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Maßnahmen zum Gesundheitsschutz bei der Herstellung applikationsfertiger Zytostatikalösungen in Apotheken
Richtlinie des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit
vom 9. April 2002
(StAnz. Nr. 18 vom 06.05.2002 S. 1411)
Geltungsbereich:
Bei der Überwachung der quälitätsgerechten rezepturmäßigen Herstellung applikationsfertiger Zytostatikazubereitungen in öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken haben die zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten und dabei die nachstehenden Hinweise und Regelungen zu beachten. Es liegt in der Verantwortung des Apothekenleiters, die Organisation und Durchführung der Zytostatikaherstellung den anerkannten Regeln der pharmazeutischen Wissenschaft und dem Stand der Sicherheitstechnik anzupassen.
I. Einstufung
Zytostatika werden auf Grund ihres gentoxischen therapeutischen Wirkungsmechanismus gemäß Technischer Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 905 Pkt. 2.1 den krebserzeugenden Gefahrstoffen der Kategorie 1 und 2 gleichgestellt.
Damit gilt für den Umgang mit diesen Stoffen. und deren Zubereitungen die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) unter besonderer Berücksichtigung des VI. Abschnittes (Zusätzliche Vorschriften für den Umgang mit krebserzeugenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen).
Leitprinzip des Gefahrstoffschutzes ist die Risikominimierung unter Nutzung des Standes der Technik (GefStoffV § 36 Abs. 3), der besondere Anforderungen an Räume, Ausstattung (Zytostatika-Werkbänke) und Schutzausrüstung stellt.
II. Expositionsrisiko
Der Arbeitgeber hat alle Arbeitsbereiche, in denen Beschäftigte Umgang mit Zytostatika haben, zu erfassen, Art, Ausmaß und Dauer der Exposition sowie die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen zu ermitteln und das Gefahrstoffverzeichnis zu führen (GefStoffV § 16).
Die Gefährdung für den Arbeitnehmer ergibt sich aus Hautresorption und Inhalation von Staub und Aerosolen, die sich beim Umgang mit den Medikamenten bilden können.
Hauptanliegen der Schutzvorschriften ist die Verhinderung der Gefahrstoffinkorporation über die genannten Aufnahmewege.
Von einer Überschreitung der Auslöseschwelle ist nach TRGS 150 auszugehen, wenn es beim Umgang mit hautresorbierbaren krebserzeugenden Gefahrstoffen zu unmittelbarem Hautkontakt kommt.
Dieser kann wegen der besonderen Gefährlichkeit der Zytostatika nicht als geringfügig angesehen werden und ist somit Basis für zahlreiche Schutzmaßnahmen.
III. Rechtsvorschriften
1. Arbeits- und Gesundheitsschutz
2. Rezepturmäßige Herstellung
1. Organisation
1.1 Erstellung und Bekanntmachung von arbeitsbereichs- und stoffbezogenen Betriebsanweisungen (§ 20 GefStoffV; TRGS 555)
1.2 Beschränkung der Zahl der in der Zytostatika-Herstellung tätigen Arbeitnehmer auf ein Minimum (§ 36 Abs. 6 Nr. 2 GefStoffV)
1.3 Beachtung von Schutzbestimmungen für Jugendliche (JArbSchG), werdende sowie stillende Mütter (MuSchG, MuSchRiV)
1.4 Wahrnehmung der Anzeigepflicht gegenüber dem zuständigen Amt für Arbeitsschutz (§ 37 Abs. 1 GefStoffV) hinsichtlich der Verwendung eines krebserzeugenden Gefahrstoffes
2 Personal
2.1 Einsatz von qualifiziertem Personal, das im Besitz des Zertifikates "Zytostatikazubereitung" ist (Ordnung der Landesapothekerkammer über den Erwerb des Zertifikates "Zytostatikazubereitung" vom 8. Juli 1997 [Pharm.Ztg. 1422923(1997)])
Unterweisung des Personals über die auftretenden Gefahren sowie die Maßnahmen zu ihrer Abwendung vor Aufnahme der Tätigkeit und danach mindestens einmal jährlich mit entsprechender Dokumentation (§ 20 GefStoffV)
