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45. TRK- Wert für Auramin und seine Salze
(BArbBl. 1/94 S. 53)
0,08 mg/m3
Technisches Auramin ist im Verzeichnis der krebserzeugenden Gefahrstoffe bei Massengehalten von ≥ 1 % in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.
Arbeitsmedizinische Erfahrungen
An gegenüber technischem Auramin exponierten Arbeitern wurden geringfügig erhöhte Serumwerte für γ-Glutamyltransferase, Alaninaminotransferase und Aspartataminotransferase gefunden; an Lymphozytenkulturen von langjährig exponierten Arbeitern fanden sich keine Hinweise auf eine chromosomenschädigende Wirkung.
Eine Mortalitätsstudie an 191 Auramin-exponierten Arbeitern für den Zeitraum von 1932-1976 sowie eine Follow-up-Studie an 75 Exponierten erbrachte keine Anzeichen für eine kanzerogene Wirkung der Substanz. Die statistische Analyse der Blasenkrebsfälle, die im Zeitraum von 1910-1952 in der englischen Industrie bei der Auramin-Produktion auftraten, erbrachte ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Davon abgesehen, wurden Tumoren bisher nur nach Mischexpositionen unter Beteiligung von Auramin beschrieben [1].
Toxikologische Erfahrungen
Die Ergebnisse aus Untersuchungen zur Gentoxizität von Auramin sind nicht einheitlich. Im Ames-Test stehen negativen Resultaten auch positive Ergebnisse - in der Regel in Gegenwart von S9-Mix gegenüber. Während ein "Host-mediated assay" an der Maus mit oraler Gabe von maximal 4000 mg/kg KGW (2 x in 24-stündigem Abstand) negativ verläuft (Testorganismus: S. typhimurium G 46), ergeben sich in einem anderen Test an der Maus nach oraler Gabe von 660 mg/kg KGW schwache Hinweise auf eine mutagene Wirkung (Testorganismus: S. cerevisiae D3). Ebenfalls mutagen wirkt Auramin im Rezessiv-Letal-Test an Drosophila, während ein Punktmutationstest an L5178Y Maus-Lymphom-Zellen negativ verläuft. In mehreren Mikronucleus-Testen an Mäusen mit oraler oder intraperitonealer Applikation zeigt Auramin kein clastogenes Potential. Technisches Auramin, nicht jedoch speziell gereinigtes, führt nach i.p.-Gabe bei Ratten und Mäusen zu Chromosomen- bzw. DNA-Schädigungen. Weiterhin resultiert die chronische Gabe von 10 mg/m3 im Trinkwasser (ca. 1 mg/kg KGW/Tag) bei Ratten in einer - wenn auch nur schwach ausgeprägten - Bildung von Phosphortriestera in der Leber-DNA. Von den 3 vorliegenden in vitro-Zelltransformationstesten mit technischem Auramin lieferten 2 ein positives Resultat [1].
Die 3-monatige (mit 21-monatiger Nachbeobachtung) sowie die 24-monatige Gabe von 50; 100 bzw. 200 mg Auramin/kg Futter (ca. 3,3; 6,7 bzw. 13,3 mg/kg KGW/Tag) führt bei Sprague-Dawley-Ratten zu erhöhten Tumor-Inzidenzen (siehe Tabelle 1). Im 3-Monats-Versuch ist die Zahl der Tiere mit malignen Tumoren erhöht; im 2-Jahres-Versuch treten bei weiblichen Tieren der 200 mg/kg-Gruppe vermehrt Lebertumoren auf [2].
Bei 52-wöchiger Gabe von 1000 mg Auramin/kg Futter (0,1 %, ca. 143 mg/kg KGW/Tag) wurden bei den behandelten Mäusen (je 15 männliche und weibliche) folgende Tumoren festgestellt (siehe Tabelle 2).
Tabelle 1: Gesamt-Tumorinzidenzen (Zahl der Tiere mit Tumoren/Zahl der eingesetzten Tiere) bei Ratten nach Auramin-Gabe im Futter [2]
3-Monats-Fütterung mit Nachbeobachtung | |||||||
Kontrolle | 50 mg/kg | 100 mg/kg | 200 mg/kg | ||||
M | W | M | W | M | W | M | W |
Benigne und maligne Tumore | |||||||
3/10 | 9/10 | 5/10 | 9/10 | 7/10 | 8/10 | 8/10 | 10/10 |
Maligne Tumore | |||||||
0/10 | 1/10 | 1/10 | 2/10 | 2/10 | 2/10 | 4/10 | 4/10 |
2-Jahres-Fütterungsstudie/Lebertumor-Inzidenz | |||||||
0 | 0 | 0 | 1/20 | 0 | 0 | 0 | 13/20 |
Bei 11/12 männlichen Ratten führte die 87-wöchige Gabe von 1000 mg Auramin/kg Futter (ca. 67 mg/kg KGW/Tag; Gesamtdosis: 10 g/Tier) zur Entstehung von Hepatomen; bei den Kontrolltieren sowie nach 9-wöchiger Auramin-Gabe traten keine Hepatome auf. Die 21-wöchige subkutane Injektion von Auramin (Gesamtdosis 110-120 mg/Tier) führte bei 13/24 männlichen Ratten zu subkutanen Fibrosarkomen und bei 5/24 zu Hepatomen. Die 52-wöchige Gabe von 1000 mg bzw. 2000 mg Auramin/kg Futter (ca. 143 bzw. 286 mg/kg KGW/ Tag) führte bei Mäusen ebenfalls zu einer deutlich erhöhten Inzidenz an Hepatomen. Die ca. 8-jährige tägliche orale Gabe von Auramin (Gesamtdosis: 66 g/Tier) hatte bei Hunden keine pathologischen Veränderungen zur Folge (keine näheren Angaben). In Initiations-Promotionstesten an Ratten zeigt Auramin sowohl tumorinitiierende als auch tumorpromovierende Eigenschaften [1].
