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Anwendung der §§ 19a bis 19f des Bundesnaturschutzgesetzes
Verfahren bei Projekten und Plänen

- Niedersachsen -

(Fassung vom 27.06.2001)
(MBl. Nr. 20 vom 27.06.2001 S. 425)



RdErl. d. MU v. 18.5.2001 - 29-22005/12/7 -
- VORIS 28100 00 00 00 010 -

red. Anm. Die §§ 19a bis 19 f Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung vom 21. September 1998 (BGBl. I S. 2994) sind Im Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) (BNatSchG), zuletzt geändert durch Artikel 4 Nr. 100 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154, 3207), finden sich diese Regelungen jetzt primär in den §§ 31 bis 36.

Im Einvernehmen mit der StK, dem MI, dem MW und dem ML

1. Allgemeines

Durch die §§ 19a bis 19f des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sowie weitere Vorschriften des Zweiten Gesetzes zur Änderung des BNatSchG vom 30.04.1998 (BGBl. I. S. 823) wurde die Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen vom 21.05.1992 (ABl. EG Nr. L 206 S. 7) - im Folgenden: FFH-Richtlinie - in deutsches Recht umgesetzt. Die Richtlinie verfolgt das Ziel, ein kohärentes europäisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung "Natura 2000" zu errichten und zu erhalten. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie umfassen, und muss den Fortbestand oder ggf. die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.

Das Netz "Natura 2000" umfasst auch die von den Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 02.04.1979 (ABl. EG Nr. L 103 S. 1) - im Folgenden: Vogelschutz-Richtlinie - ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete.

Bei der Anwendung der §§ 19a bis 19f BNatSchG sowie der Richtlinien 92/43/EWG und 79/409/EWG ist Folgendes zu beachten:

2. Rechtsgrundlagen

Folgende Vorschriften aus dem BNatSchG gelten gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG unmittelbar:

§ 19a Abs. 2 BNatSchG enthält die grundlegenden Begriffsdefinitionen.

Darüber hinaus gelten nach § 39 Abs. 1 BNatSchG vorbehaltlich einer früheren landesgesetzlichen Regelung bis zum 8.5.2003 unmittelbar:

Soweit Behörden des Bundes Entscheidungen über Projekte i. S. des § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG treffen, gilt nach § 4 Satz 4 BNatSchG abweichend von Satz 3 auch § 19c BNatSchG unmittelbar.

Daneben sind für die Umsetzung der FFH-Richtlinie noch folgende, in anderen Gesetzen enthaltenen Vorschriften maßgebend:

3. Gebietskulisse

Bestandteil des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" sind in Niedersachsen

  1. Gebiete, die die LReg durch Beschluss zu Europäischen Vogelschutzgebieten erklärt und der Europäischen Kommission mitgeteilt hat und
  2. Gebiete, die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gemäß § 19a Abs. 4 BNatSchG als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bekannt gemacht hat.

Solange eine Bekanntmachung nach Buchstabe b nicht oder nicht vollständig vorliegt, sind Gebiete, die die LReg gemäß § 19b Abs. 1 BNatSchG dem Bund zur Weiterleitung als ausgewählte Gebiete nach Artikel 4 Abs. 1 der FFH-Richtlinie benannt hat, wie Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung gegenüber Projekten und Plänen zu schützen. Die Abgrenzungen dieser Gebiete und die Standarddatenbögen können bei den oberen Naturschutzbehörden und der Fachbehörde für Naturschutz eingesehen werden.

Die Gebiete nach Buchstabe a werden öffentlich bekannt gemacht.

4. Vorläufiger Schutz von Natura-2000-Gebieten gemäß § 19b Abs. 5 BNatSchG

Der vorläufige gesetzliche Schutz für im BAnz. bekannt gemachte Gebiete ergibt sich aus § 19b Abs. 5 BNatSchG.

Das in § 19b Abs. 5 Satz 1 BNatSchG geregelte Verbot kann unter den Voraussetzungen des § 19c Abs. 3 bis 5 BNatSchG überwunden werden. Der vorläufige Schutz kann aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht strenger gefasst werden als der endgültige.

