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KAS-63 - Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands für Anlagen mit gasförmigem Wasserstoff
Kommission für Anlagensicherheit (KAS)

im November 2023 von der KAS verabschiedet
(Quelle: www.kas-bmu.de)



Arbeitskreis "Überarbeitung des Leitfadens KAS-18" der Kommission für Anlagensicherheit (KAS) Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands für Anlagen mit gasförmigem Wasserstoff

Die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) ist ein nach § 51a Bundes-Immissionsschutzgesetz beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gebildetes Gremium.

Ihre Geschäftsstelle ist bei der GFI Umwelt - Gesellschaft für Infrastruktur und Umwelt mbH in Bonn eingerichtet.

Anmerkung:
Dieses Werk wurde mit großer Sorgfalt erstellt. Dennoch übernehmen Verfasser und Auftraggeber keine Haftung für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler. Aus etwaigen Folgen können daher keine Ansprüche gegenüber Verfasser und/oder Auftraggeber geltend gemacht werden.

Dieses Werk darf für nichtkommerzielle Zwecke vervielfältigt werden. Auftraggeber und Verfasser übernehmen keine Haftung für Schäden im Zusammenhang mit der Vervielfältigung oder mit Reproduktionsexemplaren.

1 Einleitung

Auf Wunsch des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) wurde in der 15. Sitzung des Arbeitskreises "Überarbeitung des Leitfadens KAS-18" (AK-KAS18) am 22.09.2023 das Thema angemessener Sicherheitsabstand für "Anlagen zur Erzeugung, Lagerung, Abfüllen, Umschlagen und Verwendung von gasförmigem Wasserstoff" diskutiert. Es wurde beschlossen, für diese Anlagen pauschale angemessene Sicherheitsabstände festzulegen. Aufgrund der Dringlichkeit dieses Themas, soll das Ergebnis des AK-KAS18 vorab veröffentlicht werden.

Bei den vorstehend genannten Anlagen sind bei einer Stofffreisetzung die Gefährdungen durch Brand und Explosion zu betrachten. Bei der Freisetzung von flüssigem Wasserstoff bildet sich eine Schwergaswolke, deren Ausbreitung stark durch die Bebauung in der Umgebung des Freisetzungsortes beeinflusst wird. Ein solches Szenario lässt sich daher nur unzureichend durch einen pauschalen angemessenen Sicherheitsabstand abbilden. Hierfür ist eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen.

Bei der Freisetzung von gasförmigem Wasserstoff wird sich aufgrund des Betriebsüberdrucks ein Freistrahl ausbilden. Bei einer unterstellten Zündung kommt es zunächst zu einer Explosion und anschließend zu einem Brand des Freistrahls. Die Einflussgrößen auf dieses Szenario lassen sich konservativ abschätzen, sodass eine pauschalisierte Betrachtungsweise möglich ist, welches nachfolgend beschrieben wird.

Statt einer pauschalisierten Betrachtung kann alternativ auch eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden.

2 Geltungsbereich und Randbedingungen

Die folgenden Betrachtungen beziehen sich ausschließlich auf Anlagen (siehe Einleitung) zum Umgang mit gasförmigem Wasserstoff mit Betriebsüberdrücken bis maximal 1.000 bar. Hierbei wird in zwei Anlagentypen unterschieden:

  1. Anlagen mit Rohrleitungen mit Innendurchmessern vom maximal 15 mm und
  2. Anlagen mit Rohrleitungen mit Innendurchmessern von über 15 mm.

Daraus abgeleitet wird im Fall 1 eine Leckfläche von 180 mm2 (Äquivalenzdurchmesser 15 mm) und im Fall 2 eine Leckfläche von 490 mm2 (Äquivalenzdurchmesser 25 mm) unterstellt.

Es werden folgende Randbedingungen vorausgesetzt:

  • Betriebstemperatur:20 °C
 • Umgebungstemperatur:20 °C
 • Windstille
 • Ausflussziffer des Lecks:0,62
 • Aufpunkthöhe:2 m
 • Austrittswinkel gegenüber der Horizontalen:45°

3 Berechnungsmethoden

Für die Berechnung des Wasserstoff-Freistrahls wird das modifizierte Modell nach Schatzmann verwendet, das im Vergleich zu experimentellen Untersuchungen eine gute Übereinstimmung ergibt /1/.

Der Mittelpunkt des Freistrahls befindet sich unter den getroffenen Voraussetzungen deutlich oberhalb des Bodens. Bei einer Zündung kann sich die Druckwelle in alle Richtungen ausbreiten. Für dieses Szenario ist das Modell von Baker-Strehlow-Tang /2/ geeignet, da es von einer sphärischen Ausbreitung der Druckwelle ausgeht. Weiterhin wird in diesem Modell die Reaktivität des Gases berücksichtigt. Es wird unterschieden in wenig reaktive Gase (z.B. Methan), mittel reaktive Gase und hoch reaktive Gase (z.B. Wasserstoff). In Abhängigkeit von der Verdämmung und Verblockung der Gaswolke wird der maximale Explosionsüberdruck entsprechend der Matrix von Pierorazio /3/ festgelegt. Es werden zwei Fälle unterschieden:

Fall 1: Es befinden sich keine turbulenzerzeugenden Hindernisse in der Gaswolke und die Explosion wird nicht durch Hindernisse begrenzt.

