen Netzes "Natura 2000" dienen, sind nicht Gegenstand dieser Vollzugsbekanntmachung.

3 Gebietskulisse für das Verschlechterungsverbot

3.1 Gebietskulisse nach amtlicher Bekanntgabe

Zentrale Bedeutung unter den Schutzvorschriften für FFH- und Vogelschutz-Gebiete nimmt das in Art. 13c BayNatSchG enthaltene Verschlechterungsverbot ein. Dieses gilt kraft Gesetzes ab Bekanntmachung der zum Europäischen Netz "Natura 2000" gehörenden Gebiete im Bundesanzeiger durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (§ 19b Abs. 4 BNatSchG). Mit dieser Bekanntmachung ist nach derzeitiger Erkenntnis nicht vor dem Jahr 2001 zu rechnen.

3.2 Vorwirkung der Richtlinie

Bereits jetzt besteht jedoch ein Schutz für die betreffenden Gebiete. Dies leitet sich unmittelbar aus dem in Artikel 10 des EG-Vertrages festgelegten Grundsatz des gemeinschaftsfreundlichen Verhaltens und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ab.

Kern der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, sich bei der gebotenen Umsetzung von Richtlinien auf ihr eigenes vertragswidriges Verhalten, insbesondere durch nicht rechtzeitige oder nicht vollständige Umsetzung, zu berufen.

Auch nach der deutschen Rechtsprechung besteht die Pflicht, die Ziele einer Richtlinie, d.h. hier der FFH-Richtlinie, nicht zu unterlaufen. Zu dieser Pflicht zählt es, nicht durch eigenes Verhalten gleichsam vollendete Tatsachen zu schaffen, die später die Erfüllung der aus der Beachtung der Richtlinie erwachsenden europäischen Vertragspflichten unmöglich machen.

Deshalb treten bis zur Bekanntmachung im Bundesanzeiger für Maßnahmen und Projekte des Staates oder der Kommunen sowie für Planungen an die Stelle der im Bundesanzeiger zu veröffentlichenden Gebiete die vom Freistaat Bayern in einer ersten Tranche bereits gemeldeten Gebiete sowie die vom bayerischen Ministerrat zur Meldung an die Kommission beschlossene Gebietsliste der zweiten Tranche. Diese Gebiete werden im Allgemeinen Ministerialblatt (AllMBl), zusätzlich durch Aushang der Karten im Maßstab 1:25000 bei den von der Gebietsmeldung betroffenen Kreisverwaltungsbehörden und Kommunen bekannt gemacht.

Diese Liste ist abschließend. Daneben bestehen keine "potenziellen" FFH-Gebiete oder "faktischen" Vogelschutz-Gebiete. Etwaige Forderungen der Europäischen Kommission, weitere Gebiete nachzumelden, werden ebenfalls bekanntgemacht.

3.3 Gebiete im Konzertierungsverfahren

Ist ein Gebiet Gegenstand eines Konzertierungsverfahrens nach Art. 5 FFH-RL, gilt das Verschlechterungsverbot bereits während des Verfahrens in diesem Gebiet, sofern konkrete erhebliche Beeinträchtigungen der im Gebiet vorkommenden prioritären Lebensräume oder Arten zu befürchten sind.

4 Zeitlicher Anwendungsbereich des Verschlechterungsverbotes

Das Verschlechterungsverbot des Art. 13c BayNatSchG erfasst erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen von Schutzgebieten in den für ihre Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen

Dementsprechend ist zu unterscheiden zwischen

Die Vollzugsbekanntmachung erfasst alle noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Zulassungsverfahren, nicht abgeschlossenen Planungsverfahren sowie noch nicht ins Werk gesetzten Maßnahmen.

