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KTA 2207 - Schutz von Kernkraftwerken gegen Hochwasser
Sicherheitstechnische Regel des KTA
Fassung 2022-11
(BAnz. AT 02.02.2023 B2)
Frühere Fassungen der Regel: | 1982-06 (BAnz Nr. 173A vom 17. September 1982) |
1992-06 (BAnz Nr. 36a vom 23. Februar 1993) | |
2004-11 (BAnz Nr. 35 a vom 19. Februar 2005) |
(1) Die Regeln des Kerntechnischen Ausschusses (KTA) haben die Aufgabe, sicherheitstechnische Anforderungen anzugeben, bei deren Einhaltung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 Atomgesetz -AtG-), um die im AtG, im StrlSchG und in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) festgelegten sowie in den "Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke" (SiAnf) und den "Interpretationen zu den Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke" weiter konkretisierten Schutzziele zu erreichen.
(2) Gemäß den SiAnf sind Schutzmaßnahmen gegen Einwirkungen von Hochwasser vorzusehen. Hochwasser gehört zu der Störfallgruppe, gegen die anlagentechnische Schadensvorsorge getroffen werden muss und die aufgrund der getroffenen Vorsorge bezüglich ihrer radiologischen Auswirkungen auf die Umgebung nicht relevant ist. Die Grundsätze dieser Vorsorge sind in dieser Regel festgelegt.
(3) In dieser Regel werden die allgemeinen Anforderungen an technische und organisatorische Maßnahmen zum Hochwasserschutz festgelegt. Umfang und Qualität der Maßnahmen richten sich nach der Bedeutung, die dem Hochwasserschutz zur Erfüllung der jeweils gefährdeten Schutzziele zukommen.
Hinweis:
Unter Hochwasser wird in dieser Regel ein Flusshochwasser oder eine Sturmflut verstanden.
1 Anwendungsbereich
Diese Regel ist auf Kernkraftwerke mit Leichtwasserreaktoren anzuwenden.
2 Begriffe
(1) Bemessungshochwasser
Das Bemessungshochwasser ist das Hochwasserereignis, das dem Hochwasserschutz der Anlage zur Einhaltung der sicherheitstechnischen Schutzziele zugrunde liegt.
(2) Permanenter Hochwasserschutz
Permanenter Hochwasserschutz ist der Hochwasserschutz, der ständig wirksam ist (z.B. Schutz durch hochwassersichere Umschließung, erhöhte Anordnung, Abdichtung).
(3) Temporärer Hochwasserschutz
Temporärer Hochwasserschutz ist der Hochwasserschutz, der nur zeitweise wirksam wird (z.B. Schutz durch mobile Hochwasserbarrieren).
3 Standorte
Folgende Standorte sind zu unterscheiden:
4 Bemessungsgrundlagen
4.1 Bemessungshochwasser
(1) Für das Bemessungshochwasser sind zur Bestimmung des Bemessungswasserstandes der maßgebende Hochwasserabfluss und Hochwasserstand zu ermitteln. Dabei sind alle maßgebenden Einflussgrößen und deren absehbare Veränderungen zu erfassen. Insbesondere ist zu prüfen, inwieweit die folgenden Einflussgrößen in Betracht zu ziehen sind:
(2) Es ist zu prüfen, welche Einflussgrößen gleichzeitig auftreten können und deshalb überlagert werden müssen.
(3) Zur Festlegung des Hochwasserschutzes ist die Abhängigkeit des Hochwasserabflusses und des Hochwasserstandes von der Oberschreitungswahrscheinlichkeit darzustellen.
(4) Sofern neben dem maximalen Wasserstand auch der zeitliche Verlauf des Hochwasserereignisses für den Hochwasserschutz relevant ist, sind Abflussganglinien oder Sturmflutwasserstand-Zeitverläufe für das Bemessungshochwasser anzugeben.
4.2 Bemessungswasserstand
(1) Als Bemessungswasserstand ist der höchste Wasserstand zu ermitteln, der sich im Bereich der zu schützenden Anlagenteile und der Schutzbauwerke einstellt. Dabei sind die Einflussgrößen aus Abschnitt 4.1 (1) zu berücksichtigen. Des Weiteren sind die sich aus diesen Einflussgrößen, der Datenbasis, den Extrapolationsverfahren und der historischen Entwicklung der Topographie ergebenden Unsicherheiten darzustellen und zu berücksichtigen.
