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Regelwerk

Empfehlungen zu Biosicherheitsmaßnahmen und Frühwarnsystem in Aquakulturbetrieben
- Land Sachsen-Anhalt -

Vom 23. Juli 2009
(MBl. Nr. 30 vom 31.08.2009 S. 611)



1. Allgemeines

1.1 Präambel

:Die vorliegenden Empfehlungen wenden sich an die Betreiberinnen und Betreiber von Aquakulturen und sollen deren Eigenverantwortung hinsichtlich der Minimierung von Seucheneinschleppungs- und Seuchenübertragungsrisiken unterstützen. Durch freiwillige Umsetzung der Empfehlungen werden das Hygieneniveau und damit der Tierseuchenschutz in den Aquakulturbetrieben deutlich verbessert. Als Folge können Schäden für die Aquakulturwirtschaft und andere berührte Wirtschaftszweige begrenzt werden.

Es bietet sich an, die vorliegenden Empfehlungen mit bereits bestehenden oder zukünftig zu etablierenden Qualitätssicherungssystemen zu kombinieren.

Diese Empfehlungen begründen keine eigenständigen Rechtsverpflichtungen. Bestehende Rechtsverpflichtungen bleiben unberührt.

1.2 Begriffsbestimmungen

1.2.1 Fische aus Aquakultur

Fische in allen Lebensstadien, einschließlich der Eier und der Samen, die in einem Aquakulturbetrieb aufgezogen, gehalten oder gehältert werden.

1.2.2 Aquakulturbetrieb

Jeder Betrieb, der einer Tätigkeit im Zusammenhang mit der Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen nachgeht.

1.2.3 Angelteich

Ein Teich oder eine sonstige Anlage, in denen der Bestand ausschließlich für die Angelfischerei durch Besatz mit Fischen aus Aquakultur erhalten wird.

2. Anforderungen an den Aquakulturbetrieb

2.1 Erforderliche Sachkenntnis der Fischhalter

Fischhalter, Anlagenleiter und deren Stellvertreter verfügen über die notwendige Sachkenntnis im Umgang mit Fischen und werden den Anforderungen zum Gesundheits- und Seuchenschutz bei Fischen gerecht. Regelmäßige Weiterbildungen (über Schulungen, Fachzeitschriften) werden wahrgenommen.

2.2 Bauliche Voraussetzungen für Aquakulturbetriebe

2.2.1 Einrichtungen (Teiche, Rinnen, Becken), die für die Haltung mit Fischen bestimmt sind, müssen ablassbar sein, um eine wirksame Reinigung und Desinfektion zu ermöglichen.

2.2.2 Bei der Wasserversorgung in Aquakulturbetrieben müssen an Zu- und Ablaufbereichen geeignete Absperrungen (Gitterstäbe, Staueinrichtungen)vorhanden sein, die das Eindringen und Entweichen von Fischen in den Betrieb oder aus dem Betrieb verhindern.

2.2.3 Gebäude, Teichanlagen, Systeme mit Fließkanälen, Rinnen, Becken und ähnlichem, Produktionsbereiche, die zur Zucht und Aufzucht von Fischen für Besatzmaßnahmen bestimmt sind, sollten gegebenenfalls gegen unbefugten Zutritt gesichert sein. An Zufahrten sowie den Ein- und Ausgängen dieser Produktionsbereiche können entsprechende Hinweisschilder angebracht werden (z.B. "Wertvoller Fischbestand - Betreten für Unbefugte verboten!").

2.2.4 Desinfektionseinrichtungen für Schuhwerk, Hände, Gerätschaften und für Fahrzeuge sind vorzuhalten. In Bruthäusern sowie Haltungseinheiten mit Zuchttieren (Elterntiere) und Fischen für Besatzzwecke sollten diese ständig, im Übrigen bei Bedarf funktionstüchtig gehalten werden. Ausgenommen von dieser Empfehlung sind Karpfenteichanragen, Angelteiche u. a.; die auf Grund ihrer Lage und Größe nicht umzäunt werden können. Ausnahmen gibt es auch für Fischhaltungen mit geringen Besatzmengen sowie für Schau- und Verkaufsbereiche.

2.2.5 Zur Reinigung und Desinfektion sind geeignete Geräte (z.B. Hochdruckreiniger, Abflammgeräte, Sprühgeräte) und für Transportfahrzeuge einschließlich Zubehör gegebenenfalls ein, befestigter Waschplatz vorzuhalten.

