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Regelwerk
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KTA 1203 - Anforderungen an das Notfallhandbuch
Sicherheitstechnische Regel des KTA

Vom 27. November 2009
(BAnz. Nr. 3a vom 07.01.2010)

Fassung 2009-11



Grundlagen

(1) Die Regeln des Kerntechnischen Ausschusses (KTA) haben die Aufgabe, sicherheitstechnische Anforderungen anzugeben, bei deren Einhaltung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 Atomgesetz -AtG-), um die im AtG und in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) festgelegten sowie in den "Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke" und den "Leitlinien zur Beurteilung der Auslegung von Kernkraftwerken mit Druckwasserreaktoren gegen Störfälle im Sinne des § 28 Abs. 3 StrlSchV - Störfall-Leitlinien - " (in der Fassung vom 18.10.1983) weiter konkretisierten Schutzziele zu erreichen.

(2) Gemäß den Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke, Kriterium 1.1 "Grundsätze der Sicherheitsvorsorge", sind organisatorische und technische Maßnahmen zur Eindämmung von Unfallfolgen vorzusehen.

(3) Im Rahmen der Erfüllung von § 3 der Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 AtG (Atomrechtliche Verfahrensverordnung - AtVfV) werden Vorsorgemaßnahmen, einschließlich einer Erläuterung der zum Ausschluss oder zur Begrenzung von Auswirkungen auslegungsüberschreitender Ereignisabläufe vorgesehenen Maßnahmen verlangt. Darüber hinaus werden entsprechende Nachweise zur Erfüllung von § 53 Absatz 1 StrlSchV verlangt. Diese Maßnahmen werden im Notfallhandbuch dargestellt.

(4) Aufgabe dieser Regel ist es, Festlegungen zum Inhalt und zur Gestaltung des Notfallhandbuchs zu treffen.

(5) Festlegungen zum Betriebshandbuch sowie der Übergang ins Notfallhandbuch sind in KTA 1201 "Anforderungen an das Betriebshandbuch" getroffen.

1 Anwendungsbereich

Diese Regel ist auf den Inhalt und die Gestaltung des Notfallhandbuchs von Kernkraftwerken anzuwenden.

2 Begriffe

(1) Anlageninterner Notfallschutz

Der anlageninterne Notfallschutz umfasst die Maßnahmen, die ergriffen werden und die Einrichtungen, die genutzt werden, um auslegungsüberschreitende Ereignisabläufe frühzeitig zu erkennen, zu kontrollieren und in ihren möglichen Auswirkungen innerhalb und außerhalb der Anlage wirksam zu begrenzen. Dies geschieht auf Basis ausgewählter Prozessvariablen oder wegen nicht ausreichender Wirksamkeit der erforderlichen Systeme bei gefährdeten Schutzzielen.

(2) Auslegungsüberschreitender Ereignisablauf (Notfall)

Auslegungsüberschreitende Ereignisabläufe sind solche Abläufe, die sich aus in der Auslegung nicht mehr zu berücksichtigenden System- oder Komponentenausfällen entwickeln können.

(3) Karenzzeit

Die Karenzzeit ist die Zeitspanne, die vom Erreichen der Vorbereitungs- und Einleitungskriterien (Übergang ins Notfallhandbuch) bis zum Wirksamwerden der Notfallmaßnahme maximal zur Verfügung steht.

(4) Notfallhandbuch (NHB)

Das Notfallhandbuch ist als eigenständiges Handbuch Teil der Betriebsdokumentation. Es enthält die organisatorischen Regelungen und Handlungsanweisungen zum anlageninternen Notfallschutz.

(5) Notfallmaßnahme

Notfallmaßnahmen sind sowohl vorgeplante Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes als auch situationsbedingte Maßnahmen im präventiven und mitigativen Bereich.

(6) Zeitbedarf

Der Zeitbedarf ist die Zeitspanne, die vom Erreichen der Vorbereitungs- und Einleitungskriterien bis zum Wirksamwerden der Notfallmaßnahmen benötigt wird.