5. Verträglichkeit von Projekten

5.1 Begriffsbestimmungen

Nach § 19c Abs. 1 Satz 1 BNatSchG ist vor der Zulassung oder Durchführung eines Projekts dessen Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebiets zu überprüfen (FFH-Verträglichkeitsprüfung).

5.1.1 Projekte sind nach § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG

  1. Vorhaben und Maßnahmen innerhalb eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebiets, sofern sie einer behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige an eine Behörde bedürfen oder von einer Behörde durchgeführt werden,
  2. Eingriffe in Natur und Landschaft i. S. des § 8 BNatSchG und § 7 NNatG, sofern sie einer behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige an eine Behörde bedürfen oder von einer Behörde durchgeführt werden und
  3. nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftige Anlagen sowie Gewässerbenutzungen, die nach dem NWG einer Erlaubnis oder Bewilligung bedürfen,

soweit sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen (Summation) geeignet sind, ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein Europäisches Vogelschutzgebiet erheblich zu beeinträchtigen.

Durch den in Buchstabe a genannten Tatbestand werden die potenziell möglichen negativen Auswirkungen auf die Erhaltungsziele eines Natura-2000-Gebiets erfasst, die von Vorhaben und Maßnahmen innerhalb des Gebiets ausgehen können. Diese Vorhaben können auch die Tatbestände der Buchstaben b und c erfüllen.

Projekte, die von außerhalb ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein Europäisches Vogelschutzgebiet nachteilig beeinflussen können, können also nur Projekte i. S. der Buchstaben b und c sein.

Für Summationswirkungen sind Projekte, die einer Zulassung oder einer Anzeige bedürfen, ab dem Zeitpunkt der Antragstellung oder Anzeige zu berücksichtigen.

Die Tätigkeiten oder Maßnahmen nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft und nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft sind keine Projekte nach § 19a Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG, wenn sie keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige bedürfen

und nicht von einer Behörde durchgeführt werden. Der Begriff der Land- und Forstwirtschaft beinhaltet auch die berufsmäßige Binnenfischerei und Imkerei sowie den Erwerbsgartenbau.

Auch sonstige Tätigkeiten, Vorhaben und Verhaltensweisen, die keiner behördlichen Entscheidung oder Anzeige bedürfen (z.B. Sportfischerei) und nicht von einer Behörde durchgeführt werden, können innerhalb von Natura-2000-Gebieten ohne vorherige Verträglichkeitsprüfung ausgeübt werden, soweit sie sonstigen naturschutzrechtlichen Regelungen sowie speziellen Verhaltensmaßregeln naturschutzrechtlicher Art ans etwaigen Gebietsschutzregelungen nicht widersprechen.

5.1.2 Erhaltungsziele sind nach § 19a Abs. 2 Nr. 7 BNatSchG die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands (siehe Artikel 1 Abs. 2 Buchstaben e und i der FFH-Richtlinie)

  1. der in Anhang I der FFH-Richtlinie aufgeführten natürlichen Lebensräume und der in Anhang II dieser Richtlinie aufgeführten Tier- und Pflanzenarten, die in einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung vorkommen,
  2. der in Anhang 1 der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführten und der in Artikel 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Vogelarten sowie ihrer Lebensräume, die in einem Europäischen Vogelschutzgebiet vorkommen.

Die Lebensräume und Arten, die in diesem Sinne in den Gebieten vorkommen, sind in den zugehörigen Standarddatenbögen aufgeführt.

5.2 Notwendigkeit der Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung (Prüfungsveranlassung)

Im Sinne einer Vorprüfung ist für ein Vorhaben oder eine Maßnahme zunächst zu ermitteln, ob die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung notwendig ist. Dies ist zu bejahen, wenn ein Vorhaben oder eine Maßnahme einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen (Summation) überhaupt geeignet ist, eines der vorgenannten Gebiete erheblich beeinträchtigen zu können. Die Entscheidung ist aktenkundig zu machen.