Wegen der verspäteten Umsetzung der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie ist davon auszugehen, dass die Verpflichtungen aus den Richtlinien bereits zu einem früheren Zeitpunkt unmittelbar eingetreten sind (Direktwirkung). Dieser Zeitpunkt ist eingetreten

Hier ist wie folgt zu verfahren:

5 Schutzmaßnahmen

5.1 Verpflichtung zum Schutz

Die im Bundesanzeiger bekannt gemachten Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung sind gemäß Art. 13b BayNatSchG durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder Verträge zu schützen. Zweck und Maßstab des Schutzes ist, unter Beachtung der sozioökonomischen Anforderungen des Art. 2 Abs. 3 FFH-RL die Lebensraumtypen und/oder die Arten, die maßgeblich für die Aufnahme des Gebietes in das Europäische Netz "Natura 2000" waren, entsprechend ihren ökologischen Erfordernissen zu bewahren. Die Richtlinie setzt dafür eine Frist von sechs Jahren nach Erstellung der Gemeinschaftsliste. Von den Umsetzungsfristen des Art. 4 Abs. 4 FFH-RL aus gerechnet endet die 6-Jahresfrist am 4. Juni 2004. Nachdem die Gemeinschaftsliste noch nicht erstellt ist, läuft nach bayerischer Rechtsansicht die Frist noch nicht. Da die Verzögerung der Gemeinschaftsliste aber auf den säumigen Gebietsmeldungen der Mitgliedstaaten beruht, ist zu erwarten, dass die Kommission auf der ursprünglichen Frist besteht. Es empfiehlt sich daher, möglichst bald nach der bayerischen Gebietsmeldung die erforderlichen Überlegungen zum Schutz einzuleiten und nach endgültiger Erstellung der Gemeinschaftsliste zügig den Schutz zu bewirken.

Für die Europäischen Vogelschutz-Gebiete ergibt sich die Schutzverpflichtung aus Art. 4 Vogelschutz-Richtlinie. Einen Zeitraum für die Umsetzung der Schutzverpflichtung nennt die Richtlinie zwar nicht, der erforderliche Schutz ist aber, soweit noch nicht vorhanden, zügig herzustellen. Zweck und Maßstab des Schutzes ist es, die jeweiligen Vogelarten und ihre Lebensräume entsprechend den ökologischen Ansprüchen so zu erhalten, dass ihr Überleben und ihre Vermehrung sichergestellt sind.

5.2 Grundprinzip

Grundprinzip der Umsetzung in Bayern ist, dass von den fachlich geeigneten Instrumentarien jeweils diejenige Schutzform ausgewählt wird, die die Betroffenen am wenigsten belastet. Der Abschluss von Verträgen mit den Grundeigentümern hat Vorrang, wenn damit der notwendige Schutz erreicht werden kann (Art. 13b Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2a Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG). Hoheitliche Schutzmaßnahmen werden nur dann getroffen, wenn und soweit dies unumgänglich ist, weil auf andere Weise kein gleichwertiger Schutz erreicht werden kann. Jedes Schutzinstrument muß sicherstellen, dass dem Verschlechterungsverbot nach Art. 13c BayNatSchG entsprochen wird.

5.3 Schutzmöglichkeiten

5.4 Sicherung durch planerische Festlegungen

Als geeignete Schutzmethode gilt auch die Sicherung durch planerische Festlegungen. In vielen Fällen kann mit planerischen Festlegungen sichergestellt werden, dass ein Gebiet vor einer mit Planungen und Maßnahmen einhergehenden Verschlechterung gesichert wird. In Raumordnungsplänen erfolgt dies durch die Aufstellung von Zielen der Raumordnung, die gemäß § 4 ROG zu beachten sind. Auf der Ebene der Regionalplanung kommt als Sicherungsmöglichkeit vor allem die Ausweisung von wasserwirtschaftlichen Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten zur Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung und zum vorbeugenden Hochwasserschutz in Betracht.

5.5 Gebiete, die keines weiteren Schutzes bedürfen

Zusätzliche Schutzmaßnahmen entfallen, wenn und soweit die Gebiete bereits ausreichend geschützt sind. Das ist der Fall bei

5.6 Auswahl der Schutzmethode

Die untere Naturschutzbehörde erarbeitet in Abstimmung mit der höheren Naturschutzbehörde und, soweit Wald betroffen ist, im Benehmen mit der Forstbehörde ein Schutzkonzept und schlägt die geeignete Schutzmethode vor. Die betroffenen Grundeigentümer, Gemeinden, Träger öffentlicher Belange und Verbände sind so früh wie möglich in die Planung des Schutzgebietskonzeptes einzubeziehen. Das Schutzkonzept hat soweit möglich konsensuale Lösungen zur Sicherung der Gebiete vorzusehen.