(2) Für Binnenstandorte ist als Ausgangsgröße zur Ermittlung des Bemessungswasserstandes ein Hochwasserabfluss im Gewässer mit einer Oberschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a anzusetzen.
Hinweis:
Anhang A enthält ein Verfahren zur Ermittlung von Hochwasserabflüssen dieser Oberschreitungswahrscheinlichkeit für Binnengewässer.
(3) Für Küstenstandorte und Standorte an Tideflüssen ist zur Ermittlung des Bemessungswasserstandes als Ausgangsgröße ein Sturmflutwasserstand mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a anzusetzen.
Hinweis:
Anhang A enthält ein Verfahren zur Ermittlung von Sturmflutwasserständen dieser Überschreitungswahrscheinlichkeit.
(4) Die nach Absatz 2 und 3 ermittelten Hochwasserabflüsse und Sturmflutwasserstände sind mit historischen Hochwasserereignissen in der Umgebung des Standorts zu vergleichen, sofern ausreichende Dokumentationen dieser Ereignisse vorliegen. Es ist sicherzustellen, dass der Bemessungswasserstand auch die Wasserstände abdeckt, die sich am Standort aufgrund solcher Hochwasserereignisse einstellen würden. Dabei ist die Übertragbarkeit der Randbedingungen für die Hochwasserereignisse und Wasserstände zu berücksichtigen.
4.3 Schutzumfang
(1) Alle Anlagenteile, deren Sicherheitsfunktionen zur Einhaltung der den Sicherheitskriterien zugrundeliegenden Schutzziele
erforderlich sind, sind so zu schützen, dass sie beim Auftreten der Einwirkungskombinationen nach Abschnitt 5 ihre sicherheitstechnische Funktion erfüllen können.
(2) Alle weiteren Anlagenteile, deren Beschädigung oder Versagen infolge Hochwasser die vorgenannten Anlagenteile in ihrer sicherheitstechnischen Funktion beeinträchtigen können, sind ebenso in das Schutzkonzept einzubeziehen.
5 Einwirkungskombinationen und Nachweise
(1) Die Einwirkungen infolge Bemessungshochwasser (HB) sind mit den Einwirkungen (L) und den Einwirkungen aus möglichen Folgeereignissen (RH) zu überlagern.
Hierbei bedeuten:
L | : | Einwirkungen (z.B. Eigenlast, ständige Last, Verkehrslast, Betriebslasten, Erddruck, Windlast) |
HB | : | Einwirkungen infolge Bemessungshochwasser (z.B. statischer Wasserdruck aus Bemessungswasser- stand, strömendes Wasser, Wellen, Auftrieb, Treibgut, Eisdruck) |
RH | : | Einwirkungen aus möglichen Folgeereignissen, hervorgerufen durch das Bemessungshochwasser (z.B. Unterspülung, Erosion) |
(2) Für Einrichtungen zum Hochwasserschutz, die nicht gegen das Bemessungserdbeben nach KTA 2201.1 ausgelegt sind, ist zu prüfen, ob bei einer Einwirkungskombination aus einem Hochwasser mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-2/a und einer Erdbebeneinwirkung beim Inspektionsniveau (40% des Beanspruchungsniveaus des Bemessungserdbebens nach KTA 2201.1) der Schutzumfang nach Abschnitt 4.3 gewährleistet ist.
(3) Einwirkungskombinationen des Bemessungshochwassers mit einem anderen unabhängigen Bemessungsereignis oder einem unabhängigen anlageninternen Störfall brauchen nicht berücksichtigt zu werden.
(4) Für Einrichtungen des Hochwasserschutzes, die nicht gegen Windeinwirkungen gemäß DIN EN 1991-1-4 ausgelegt sind, ist aufgrund des kausalen Zusammenhangs für die Einwirkungskombination Sturmflut mit Starkwind an Küstenstandorten und Standorten an Tideflüssen zu überprüfen, ob der Schutzumfang nach Abschnitt 4.3 gewährleistet ist.
(5) Bei der Ermittlung der ungünstigsten Beanspruchung ist der zeitliche Verlauf der Einwirkungen zu berücksichtigen.