3 Allgemeine Anforderungen an den Inhalt des Notfallhandbuchs

(1) Im Notfallhandbuch sind Regelungen zu treffen, die ein situationsgerechtes Handeln des Betriebspersonals ermöglichen und Maßnahmen zu beschreiben, die im Fall auslegungsüberschreitender Ereignisse ergriffen werden können, um das Ereignis zu beherrschen oder seine Folgen zu begrenzen. Um Doppelregelungen zu vermeiden sollen Ereignisabläufe, die im Betriebshandbuch behandelt werden, nicht im Notfallhandbuch behandelt werden.

(2) Für den Übergang vom Notfallhandbuch zurück zum Betriebshandbuch ist eine Strategie zu beschreiben, soweit dies technisch und organisatorisch möglich ist.

(3) Im Notfallhandbuch sind die Organisations-, Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibungen, Arbeits- und Handlungsanweisungen, Unterlagen und Hilfsmittel, die zur Bewältigung eines auslegungsüberschreitenden Ereignisablaufs als erforderlich angesehen werden, zusammenzustellen.

(4) Die nachfolgende Gliederung wird zur Anwendung empfohlen; andere Gliederungen, die den geforderten Inhalt aufweisen, sind zulässig. Die inhaltlichen Anforderungen dieser Regel an das Notfallhandbuch, die sich auf die hier vorgeschlagene Gliederung beziehen, sind bei einer anderen Gliederung entsprechend umzusetzen.

(5) Folgende Inhalte sind im Notfallhandbuch zu behandeln:

0. Teil 0 Gesamtinhaltsverzeichnis und Einführung

1. Teil 1 Organisatorische Regelungen

  1. Aufbau der Notfallorganisation,
  2. Aufgabenverteilung, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten,
  3. Kriterien und Verfahren zur Einberufung sowie Inkraft- und Außerkraftsetzung der Notfallorganisation,
  4. Standorte, Einrichtungen und Ausrüstung der Notfallorganisation,
  5. Zusammenarbeit mit externen Stellen,
  6. Zutritts- und Zufahrtsregelungen,
  7. Radiologische Überwachung und
  8. Arbeitsunterlagen.

2. Teil 2 Notfallmaßnahmen

  1. Überblick,
  2. Fließdiagramme,
  3. Handlungsanweisungen für Tätigkeiten auf der Warte und vor Ort,
  4. Entnahmeexemplare für Tätigkeiten vor Ort und
  5. Zusätzliche Unterlagen (Diagramme, Tabellen, Anlagen).

4 Allgemeine Anforderungen an die Gestaltung des Notfallhandbuchs

Die Regelungen nach KTA 1201 Abschnitt 4 sind sinngemäß zur Gestaltung anzuwenden. Zusätzlich ist für das Entnahmeexemplar die Informationsstrukturierung und -gestaltung so zu wählen, dass die vorgeschriebenen Maßnahmen auch unter den besonderen Bedingungen von Notfallsituationen durchgeführt werden können.

5 Anforderungen an Teil 0 des Notfallhandbuchs (Gesamtinhaltsverzeichnis und Einführung)

(1) Im Gesamtinhaltsverzeichnis sind alle Notfallhandbuch - Teile und die dazugehörigen Kapitel aufzuführen.

(2) Ergänzend ist in einem weiteren Kapitel eine Einführung in das Notfallhandbuch mit einem Überblick über die Struktur des Notfallhandbuchs zu geben. Der Inhalt einzelner Teile ist kurz darzustellen. Anhand ausgewählter Beispiele kann die Gestaltung von notfallspezifischen Unterlagen (z.B. Entnahmeexemplare) erläutert werden.

(3) Die im Notfallhandbuch verwendeten Abkürzungen, Schreibweisen und Definitionen, die allgemein für das Notfallhandbuch gelten, sind in Teil 0 des Notfallhandbuchs aufzunehmen, soweit diese nicht im Betriebshandbuch schon enthalten sind.