Die Frage, ob das Projekt in der zur Prüfung vorgelegten Form tatsächlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen kann, ist dagegen erst im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung selbst zu beantworten (vgl. § 19c Abs. 2 BNatSchG, siehe auch Nr. 5.5.2).

Die Prüfung, ob ein Projekt vorliegt, kann in der Regel auf der Grundlage der bereits für das Natura-2000-Gebiet vorhandenen Unterlagen der Naturschutzbehörde i. V. m. einer vom Vorhabenträger beizubringenden Beschreibung über sein Vorhaben und dessen mögliche Wirkfaktoren erfolgen. Spezielle Kartierungen sind für diesen Prüfschritt nicht notwendig.

Vorkehrungen zur Vermeidung oder Minderung schädlicher Auswirkungen des Projekts auf ein Gebiet können bei der Feststellung, ob eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, nur dann schon berücksichtigt werden, wenn durch sie offensichtlich eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeschlossen ist.

Die Frage, ob die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung notwendig ist, prüft und entscheidet die verfahrensführende Behörde (siehe Nr. 9.1.1), bei Natura-2000-Gebieten, in denen sich ein Naturschutzgebiet, ein Nationalpark oder ein Biosphärenreservat befindet, im Benehmen mit der oberen Naturschutzbehörde, im Übrigen im Benehmen mit der unteren Naturschutzbehörde. Ist hiernach mit der oberen Naturschutzbehörde das Benehmen herzustellen und kann das Vorhaben andere besonders geschützte Teile von Natur und Landschaft als die genannten erheblich beeinträchtigen, so stimmt sich die obere Naturschutzbehörde mit der unteren Naturschutzbehörde ab.

5.3 Maßstäbe (Prüfungsumfang)

Die Maßstäbe für die Verträglichkeit eines Projekts ergeben sich aus den Erhaltungszielen für das jeweilige Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder für das jeweilige Europäische Vogelschutzgebiet. Soweit eine Schutzgebietsausweisung vorliegt, die Erhaltungsziele des Natura-2000-Gebiets abdeckt, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Geboten und Verboten sowie ggf. ergänzend aus dem Ziel, für die im Standarddatenbogen genannten Schutzgüter einen günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder wiederherzustellen.

Liegt (noch) keine derartige Schutzgebietsausweisung vor, so können neben den Meldeunterlagen auch andere fachliche Unterlagen des Naturschutzes und der Landschaftspflege für das betreffende Gebiet herangezogen werden, soweit sie für die Konkretisierung des Schutzbedarfs der Lebensräume oder Arten hilfreich sind, deretwegen das Gebiet in "Natura 2000" aufgenommen wurde.

Bei der Bewertung der Verträglichkeit wird zur Sachverhaltsfeststellung eine Anlehnung an die Methoden der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung empfohlen. Dabei sind Art und Umfang des Projekts und mögliche Summationswirkungen im Zusammenhang mit anderen Projekten zu berücksichtigen.

5.4 Verknüpfung mit anderen Verfahren

Die Verträglichkeitsprüfung nach § 19c Abs. 2 BNatSchG sowie die Regelungen über die Ausnahme gemäß § 19c Abs. 3 bis Abs. 5 BNatSchG werden im Rahmen des behördlichen Verfahrens mit abgearbeitet, das für die Gestattung des Projekts oder zu seiner Anzeige vorgeschrieben ist, also z.B. im Rahmen des Baugenehmigungs- oder Planfeststellungsverfahrens durch die Bau- oder Planfeststellungsbehörde. Entsprechendes gilt auch für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren sowie das wasserrechtliche Benutzungsverfahren (§ 19e BNatSchG, § 6 Abs. 2 WHG).

Ist für ein Projekt neben der FFH-Verträglichkeitsprüfung auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden: UVP) vorgeschrieben, so ist die FFH-Verträglichkeitsprüfung in die UVP zu integrieren. Die UVP hat in diesem Fall die vorgenannten besonderen Prüfungsvorgaben der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie an geeigneter Stelle gesondert darzustellen und zu bewerten. Das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung nach § 19c Abs. 2 BNatSchG hat eigenständige Rechtswirkungen.