2.2 Beim Umgang mit Zytostatika nach Stand der Technik lassen sich spezielle arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen medizinisch nicht begründen (TRGS 525 Pkt. 5.8 Abs. 2) (s. a. Anlage 2 Hinweis 6), statt dessen Veranlassung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sowie Erfassung und Auswertung der Untersuchungsergebnisse nach Arbeitssicherheitsgesetz (§ 3 Abs. 1 Nr. 2)
2.3 Festlegung von Notfallmaßnahmen (§ 36 Abs. 6 Nr. 8 GefStoffV)
3 Räume
3.1 Einrichtung eines gegenüber anderen Laborbereichen abgetrennten Raumes (§ 36 Abs. 6 Nr. 3 GefStoffV) und eines abgegrenzten Bereiches mit Schleusenfunktion für getrennte Aufbewahrungsmöglichkeiten für Straßen- und Arbeitskleidung sowie für persönliche Schutzausrüstung (§ 22 Abs. 3 GefStoffV, ASR 34 und 35)
3.2 Verbot von Essen, Trinken, Rauchen im Herstellungsbereich (§ 22 Abs. 2 GefStoffV) und entsprechende Kennzeichnung nach § 36 Abs. 6 Nr. 4 GefStoffV
3.3 Ermöglichung des Zutritts zum Herstellungsbereich nur für befugtes Personal (§ § 24 Abs. 3, 36 Abs. 6 Nr. 3 GefStoffV)
3.4 Mindestraumgröße 8 m2 (§ 23 ArbStättV), freie Bewegungsfläche am Arbeitsplatz nicht kleiner als 1,5 m2 und an keiner Stelle weniger als 1 m breit (§ 24 ArbStättV)
3.5 GMP-gerechte Ausführung der Räumlichkeiten
4 Ausstattung
4.1 Neu zu beschaffende Zytostatika-Werkbänke müssen nach DIN 12980 typgeprüft sein.
Typgeprüfte mikrobiologische Sicherheitswerkbänke nach DIN 12 950 Teil 10 sowie nach dem berufsgenossenschaftlichen Prüfgrundsatz GS-GWS 04 (03/94) dürfen weiterbetrieben werden.
Für den Umluftbetrieb der Werkbänke gelten die "Anforderungen an den Betrieb von Sicherheitswerkbänken mit Luftrückführung für Arbeiten mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Zytostatika" (BArbBl. 7-8/1 998).
Arbeiten ohne jeglichen Produkt- bzw. Personenschutz entsprechen weder den anerkannten Regeln der pharmazeutischen Wissenschaft (PIC-GMP-Leitfaden) noch dem Stand der Sicherheitstechnik und sind daher nicht zulässig (§ 19 GefStoffV).
4.2 Sicherheitswerkbänke müssen sachgerecht aufgestellt, betrieben, gewartet und überprüft werden.
Es wird empfohlen, einen Wartungsvertrag abzuschließen und die Funktionsfähigkeit in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch alle 2 Jahre, zu überprüfen.
Der Wartungsvertrag sollte den kontaminationsarmen Wechsel der Filter und ihre ordnungsgemäße Entsorgung einschließen.
5 Schutzausrüstung
5.1 Bereitstellung geeigneter Schutzausrüstung durch den Arbeitgeber (§ § 15a Abs. 4 und 19 Abs. 5 GefStoffV) Grundausrüstung für den bestimmungsgemäßen Umgang:
5.2 Ausrüstung zur Beseitigung unbeabsichtigter Verunreinigungen:
6 Herstellung
Erstellung einer Herstellungsvorschrift und entsprechende Protokollierung der Herstellung (§§ 6 und 7 ApBetrO)
7 Entsorgung
7.1 Zytostatikareste oder mit Zytostatika verunreinigte Geräte sind als besonders überwachungsbedürftiger Abfall eingestuft (AVV Schl.Nr. 180108*)
7.2 Die Entsorgung hat über ein dafür zugelassenes Entsorgungsunternehmen zu erfolgen.
7.3 Bei jährlichen Abfallmengen unter 2 000 kg benötigt der Abfallerzeuger keinen eigenen Entsorgungsnachweis, da die Entsorgung über den Sammelentsorgungsnachweis des Entsorgungsunternehmens erfolgt (§ 8 Abs. 3 NachwV) (s. Empfehlung Nr. 3).
7.4 Gering kontaminierte Abfälle wie Tupfer, Handschuhe, Einmalkittel, Wischtücher müssen getrennt erfasst, können aber gemeinsam als Hausmüll entsorgt werden (AVV Schl. Nr. 180104).
