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53. Erläuterung zu 1,1-Dimethylhydrazin

(BArbBl. 1/94 S. 60)


Ein TRK-Wert für 1,1-Dimethylhydrazin wird nicht festgelegt. Es liegen keine Angaben zum Umgang mit diesem Gefahrstoff vor, da der Stoff zur Zeit keine technische Bedeutung hat.

1,1-Dimethylhydrazin ist im Verzeichnis der krebserzeugenden Gefahrstoffe bei Massengehalten von > 5 % in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

In Berichten über akute Vergiftungsfalle mit 1,1-Dimethylhydrazin werden nach akzidenteller Inhalation Atembeschwerden, Würgereiz und Erbrechen als Symptome genannt sowie klinisch-biochemische Anzeichen für eine Leberschädigung. Die Geruchsschwelle von 1,1-Dimethylhydrazin liegt unter 0,75 mg/m3 (0,3 ml/m3) [1].

Toxikologische Erfahrungen

1,1-Dimethylhydrazin (UDMH) zeigt unter in vitro-Bedingungen ein gentoxisches Potential: Ames-Tests, UDS-Test und Punktmutationstests an V 79-Zellen sowie an Maus-Lymphom-Zellen verliefen positiv. Demgegenüber ist 1,1-Dimethylhydrazin in verschiedenen in vivo-Gentoxizitätstests (Mikronucleus-Test/Hund, Dominant-Letal-Test/Maus. Spermienanomalie-Test/Maus) inaktiv. 1,1-Dimethylhydrazin reagiert mit zellulärer DNA sowohl in vitro (Inkubation von Rattenhepatozyten) als auch in vivo (Maus, i.p.) unter Bildung von Einzelstrangbrüchen [2].

Die Gabe von 0,1 ml/l 1,1-Dimethylhydrazin im Trinkwasser (ca. 30 mg/kg KGW/Tag) führte bei Swiss-Mäusen beiderlei Geschlechts zu deutlich erhöhten Inzidenzen von Angiosarkomen (79/100; Kontrolle: 2/100) und Lungentumoren (71/100; Kontrolle: 11/100). Außerdem traten vermehrt Nieren- und Lebertumoren (10/100 bzw. 6/100; Kontrolle jeweils 0/100) auf.

Bei einer vergleichbaren Studie an Syrischen Goldhamstern mit Trinkwasser-Applikation von 1 ml/l 1,1-Dimethylhydrazin (ca. 300 mg/kg KGW/Tag) kam es zur Entstehung von Dickdarmtumoren (W 10/50; M 15/50; Kontrolle: 1/100) und Gefäßtumoren (W 2/50; M 14/50; Kontrolle 0/100).

Bei 40-wöchiger Schlundsondenapplikation von 0,5 mg 1,1-Dimethyl-hydrazin/Tier an 5 Tagen/Woche traten bei 5/25 weiblichen Swiss-Mäusen Lungentumoren auf (Kontrolle: 8/85). 3 von 20 BD-Ratten, die über die gesamte Lebenszeit täglich 70 mg 1,1-Dimethylhydrazin/kg KGW mit dem Trinkwasser appliziert bekommen hatten, wiesen Leberkarzinome auf.

Während bei Europäischen Hamstern nach lebenslanger subkutaner Injektion von 1,1-Dimethylhydrazin (einmal wöchentlich 37,3 bzw: 32,5 mg/kg KGW) mit relativ hoher Inzidenz (40 - 43 %; Kontrolle: 0 %) maligne periphere Nervenscheidentumoren auftraten [2], erwies sich die Substanz bei Syrischen Goldhamstern unter vergleichbaren Versuchsbedingungen als nicht kanzerogen [3].

Insgesamt hat sich 1,1-Dimethylhydrazin als kanzerogen bei Ratte, Maus und beim Hamster erwiesen; Wirkungsweise und Wirkungsstärke sind dem als schwach kanzerogen bekannten Hydrazin vergleichbar. Ein gentoxisches Potential ist aufgrund einiger positiver in vitro-Tests sowie angesichts der DNA-alkylierenden Wirkung anzunehmen.

Analytik

Zur Messung von 1,1-Dimethylhydrazin in der Luft in Arbeitsbereichen wird von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft ein Verfahren empfohlen [4]. Für die Probenahme mit Pumpe wird als Adsorbens Silicagel verwendet. Die Aufbereitung erfolgt mit Wasser, 2-Furaldehyd in einer Natriumacetatlösung und Ethylacetat. Die analytische Bestimmung wird gaschromatographisch unter Verwendung eines Flammenionisationsdetektors durchgeführt.

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

Dem Ausschuß für Gefahrstoffe sind keine Arbeitsbereiche bekannt geworden. in denen mit dieser Substanz umgegangen wird. Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen liegen daher nicht vor.

Hinweise

In Arbeitsbereichen, in denen mit diesem Stoff umgegangen werden sollte, ist durch eine Arbeitsbereichsanalyse unverzüglich festzustellen, ob ein Wert von 0,1 mg/m3 eingehalten ist. Dieser Wert orientiert sich insbesondere an den Möglichkeiten der Analytik. Die Ergebnisse der Arbeitsbereichsanalyse sind dem Ausschuß für Gefahrstoffe (AGS) mitzuteilen.

Literatur

[1] Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe, Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: Methylhydrazine; Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie. Weinheim (1972)

[2] American Conference of Governmental Industrial Hygienists (ACGIH): 1,1-Dimethylhydrazine. Documenration of TLV`s, Seite 210,1-210,3 (1989)

[3] Jeong, J.Y. u. Kamino, K.: Lack of tumorigenic activity of 1,1-dimethylhydrazine in Syrian golden hamsters treated by subcutaneous injection. Exp. Toxic. Pathol. 45, 61-63 (1993)

[4] Commission of the European Communities: Measurement Techniques for Carcinogenic Agents in Workplace Air, Royal Society of Chemistry, 1989.

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