(6) Die Standsicherheit und die Begrenzung der Wasserdurchlässigkeit der für den Hochwasserschutz erforderlichen Bauteile ist unter Ansatz der Einwirkungskombination nach Absatz 1 nachzuweisen.
Sollten im Rahmen der Prüfung des Schutzumfangs nach Absatz 2 Nachweise hinsichtlich der Standsicherheit der dem Hochwasserschutz dienenden Bauteile erforderlich sein, so sind diese zu führen.
(7) An Massivbauwerke, bei denen keine Anforderungen an die Dichtigkeit zu stellen sind oder die mit einer Bauwerksabdichtung nach KTA 2501 versehen sind, brauchen bei den Einwirkungskombinationen nach den Absätzen 1 und 2 keine höheren Anforderungen gestellt zu werden als bei der Auslegung der baulichen Anlagen gegen das Bemessungserdbeben.
6 Hochwasserschutzmaßnahmen
6.1 Allgemeines
(1) Der Hochwasserschutz ist durch folgende Maßnahmen sicherzustellen:
(2) Es ist ein Schutzkonzept zu entwickeln, welches anlagenspezifisch das Zusammenwirken der unter Absatz 1 Aufzählungen a bis c genannten Maßnahmen darstellt.
6.2 Bauliche Schutzmaßnahmen
(1) Gegen den Bemessungswasserstand muss grundsätzlich permanenter Hochwasserschutz bestehen. Für einzelne Bereiche der Anlage darf abweichend davon bei einer ausreichenden Vorwarnzeit, in der die temporären Hochwasserschutzmaßnahmen durchgeführt werden können, die Differenzhöhe zwischen dem Wasserstand beim Hochwasser mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-2/a und dem Bemessungswasserstand durch temporären Hochwasserschutz abgedeckt werden.
(2) Standortabhängig sind insbesondere folgende Maßnahmen des permanenten Hochwasserschutzes anzuwenden:
(3) Beim temporären Hochwasserschutz sind insbesondere folgende Maßnahmen anzuwenden:
(4) Einrichtungen des Hochwasserschutzes sind hinsichtlich ihres anforderungsgerechten Zustandes wiederkehrend zu prüfen.
(5) Einrichtungen des Hochwasserschutzes, die druckwasserfest auszuführen sind und keiner WKP unterliegen, sind so auszulegen, dass während ihrer geplanten Lebensdauer der Schutzumfang nach Abschnitt 4.3 erhalten bleibt.
6.3 Sicherstellung der Zugänglichkeit
Die Zugänglichkeit und die Versorgung mit notwendigen Betriebsmitteln für sicherheitstechnisch relevante Einrichtungen muss auch beim Bemessungshochwasser sichergestellt bleiben. Dabei dürfen auch technische Hilfseinrichtungen in Anspruch genommen werden.
6.4 Organisatorische und administrative Maßnahmen
Der permanente und der temporäre Hochwasserschutz sind durch organisatorische und administrative Maßnahmen zu ergänzen. Hierzu gehören insbesondere:
Die Maßnahmen sind in das Betriebshandbuch aufzunehmen.
Ableitung von Hochwasserabflüssen und Sturmflutwasserständen der Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a | Anhang A |
A 1 Grundlagen
(1) Der Schutz von Kernkraftwerken gegen Hochwasser nach dieser Regel geht von einem Hochwasserereignis der Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a aus, d.h. von einem extrem seltenen Hochwasserereignis. Je nach Standort an Binnengewässern oder an Küsten und Tidegewässern unterscheiden sich jedoch die Vorgehensweisen zur Ermittlung des Bemessungswasserstandes im Bereich der zu schützenden Anlagenteile und Schutzbauwerke des Kraftwerks.
(2) An Binnengewässern wird von einem Hochwasserabfluss im Gewässer dieser Überschreitungswahrscheinlichkeit ausgegangen. Ein Verfahren zur Ableitung eines solch seltenen Hochwasserabflusses ist in Abschnitt A 2 dargelegt. Standortabhängig sind im Einzelfall auch andere Verfahren anwendbar [1]. Bei Binnengewässern ist neben den Verhältnissen am Standort (maximal möglicher Durchfluss) auch die großräumige Retentionswirkung im Einzugsgebiet zu berücksichtigen.