Nach den bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften über die UVP kann ggf. ein so genanntes Screening (fallbezogene Prüfung der UVP-Pflichtigkeit) geboten sein. Die verfahrensführende Behörde prüft hierbei anhand der vom Vorhabenträger und von den beteiligten, durch die Planung betroffenen Fachbehörden zur Verfügung gestellten Informationen die Umwelterheblichkeit des Vorhabens. Eine solche Prüfung soll in der Regel mit der in Nr. 5.2 beschriebenen Prüfung verbunden werden. Nähere Vorgaben zur Durchführung des Screenings ergeben sich aus den diesbezüglichen Vorschriften des Bundes und des Landes sowie aus den hierzu erlassenen Vollzugshinweisen.

Die FFH-Verträglichkeifsprüfung kann - und sollte - insbesondere in den Antragsunterlagen auch mit einer Prüfung nach der Eingriffsregelung verbunden werden, sofern diese für das Vorhaben geboten ist. Die Anknüpfung bezieht sich jedoch nur auf die Frage, ob das Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann.

Soweit bereits eine UVP oder eine Prüfung nach der Eingriffsregelung durchgeführt worden ist, macht das eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht entbehrlich.

Verfahrensrechtliche Pflichten zur Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange, die andere Belange als speziell den Schutz von Natura 2000 vertreten, bleiben von diesem RdErl. unberührt.

5.5 Unzulässigkeit (Ergebnis der Prüfung)

Ergibt die Prüfung, dass das Projekt einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen (Summation) zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig, es sei denn, es liegt eine Ausnahme nach Nr. 5.6 vor.

5.5.1 Eine Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn entweder einzelne Faktoren eines Wirkungsgefüges, z.B. eines Ökosystems, oder das Zusammenspiel der Faktoren derart beeinflusst werden, dass die Funktionen des Systems gestört werden (Flächen- und/oder Funktionsverluste) oder wenn notwendige Maßnahmen zur Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands erheblich behindert werden. Auf welche Faktoren eines Wirkungsgefüges es ankommt, ist bei einem Natura-2000-Gebiet anhand der jeweiligen speziellen Erhaltungsziele und hierzu getroffener Regelungen zu ermitteln. Für eine Unzulässigkeit reicht es aus, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen führen kann.

Erheblich ist eine Beeinträchtigung, wenn die Veränderungen und Störungen in ihrem Ausmaß oder in ihrer Dauer dazu führen, dass ein Gebiet seine Funktionen in Bezug auf die Erhaltungsziele der FFH- oder der Vogelschutz-Richtlinie oder die für den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile nur noch in eingeschränktem Umfang erfüllen kann. Nicht jede Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebiets durch einen Plan oder ein Projekt führt zu dessen Unzulässigkeit, sondern nur erhebliche, d. h. nicht geringfügige Beeinträchtigungen. Beeinträchtigungen, die lediglich unerheblich sind, können die Rechtsfolgen des gesetzlichen Verbots des Plans bzw. eines Projekts aufgrund seiner FFH-Unverträglichkeit nicht auslösen.

Die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung im Rahmen der Eingriffsregelung führt nicht automatisch zu dem Ergebnis, auch eine erhebliche Beeinträchtigung nach § 19c Abs. 2 BNatSchG zu bejahen.

Ob durch ein Projekt eine erhebliche Beeinträchtigung verursacht werden kann, kann letztlich nur im Einzelfall beurteilt werden.

5.5.2 In folgenden Fällen ist eine Beeinträchtigung von Natura-2000-Gebieten in der Regel als unerheblich zu bewerten:

Bei Erweiterungen vorhandener, legal ausgeübter Nutzungen (dazu gehören auch solche im Bereich von Sport, Freizeit und Erholung) und von genehmigten Anlagen, die nach Art und Umfang den an die Natura-2000-Erhaltungsziele angepassten Ver- und Geboten für das betroffene Naturschutz oder Landschaftsschutzgebiet und auch sonstigen Rechtsvorschriften nicht zuwiderlaufen, ist in der Regel eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht erforderlich.