2.2.6 Zur Vogelabwehr sind Überspannungen für Teiche, Rinnen, Becken, Netzgehege und ähnliches geeignet und zu empfehlen.

2.2.7 Geeignete Lagerstätten für Futter, Chemikalien und gegebenenfalls für Arzneimittel müssen vorhanden sein. Das können Lagerräume oder verschließbare Behälter sowie gegebenenfalls Planen (z.B. an Karpfenteichen) sein.

3. Hygieneregime

3.1 Allgemeine Maßnahmen

3.1.1 Die Reinigung von Geräten und Futterautomaten sollte laufend erfolgen.

3.1.2 Teiche, Rinnen oder Hälterungen sind nach Leerung laufend in Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen einzubeziehen. Bruthäuser, Quarantäneabteile und ähnliche Einrichtungen sind grundsätzlich vor erneutem Besatz einer Reinigung und Desinfektion zu unterziehen.

3.1.3 Verwendete Desinfektionsmittel müssen nach Gebrauchsanweisung des Herstellers angewandt werden. Bei niedrigen Temperaturen (unter 15 Grad Celsius) ist der Kältefehler zu berücksichtigen - das trifft besonders für Formalin und formalinhaltige Produkte zu. Bei Temperaturen unter 15 Grad Celsius sind organische Säuren besonders wirksam. Zur Vermeidung von Korrosion durch Säuren gibt es spezielle Zusätze zu bestimmten Desinfektionsmitteln. Gebrauchslösungen sind immer frisch herzustellen um höchste Wirksamkeit zu garantieren.

3.1.4 In Bruthäusern und Quarantäneeinrichtungen sind Desinfektionsmatten und Einrichtungen zur Händedesinfektion ständig funktionstüchtig 'zu halten. Verwendete Desinfektionsmittel sollten gegen Viren wirksam sein. Bei der Auswahl der Desinfektionsmittel sind Temperatureinflüsse unbedingt zu beachten (Kältefaktor).

3.1.5 Die Wasserversorgung muss in Menge und Qualität den Anforderungen der gehaltenen Fischart und der Besatzstärke entsprechen unter Berücksichtigung des technischen Ausrüstungsgrades Durchlauf, Kreislauf, Fliesskanal, mit oder ohne Wasseraufbereitung oder Sauerstoffanreicherung). Wasserparameter sind in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und zu dokumentieren. Das betrifft besonders die Wassertemperatur, den Sauerstoffgehalt und gegebenenfalls weitere Parameter (z.B. pH-Wert, Nitrit, Ammoniak), die für die Fischgesundheit von Bedeutung sein können. Gute Haltungsbedingungen stärken die allgemeine Abwehrlage der Fische und tragen so zur Gesunderhaltung gegenüber Infektionskrankheiten bei.

3.1.6 Futtervorräte müssen trocken und geschützt vor Vögeln oder Schadnagern aufbewahrt werden. Das dient neben dem Seuchenschutz zugleich dem Qualitätserhalt der Futtermittel (Vitamingehalt, Vermeidung von Schimmelbildung).

3.1.7 Die Lagerung benötigter Chemikalien muss sicher sein vor einem Zugriff durch Unbefugte (verschließbare Räume oder Schränke) und darf die Umwelt nicht gefährden (auslaufsichere Behältnisse). Räume und Behältnisse sollten entsprechend gekennzeichnet werden.

3.1.8 Verendete Fische sind täglich zu entfernen und in geschlossenen, auslaufsicheren Behältnissen bis zur unschädlichen Beseitigung aufzubewahren. Die Entsorgung und unschädliche Beseitigung verendeter Fische und Schlachtabfälle sollte entsprechend der Jahreszeit in regelmäßigen Abständen erfolgen.

3.1.9 Das vorhandene Futter muss der Fischart und -größe entsprechen, täglich in ausreichender Menge und Qualität verabreicht werden und gegebenenfalls eine Herbst- oder Frühjahrskonditionierung ermöglichen.

3.1.10 Die Futterlagerung hat einen Schutz vor möglicher Kontamination durch Vektoren und vor Beeinträchtigungen durch Witterungseinflüsse zu gewährleisten.

3.2 Seuchenhygienische Maßnahmen

3.2.1 Der Zukauf von Fischen muss unter Beachtung folgender Grundsätze erfolgen:

  1. Zukauf nur aus gesicherten Herkünften möglichst mit Gesundheitsbescheinigung,
  2. die Fische am Bestimmungsort dürfen nicht durch Seuchen gefährdet werden (§ 12 Fischseuchen-Verordnung vom 24.11.2008, BGBl. I S. 2315),
  3. Dokumentation aller Zu- und Abgänge (Buchführungspflicht gemäß § 8 Fischseuchen-Verordnung).