6 Anforderungen an Teil 1 des Notfallhandbuchs (Organisatorische Regelungen)

(1) Im organisatorischen Teil des Notfallhandbuchs sind Festlegungen zur Aufbauorganisation für den Notfall zu treffen, wobei die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten gemäß PBO (personelle Betriebsorganisation) einzuhalten sind. Verweise auf das Betriebshandbuch sind zulässig.

(2) Im organisatorischen Teil des Notfallhandbuchs sind zu berücksichtigen:

  1. Aufbau der Notfallorganisation Der Aufbau der Notfallorganisation ist darzustellen.

    Hinweis:
    Zur Notfallorganisation gehören insbesondere der Notfallstab (Krisenstab), die Einsatzeinheiten und die Verbindungspersonen zu internen und externen Stellen.

  2. Aufgabenverteilung, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten
    Die Aufgabenzuordnung an den Notfallstab, an das Schichtpersonal und an die Einsatzeinheiten ist darzustellen. Eine Liste der Funktionsinhaber des Notfallstabes ist aufzunehmen.
  3. Kriterien und Verfahren zur Einberufung sowie Inkraft- und Außerkraftsetzung der Notfallorganisation
  4. Standorte, Einrichtungen und Ausrüstung der Notfallorganisation
    Die Einsatzräume des Notfallstabes einschließlich der Ausweichstelle und der Einsatzeinheiten sind aufzuführen. Einrichtung und Ausrüstung der Räume sind zu beschreiben.
  5. Zusammenarbeit mit externen Stellen
    Die Verfahren und Zuständigkeiten bei der Zusammenarbeit und Kommunikation mit externen Stellen, z.B. Behörden, Kraftwerkseigentümern, Kraftwerkshersteller, dem kerntechnischen Hilfsdienst, der Öffentlichkeit und den Medien, sind festzulegen.
  6. Zutritts- und Zufahrtsregelungen
    Die für den Notfall notwendigen Zutritts- und Zufahrtsregelungen sind festzulegen.
  7. Radiologische Überwachung
    Regelungen für die radiologische Überwachung des Betriebs- und Fremdpersonals sowie die Emissions- und Immissionsüberwachung für den Notfall sind festzulegen.
  8. Arbeitsunterlagen

Hier sind z.B. Einberufungslisten, Checklisten, Formblätter für Lageberichte, Berechnungs-, Dokumentations- und Entscheidungshilfen aufzunehmen.

7 Anforderungen an Teil 2 des Notfallhandbuchs (Notfallmaßnahmen)

7.1 Allgemeine Anforderungen

(1) Das Notfallhandbuch ist zustandsorientiert aufzubauen. Im Bedarfsfall können ereignisorientierte Maßnahmen ergänzt werden. Die Kapitel der Notfallmaßnahmen sind vorzugsweise entsprechend den Schutzzielen zu gliedern.

(2) Im technischen Teil des Notfallhandbuchs sind Maßnahmen zur Rückführung der Anlagenparameter in den Bereich, in dem die Schutzziele nicht verletzt sind oder Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen einer Schutzzielverletzung vorzusehen. Weitere nicht direkt den Schutzzielen zugeordnete Maßnahmen dürfen ergänzt werden.

(3) Bei Vorhandensein mehrerer Maßnahmen zur Rückführung der Anlagenparameter in den Bereich, in dem die Schutzziele nicht verletzt sind oder zur Abmilderung der Folgen einer Schutzzielverletzung ist die Auswahl der einzelnen Maßnahmen über Entscheidungsbäume oder Prioritäten zu unterstützen.

(4) Wenn die Anlagenparameter es zulassen oder erfordern, sind Kriterien für die Beendigung der Notfallmaßnahme oder den Übergang in andere Notfallmaßnahmen festzulegen (z.B. sekundärseitige Druckentlastung - primärseitige Druckentlastung).

(5) Querverbindungen zwischen Betriebshandbuch und Notfallhandbuch sind explizit auszuweisen.