7.5 Sammlung kontaminierter Abfälle in dichtschließenden Einmalbehältnissen, vorzugsweise Einsiegelung (§ 36 Abs. 6 Nr. 6 GefStoffV)
7.6 Kennzeichnung von Abfallbehältnissen gemäß GefStoffV (§ 36 Abs. 6 Nr. 7 und TRGS 201)
7.7 Auskunft über geeignete Entsorgungsunternehmen erteilt:
TÜS - Thüringer Gesellschaft zur Überwachung der
Sonderabfallentsorgung mbH
Auf der Waldmühle 10
99102 Erfurt-Waltersleben
Tel.: (03 61) 34 37-0
Fax: (0361) 3459055 oder 3459050
8 Reinigung
Festlegung von Reinigungsverfahren, die auch Textilien nach unbeabsichtigter Kontamination einschließen, in der Betriebsanweisung (s. Pkt 1.1)
9 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten
Diese Richtlinie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Gleichzeitig tritt die Richtlinie zur Durchsetzung der Maßnahmen zum Gesundheitsschutz beim beruflichen Umgang mit Zytostatika und deren Anwendung bei der Herstellung applikationsfertiger Zytostatikalösungen in Apotheken vom 5. November 1996 (ThürStAnz Nr. 49/1 996 S. 2202) außer Kraft.
Erfurt, 09.04.2002
Rechtsverbindliche Festlegungen zur Herstellung von Arzneimitteln (Rezepturen) in der Apotheke | Anlage 1 |
Festlegungen | Umgangsart/Umsetzung | Gesetzliche Grundlagen |
Herstellung von Darreichungsformen nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln | aseptische Herstellung von Injektions- und Infusionslösungen | § 4 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 7 § 6 Abs. 1 ApBetrO |
Gewährleistung der Qualität des Arzneimittels (einer Rezeptur) durch das Herstellungsverfahren (Herstellungsvorschriften) | Herstellung (keine zusätzliche Prüfung der Rezeptur) | § 7 Abs. 2 ApBetrO |
Einsatz von qualifiziertem pharmazeutischen Personal für die Herstellung (Nachweis) | Rezeptur | § 3 Abs. 4 u. 5 ApBetrO |
Wesentliche Veränderungen der Größe und Lage der Betriebsräume | Vorherige Anzeige bei der zuständigen Behörde | § 4 Abs. 6 ApBetrO |
Geltende Vorschriften des Chemikalienrechts | Vorhandensein als wissenschaftliches Hilfsmittel | § 5 Nr. 4 ApBetrO |
Dokumentation der Herstellung/Prüfung/Lagerung | Aufbewahrungspflicht mindestens 3 Jahre | § 22 Abs. 1 ApBetrO |
Rechtsverbindliche Forderungen für die einzelnen Umgangsarten mit Hinweisen auf persönliche Schutzausrüstungen und technische Hilfsmittel | Anlage 2 |
Forderungen:
Forderungen, Schutzausrüstungen, technische Hilfsmittel | Umgangsart | esetzt. Grundlagen |
Ermittlungspflicht zur technologischen und technischen Risikominimierung | Herstellung, Reinigung, Entsorgung | § 16 GefStoffV |
Anwendung von Arbeitsverfahren nach dem Stand der Technik (s. Hinweis 4) | Herstellung | § 19 GefStoffV § 36 (2) GefStoffV |
Anwendung von persönlichen Schutzausrüstungen bei Überschreitung der Auslöseschwelle z.B.: flüssigkeitsresistente Schutzkittel oder Armstulpen, Schutzhandschuhe, Schutzbrille, Atemschutz (Halbmaske FHM-P 2) | Herstellung, Reinigung, Entsorgung | § 15a (4) GefStoffV |
bei Überschreitung der Auslöseschwelle Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf 8 Std. und wöchentlich auf 40 Std. | Herstellung, Reinigung, Entsorgung | § 15a (5) GefStoffV |
Beschäftigungsbeschränkungen für Jugendliche | Herstellung | § 22 JArbSchG |
Beschäftigungsverbot für werdende und stillende Mütter (s. Empfehlung Nr. 2) | Reinigung, Entsorgung | § § 4, 6 MuSchG und § 5 MuSchRiV |
Betriebsanweisung erstellen | § 20 (1) GefStoffV i. V. m. TRGS 555 | |