Hinweis:
Bei derart seltenen Hochwasserereignissen kann von einer großräumigen Wirkung der Deichsysteme an Binnengewässern im Einzugsgebiet nicht mehr ausgegangen werden.
(3) An Küstenstandorten und Standorten an Tidegewässern wird von einem Sturmflutwasserstand dieser Überschreitungswahrscheinlichkeit ausgegangen. Ein Verfahren zur Ableitung eines solch seltenen Hochwasserstandes ist in Abschnitt A 3 dargelegt.
(4) Anhand des Hochwasserabflusses oder Sturmflutwasserstandes ist standortspezifisch, zum Beispiel mittels einer hydraulischen Berechnung, der zugehörige Wasserstand im Bereich der zu schützenden Anlagenteile und der Schutzbauwerke des Kraftwerks zu ermitteln.
A 2 Ableitung von Hochwasserabflüssen der Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a an Binnengewässern
(1) Zur Ableitung eines maßgebenden Hochwasserabflusses an Binnengewässern soll eine Extrapolation auf statistischer Grundlage nach der in [1] angegebenen Konvention angewendet werden, die das Zusammentreffen ungünstiger Einflüsse abdeckt.
Dazu ist die folgende standardisierte Verteilungsfunktion in erweiterter Form anzuwenden:
HQ(10-4) = MHQ + sHQ ⋅ k(10-4) | (A 2-1) |
mit
HQ(10-4) | Hochwasserscheitelabfluss mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a in m3/s |
MHQ: | Mittlerer Hochwasserscheitelabfluss einer längeren Zeitreihe in m3/s. |
sHQ: | Standardabweichung der Hochwasserscheitelabflüsse einer längeren Zeitreihe in m3/s. |
k(10-4): | Häufigkeitsfaktor für eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a. |
Hinweis:
Bei dem Verfahren wird von einem Hochwasserscheitelabfluss der Überschreitungswahrscheinlichkeit 10-2/a auf einen Hochwasserscheitelabfluss der Überschreitungswahrscheinlichkeit 10-4/a geschlossen.
Es wird davon ausgegangen, dass der Hochwasserscheitelabfluss der Überschreitungswahrscheinlichkeit 10-2/a nach den üblichen statistischen Verfahren (DWA MERKBLATT DWA-M 552) abgeleitet wird.
Für die darüberhinausgehende Extrapolation wird die Pearson-Ill-Wahrscheinlichkeitsverteilung zugrunde gelegt.
Auf ihrer Basis werden benötigte Häufigkeitsfaktoren bestimmt.
Die Schiefe wird im Rahmen der Konvention nach [1] auf c = 4 maximiert.
(2) Die statistischen Parameter MHQ und sHQ sowie die tatsächliche Schiefe c sind aus den Beobachtungsdaten eines repräsentativen Pegels zu berechnen.
(3) Der Häufigkeitsfaktor k(10-4) ist als Produkt des Häufigkeitsfaktors k und eines Quotienten f zu berechnen:
k(10-4) = k ⋅ f | (A 2-2) |
(4) Der Häufigkeitsfaktor k für die Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-2/a ist für die tatsächliche Schiefe c der Beobachtungsdaten aus Tabelle A-1 zu entnehmen.
Alternativ darf k ausreichend genau nach der Formel
k = 2,3183 + 0,7725 ⋅ c - 0,0650 ⋅ c2 | (A 2-3) |
ermittelt werden.
(5) Der Quotient f ist aus dem Häufigkeitsfaktor k(10-4)max für eine maximierte Schiefe von c = 4 und dem Häufigkeitsfaktor k(10-2)max, ebenfalls für die maximierte Schiefe c = 4, zu berechnen.
f = k(10-4)max / k(10-2)max = 12.36 / 4,37 = 2,8 | (A 2-4) |
Hinweis:
Beide Häufigkeitsfaktoren sind unabhängig von ortsspezifischen Daten.
(6) Bei der Anwendung des Verfahrens sind die allgemeinen Vorgaben des DWA MERKBLATT DWA-M 552 für die statistische Analyse von Hochwasserabflüssen zu berücksichtigen.