3.2.2 Zu empfehlen ist der Zukauf aus anerkannt seuchenfreien Beständen (Kategorie I nach der Richtlinie 2006/88/EG des Rates vom 24.10.2006 mit Gesundheits- und Hygienevorschriften für Tiere in Aquakultur und Aquakulturerzeugnisse und zur Verhütung und Bekämpfung bestimmter Wassertierkrankheiten (ABl. EU Nr. L 328 S. 14, 2007 ABl. EU Nr. L 140 S. 59) oder vorschriftsmäßig gesundheitlich überwachten Anlagen der Kategorie III nach der Richtlinie 2006/88/EG .

3.2.3 Auch wenn nicht in jedem Fall verbindlich vorgeschrieben, empfiehlt. es sich grundsätzlich bei jedem Fischzukauf eine Gesundheitsbescheinigung ("Anlagenpass") nach der Fischseuchen-Verordnung vom Verkäufer zu verlangen. Bei Zukäufen aus dem Ausland müssen Gesundheitsbescheinigungen immer in der Landessprache des Empfängers (deutsch) auf dem Transport mitgeführt und bei Anlieferung der Fische übergeben werden. Alle Lieferbescheinigungen sind drei Jahre aufzubewahren, um die Rückverfolgbarkeit im Seuchenfall zu gewährleisten.

3.2.4 Vor Neubelegung sollten Haltungseinrichtungen regelmäßig abgelassen, gereinigt und desinfiziert werden. Für große Teiche ist der Einsatz von Desinfektionsmitteln häufig nicht verhältnismäßig. Hier reicht eine Trockenlegung über mehrere Wochen oder Monate. In nicht trocken zulegenden Bereichen (z.B. Abfischgruben, Senken) kann durch Einsatz. von geeigneten Desinfektionsmitteln wie z.B. Branntkalk oder anderem, eine wirksame Abtötung von Krankheitserregern und Parasitenstadien erzielt werden. Forderungen des Umweltschutzes und Gesundheitsschutzes sind grundsätzlich zu beachten.

3.2.5 Quarantäneeinheiten wären ideal, sind jedoch unter praktischen Bedingungen in der Nutzfischhaltung nur selten möglich. Sie sollten jedoch im Zierfischhandel die Regel sein. Die einzelnen Quarantäneeinheiten (Becken, Rinnen, Teiche) müssen deutlich gekennzeichnet sein, um' bei eventuellem Seuchenausbruch eine gute Rückverfolgung zum ursprünglichen Seuchenherd zu ermöglichen. Labordiagnostische Untersuchungen während der Quarantäne sind gegebenenfalls notwendig (Abklärung bei Krankheitssymptomen oder für Handelszertifikate). Auch Nutzfische sollten bei Zukauf möglichst nach Herkunft, Art und Altersgruppen in getrennten Teichen, Becken, Haltern oder ähnlichem gehalten werden. Zugekaufte Speisefische sind unter Berücksichtigung der Wasserführung immer am Ende einer Produktionskette zu halten, um den eigenen Bestand vor einer eventuellen Infektionsgefahr zu schützen.

3.2.6 Für den Transport von Fischen gilt der Grundssatz, dass Transportfahrzeuge und Geräte vor jedem Fischtransport gründlich zu reinigen und zu desinfizieren sind (§ 18 Fischseuchen-Verordnung) und die Einhaltung der Buchführungspflicht zu beachten ist (§ 8 Fischseuchen-Verordnung).

Die Desinfektion der Transporteinrichtungen beugt einer Seuchenverbreitung über latente Infektionen vor. Das bedeutet; Fische tragen Krankheitserreger in sich und können diese ausscheiden, ohne selbst Krankheitserscheinungen zu zeigen. Hierdurch besteht ein hohes Risiko der Seuchenverbreitung auch für nachfolgende Fischtransporte.

Im Transportbuch sind zu dokumentieren:

  1. Herkunfts- und Empfangsbetrieb (Besitzer, Ort, Datum der Übernahme oder Übergabe, Stückzahl oder Gesamtgewicht, Art),
  2. Wasserwechselstellen,
  3. Sterblichkeitsrate während des Transports mit Nennung möglicher Gründe,
  4. durchgeführte Desinfektionsmaßnahmen (Angaben des Datums, des verwendeten Desinfektionsmittels, der Gebrauchskonzentration und Aufwandmenge einschließlich der Person, die diese Maßnahmen durchgeführt hat).

