UWS Umweltmanagement GmbH zurück Frame öffnen

35. Erläuterung zu 4-Chlor-o-Toluidin

(BArbBl. 9/92 S. 56)


Ein TRK-Wert für 4-Chlor-o-toluidin wird nicht festgelegt, da der Gefahrstoff keine technische Bedeutung mehr hat.

4-Chlor-o-toluidin ist im Verzeichnis der krebserzeugenden Gefahrstoffe bei Massengehalten ≥ 1 % in Gruppe II (stark gefährdend) und bei Massengehalten < 0,1 % bis 0,01 % in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Es liegen eine Reihe von Publikationen vor, die nach Expositionen gegenüber 4-Chlor-o-Toluidin (4COT) Hämaturien, hamorrhagische Cystitiden und Unterleibsschmerzen beschreiben. Insgesamt wurde über 40 Vergiftungsfälle berichtet, bei denen zum Teil erst nach einer Latenzzeit von ein bis zwei Tagen die oben geschilderte Symptomatik auftrat [1,2,3,4,5,6].

Bei einer unzureichend dokumentierten Studie an einem Kollektiv von 35 zwischen 1929 und 1953 gegenüber 4COT exponierten Männern wurden keine Malignome beobachtet Eine erhöhte Rate von Atemwegskarzinomen und Malignomen des Verdauungstrakts, jedoch keine Harnblasencarcinome wurden beobachtet bei einem Kollektiv von 117 Männern, die in einem Zeitraum von 1940 bis 1975 gegenüber o-Toluidin, 4COT und 4-Chloracetyl-o-toluidin exponiert waren [8]. Eine weitere Studie wurde an 335 männlichen Arbeitern durchgeführt, die zwischen 1929 und 1982 mit der Herstellung und Verarbeitung von 4COT beschäftigt waren. 116 Arbeiter waren bis 1970 in einer älteren Anlage beschäftigt, in der auch eine Exposition gegenüber o-Toluidin, 6-Chlor-o-toluidin und N-Acetyl-o-toluidin bestand. In dieser Teilgruppe wurden 5 Malignome verschiedener Lokalisation beobachtet [9]. Bei der Nachfolgeuntersuchung wurden insgesamt 8 Harnblasencarcinome bei den Arbeitern festgestellt, die vor 1970 zwischen 2 und 20 Jahren (Mittel 11,8 Jahre) exponiert waren. Angaben zur Expositionshöhe liegen nicht vor; es dürften allerdings beachtliche Einwirkungen vorgelegen haben, da bei diesen Arbeitern gehäuft Harnblasenblutungen und z.T. Zyanosen auftraten [10].

Toxikologische Erfahrungen

Im Tierversuch erwies sich 4-Chlor-o-toluidin eindeutig als krebserzeugend. An der Ratte (Lebertumoren und Nebennierenadenome) war die Wirkung nur schwach. An der Maus zeigte sich aber in mehreren Versuchen eine starke krebserzeugende Wirkung, wobei hauptsächlich Tumoren der Blutgefäße beobachtet wurden. An der Maus ließ sich die krebserzeugende Wirkung bis zu Dosierungen von 20 mg/kg Futter nachweisen; bei 2 mg/kg Futter wurde kein solcher Effekt beobachtet [11]. Bei 2 mg/kg Futter nehmen die Mäuse täglich etwa 0,4 mg/kg Körpergewicht auf.

Bei einem Grenzwert von 0,01 mg/m3 läge die Aufnahme bei etwa 0,0015 mg/kg. Es muß aber bedacht werden, daß die beim Menschen nach 4-Chlor-o-toluidin-Exposition beobachteten Blasenkarzinome weder bei der Ratte noch bei der Maus gefunden wurden.

Analytik

In der BIA-Arbeitsmappe [12] wird ein Verfahren für aromatische Amine veröffentlicht. Es ist zu prüfen, ob dieses Verfahren zur Bestimmung von 4-Chlor-o-toluidin geeignet ist.

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

Nach den dem Ausschuß für Gefahrstoffe vorliegenden Erkenntnissen sind Herstellung und Weiterverarbeitung dieses Produktes in der Bundesrepublik vor mehreren Jahren eingestellt worden. In einem Betrieb werden noch geringe Restmengen des Stoffes gelagert und gelegentlich (zweimal in den letzten sechs Jahren) im Labormaßstab abgefüllt. Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen liegen nicht vor.

Hinweise

Neben der inhalativen Aufnahme kann 4-Chlor-o-toluidin auch über die Haut aufgenommen werden. Dem ist durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen (weitere Hinweise: siehe TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen").

In Arbeitsbereichen, in denen mit diesem Stoff umgegangen werden sollte, ist durch eine Arbeitsbereichsanalyse unverzüglich festzustellen, ob der Wert von 0,01 mg/m3 eingehalten ist. Die Ergebnisse der Arbeitsbereichsanalyse sind dem Ausschuß für Gefahrstoffe (AGS) mitzuteilen.

Literatur

[1] Currie, A.N.: J. industr. Hyg. 15, 205 (1933)

[2] Folland, d., S.R.D. Kimbrough, R.E. Cline, R.C. Swiggart, W. Schaffner: J. Amer. med. 239, 1052 (1978)

[3] Kimbrough, RD.: J. environm. Sci. Hlth. 15, 977 (1980)

[4] Stasik, M.J.: Dtsch. med. Wschr. 107, 77 (1982)

[5] Stasik, M.J.: zitiert nach Henschler, D. (Grsg.): Arbeitsmedizinisch-Toxikologische Begründungen von MAKWerten, 4-Chlor-o-Toluidin, Verlag Chemie, Weinheim (1987)

[6] Stasik. M.J.: Differentialdiagnose der Hämaturie. Dtsch. med. Wschr. 107 (1982), S. 77.

[7] Uebelin. F., A. Pletscher: Schweiz. med. Wschr. 84, 917 (1954)

[81 Ott. M.G., R.R. Langner: J. occup. Med. 25, 763 (1983)

[9] Stasik. J., H.-J. Lange, K. Ulm, F. Schuckmann: A historic cohort study of 4-chloro-2-methylaniline workers, Vortrag, Medichem-Tagung. Bahia, Brasilien, Sept. 1985

[10] Stasik, M.J.: Carcinomas of the urinary bladder in a 4-chloro-o-toluidin cohort. Int. Arch. Occup. Environ Health 60 (1988), S. 21-24.

[11] Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe: Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten; Arbeitsstoff-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie, D-6940 Weinheim, (1987).

[12] BIA-Arbeitsmappe "Messungen von Gefahrstoffen", Erich Schmidt Verlag, Bielefeld.







UWS Umweltmanagement GmbH Frame öffnen