Tabelle A-1: Häufigkeitsfaktoren k für eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-2/a und die tatsächliche Schiefe c der Beobachtungsdaten
c | 0,0 | 0,1 | 0,2 | 0,3 | 0,4 | 0,5 | 0,6 | 0,7 | 0,8 | 0,9 | |
k | 2,326 | 2,399 | 2,472 | 2,544 | 2,615 | 2,685 | 2,755 | 2,823 | 2,891 | 2,957 | |
c | 1,0 | 1,1 | 1,2 | 1,3 | 1,4 | 1,5 | 1,6 | 1,7 | 1,8 | 1,9 | |
k | 3,022 | 3,086 | 3,149 | 3,211 | 3,271 | 3,330 | 3,388 | 3,444 | 3,499 | 3,552 | |
c | 2,0 | 2,1 | 2,2 | 2,3 | 2,4 | 2,5 | 2,6 | 2,7 | 2,8 | 2,9 | |
k | 3,605 | 3,656 | 3,705 | 3,753 | 3,800 | 3,845 | 3,889 | 3,931 | 3,973 | 4,012 | |
c | 3,0 | 3,1 | 3,2 | 3,3 | 3,4 | 3,5 | 3,6 | 3,7 | 3,8 | 3,9 | 4,0 |
k | 4,051 | 4,088 | 4,124 | 4,159 | 4,192 | 4,224 | 4,255 | 4,285 | 4,314 | 4,341 | 4,367 |
A 3 Ableitung von Sturmflutwasserständen der Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a für Küstenstandorte und Standorte an Tidegewässern
(1) Zur Ableitung eines Sturmflutwasserstandes für Kernkraftwerke an Küstenstandorten und Standorten an Tidegewässern soll folgendes Extrapolationsverfahren auf statistischer Grundlage angewendet werden.
Der Sturmflutwasserstand SFWH(10-4) mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-4/a ist als Summe aus einem Basiswert und einer Extrapolationsdifferenz wie folgt zu ermitteln:
SFWH(10-4) = BWH(10-2) + ED | (A 3-1) |
mit
BWH(10-2) | Sturmflutwasserstand mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10-2/a für den Standort als Basiswert |
ED | Extrapolationsdifferenz, die den Differenzwasserstand zwischen einem Sturmflutwasserstand der Überschreitungswahrscheinlichkeit 10-4/a und dem Basiswert erfasst |
(2) Der Basiswert BWH(10-2) ist auf Grundlage einer quantitativstatistischen Extremwertanalyse (z.B. nach [2] und [3]) unter Berücksichtigung von einschlägigen Vorgaben (z.B. DWA MERKBLATT DWA-M 552) zu ermitteln. Hierbei ist die Qualität der Daten zu berücksichtigen.
Hinweis:
Der Basiswert ist über geeignete statistische Verfahren zu ermitteln, da
- die Streubreite der Ergebnisse BWH(10-2) bei den üblicherweise langen und qualitativ guten Wasserstandszeitreihen an den Küsten und in den Tidegewässern relativ gering ist,
- der Wasserstand BWH(10-2) sich in Abhängigkeit von der Beobachtungslänge der jeweiligen Zeitreihen z. T. noch im Interpolationsbereich oder nahen Extrapolationsbereich befindet,
- der Wasserstand BWH(10-2) durch umfangreiche Untersuchungen abgesichert und sowohl durch physikalische als auch numerische Modelle verifizierbar ist.
(3) Die Wasserstandsdaten sind zu homogenisieren, da die Sturmflutwasserstände von der Entwicklung der Wasserstände an den Küsten - insbesondere vom säkularen Meeresspiegelanstieg - sowie von anthropogenen Änderungen in den Tidegewässern abhängig sind.
(4) Die Extrapolationsdifferenz ist an den Küsten oder Mündungen der Tideflüsse z.B. nach [2] und [3] zu ermitteln.
Hinweis:
Der seegangsbedingte lokale Wellenauflauf ist in der Extrapolationsdifferenz nicht enthalten.
Bestimmungen und Literatur, auf die in dieser Regel verwiesen wird | Anhang B |
(Die Verweise beziehen sich nur auf die in diesem Anhang angegebene Fassung.
Darin enthaltene Zitate von Bestimmungen beziehen sich jeweils auf die Fassung, die vorlag, als die verweisende Bestimmung aufgestellt oder ausgegeben wurde.)