Soweit bundes- oder landesrechtliche Vorschriften die Durchführung einer generellen UVP oder eine Vorprüfung der Umwelterheblichkeit im Einzelfall vorschreiben, gilt anstelle der zuvor genannten Unerheblichkeitsvermutung das Ergebnis der konkreten Prüfungen. Die genannte generelle Vermutung der Unerheblichkeit darf das Ergebnis der UVP-Prüfungen nicht beeinflussen.

Wird in einem der Fälle nach Nr. 5.5.2 eine Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebiets abweichend von der Regelvermutung durch die Naturschutzbehörde als erheblich eingestuft, so sind die besonderen Umstände, die zu dieser Annahme führen, dem Antragsteller von der verfahrensführenden Behörde mitzuteilen.

5.6 Ausnahmen

Wenn ein Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets oder Europäischen Vogelschutzgebiets führen kann, darf es abweichend von § 19 c Abs. 2 BNatSchG nur zugelassen werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Zumutbare Alternativen dürfen nicht gegeben sein, d. h. der mit dem Projekt verfolgte Zweck kann an anderer Stelle oder auf andere Weise ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen nicht erreicht werden (§ 19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG).
    Bei der Prüfung, ob Alternativen vorhanden sind, ist von den Zielen auszugehen, die mit dem Projekt erreicht werden sollen. Es stellt sich an dieser Stelle somit die Frage, ob es Alternativlösungen für den Standort oder die Ausführungsart gibt, nicht jedoch, ob auf das Projekt ganz verzichtet werden kann. Durch die Alternativen müssen allerdings die mit dem Projekt angestrebten Ziele jeweils im Wesentlichen in vergleichbarer Weise verwirklicht werden können; den durch das Projekt verfolgten Interessen muss durch die Wahl eines anderen Standortes oder einer anderen Art der Ausführung im Wesentlichen entsprochen werden können. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Alternativen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Mehrkosten von Alternativen sind zu berücksichtigen, aber nicht allein ausschlaggebend, da auch finanziell aufwändigere Lösungen grundsätzlich als "zumutbare Alternativen" in Betracht kommen.
  2. Das Projekt ohne zumutbare Alternativen nach Buchstabe a muss aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art notwendig sein (§ 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG).
    Als öffentliches Interesse gemäß § 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG kommen alle Belange in Betracht, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Private, nicht zugleich öffentlichen Interessen dienende Projekte kommen damit als Rechtfertigung für die Zulassung von Ausnahmen von vornherein nicht in Betracht. Zu den öffentlichen Interessen gehören auch solche wirtschaftlicher oder sozialer Art. Deshalb können auch private Projekte im Einzelfall im öffentlichen Interesse liegen.
    Allerdings genügt nicht jedes öffentliche Interesse, um ein Projekt zu rechtfertigen. Vielmehr muss das öffentliche Interesse, das mit dem Projekt verfolgt wird, im einzelnen Fall gewichtiger sein als die im konkreten Fall betroffenen und mit der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie geschützten Interessen (überwiegendes öffentliches Interesse). Die Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses müssen zwingend sein.
    Wenn die mit einem Projekt geplante Nutzung einem Ziel der Raumordnung entspricht, welches unter Berücksichtigung von Natura 2000 festgelegt wurde, ist bei der Abwägung zu beachten, dass an der Verwirklichung raumordnerischer Ziele ein hohes öffentliches Interesse besteht und ihre Umsetzung grundsätzlich nicht unmöglich gemacht werden darf.
  3. Das Verfahren zur Zulassung von Ausnahmen nach § 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ist durch Absatz 4 modifiziert, wenn sich in dem von dem Projekt betroffenen Gebiet prioritäre Biotope oder prioritäre Arten nach Anhang 1 oder II der FFH-Richtlinie befinden. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn diese Biotope oder Arten in keiner Weise beeinträchtigt werden oder wenn es sich um Biotope oder Arten handelt, die bei der Auswahl des Gebiets unberücksichtigt blieben ("unerhebliches Vorkommen" auf dem Standarddatenbogen).
    Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses sind in den Fällen des § 19 c Abs. 4 zunächst nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder Projekte, die maßgeblich günstige Auswirkungen auf die Umwelt haben.
    Andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses können nur berücksichtigt werden, wenn zuvor die zuständige verfahrensführende Behörde auf ihrem Dienstweg und über das BMU eine Stellungnahme der EG-Kommission eingeholt hat (vgl. Nr. 9.1.5).
    Die Stellungnahme der EG-Kommission ist bei der Entscheidung über die Zulassung oder Durchführung des Projekts zu berücksichtigen. Die verfahrensführende Behörde hat sich also mit der Kommissionsauffassung inhaltlich auseinander zu setzen, ist aber nicht daran gebunden (vgl. Nr. 9.1.6).
  4. Wird ein Projekt nach § 19c Abs. 3 oder 4 BNatSchG zugelassen oder durchgeführt, so sind alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" (Maßnahmen) festzulegen. Art und Umfang der Maßnahmen sind einer Abwägung nicht zugänglich, d. h. es hat ein vollständiger Funktionsausgleich für das Europäische ökologische Netz "Natura 2000" zu erfolgen.
    Die Maßnahmen zur Sicherung des Netzzusammenhangs müssen erreichen, dass die von dem Projekt beeinträchtigten Funktionen im europäischen Netz "Natura 2000" wiederhergestellt werden. In Betracht kommt nach Lage des Einzelfalls, insbesondere wenn das Projekt oder der Plan mit Flächenverlusten verbunden ist, eine Flächenausdehnung des Gebiets abseits des betroffenen Teilbereichs. Möglich sind ggf. auch Verbesserungen im Gebiet selbst oder eine Vergrößerung oder Verbesserung in nahe gelegenen anderen Natura-2000-Gebieten, sofern auch in diesen die beeinträchtigten Naturfunktionen für das Gesamtnetz gewahrt werden können. Pflegemaßnahmen, die ohnehin zur Erhaltung der vorhandenen Lebensraumtypen oder Arten erforderlich sind, können nicht als Maßnahmen zur Sicherung des Netzzusammenhangs vorgesehen werden.
    Normalerweise muss das Ergebnis zu dem Zeitpunkt einsatzbereit sein, zu dem im Zusammenhang mit dem Projekt ein Schaden im Natura-2000-Gebiet eintritt, es sei denn, es kann nachgewiesen werden, dass diese Gleichzeitigkeit nicht unbedingt erforderlich ist, um den Beitrag des Gebiets zum Netz "Natura 2000" zu sichern.
    Die Maßnahmen zur Sicherung des Netzzusammenhangs sind dem Träger des Projekts aufzuerlegen, soweit sie zugleich Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach der Eingriffsregelung darstellen. Ist dies nicht der Fall, so kann ein Vertrag zwischen Projektträger und der betroffenen Naturschutzbehörde oder den betroffenen Naturschutzbehörden abgeschlossen werden, auf den die Zulassungsentscheidung dann Bezug nimmt.
    Soweit die Maßnahmen nicht in dem betroffenen Schutzgebiet durchgeführt werden sollen, sondern außerhalb, können zusätzlich behördliche Maßnahmen zur Unterschutzstellung erforderlich sein. Auch hierfür bietet sich ein Vertrag an.
    Die Verpflichtungen des Projektträgers sind durch die Zulassungsentscheidung festzulegen.
    Die verfahrensführende Behörde unterrichtet nach ihrer Entscheidung über das Projekt die EG-Kommission über die angeordneten Maßnahmen zur Kohärenzsicherung. Die Unterrichtung erfolgt in gleicher Weise wie die Einholung der Stellungnahme der EG-Kommission nach Nr. 5.6 Buchst. c (vgl. zum Verfahren Nr. 9.1.5).

5.7 Bereits anhängige Verwaltungsverfahren

Ist ein Zulassungs- oder Anzeigeverfahren anhängig und eine FFH-Verträglichkeitsprüfung noch nicht durchgeführt worden, so muss im Einzelfall geprüft werden, ob es sich um ein Projekt handelt und die FFH-Verträglichkeitsprüfung deshalb nachzuholen ist.

Im Übrigen wird auf die Regelungen in Nr. 5.5.2 hingewiesen.

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