Fall 2: Es befinden sich turbulenzerzeugenden Hindernisse in der Gaswolke und es kommt zu einer Detonation. Die Explosion wird einseitig durch Hindernisse begrenzt.

Für die Berechnung der Länge der Freistrahlflamme wird der Ansatz von Molkov/Saffers /4/ verwendet, der im Vergleich zu experimentellen Untersuchungen eine konservative Abschätzung ergibt. Für die Berechnung der Bestrahlungsstärke in der Umgebung wird von einer Flamme in Form eines Kegelstumpfes ausgegangen. Der Strahlungsanteil der Freistrahlflamme wird nach dem Ansatz von Houf/Schefer /5/ und Ekoto /6/ berechnet.

4 Beurteilungswerte

Der angemessene Sicherheitsabstand ergibt sich

  1. bei einem Explosionsüberdruck von 50 mbar, da ein Explosionsdruck von 50 mbar bei Schutzobjekten nach § 3 Abs. 5d BImSchG nicht überschritten werden soll oder
  2. bei einer Bestrahlungsstärke von 1,6 kW/m2.

5 Berechnungen

In den beiden folgenden Tabellen sind die Berechnungsergebnisse, insbesondere die Entfernungen, bei denen die Beurteilungswerte unterschritten werden, für die beiden Leckflächen 180 mm2 und 490 mm2 zusammengefasst. Die Fälle 1 und 2 beziehen sich auf die Randbedingungen der Gasexplosion.

Leckfläche 180 mm2

BetriebsüberdruckMassenstromExplosionsfähige MasseFall 1Fall 2Wärmestrahlung
100 bar0,684 kg/s0,47 kg20 m51 m34 m
200 bar1,345 kg/s1,1 kg25 m67 m47 m
300 bar1,966 kg/s1,6 kg28 m77 m56 m
400 bar2,554 kg/s2,2 kg31 m84 m64 m
500 bar3,112 kg/s2,7 kg33 m90 m70 m
600 bar3,642 kg/s3,2 kg35 m95 m76 m
700 bar4,146 kg/s3,6 kg36 m99 m81 m
800 bar4,629 kg/s4,0 kg37 m102 m85 m
900 bar5,091 kg/s4,4 kg38 m105 m88 m
1.000 bar5,535 kg/s4,7 kg39 m108 m92 m

Leckfläche 490 mm2

BetriebsüberdruckMassenstromExplosionsfähige MasseFall 1Fall 2Wärmestrahlung
100 bar1,863 kg/s1,9 kg31 m82 m56 m
200 bar3,663 kg/s4,4 kg40 m107 m78 m
300 bar5,352 kg/s6,9 kg46 m123 m94 m
400 bar6,953 kg/s9,2 kg50 m136 m106 m
500 bar8,471 kg/s11,4 kg53 m145 m117 m
600 bar9,913 kg/s13,5 kg56 m153 m126 m
700 bar11,288 kg/s15,4 kg58 m160 m133 m
800 bar12,601 kg/s17,2 kg60 m166 m140 m
900 bar13,859 kg/s18,8 kg62 m170 m146 m
1.000 bar15,068 kg/s20,3 kg63 m175 m152 m

6 Empfehlung von angemessenen Sicherheitsabständen

Auf Grundlage der durchgeführten Berechnungen werden für Anlagen zur Erzeugung, Lagerung, Abfüllen, Umschlagen und Verwendung von gasförmigem Wasserstoff mit Rohrleitungen mit Innendurchmessern vom maximal 15 mm (Leckfläche: 180 mm2) und Anlagen mit Rohrleitungen mit Innendurchmessern von über 15 mm (Leckfläche: 490 mm2) folgende angemessene Sicherheitsabstände vorgeschlagen:

Angemessener Sicherheitsabstand für die Leckflächen
Betriebsüberdruck P180 mm2490 mm2
P < 100 bar50 m80 m
100 ≤ P < 200 bar70 m110 m
200 ≤ P < 400 bar80 m140 m
400 ≤ P < 600 bar95 m150 m
600 ≤ P < 800 bar100 m170 m
800 ≤ P ≤ 1.000 bar110 m180 m

7 Literatur

/1/ B. Schalau, S. Schalau: Wasserstoff-Freisetzung aus Ausbläsern. Technische Sicherheit 13, Nr. 5-6 (2023)

/2/ M.J. Tang. Q.A. Baker: A New set of Blast Curves from Vapour Cloud Explosion. Process Safety Progress, Vol. 18, Nr. 3, S. 235-240 (1999)

/3/ A.J. Pierorazio, J.K. Thomas, Q.A. Baker, D.E. Ketchum: An Update to the Baker-Strehlow-Tang Vapour Cloud Explosion Prediction Methodology Flame Speed Table. Process Safety Progress, Vol. 24, Nr. 1, S. 59-65 (2005)

/4/ V. Molkov, J.-B. Saffers: Hydrogen jet flames. International Journal of Hydrogen Energy Vol. 38, Seiten 8141-8158 (2013)

/5/ W. Houf, R. Schefer: Predicting radiative heat fluxes and flammability envelopes from unintended releases of hydrogen. International Journal of Hydrogen Energy Vol. 32, Seite 136 - 151 (2007)

/6/ I.W. Ekoto, A.J. Ruggles, L.W. Creitz, J.X. Li: Updated jet flame radiation modeling with buoyancy corrections. International Journal of Hydrogen Energy Vol. 39, Nr. 35, Seiten 20570-20577 (2014)


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