AtG | Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), das zuletzt durch die Bekanntmachung vom 3. Januar 2022 (BGBl. I S. 14) geändert worden ist | |
StrlSchG | Strahlenschutzgesetz vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966), das zuletzt durch die Bekanntmachung vom 3. Januar 2022 (BGBl. I S. 15) geändert worden ist | |
StrlSchV | Strahlenschutzverordnung vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2034, 2036), die zuletz durch Artikel 1 der Verordnung vom 8. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4645) geändert worden ist | |
SiAnf | (2015-03) | Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2015 (BAnz AT 30.03.2015 B2) |
Interpretationen | (2015-03) | Interpretationen zu den Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke vom 22. Novembe 2012, geändert am 3. März 2015 (BAnz AT 30.03.2015 B3) |
KTA 2201.1 | (2011-11) | Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen; Teil 1: Grundsätze |
KTA 2501 | (E 2022-11) | Bauwerksabdichtungen von Kernkraftwerken |
DIN EN 1991-1-4 | (2010-12) | Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen - Windlasten; Deutsche Fassung EN 1991-1-4:2005 + A1:2010 +AC:2010DIN EN 1991-1-4/NA:2010-12 in Verbindung mit |
DIN EN 1991-1-4/NA | (2010-12) | Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen - Windlasten |
DWA-M 552 | (2012-08) | Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA): Merkblatt DWA-M 552 - Ermittlung von Hochwasserwahrscheinlichkeiten - August 2012 |
Literatur: | |
[1] | KLEEBERG, H.-B.; SCHUMANN, A. H. (2001): Ableitung von Bemessungsabflüssen kleiner Oberschreitungswahrscheinlichkeiten Wasserwirtschaft, 91. Jahrgang., Heft 2, Februar 2001, S.90-95 |
[2] | JENSEN, J.; FRANK.T: Zur Abschätzung von Sturmflutwasserständen mit sehr kleinen Oberschreitungswahrscheinlichkeiten Die Küste, Sonderdruck, Heft 67, Jahr 2003 |
[3] | JENSEN, J.: Eintrittswahrscheinlichkeiten von Sturmfluten - Statistisch gesehen. HANSA (12), 137. Jahrgang (2000 b) |
(informativ) | Anhang C |
Änderungen gegenüber der Fassung 2004-11
Zur Anpassung an die neuen Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke wurde die Regel im Grundlagenabschnitt überarbeitet.
Es wurde ein Hinweis aufgenommen, dass diese Regel sich nur mit Flusshochwässern und Sturmfluten und nicht mit lokalen Starkregenereignissen befasst.
In Abschnitt 4.1 wurde ein neuer Absatz 3 zum zeitlichen Verlauf des Hochwasserereignisses aufgenommen. Die Berücksichtigung von Unsicherheiten erfolgte in Abschnitt 4.2 Absatz 1. Historische Ereignisse wurden in Abschnitt 4.2 in einem neuen Absatz 4 aufgenommen.
In Abschnitt 5 erfolgten Anpassungen hinsichtlich Einwirkungskombinationen an die SiAnf (vergleiche SiAnf Abschnitt 4.2 (1) Aufzählung c)). In Abschnitt 5 wurde ein neuer Absatz 3 zu Einwirkungskombinationen des Bemessungshochwassers mit einem anderen unabhängigen Bemessungsereignis oder einem unabhängigen anlageninternen Störfall eingefügt. In Abschnitt 5 wurde ein neuer Absatz 4 eingefügt, der besagt, dass aufgrund des kausalen Zusammenhangs für die Einwirkungskombination Sturmflut mit Starkwind an Küstenstandorten und an Standorten an Tideflüssen zu überprüfen ist, ob der Schutzumfang nach Abschnitt 4.3 gewährleistet ist. Der Hinweis in Abschnitt 5 mit Verweis auf die KTA 2101.1 ist entfallen, da entsprechend der Regelungen in der neuen KTA 2101.1 (Fassung 2015-11) keine speziellen Maßnahmen für die Kombination Hochwasser mit Brand getroffen werden brauchen.
In Abschnitt 6.4 Aufzählung g wurde die Überprüfung der ordnungsgemäßen Funktion der Hochwasserschutzmaßnahmen während Hochwasserereignissen neu aufgenommen.
Abschließend wurden die verwiesenen Bestimmungen überprüft und aktualisiert.
ENDE |