Das dient bei Seuchenausbrüchen epidemiologischen Ermittlungen.

3.2.7 Zur Minimierung der Verbreitungsgefahr von Krankheitserregern sind gegebenenfalls Maßnahmen zur Vogelvergrämung sowie Schadnagerbekämpfung durchzuführen oder durchführen zu lassen. Das dient sowohl dem Seuchenschutz aber auch der Verminderung von direkten Verlusten durch Fraßschäden und Verletzungen. Außerdem werden infolge geringerer Beunruhigung bessere Zuwachsraten erzielt.

4. Tiergesundheitsstatus und Frühwarnsystem

4.1 Tägliche Kontrolle auf sichtbare Krankheitssymptome

Gesundheitskontrollen sind täglich - durch die Anlagenleiterin oder den Anlagenleiter oder vertretungsweise durch geschulte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter vorzunehmen und zu dokumentieren. Dabei sind alle Haltungseinheiten einzubeziehen. Abweichungen vom Normalzustand erfordern die Einleitung weiterer Maßnahmen wie ab Nummer 4.3 aufgeführt.

4.2 Dokumentation

Die Anzahl der verendeten Fische ist getrennt nach epidemiologischen Haltungseinheiten (Bezeichnung der Teiche, Rinnen, Becken oder ähnlichem) täglich, mindestens jedoch wöchentlich zu dokumentieren. Erhöhte Verlustraten müssen täglich erfasst werden. .

4.3 Sofortmaßnahmen

Bei Verdacht auf eine anzeigepflichtige Seuche oder bei unerklärt hohen Verlusten ist unverzüglich eine Anzeige oder Meldung an die zuständige Behörde (Veterinäramt) zu erstatten.

Bei sichtbaren Krankheitserscheinungen auch ohne Verdacht auf eine anzeigepflichtige Seuche dürfen Fische aus den betroffenen epidemiologischen Einheiten für Besatzzwecke weder in Aquakulturbetriebe noch in freie Gewässer abgegeben werden (§ 14 Fischseuchen-Verordnung).

Weiterhin sollte der Fischseuchenbekämpfungsdienst oder ein spezialisierter Tierarzt für Fischgesundheit hinzugezogen werden, um gezielte diagnostische Maßnahmen zur Ursachenfindung und erforderliche Behandlungen einzuleiten. Diese Maßnahme ist Bestandteil der risikoorientierten Gesundheitsüberwachung.

Nur bei eindeutiger Symptomatik (z.B. sichtbarer Parasitenbefall) können gegebenenfalls eigenverantwortlich geeignete Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden (Bestandsverdünnung durch Breitsetzen, Einsatz von Tierarzneimitteln nach näherer Anweisung eines Tierarztes).

4.4 Fischuntersuchung und Behandlungen

4.4.1 Unabhängig vom Krankheitsgeschehen sind risikoorientierte Pflichtuntersuchungen jährlich eigenverantwortlich zu organisieren oder zu planen. Der Mindestabstand zwischen zwei Untersuchungen sollte drei bis vier Monate betragen und die gehaltenen Fischarten und diagnostischen Ansprüche zum Nachweis spezifischer Seuchenerreger (z.B. Wassertemperatur bei Salmoniden kleiner 14 Grad Celsius und bei Karpfen größer 16 Grad Celsius) berücksichtigen.

4.4.2 Alle Untersuchungsergebnisse sind im Betrieb zu dokumentieren und müssen jederzeit einsehbar sein. Die Form der Dokumentation ist unverbindlich- und kann neben eigenen Aufzeichnungen auch als Loseblattsammlung (Untersuchungs- und Laborberichte) erfolgen.

4.5 Arzneimittelsicherheit

4.5.1 Es ist ein Bestandsbuch mit folgenden Angaben zu führen:

  1. Datum, Grund, Art und Dosis der Anwendung und Name des Anwenders,
  2. Bezeichnung der behandelten Einheit.

Die behandelte Einheit (Teich, Rinne oder ähnliches) ist sichtbar zu kennzeichnen. Wartezeiten sind im Bestandsbuch zu vermerken.

4.5.2 Die Lagerung der Fütterungsarzneimittel und anderer Medikamente hat unter Verschluss und unter Einhaltung erforderlicher Temperaturen zu erfolgen.

UWS Umweltmanagement GmbHENDE