7.2 Anforderungen an den Inhalt der einzelnen Notfallmaßnahmen

7.2.1 Überblick

Zu den vorgedachten Ereignisabläufen oder Anlagenzuständen sind Unterlagen zu erstellen, die in übersichtlicher und möglichst kurzer Form die folgenden Informationen enthalten müssen:

  1. Ziel der Maßnahme,
  2. Kriterien für die Auswahl der Notfallmaßnahme (ggf. Unterteilung in Vorbereitungs- und Einleitungskriterien),
  3. Einsatzfälle,
  4. Systemtechnische Voraussetzungen,
  5. Personalbedarf, Tätigkeitsort, Hilfsmittel und Zeitbedarf,
  6. Karenzzeiten,
  7. Erwartete Wirksamkeit,
  8. Beschreibung der Maßnahme und
  9. Wirksamkeitskontrolle.

7.2.2 Fließdiagramme

Es sind Fließdiagramme in nutzergerechter Darstellungstiefe zu erstellen, die den Ablauf der Notfallmaßnahme und die Verknüpfung zwischen den Maßnahmenblöcken grafisch darstellen.

7.2.3 Handlungsanweisungen für Tätigkeiten auf der Warte und vor Ort

Zu den Maßnahmenblöcken sind Handlungsanweisungen mit der Möglichkeit der Protokollierung durchgeführter Handlungen zu erstellen, die in Schritte zu gliedern sind. Bei Handlungsanweisungen für Tätigkeiten vor Ort sind zusätzlich aufzunehmen:

  1. Personalbedarf und Qualifikation,
  2. Tätigkeitsort,
  3. Werkzeuge und Hilfsmittel (z.B. Schlüssel, Adapterkarte, Kabel) mit deren Aufbewahrungsort,
  4. Meldewege und
  5. soweit erforderlich, Gebäudeplanauszüge, Systemschaltpläne, Skizzen, Fotografien zur Verdeutlichung der räumlichen Anordnung.

7.2.4 Entnahmeexemplare

Entnahmeexemplare sind Handlungsanweisungen mit der Möglichkeit der Protokollierung durchgeführter Handlungen

für Tätigkeiten vor Ort. Sie sind separat vorzuhalten und müssen in sich geschlossen sein (keine Querverweise).

7.2.5 Zusätzliche Unterlagen (Diagramme, Tabellen, Anlagen)

Zusätzliche Unterlagen, welche die Durchführung der Maßnahme unterstützen, sind aufzunehmen.

8 Änderungsverfahren

Zur Sicherung der Aktualität des Notfallhandbuchs sind die zutreffenden Regelungen des Änderungsverfahrens des Betriebshandbuch auf das Notfallhandbuch anzuwenden.

9 Aufbewahrungsort des Notfallhandbuchs

Das Notfallhandbuch ist mindestens auf der Warte, der Notsteuerstelle und den Einsatzorten des Notfallstabs vorzuhalten.

.

Bestimmungen, auf die in dieser Regel verwiesen wirdAnhang A

(Die Verweise beziehen sich nur auf die in diesem Anhang angegebene Fassung. Darin enthaltene Zitate von Bestimmungen beziehen sich jeweils auf die Fassung, die vorlag, als die verweisende Bestimmung aufgestellt oder ausgegeben wurde.)

KTA 1201(2009-11)Anforderungen an das Betriebshandbuch

.

Bestimmungen, auf die in dieser Regel hingewiesen wirdAnhang B
(informativ)

(Dieser Anhang enthält die Bestimmungen, auf die in der Regel in informativer Weise hingewiesen wird.)

AtGGesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz - AtG) vom 23. Dezember 1959, Neufassung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I 1985, Nr. 41, S. 1565), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. März 2009 (BGBl. I 2009, Nr. 15, S. 556).
StrlSchVVerordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV) vom 20. Juli 2001 (BGBl. I 2001, Nr. 38, S. 1714), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. August 2008 (BGBl. I 2008, Nr. 40).
AtVfVVerordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes (Atomrechtliche Verfahrensverordnung - AtVfV) vom 18. Februar 1977 (BGBl. I S. 280), in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 180), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2819)


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