Die untere Naturschutzbehörde erstellt eine zusammenfassende Darstellung über den Schutz eines Gebietes. Die untere Naturschutzbehörde beziehungsweise die Forstbehörde (vgl. Nr. 6.5) überwacht im Rahmen des Monitoring (Nr. 6.3) den flächendeckenden Fortbestand eines richtlinienkonformen Schutzes.

5.7 Schutz als gesamtstaatliche Aufgabe

Der Schutz und die Erhaltung des Europäischen Netzes "Natura 2000" ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Alle hoheitlichen Rechtsträger sind deshalb verpflichtet, in ihrem Zuständigkeitsbereich die Schutzmöglichkeiten wahrzunehmen, die notwendig sind, um gemäß dem Grundsatz der für die Betroffenen geringstmöglichen Beeinträchtigung abgestuft den günstigen Erhaltungszustand eines Gebietes zu gewährleisten. Sind geringer greifende Schutzmethoden nach Ausschöpfung aller vorgenannten Schutzmöglichkeiten und nach Beteiligung der in Nr. 5.6 Genannten nicht erreichbar, haben die Naturschutzbehörden die Möglichkeiten nach Naturschutzrecht zu ergreifen.

5.8 Rechtsschutz

Rechtsschutz haben die Betroffenen bei Schutzgebietsausweisungen und raumplanerischen Festlegungen im Weg der Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO beziehungsweise durch Klage gegen die Versagung der Zulassung eines konkreten Projektes.

6. Gebietsmanagement

6.1 Managementplan

Der Freistaat Bayern legt nach § 19b Abs. 3 Satz 3 BNatSchG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 FFH-RL für jedes einzelne Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung die Erhaltungsmaßnahmen fest, die notwendig sind, um einen günstigen Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und! oder Arten zu gewährleisten, die maßgeblich für die Aufnahme in das Europäische Netz "Natura 2000" waren (Managementplan), Die untere Naturschutzbehörde stellt die Managementpläne in Zusammenarbeit mit der höheren Naturschutzbehörde sowie den land- und fischereiwirtschaftlichen Fachbehörden auf, ermittelt die Kosten der Maßnahmen und bestimmt die Reihenfolge der Durchführung nach Dringlichkeit. Die betroffenen Grundeigentümer, Gemeinden, Träger öffentlicher Belange und Verbände sind so früh wie möglich, bereits bei der Erarbeitung des Rohentwurfes, einzubeziehen.

Ein Managementplan soll aufgrund von Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-Richtlinie auch für Europäische Vogelschutz-Gebiete aufgestellt werden.

Eines eigenen Managementplanes bedarf es nicht, wenn und soweit für das Gebiet andere geeignete fachspezifische Pläne bestehen oder aufgestellt werden, die die Erhaltungsziele berücksichtigen (z.B. Pflege- und Entwicklungspläne für Gewässer und Schutzgebiete).

Der dem Staat auferlegte Managementplan hat keine Auswirkung auf die ausgeübte Form der Bewirtschaftung durch die Grundeigentümer. Für private Grundeigentümer begründet der Managementplan keine Verpflichtungen.

6.2 Erhaltungsmaßnahmen

Die untere Naturschutzbehörde sorgt für die Durchführung der im Managementplan festgelegten Erhaltungsmaßnahmen nach Maßgabe der verfügbaren Haushaltsmittel. Die Grundeigentümer beziehungsweise Nutzungsberechtigten sollen für solche Erhaltungsmaßnahmen freiwillig und gegen Entgelt gewonnen werden.

6.3 Monitoring

Die untere Naturschutzbehörde beobachtet regelmäßig den Erhaltungszustand des Gebietes und die Wirkung der durchgeführten Maßnahmen und passt gegebenenfalls den Managementplan an.

6.4 Berichtspflichten

Die untere Naturschutzbehörde berichtet dem Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen auf dem Dienstweg spätestens neun Monate vor dessen Berichtstermin an die Kommission über die Maßnahmen, deren Wirkungen und den aktuellen Erhaltungszustand anhand der von der Kommission gefertigten Berichtsliste. Die Berichtstermine werden rechtzeitig mitgeteilt.

UWS Umweltmanagement GmbHweiter. Frame öffnen