Auch das hochgereinigte Auramin führt bei Ratten nach 9-monatiger Verabreichung mit dem Futter ab 1000 mg/kg (ca. 67 mg/kg KGW/ Tag) zum Auftreten von Leberhyperplasien und ab 1500 mg/kg (ca. 100 mg/kg KGW/Tag) zu Leberkarzinomen (1 M/15; bei 2000 mg/kg (133 mg/kg KGW/Tag): 4M/15 und 2W/15) [4]
Damit haben sich sowohl das technische als auch das gereinigte Auramin als kanzerogen im Tierversuch erwiesen. Während beim technischen Auramin mit einem gentoxischen Potential gerechnet werden muß, läßt die unzureichende Datenlage eine abschließende Bewertung der Gentoxizität von gereinigtem Auramin nicht zu.
Analytik
Für die Messung von Auramin gemäß Gesamtstaubdefinition in der Luft in Arbeitsbereichen liegt ein anerkanntes Verfahren in der Methodensammlung ZH 1/120 der Berufsgenossenschaften vor [5]
Die Probenahme erfolgt auf Glasfaserfilter. Die analytische Bestimmung wird nach Extraktion mit einem Methanol/Wasser-Gemisch mittels HPLC durchgeführt.
Die Bestimmungsgrenze beträgt 0,016 mg/m3 an Auramin bei 500 1 Probeluft.
Tabelle 2: Tumorinzidenzen bei Mäusen nach 52-wöchiger Auramin-Gabe (0,1 % im Futter) [3]
Tumortyp | Kontrolle (Erdnußöl s.c.) | Auramin | ||
M | W | M | W | |
Subkutanes Sarkom | 0/30 | 0/30 | 0/15 | 1/15 |
Hepatom | 0/30 | 0/30 | 4/15 | 3/15 |
Lymphom | 1/30 | 4/30 | 3/15 | 8/15 |
benigne Darmtumoren | 1/6 | 0/7 | 0/5 | 0/6 |
maligne Darmtumoren | 0/6 | 0/7 | 1/5 | 0/6 |
Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen
Aus der Produktion von Auramin liegen 9 Meßergebnisse (personenbezogene Probenahme) vor. Die Ergebnisse wurden beim Mahlen, Mischen und Abfüllen von festem Auramin ermittelt. 2 Werte sind unter der Nachweisgrenze, 6 Werte liegen im Bereich zwischen 0,01 und 0,03 mg/m3, 1 Meßergebnis erreicht 0,5 mg/m3
Meßergebnisse von 0,5 mg/m3 Gesamtstaub beim Ab- bzw. Umfüllen von feingemahlenen Feststoffen werden erfahrungsgemäß selbst bei Vorhandensein einer gutfunktionierenden Absauganlage erreicht, so daß bei solchen Tätigkeiten das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung unverzichtbar ist.
Hinweise
Um die Staubbelastung bei der Verarbeitung von Auramin und den entsprechenden Auramin-Salzen (Chlorid, Sulfat) zu vermeiden, werden die Farbstoffe überwiegend in Form von flüssigen Zubereitungen angeboten. Bei Verwendung dieser Flüssigmarken ist von einer dauerhaft sicheren Einhaltung des TRK-Wertes auszugehen, so daß Messungen im Rahmen der Arbeitsbereichsanalyse entfallen können Der TRK-Wert wurde aufgrund der analytischen Möglichkeiten auf 0,08 mg/m3 festgelegt
Literatur
[1] Henschler, D: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: Auramin/Auraminbase. Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Verlag Chemie, Weinheim (1985)
[2] Kirsch, P., Fleig, I., Frentzel-Beyme, R, Gembardt, C., Steinborn, J., Thiess, A. M., Koch, W., Seibert, W., Wellenreuther, G. u. Zeller, H: Auramin. Toxikologische und arbeitsmedizinische Untersuchungen; Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Präventivmedizin 13, Sonderheft Nr. 2, 1-28 (1978)
[3] Bonser, G. M., Clayson, D. B., Jull, J. W.: The induction of tumors of the subcutaneous tissues, liver and intestine in the mouse by certain dyestuffs and their intermediates. Br. J. Cancer 10, 653-667 (1956)
[4] Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: Auramin/Auraminbase Nachtrag 1987. Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie, Weinheim (1987)
[5] ZH 1/120.50; Verfahren zur Bestimmung von Auramin.
Carl Heymanns Verlag, Köln (1993)