Unterweisung vor Aufnahme der Tätigkeit, danach jährliche Wiederholung | Herstellung, Reinigung, Entsorgung | § 20 (2) GefStoffV |
Verbot der Aufnahme von Nahrungs- und Genussmitteln am Arbeitsplatz | § 22 (2) GefStoffV | |
Bereitstellen von Waschräumen (s. Empfehlung Nr. 1 und Hinweis 1) getrennte Aufbewahrungsmöglichkeiten für Straßen- und Arbeitskleidung sowie persönliche Schutzausrüstung | § 22 (3) GefStoffV | |
Begrenzung der Mengen an Zytostatika | § 36 (6) Nr. 1. GefStoffV | |
Begrenzung der Zahl der Arbeitnehmer in den jeweiligen Arbeitsbereichen | Nr. 2. | |
Abgrenzung der betroffenen Arbeitsbereiche, räumliche Trennung von anderen Arbeitsplätzen, Zutrittsverbot für Unbefugte (s. Hinweis 2) | Herstellung, Reinigung, Entsorgung | Nr. 3. |
Kennzeichnung der Arbeitsbereiche | Nr. 4. | |
Aufbewahrung, Lagerung und Transport (s. Hinweis 5) in geeigneten, sicher verschließbaren und gekennzeichneten Behältern | Nr. 5 | |
Sammeln, Lagern und Entsorgen von Reststoffen in geeigneten, sicher verschließbaren und gekennzeichneten Behältern | Nr. 6. | |
Art der Kennzeichnung | Nr. 7. | |
Treffen von Notfallmaßnahmen z.B.: Dekontaminationsset (s. Hinweis 3) | Nr. 8. | |
Reinigung von Räumen, Anlagen und Geräten | Nr. 9. | |
Luftrückführung bei Verwendung lufttechnischer Anlagen verboten, außer wenn mit behördlich oder berufsgenossenschaftlich anerkannten Verfahren oder Geräten die Luft ausreichend gereinigt ist (s. Hinweis 4) | Herstellung, Laborgerätereinigung in der Werkbank | § 36 (7) GefStoffV |
Anzeigeverpflichtung beim zuständigen Amt für Arbeitsschutz | Herstellung, Reinigung, Entsorgung | § 37 GefStoffV |
Arbeitsraummaße (mind. 8 m2 Grundfläche mit 1,5 m2 Bewegungsfläche/Person) | Herstellung | § § 23, 24 ArbStättV |
Entsorgung der Abfälle je nach Kontamination über geeignete Entsorger | Herstellung, Reinigung | AVV Schl.Nr. 180108* und § 8 (3) NachwV |
oder als Hausmüll | AVV Schl.Nr. 180104 |
Empfehlungen:
Nr. 1. Bereitstellung einer Duschmöglichkeit
Nr. 2. Werden Frauen mit den hier genannten Arbeiten betraut, sollten sie nur unter den Voraussetzungen beschäftigt werden, Das ihre Familienplanung angeschlossen ist. Wird der Empfehlung gefolgt, ist zu beachten, dass die Maßnahme sozial verträglich und ohne sonstige Benachteiligungen erfolgt.
Nr. 3 Der Abfallerzeuger sollte sich vom Vorliegen des gültigen Sachkunde- und Sammelentsorgungsnachweises überzeugen.
Hinweise:
1 Zum Erreichen des Schutzzieles ist es notwendig, dass sich die Waschräume im abgegrenzten Arbeitsbereich befinden.
2 Stand der Technik ist hierfür das Prinzip der Schleuse
3 Das Dekontaminationsset sollte mindestens enthalten:
Galoschen - flüssigkeitsdichter Schutzkittel mit langem Arm und eng anliegenden Bündchen - Schutzbrille - Zytostatikahandschuhe - P2-Maske - Zellstoff geschnitten 500 g - Plasteeimer - Handschaufel - Abfallbeutel
4 - Liste GS-geprüfter Sicherheitswerkbänke, zu beziehen über die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Die hier aufgeführten Werkbänke entsprechen bzgl. der Lufttechnik auch den Forderungen nach § 37 GefStoffV
5 Hierzu sind die Angaben im Sicherheitsdatenblatt zu beachten
6 Wenn es im Zusammenhang mit Notfallereignissen zur Überschreitung der Auslöseschwelle kommt, sollte der Betriebsarzt zur Entscheidung über die Durchführung weiterer arbeitsmedizinischer Untersuchungen beteiligt werden.
ENDE |